Titel: Danilewsky's neuer lenkbarer Flugapparat.
Fundstelle: Band 315, Jahrgang 1900, S. 318
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Danilewsky's neuer lenkbarer Flugapparat. Danilewsky's neuer lenkbarer Flugapparat. Einem demnächst auch in deutscher Uebersetzung erscheinenden Buche von Dr. Danilewsky, in dem er die Entwickelung seines Flugprinzipes schildert und eine theoretische Begründung desselben gibt, entnehmen wir im nachstehenden die interessanteren Mitteilungen über den Werdegang seines schon 1898 310 * 161 und S. 83 d. B. beschriebenen Apparates. Dr. Danilewsky schreibt seinem Apparat gegenüber ähnlichen Konstruktionen die folgenden Vorzüge zu: 1. Sein Flugapparat gibt die Möglichkeit, durch ein äusserst einfaches Mittel leichte Aufstiege bis auf eine erwünschte Höhe und ganz gefahrlose Niedergänge in beliebiger Anzahl zu bewerkstelligen, ohne Ballast abzuwerfen oder Gas ausströmen zu lassen. 2. Es ist die Möglichkeit gegeben, den Flug bei Windstille oder bei schwachem Winde aktiv zu leiten. 3. Der Apparat ermöglicht, nach Belieben in den verschiedenen Luftschichten den günstigen Wind herauszufinden und denselben zu benutzen. 4. Es ist möglich, den Apparat, sobald die erforderlichen Vorbereitungen getroffen sind, täglich, zu jeder Stunde, während 8 bis 9 Tage zu benutzen, und endlich 5. In Anbetracht dessen, dass der Apparat billig, tragbar, gefahrlos und von einfacher Konstruktion ist, kann man denselben bequem im praktischen Leben verwenden. Ueber den Gang der Entwickelung seiner Erfindung teilt uns Dr. Danilewsky folgende interessante Einzelheiten mit: Schon als Student verfolgte mich die Idee, einen Luftschiffapparat zu bauen. 1894 fasste ich den Mut, ein kleines Modell anzufertigen. Es schwebte gehorsam nach allen Richtungen hin, ganz nach meinem Belieben. Viele sahen es, aber es fand sich keiner, der mich durch die Wellen des Zufalls und des Wagespiels begleiten wollte. Im Jahre 1897 fand ich A. A. Pilstrem, welcher den Mut hatte, diese Erfindung materiell zu unterstützen, indem er diesen Beistand als eine humane Pflicht ansah. In demselben Jahre wurde der erste Versuch mit einem wirklichen Flugapparate gemacht. Der Ballon wurde 5 Tage lang mit Wasserstoff gefüllt. Der Versuch gelang; es wurde eine Anzahl von Aufsteigungen und Niedergängen gemacht. Die Idee erwies sich als richtig. Aber das Schicksal wollte mich nicht mehr als einmal begünstigen und eröffnete mir keine weitere Aussicht; ich bliebisoliert, und allein fuhr ich in meiner Arbeit fort. Im Jahre 1898 fing ich an, mich mit mehr Entschlossenheit und Sicherheit zu weiteren Versuchen vorzubereiten. Der Mechanismus des Apparates von 1897 hatte sich als zu schwer erwiesen; 1898 machten wir ihn leichter, indem Aluminium-Stahlröhren zur Anwendung kamen. Die netzartige Bekleidung des Ballons war zu schwer und nutzlos; wir verwarfen dieselbe ganz. Die Flügel waren sehr plump, schwer und entfalteten sich zu langsam in der Luft; wir machten sie leichter und an Umfang kleiner; sie konnten nun jalousieartig geöffnet und geschlossen werden. Die Versuche vom Jahre 1898 waren zahlreich, inhaltsreich und lieferten ein reiches Material für meine späteren Arbeiten. (Vgl. D. p. J. 1898 310 * 161.) Ich hatte nur einen Umstand zu beklagen: meine Mittel gestatteten mir nicht, gleichzeitig mehrere Flugapparate verschiedener Systeme zu konstruieren, um eine Reihe von vergleichenden Versuchen anzustellen, und, so zu sagen, mit einem Schlage die positiven und negativen Seiten meines Flugapparates aufzudecken. Im August desselben Jahres hielt ich über meine Arbeiten einen Vortrag auf dem Naturforscher- und Aerztekongress in Kiew in der Subsektion für Luftschiffahrt, aber mein Vortrag blieb beinahe unbeachtet. Inzwischen erweckten meine Versuche die Aufmerksamkeit verschiedener Personen, welche begannen, meine späteren Arbeiten mit Interesse, aber schweigend zu verfolgen. Natürlich fanden sich Kritiker, welche meine Arbeit, die noch „auf halbem Wege“ war, als etwas in seiner Art Vollendetes ansahen und sich beeilten, dieselbe zu diskreditieren. Man sagte, dass diese Erfindung nichts Interessantes und Neues biete, dass mein Flugapparat „keine Vorzüge“ (!) vor dem gewöhnlichen Ballon aufzuweisen habe, dass der Ballon alt und seit langer Zeit bekannt sei, dass man schon mehrfach Flügel angewendet habe und dass die Idee selbst nicht neu sei. Alles dies konnte mich nicht anfechten. Ich wusste, dass die Kritiker eine „kleine“ Neuerung ausser acht gelassen hatten, welche darin bestand, dass nicht ein Modell, sondern ein wirklicher Flugapparat vom grösseren Gewichte als die Luft thatsächlich zum ersten Male aufgestiegen war und laviert hatte. Ich wusste, dass dieser Apparat in sich als Keim alle Vorbedingungen für seine spätere schnelle Entwickelung trage und dass diese Entwickelung nur eine Frage der Zeit sei. Der Apparat des Typus von 1898 befriedigte mich