Titel: Amerikanische Lokomotiven in Europa.
Autor: M. Richter
Fundstelle: Band 315, Jahrgang 1900, S. 376
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Amerikanische Lokomotiven in Europa. Amerikanische Lokomotiven in Europa. Unter dem Titel „Amerikanische Lokomotiven in Grossbritannien“ wurde in D. p. J. 1899 314 48 über die Thatsache der Einführung von Lokomotiven aus Nordamerika nach England kurz berichtet und auf den Umstand hingewiesen, dass über die bisher eingehaltenen Grenzen hinaus die amerikanische Technik gegen die europäische als nicht zu unterschätzender Wettbewerber auftrete. In den interessierten technischen und finanziellen Kreisen hat begreiflicherweise die Notlage, welche die englischen Bahnen zwang, ihre Bedürfnisse an Rollmaterial im Ausland zu decken, seinerzeit genug Staub aufgeworfen; unterdessen hat aber die Strömung sich weiter Bahn gebrochen, und dem Beispiel der Midlandbahn sind eine Reihe anderer Gesellschaften gefolgt. England wird mit amerikanischen Lokomotiven geradezu überschwemmt. Was aber vor allem die Technik des europäischen Kontinents zum Kampf zu fordern geeignet ist, das ist der Umstand, dass die amerikanische Bewerbung auch schon diesseits des Kanals Erfolge aufzuweisen hat, abgesehen von dem fehlgeschlagenen Versuch, den die Baldwin'schen Werke in Philadelphia gegenüber der sächsischen Staatsbahn gemacht haben. Bekannt ist die Vorherrschaft der amerikanischen Fabriken über die europäischen bei der Beschaffung des Fahrparks für die japanischen, chinesischen, südafrikanischen Bahnen. In folgendem soll auf die einzelnen Fälle, in welchen seitens der alten Welt Bestellungen auf Lokomotiven an die amerikanischen Werke vergeben wurden, näher eingegangen werden. Was zunächst das Vorgehen der englischen Bahngesellschaften betrifft, so ist wohl die Erscheinung die auffallendste, dass die Fabriken des Festlandes bei den Grössen Bestellungen keine Berücksichtigung gefunden haben; wenigstens ist von einer solchen bis auf einen einzigen Fall nichts bekannt geworden. Sind politische Gründe dabei massgebend gewesen? Es ist kaum anzunehmen; denn sonst sind die Engländer auch in Dingen von grösserer politischer Bedeutung, als einer Lieferung von Lokomotiven beizumessen ist, nicht gerade heikel und verschmähen das „made in Germany“ nicht – von Ereignissen der neuesten Zeit nicht näher zu reden. Die in den Prinzipien des amerikanischen Maschinenbaues begründete Einfachheit der Herstellung und daher ermöglichte Billigkeit hat jedenfalls bei der Vergebung der Lokomotiven eher den Ausschlag gegeben, so dass, auch die Transportkosten und Eingangszölle einbegriffen, das Angebot der amerikanischen Lokomotivwerke vorzuziehen war. Merkwürdig bleibt ausserdem noch überhaupt der Umstand, dass die Engländer fremde Hilfe in Anspruch nehmen in diesem Fall, während sie bisher gerade im Eisenbahnwesen vollständig auf eigenen Füssen standen, in strenger Abgeschlossenheit sich auf die eigenen Kräfte verliessen und sehr selten sich um das Ausland kümmerten, wenn es galt, einem Mangel an Betriebsmaterial abzuhelfen. Es ist nämlich im ganzen, seitdem es Eisenbahnen gibt, nur viermal vorgekommen, dass Lokomotiven in England eingeführt worden sind, wenn man von der nun zu besprechenden „Einwanderung“ aus Amerika absieht. Das letzte, zugleich bekannteste, Beispiel dieser Art waren die Abt'schen Zahnradlokomotiven der Lokomotivfabrik Winterthur für die 1895 eröffnete Snowdonbergbahn in Wales, welche durch das Unglück bei der Eröffnungsfahrt eine unangenehme Berühmtheit erlangt haben. Nach diesen allgemeinen Erörterungen mögen nun dem vorliegenden Thema entsprechend, die in Frage stehenden Lokomotiven genauer betrachtet werden. Wie schon angedeutet, ist es bei der Ablieferung an die Midlandbahn nicht geblieben. Infolge der Unfähigkeit der englischen Fabriken und Bahnwerkstätten, mit der nötigen Schnelligkeit und Ausgiebigkeit dem steigenden Mangel der Gesellschaften an Lokomotiven zu begegnen,haben sich auch die Nordbahn, die Zentralbahn, die Barryeisenbahn und die Port Talbotbahn dazu verstehen müssen, ihre Zuflucht zu verschiedenen nordamerikanischen Werken zu nehmen. In manchen Fällen hat es allerdings den Anschein, als ob es sich gleichzeitig um einen technischen Versuch gehandelt habe. Aeusserlich verraten sämtliche aus Amerika