jedoch nicht, denn: 1. die Handhabung der Flügel war für den Luftschiffer ermüdend; 2. das Schwingen der Flügel nahm zu viel unproduktive Zeit für deren Hebung in Anspruch; 3. der Flügelschlag auf die Luft beanspruchte einen unproduktiven Verlust an Kraft für das Spannen der Springfedern zum Heben der Flügel; 4. der Ballon verbrauchte in seiner horizontalen Lage einen grossen Teil der Arbeit des Luftschiffers, indem er im Momente des Aufstiegs als ein recht ungünstiges Segeln gegen den Wind erschien u.s.w. Ein neuer Typus von einem Flugapparate fing allmählich an, sich in meinem Geiste zu kombinieren und ich schritt an seine Verwirklichung. Die Grundsätze dieses neuen Flugapparates von 1899 sind folgende: Der allgemein gebräuchliche Typus des lenkbaren Flugapparates mit Ballon stellt einen horizontal angelegten Ballon dar. Der allgemeinen Ansicht der Spezialisten gemäss verlangt eine solche Konstruktion unbedingt einen kräftigen und leichten mechanischen Motor, welcher leider bis jetzt noch nicht existierte. Die Verwendung aber einer so schwachen und unbedeutenden Kraft, wie die des Menschen, würde bei einem solchen Systeme keine Wirkung hervorbringen. Das alles unterliegt keinem Zweifel. Ich dachte mir nun: Derjenige Flugapparat, welcher mit einer kleinen bewegenden Kraft in einer befriedigenden Weise arbeiten wird, muss unbedingt bei weitem besser mit einem viel kräftigeren Motor funktionieren. Textabbildung Bd. 315, S. 319 Fig. 1 Der Apparat, welchen ich in diesem Jahre (1899) konstruiert habe, besteht aus drei Grundelementen: 1. dem Motor a; 2. dem Ballon b und 3. der Aëroplane cc. Deren gegenseitige Stellung zu einander erhellt aus Fig. 1. Als Motor kann ein jeder, zu diesem Zwecke geeignete mechanische Motor dienen, und, falls ein solcher fehlt, der Mensch selbst. Den führenden Mechanismus können die Flügel oder eine Propellerschraube bilden. Wenn der Mensch auf die Flügel oder auf die Schraube einwirkt, so kann er nur einen Teil seines Gewichtes zum Steigen bringen; es ist daher augenscheinlich, dass, um sich in die Atmosphäre zu heben, es ihm unvermeidlich sein wird, sein übriges Gewicht auszugleichen, was durch Anbringung einer Aufsteigungshilfskraft in der Gestalt eines mit Wasserstoff gefüllten Ballons erlangt wird. Dieser Ballon ersetzt nur dem Motor (dem Menschen) seine mangelnde Hebekraft, er erscheint nur wie ein zeitweiliges Supplement und wird verschwinden, sobald ein neuer Motor im stände sein wird, das Gesamtgewicht (sein eigenes, das des Menschen und des Mechanismus) zu heben. Wenn wir an diesem Punkte anlangen, erlangen wir einen „wirklich praktischen Flugapparat“, welcher das Problem des Fluges in seinem ganzen Umfange lösen kann. Ich benenne das durch den Ballon gehobene Gewicht, um kurz zu sein, „passives Gewicht“, das aber durch die Arbeit des Motors (des Menschen) gehobene, „aktives Gewicht“. Das „aktive Gewicht“ ist der Fundamentstein des ganzen Prinzipes des in Frage stehenden Flugapparates, und je grösser es sein wird, desto vollkommener wird der Apparat werden. Indem das „aktive Gewicht“ durch die Arbeit des Motors emporgehoben wird, vermehren wir den Vorrat der potenziellen Energie, die, wenn derselbe niedergeht, sich in kinetische Energie (lebendige Kraft) verwandelt. Während der ganzen Zeit, wo der Motor das „aktive Gewicht“ emporhebt, oder es in der Luft equilibriert, wird im ersten Fall der Apparat fortfahren zu steigen, im zweiten Fall bleibt er im Gleichgewicht. Vom Momente an, wo der Motor, nachdem er das „aktive Gewicht“ emporgehoben hatte, seine Arbeit abbrechen wird, geht der Apparat zur Erde nieder, da er der Thätigkeit einer Kraft unterworfen ist, die mit dem „aktiven Gewichte“ gleichwertig ist. Die nächste zu lösende Aufgabe bestand darin, die Arbeit des Motors günstigeren Bedingungen für das vollständigste Utilisieren seiner Kraft zu unterwerfen. Die einfachste Ueberlegung bringt uns auf den Gedanken, dass die beste Form für dieses volle Utilisieren darin bestehe, dass man seine Arbeit ausschliesslich auf das Emporheben des „aktiven Gewichtes“ konzentriere. Dieser so einfache Grundsatz ist für den in Frage stehenden Flugapparat als Basis angenommen worden. Indem man von diesem Grundsatze ausgeht, muss man sich zuerst bemühen, alle damit nicht zusammenhängenden Umstände zu entfernen, welche auf die eine oder die andere Weise die vollständig nützliche Durchführung der Arbeit des Motors beeinträchtigen könnten. In dieser Beziehung ruht das hauptsächlichste Hindernis in der horizontalen Lage des Ballons, d.h. in seiner oberen Fläche, die beim Aufstiege einem grossen Luftwiderstande begegnet. Die Versuche von 1898 haben mir bewiesen, dass vielleicht ein grosser Teil der Arbeit des Motorsdurch die nachteilige Segelung des Oberteils des Ballons nutzlos verbraucht wird. Die vertikale Lage des Ballons mit der oben zugespitzten Vorderseite präsentiert sich dagegen als die einfachste Lösung dieser Aufgabe: der Widerstand der Atmosphäre, welchen er beim Aufsteigen trifft, wird dabei der geringste sein. Die weitere Verringerung des Widerstandes bei einem vertikalen Ballon wird sich in unvermittelter Abhängigkeit von der Verringerung seiner Querschnitte befinden; praktisch wird diese Verringerung selbstverständlich durch seine Oberfläche und sein Gewicht begrenzt. Die durch die Versuche bestätigten theoretischen Erwägungen zeigen, dass die Konzentrierung der Arbeit des Motors für das Emporheben des Gewichtes und die vertikale Lage des Ballons die Bedingungen bilden, welche für einen vorteilhaften Aufstieg des Flugapparates, welcher schwerer als die Luft ist, erforderlich sind. Der aufgestiegene Apparat wird, sobald die Arbeit des Motors aufhört, gleich einem frei fallenden Körper in einem widerstehenden Medium, beginnen, mit steigender Schnelligkeit zur Erde zu fallen. Auch in diesem Falle wird der Ballon zum Gegenwinde schon mit seiner unten zugespitzten Vorderseite gekehrt sein und folglich verhältnismässig die am wenigsten eine nachteilige Segelung vorstellen. Je grösser das „aktive Gewicht“ des Apparates ist, und je bedeutender die Höhe sein wird, von der derselbe zu fallen beginnt, desto grösser wird die potenzielle Energie des Apparates sein, und folglich kann auch die kinetische Energie während des Falles grösser werden, so dass unter gewissen Bedingungen die Bewegung des Apparates eine durchaus schnelle werden und das Leben des Menschen wie auch die Erhaltung des Apparates gefährden kann. Diese Schnelligkeit beim Niedergange kann indessen in eine geregelte mittels einer Fallschirmaëroplane umgewandelt werden. Die Rolle der Aëroplane ist dabei klar und bedarf daher keiner Erörterung. Nachdem man sich die Mechanik der Bewegung beim Aufstiege und beim Niedergange des Apparates klar gemacht hat, erweisen sich alle übrigen Formen des Fluges: des progressiven Fluges, des Fluges gegen den Wind u.s.w., als logische Folgen für die Ausnutzung dieses fundamentalen Prinzipes. Der Klarheit wegen werde ich den ganzen Flug des Apparates in getrennten Momenten und jeden an und für sich analysieren. Diese Momente sind folgende: 1. Aufstieg des Apparates in die Luft. 2. Vertikaler Niedergang. 3. Untersuchung der günstigen Winde und Festhaltung des Apparates in der Luft im Gleichgewicht (in einer vertikalen Ebene lavierend). 4. Progressiver Flug bei ruhigem Wetter (in einer horizontalen Ebene lavierend). 5. Progressiver Flug gegen den Wind. 6. Beständige Beibehaltung der Gleichgewichtslage des Apparates. 7. Das Gesamtbild des Fluges im allgemeinen. 8. Der praktische Flug des Menschen. Der Leser kann nach dem oben Gesagten erkennen, unter welchen Bedingungen man die vorteilhaftesten Aufstiege des Apparates in die Luft erlangen kann. Daraus folgt, dass dieser Aufstieg durchaus vertikal geschehen muss. Nur unter dieser Bedingung ist es möglich, den grössten Nutzen von der Arbeit des Motors zu ziehen und das „aktive Gewicht“ bis zur grösseren Höhe zu heben. Jeder Versuch, von dem vertikalen Aufstiege abzuweichen, um dem Apparate gleichzeitig eine progressive Bewegung in der horizontalen Richtung zu geben, wird eine Erhöhung der Arbeit des Motors nach sich ziehen, die erforderlich sein wird, um das „aktive Gewicht“ zu einer gegebenen Höhe emporzuheben. Beim Aufstiege zu einer grösseren Höhe muss der Motor in einer viel verdünnteren Atmosphäre arbeiten und daher auch eine um so höher gespannte Aufsteigungskraft entwickeln, je bedeutender die vom Aeronauten zu erreichende Höhe ist. Während des Aufstieges des Apparates muss die Aëroplane den möglichst geringen Widerstand der ihr begegnenden Luft bieten. Zu diesem Behufe besteht die Aëroplane in dem erwähnten Apparate aus einer Reihe von drehbaren Jalousien, die man unter einen beliebigen Winkel stellen kann. Ein Handgriff setzt alle Jalousien mit dem Rande gegen den Wind und automatisch werden dieselben während der ganzen Dauer des Fluges festgehalten. Ganz ebenso wie die bewegende Kraft des Motors und des Ballons während des Aufstieges des Apparates die hauptsächlichste Rolle spielt, werden diese Rolle beim Niedergange das „aktive Gewicht“ und die Aëroplane übernehmen. Wie schon oben gesagt wurde, beginnt der Apparat, wenn die Arbeit des Motors aufhört, zur Erde niederzugehen durch die Wirkung einer Kraft, die mit dem angesammelten „aktiven Gewicht“ gleichwertig ist. Es lässt sich erkennen, wie wichtig die Notwendigkeit ist, die den Apparat zum Niedergange treibende Kraft, besonders bei dem progressiven Flug in horizontaler Richtung, zu erhöhen. Man kann diese Erhöhung erreichen, wenn man den Motor (oder genauer – den Beweger) zwingt, in der entgegengesetzten Richtung sich zu drehen, als die, in welcher er sich beim Aufstiege drehte. Jeder führende Mechanismus – und um so mehr eine Propellerschraube – kann für die Ausführung dieser Funktion stets geeignet gemacht werden. Der führende Mechanismus des Typus von 1899 war gerade in dieser Weise konstruiert und richtete seine bewegende Kraft je nach dem Willen des Aeronauten mittels einer einfachen Drehung des Handgriffes nach oben, nach unten, vorwärts und rückwärts. Die neue Triebkraft, welche sich während der entgegengesetzten Thätigkeit des Motors, während des Niederganges, entwickelt, werde ich „aktives latentes Gewicht“ benennen. Der Mensch, der mit dem führenden Mechanismus zum Aufstiege und Niedergange arbeitet, kann im letzteren Falle die Kraft, welche den Apparat zum Sinken treibt, verdoppeln, da das „aktive latente Gewicht“ dem „aktiven Gewichte“ bei der Unveränderlichkeit der Arbeitsbedingungen des Menschen gleich sein kann. Die Versuche des bekannten gelehrten Aeronauten Otto Lilienthal haben gezeigt, dass der Mensch durch die auf die Flügel ausgeübte Thätigkeit seiner Muskeln bis 40 kg emporheben kann, d.h. ungefähr die Hälfte seines eigenen Gewichtes, folglich kann man annehmen, dass der Mensch 15 bis 20 kg mit Leichtigkeit emporheben kann, und wenn der Apparat niedergeht, kann er mit einer 30 bis 40 kg gleichen Kraft fallen, – auf Grund der Bewegung des Motors in entgegengesetzter Richtung. Der Ernst der Rolle, welche dieser Zuwachs der Kraft des Niederganges spielt, erhellt aus folgendem. Um beim Niedergange des Apparates zur Erde einen Stoss zu vermeiden, benutzt man die Aëroplane, indem man dieselbe in einen Fallschirm verwandelt. Zu diesem Behufe stellt man die Jalousien des Apparates durch eine Drehung des Handgriffes horizontal. Infolgedessen verwandelt sich das Fallen des Apparates mit beschleunigter Schnelligkeit in ein Sinken mit nahezu ausgeglichener Geschwindigkeit. In einigen Fällen wird es aber genügen, einige Rückdrehungen der Schraube oder der Flügel auszuführen (Rückschlag). Das Manövrieren während des Aufstieges, um günstige Winde aufzufinden, gehört zu den einfachsten Handhabungen dieses Apparates. Die Thatsache, dass der Aufstieg des Apparates in die Luft ausschliesslich von der durch den Motor erzeugten Steigkraft abhängt (im vorliegenden Falle die des Menschen), macht es erklärlich, dass, indem man diese Kraft verringert, man den Apparat in jeder Höhe nach Belieben equilibrieren und sich ausserdem der Aëroplane bedienen kann, wobei man dieselbe in einen Fallschirm verwandelt. Die Leichtigkeit des Manövrierens mit diesem Apparate während der Auf- und Niedergänge, ohne das Abwerfen von Ballast und das Ausströmenlassen von Gas einerseits, und andererseits der geringe Aufwand der Arbeit des Motors, um den Apparat in der gewünschten Höhe zu erhalten, das alles soll die Basis für die ausgedehnteste und gebräuchlichste Anwendung dieses Flugsystemes für des Menschen Reisen in der Luft und ganz besonders für dauernde Fahrten sein. Der Flugapparat vom Jahre 1899, an welchem ich auch noch gegenwärtig arbeite, ist schon durch seine Natur durchaus nicht für aktive, horizontal progressive Flüge geeignet. Der vertikal gestellte Ballon bietet mit seiner Seitenfläche einen grossen Widerstand dem Gegenwinde, daher muss das für die Verrückung des Apparates gewöhnlich angewendete System vollständig aufgegeben werden. Der progressive Flug in der horizontalen RichtungDurch „progressive Bewegung“, „horizontale Richtung“, „horizontale Oberfläche“ möge stets die Bewegung in horizontaler Projektion bezeichnet sein. beginnt vom Momente an, in welchem der in die Luft gehobene Apparat zur Erde niederzugehen beginnt. Die Erlangung der horizontalprogressiven Bewegung beim Fallen hat der Apparat der Aëroplane zu verdanken. Hierzu genügt es, alle Jalousien der Aëroplane durch eine Drehung des Handgriffes in einen gewissen Winkel zur Vertikalen zu bringen; dann verändert sich beim Niedergange des Apparates ein gewisser Teil des Widerstandes, der auf die Aëroplane wirkt, in die in horizontaler Richtung propellierende Kraft. Mit der Erweiterung der Neigung des Winkels der Jalousie zum Horizonte, wird sich die Linie des progressiven Niederganges, während das „aktive Gewicht“ dasselbe bleibt, der vertikalen Linie nähern, und umgekehrt. Wenn aber der Neigungswinkel der Jalousie unverändert bleibt, vollzieht sich der progressive Niedergang mit um so grösserer Geschwindigkeit, je grösser das „aktive Gewicht“ ist. Auf diese Weise wird der Neigungswinkel des Apparateszur Erde und die Geschwindigkeit dieses progressiven Niederganges von zwei Faktoren und ihrer wechselseitigen Beziehung, von der Grösse des „aktiven Gewichtes“ und dem Neigungswinkel der Jalousie, abhängig sein. Der Apparat, der sich jetzt unter, dem Einflüsse der beiden Kräfte befindet: des Gewichtes p und der propellierenden Kraft der Aëroplane r, sinkt nach der Resultante dieser beiden Kräfte s (Fig. 2). Textabbildung Bd. 315, S. 320 Fig. 2 Textabbildung Bd. 315, S. 320 Fig. 3 Die Erfahrung hat bestätigt, dass wenn die Jalousien der Aëroplane unter einen gewissen Winkel (theoretisch 3 bis 15°) gegen die Horizontale gestellt sind, man ein ganz sanftes Sinken, ähnlich dem Niederschweben eines Vogels erreichen kann. Der ganze Hergang des progressiven Sinkens des Apparates, seine Geschwindigkeit und seine Stabilität hängen vor allem und hauptsächlich von der Grösse des „aktiven Gewichtes“ p ab. Je grösser dieses p sein wird, um so viel mehr wird der Apparat vollkommen stabil und fähig sein, eine viel grössere Fluggeschwindigkeit zu entwickeln. Es wurde oben angegeben, dass man die Kraft des Niederganges des Apparates beinahe verdoppeln könne, wenn man den Motor zwingt, nach der Rückseite zu arbeiten. Man kann aber ebenso den Motor in der horizontalen Richtung wirken lassen, wie einen Propeller. Dann wird sich mit der Kraft r die Kraft q des Motors vereinigen (Fig. 3). Auf diese Weise wird sich der Apparat in seinem progressiv sinkenden Fluge, unter dem Einfluss der drei Kräfte p, q und r befinden. Man kann sich nun die Frage stellen, wie erweist sich der Ballon während des progressiv sinkenden Fluges? Der Ballon stellt in diesem Falle infolge des grossen seitlichen Widerstandes ein Hindernis dar; wenn dieser während des Niederganges ganz verschwände, würden wir einen idealen Flugapparat haben, der nur aus einem Motor und einer Aëroplane zusammengesetzt wäre. Während des vertikalen Niederganges des Apparates wird der Ballon natürlich seine vertikale Lage beibehalten und seine lange Längsachse wird mit der Richtungslinie der Bewegung des Apparates zusammentreffen. Textabbildung Bd. 315, S. 320 Fig. 4 Dieser Umstand wird beim Niedergange des Apparates in geneigter Richtung nicht eintreten. In allen diesen letzteren Fällen wird der obere Teil des Ballons unter dem Einflüsse des Widerstandes der Luft, die auf die Vorderseite wirkt, in seiner progressiven Bewegung zurückgehalten, nämlich hinter der vertikalen Linie, welche durch den ganzen Apparat geht, zurückbleiben, und rückwärts um so viel abweichen, dass seine Längsachse sich der Fluglinie ns des Apparates nähern und vielleicht sogar mit ihr zusammentreffen wird (Fig. 4). Infolge dieser Abweichung wird der Ballon stets durch sein spitzes Ende zum Gegenwinde gerichtet und eben deshalb den geringsten Widerstand bieten. Unter welchem Winkel auch immer der Apparat zum Horizont sinke, es wird der Ballon stets rückwärts um einen bestimmten Winkel abweichen, je nach der Kraft des Luftwiderstandes t und der Aufsteigungskraft des Ballons u einerseits und der propellierenden Kraft r und q andererseits, welche ein Kräftepaar bilden, das bestrebt ist, den Ballon um seine kurze Achse zu drehen. Es muss auch bemerkt werden, dass die Länge der Verbindung w zwischen dem Ballon und der Aëroplane ebenfalls auf die Leichtigkeit der Abweichung des Ballons einwirken wird. Mittels gewisser Vorrichtungen lässt sich technisch erreichen, dass die Längsachse des Ballons in jedem einen gewissen Grad nicht überschreitenden Winkel des progressiven Niederganges zum Horizonte, stets mit der Richtungslinie des Fluges korrespondieren wird. Erwähnt sei noch ein sehr wichtiger Umstand, welcher während des progressiven Niederganges des Fluges eintritt. Von dem Momente an, wo der Ballon, einerseits unter der Wirkung der propellierenden Kraft auf den unteren Teil desselben, und andererseits durch die dem oberen Teil des Ballons entgegenströmende Luft, von seiner vertikalen Linie abzuweichen anfängt, beginnt demgemäss auch die Verminderung der unterstützenden Kraft des Ballons. Gleichzeitig wird der Apparat beginnen, schwerer zu werden. Dieses Schwererwerden des Apparates geschieht jetzt auf Rechnung des „passiven Gewichtes“, welches früher vom vertikal stehenden Ballon emporgehoben wurde. Dieses neue Gewicht, auf dessen Kosten sich der Apparat erschwert, und als das Resultat der Abweichung des Ballons erscheint, werde ich „latentes passives Gewicht“ benennen. Von dem Prinzip des in Frage stehenden Flugapparates ausgehend, findet man, dass das Schwererwerden des Apparates, worin auch immer seine Ursache bestehen mag, für die Kraft und Geschwindigkeit des progressiven Niederganges, wie auch für die Stabilität des Apparates in der Luft stets erwünscht und nützlich sein wird. Der Fortschritt des Apparates steht in direkter Abhängigkeit vom Grade der Beschwerung des Apparates während seines Sinkens und je grösser dieselbe sein wird, desto vollkommener wird der Apparat sein: damit er stärker sei als die Luft, muss er schwerer sein als dieselbe. Der Mechanismus des Fluges im allgemeinen bleibt während des Windes im wesentlichen derselbe, wie während des ruhigen Wetters. Die inneren Kräfte des Apparates und deren gegenseitige Beziehungen bleiben ohne Veränderung und auch unabhängig davon, ob der Wind vorhanden ist oder nicht. Eigentlich unterscheidet der Apparat, der sich von der Erde entfernte, keinen Wind. „Der Wind existiert nicht für den Aeronauten“, sagt eine bedeutende Autorität im Bereiche der Luftschiffahrt, Ch. Renard: „Alles vollzieht sich so, als ob die Luft vollständig unbeweglich wäre und die Erde unter seinen Füssen mit einer dem Winde gleichen Geschwindigkeit gleiteteJournal des Ingenieurs, 1891 Nr. 6 und 7 S. 896..“ Folglich werden die Bedingungen des Fluges gegen den Wind einfach und klar, wenn man die Frage so stellt: kann der Apparat in einer stillen Atmosphäre eine derartige progressive Schnelligkeit (in der horizontalen Projektion) entwickeln, um einen bestimmten festen Punkt auf der Erde, der mit einer bestimmten Geschwindigkeit sich fortbewegt, einzuholen und selbst zu überholen? Wenn also die Frage in dieser Weise gestellt wird, so wird es für den Leser verständlich, dass der Mechanismus des Fluges bei Wind und bei Stille immer der gleiche bleibt. Die in einem gewissen Masse der Veränderung unterliegenden Bedingungen sind solche, unter welchen man den bestimmten Erdpunkt erreichen kann. Wenn die durch den Apparat entwickelte Geschwindigkeit des progressiven Fluges geringer ist, als die des fliehenden Punktes der Erdoberfläche, so kann eben der Apparat den Gegenwind nicht überwinden und umgekehrt. In der Fähigkeit des Apparates, die Geschwindigkeit seines progressiven Fluges zu entwickeln oder zu vergrössern, besteht auch überhaupt der ganze Fortschritt in der Konstruktion eines jeden Flugapparates. In unserem Falle wird dieser Fortschritt hauptsächlich vom Grade der Beschwerung des Apparates abhängig sein, abgesehen davon, unter welchen Bedingungen diese Beschwerung entstehen mag. Je grösser diese Beschwerung sein wird, desto grössere Geschwindigkeit wird der Flugapparat bei seinem progressiven Niedergange zu entwickeln und folglich auch die immer grössere Geschwindigkeit des Gegenwindes zu überwinden im stände sein. Wie schon bemerkt, kann die Kraft des Niedergehens des „aktiven Gewichtes“ durch die Hinzufügung der Kraft des „latenten aktiven Gewichtes“ fast verdoppelt werden, ausserdem kann sie auch durch die Kraft des „latenten passiven Gewichtes“ vergrössert werden und alle diese Kräfte befinden sich in der Gewalt des Luftschiffers sogar bei der Anwendung eines so schwachen Motors, wie der Mensch selbst ein solcher ist. Da der Mensch durch die Kraft seiner Muskeln bis 20 kg Gewicht in die Höhe heben kann, so kann dieses Gewicht beim progressiven Niedergange des Fluges bis auf 50 bis 60 kg vergrössert werden, was schon eine recht bedeutende Kraft für das Sinken gibt, wenn man dabei den geringen Widerstand berücksichtigt, den der untere zugespitzte Teil des Ballons leistet. Während des progressiven sinkenden Fluges fällt dem Aëroplan eine bedeutende Rolle zu. Das Aëroplan ist ein ebensowesentlicher und unwandelbarer Bestandteil des Flugapparates, wie der Motor, und wird es auch immer sein. Mit dem Erscheinen aber eines vollständig dazu geeigneten, einfachen, leichten, starken und gefahrlosen mechanischen Motors und seiner Anwendung für den Flugapparat wird die Periode der quantitativen Vervollständigung des letzteren beginnen, welche sich in der Verstärkung des Effektes äussern wird; doch der Grundgedanke dieses Flugapparates wird unverändert bleiben. Die Frage von der Beibehaltung der Stabilität des Flugapparates ist sehr wesentlich und von grösster Wichtigkeit. Die traurigen Resultate der Versuche, die mit den Apparaten ohne Ballon angestellt wurden, bezeugen es, wie schwierig es ist, die Stabilität zu erlangen und wie unsicher, einen Stützpunkt im Widerstände der Luft zu suchen. Viel leichter erlangt man die Stabilität mit lenkbaren Ballon-Flugapparaten, welche leichter als die Luft sind und wo ein Ballon von länglicher Form horizontal angebracht ist. Aber auch hier präsentiert sich die „Labilität der Länge nach“, die von der Bewegung des Wasserstoffes im Ballon abhängt, nach dem Ausdrucke von Ch. Renard, wie „ein mächtiger Feind“. Dieser „Feind“ wird desto drohender, je mehr die Länge des Ballons auf Kosten seines Durchmessers zum Zwecke der Verminderung seines Widerstandes bezüglich des Gegenwindes vergrössert wird. Zwar erwähnt Ch. Renard einer von seinen Vorrichtungen, welche die „Labilität der Länge nach“ aufhebt, doch hält er dieselbe geheimIbid. S. 913.. Während meiner Versuche mit einem horizontal angelegten Ballon im Jahre 1898 habe ich die „Labilität der Länge nach“ im bedeutenden Masse paralysiert und zwar durch die Anbringung einer Reihe von seidenen Querscheidewänden im Inneren des Ballons, welche die Lageveränderung des Gazes zu verhindern haben. Dieses System wurde mir in demselben Jahre geschützt. Diese Vorrichtung erweist sich aber als ungenügend; wenn der Apparat progressivhorizontal mit einer bestimmten Geschwindigkeit fliehen soll, so wird der Gegenwind einen ungleichmässigen Druck auf die beiden Arme dieses „empfindlichen Hebels“ (Ch. Renard), als welcher sich der längliche Ballon präsentiert, ausüben und, als Folge dessen, wird das Stampfen unvermeidlich. An sich würde es keine grosse Schwierigkeit bieten, demselben zu steuern, aber der mit dem Ballon eng verbundene Propeller wird dabei schon nicht mehr im stände sein, in streng horizontaler Fläche zu arbeiten; indem er gleichzeitig mit dem Ballon schwankt, wird er seine bewegende Kraft in seiner Thätigkeit nach verschiedenen Flächen verschwenden. Dieses Schwanken zu paralysieren ist möglich bei einem steifen Systeme des Apparates, durch automatische Versetzung des Gewichtes (des Aeronauten) längs der Ballonachse, ein Prinzip, das mir im Jahre 1898 geschützt wurde. Alle diese nebensächlichen unbequemen Erscheinungen, die mit dem horizontal angelegten Ballon verbunden sind, erschweren in einem bedeutenden Masse und komplizieren die Konstruktion eines derartigen Flugapparates, welcher demgemäss ausser stand gesetzt wird, dem Haupterfordernisse der praktischen Anwendung im Leben – „der Einfachheit und der Zugänglichkeit für alle“ – zu entsprechen. Mittels der Konstruktion eines Flugapparates vom Typus des Jahres 1898, mit einem vertikalen Ballon, mache ich mich vollständig frei von der Sorge um die Erhaltung des stabilen Gleichgewichtes. Textabbildung Bd. 315, S. 321 Fig. 5 Das Schema des ganzen Fluges wird durch nachstehende Fig. 5 dargestellt. Die ausgezogene Linie bezeichnet den Flug während des stillen Wetters, die punktierte Linie den Flug während des windigen Wetters. Beim stillen Wetter: Das Aufsteigen vom Erdboden erfolgt in vertikaler Richtung. Nach der Anlangung in einer gewissen Höhe hält man die Arbeit des Motors an und bringt die Jalousien der Aëroplane in einen bestimmten Winkel. Von diesem Momente an beginnt der progressive Niedergang des Apparates unter einem gewissen veränderbaren Winkel zum Horizont. Ohne die Erde zu berühren, lässt man wieder den Motor für den Aufstieg arbeiten und stellt die Jalousien der Aëroplane senkrecht mit dem Rande auf. Es stellt also dieser Flug in seiner einfachsten Form eine Art wellenartiger Linie (Wellenflug) dar, die aus einer Reihe beinahe vertikaler Steigungen und sanfter Neigungen besteht. Beim Gegenwinde: Während eines senkrechten Aufstiegs wird der Apparat vom Gegenwinde etwas zurückgehalten. Es muss deshalb der Aufstieg möglichst rasch bewirkt werden. Der weitere progressive Niedergang wird in derselben Weise vollzogen, wie auch beim ruhigen Wetter; doch der Weg, der vom Flugapparate gemacht wird, hängt von dem gegenseitigen Verhältnisse zwischen der Geschwindigkeit des Apparates und der des Gegenwindes ab. Diese relative Geschwindigkeit kann sowohl positiv als auch negativ sein. Im ersten Falle fliegt der Apparat dem Winde entgegen, im letzteren wird er vom Winde getragen. Beim praktischen Gebrauche des Flugapparates wird der Mensch wohl kaum dieser Art des Fluges – des Fluges gegen den Wind – sich bedienen. Es ist dies auch ganz erklärlich, da keine Art des Fluges so unpraktisch, gewagt, unangenehm und unbequem ist, als namentlich der Flug gegen den Wind, insbesondere bei längeren Luftfahrten. Das Unpraktische des Fluges gegen den Wind kommt vor allem deutlich zum Vorschein während der dauernden Ueberfahrten, wo angestrengtere Arbeit des Motors und grösserer Verbrauch des Heizmaterials erforderlich sind. Es wird für die Zukunft das Prinzip der Oekonomie in der Arbeit und der Schonung des Heizmaterials (in weitem Sinne des Wortes) eine wichtige Rolle spielen und man wird in Anbetracht dessen immer in der Luft lavieren, indem man bald sich auf einige 10 oder 100 m emporheben, bald tiefer niedergehen wird zum Zwecke der Auffindung einer günstigen Luftströmung. Anstatt die Arbeit des Motors zwecklos auf die Bekämpfung des Gegenwindes, dessen Geschwindigkeit selbst schon auf einer geringen Höhe recht bedeutend ist, zu verwenden und als Resultat eine geringe progressive Bewegung zu erlangen, wird der Zukunftsluftschiffer die Arbeit des Motors, sich in der Sphäre der günstigen Luftströmung befindend, auf die Unterstützung dieser Kraft der Luftströmung verbrauchen und seine progressive Geschwindigkeit zu verdoppeln, ja zu verdreifachen im stände sein. Es werden aber dadurch alle die Mängel des Fluges gegen den Wind noch nicht erschöpft. Die Art des Fluges, wie gesagt, ist höchst gewagt, unangenehm und unbequem. Und in der That, nehmen wir an, dass der Apparat mit der Geschwindigkeit von 15 m pro Sekunde gegen den Mittelwind fliege, der, wollen wir sagen, 7 m in 1 Sekunde macht; es werden dann der Luftschiffer und der ganze Apparat einem Luftdruck unterworfen, welcher der Summe dieser Geschwindigkeiten, also 22 m pro Sekunde entspricht. Dieser Luftdruck ist beinahe ebenso gross wie der, den ein Passagier zu empfinden hätte, wenn er auf einer offenen Plattform eines Waggons stände, welcher in 1 Stunde 75 km zurücklegt. Der Apparat, welcher einem solchen Drucke unterworfen ist, wird sich in einer gefahrvollen Lage befinden, da man die Verletzbarkeit des Ballons und die Leichtigkeit (folglich aber auch die Unfestigkeit) des Materials, aus dem immer die Flugapparate gemacht werden, in Betracht nehmen soll. Es wird der Luftschiffer schwerlich im stände sein – wenn auch nur auf kurze Zeit – in einer derartigen Situation auszuhalten, indem man es auch nicht ausser acht lassen darf, dass er in solchen Luftschichten zu fliegen hat, wo die Temperatur verhältnismässig niedrig ist. In der ruhigen Luft lässt sich sogar die grösste Kälte leicht ertragen; aber sogar eine massige vom Winde begleitete Kälte, wie Glescher sagt, wird unerträglich und wirkt tötlich auf den OrganismusGlescher, Luftreisen S. 13.. Demnach wird der unnütze Verbrauch der Arbeit des Motors und des Heizmaterials, der unbedeutende Effekt der progressiven Bewegung, die Gewagtheit und das Unangenehme dieser Art des Fluges die Menschen in der Zukunft dazu bewegen, womöglichdas Fliegen gegen den Wind überhaupt, und insbesondere bei dauernden Ueberfahrten, zu vermeiden. Es mag aber der Leser dabei nur ja nicht denken, dass ich durch alles das, was ich hier ausgeführt habe, die Notwendigkeit der Flüge gegen den Wind bei der praktischen Benutzung des Flugapparates leugne. In keiner Weise. Im Gegenteil, die Fähigkeit des Apparates, gegen den Wind zu fliegen, wird dem Menschen das Bewusstsein der Macht des Apparates geben und das volle Vertrauen auf eigene Kräfte verleihen für den Fall des Kampfes mit dem Gegenwinde. Ich will nur sagen, dass wenn das Bestreben, gegen den Wind zu fliegen, eine Art Sport unter den Gelehrten, Erfindern und Dilettanten bildet, und der Meinung der letzteren nach, das Alpha und Omega des ganzen Problems vom Fliegen des Menschen ausmacht, so ist doch dieses Fliegen gegen den Wind keine dringende Notwendigkeit. Im Alltagsleben wird der Flug gegen den Wind nur eine der Episoden bilden, einen der Fälle des praktischen Gebrauches des Apparates. Dieser Flug wird vor allem in folgenden zwei Fällen seinen Platz finden: beim Aufsteigen des Apparates in die Luft und beim Niedergange zur Erde. Im ersten Falle, wenn der Mensch nach dem Aufstiege im voraus schon die Absicht hat, wieder denselben Punkt zu erreichen oder sich genötigt sieht, zurückzukehren, da er nicht die nötige Luftströmung auffinden konnte; zweitens dann, wenn er, sich dem zu erreichenden Punkte nähernd, die verschiedenen Winde in allen ihren Richtungen zu überwinden hat, um nur zu einem gewissen Punkte auf der Erde zu gelangen. Der ganze Flug zwischen diesen beiden Punkten wird mit Hilfe der günstigen Luftströmungen – einer Kraft, welche nichts kostet – vollführt werden, abgesehen davon, wie gross ihre Geschwindigkeit und die Entfernung zwischen den beiden Punkten sein mag. Glescher spricht von der Existenz verschiedener Winde in verschiedenen Höhen, indem er hinzufügt, dass es genügt, eine passende Stellung zu erreichen, um sich in beliebiger Richtung zu bewegenGlescher, Luftreisen S. 71.. Prof. Mendeleyeff bemerkt, dass sein Aërostat „nicht in gerader, sondern in einer gebrochenen Linie flog, d.h. dass die Richtung und die Geschwindigkeit des Windes sich in den verschiedenen Schichten der Atmosphäre änderten, wie es häufig geschieht“Aufstieg bei Klin während der Eklipse S. 79.. „Wenn man die Luftströmungen studiert“, sagt er an einer anderen Stelle, „so können die Aërostate für die Richtungen der Flüge nach Wunsch gebraucht werden“Daselbst S. 93.. Die günstigen Winde besitzen ausser dem die Eigenschaften, welche für die Luftschiffahrten sehr vorteilhaft sind. „In der That“, sagt Prof. M. Pomorzew, „alle Facta, die uns von der Luftschiffahrt bekannt sind, Beobachtungen der Wolken, Beobachtungen des Windes auf dem Eiffeltürme und beim Lancieren von Papierdrachen zeigen, dass die Bewegung der Luft schon in verhältnismässig geringen Höhen recht gleichmässig und konstant ist“Uebersicht der Theorien des schwebenden Fluges der Vögel. Luftschiffahrt von M. Pomorzew, 4. Lieferung S. 54.. Die Luftströmungen bewegen sich selbst schon in unbedeutenden Höhen, wenn dieselben auf ihrem Wege nicht den Unebenheiten des kontinentalen Reliefs begegnen, gleichmässig, ähnlich den riesigen Flüssen, was man auch bei den Winden beobachtet, die über offene Meere wehen. „Wenn es gelingen sollte, die Gesetze der Luftströmungen“, sagt Flammarion,„in verschiedenen Höhen je nach der Saison und den Tagesstunden zu studieren, dann würde das grosse Problem der Richtung der Aërostate gelöst werden“Flammarion, Luftschiffahrt S. 144.. „Wir werden es dann verstehen, den Aërostat nach dem erwünschten Punkte der Windrose zu leiten und in der Luft auf den elastischen und zarten Flügeln des Zephyrs die Reisen zu machen. Die Luftwege, durch die Wissenschaft für die Industrie geöffnet, werden uns ihre Bahnen, welche keine Reparaturen erfordern, für die schönsten und grossartigsten Reisen eröffnen“Flammarion, Atmosphäre S. 568.. (Schluss folgt.)