bezogenen Maschinen ihre Herstammung auf den ersten Blick. Die Eigenheiten der amerikanischen Bauart sind mit einiger Anpassung an europäische bezw. englische Normen beibehalten: äussere Cylinder mit darüber liegenden Schieberkästen, innerhalb der Rahmen liegende Stephenson-Steuerung mit Uebertragung nach aussen mittels Zwischenhebels an der Kulisse, innere Barrenrahmen von der bekannten luftigen Anordnung, Quersattel als Kesselträger zur Cylinderversteifung, die meist verlängerte Rauchkammer, manchmal noch der Wagon-top-Kessel (Uebergang des cylindrischen Langkessels in die sehr verbreiterte Feuerbüchse mittels konischen Schusses), und der sehr geräumige und helle, hochliegende Führerstand mit hölzernen Wänden. Diese Art des Führerstandes dürften sich viele englische Bahnen jetzt am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts zum Muster nehmen, denn auch bei den neuesten Ausführungen sieht man noch die erbärmlichsten, aus ein paar Blechstreifen zusammengesetzten Häuschen, welche höchstens die Kesselarmatur, nicht aber die Mannschaft vor der Unbill des Wetters schützen. Die Midlandbahn selbst und die Nordwestbahn, die beiden grössten englischen Gesellschaften, dürften hier vor allem mit einer Verbesserung eingreifen. Was die Maschinen ihrer neuen Heimat haben zum Opfer bringen müssen, ist äusserlich der kräftige, rechenartige amerikanische Schienenräumer, der „cow catcher“ mit Zentralkuppelung, welcher durch den europäischen Pufferstossbalken ersetzt ist, und innerlich die stählerne Feuerkiste, welche bei sämtlichen nach Europa abgegangenen Maschinen durch eine kupferne vertreten wird. (Die englische Zeitschrift Cassiers Magazine, welche dem Artikel 1899 314 48 zu Grund liegt, hat darüber fälschlich berichtet, die Feuerbüchsen seien aus Flusseisen.) 1. Die Midlandbahn zunächst hat einen Teil ihres Bedarfes an Güterzuglokomotiven durch Bezug von 40 Lokomotiven aus Amerika gedeckt, wovon 30 den Baldivin-, 10 den Schenektady-Werken entstammen. Die Gesamtanordnung ist bei allen dieselbe und trägt in Amerika den Namen „Mogul“ typus, nach dem Namen der ersten in dieser Bauart seinerzeit entstandenen Lokomotive. Der „Mogul“ -typus war bisher in England fast unbekannt, hat jedoch auf dem Festland zahlreiche Vertreter und ist eine ¾ gekuppelte Maschinengattung in der Anordnung, dass vor die Cylinder eine radial einstellbare Laufachse gelegt ist, während die Feuerbüchse durch die letzte der drei gekuppelten Achsen gestützt wird. Ueberhängende Massen sind also vermieden; die Lokomotive hat einen Grössen Radstand, dabei aber die nötige Gelenkigkeit in den Kurven; das Adhäsionsgewicht verteilt sich auf drei Achsen, wie bei der 3/3 gekuppelten gewöhnlichen Güterzuglokomotive, deren Vorderachse jedoch als ungelenkige Achse mit Grössen Raddurchmessern in den Kurven stark beansprucht wird. Da sich bei „Mogul“ das Totalgewicht auf vier Achsen zerlegt, so kann die Lokomotive ein bedeutend grösseres Gewicht, somit auch erhöhte Leistungsfähigkeit erhalten. Alles in allem eignet sich folglich die Lokomotive „Typus Mogul“ zur Beförderung schwerer schnell'fahrender Züge. Für solche Zwecke hat diese Bauart seit einigen Jahren in Preussen Eingang gefunden; in der Schweiz aber ist sie allgemein gebräuchlich schon seit 1865, findet sich auf allen Hauptbahnen als Zwillings- und Verbundmaschine, als Lokomotive mit Schlepptender und als Tenderlokomotive, für Schnellzüge und Güterzüge, und zeichnet sich durch ihre allgemeine Verwendbarkeit aus, so dass auch die allerneuesten Schnellzuglokomotiven der Schweizer Zentralbahn und Jura-Simplonbahn von der Lokomotivfabrik Winterthur wieder nach dem „Mogul“ -typus in sehr grosser und schwerer Ausführung gebaut worden sind. Um auf die Lokomotiven der Midlandbahn speziell überzugehen, so sind dieselben durch Fig. 1 und 2 dargestellt. (Fig. 1 ist eigentlich für die Nordbahnmaschinen gültig, indem die Midlandmaschinen gewisse, unwesentliche Unterschiede in der Kaminform, in der Anbringung des Sandkastens u.s.w. aufweisen.) Die Abmessungen sind der englischen Zeitschrift Locomotive magazine, 1899 S. 91, 142, 191 (mit Photographien), entnommen. Textabbildung Bd. 315, S. 377 Fig. 1.Güterzuglokomotive der englischen Nordbahn. 1/100 nat. Grösse. Die Skizzen zeigen den Hauptunterschied der beiden Fabrikate; die Baldwin'schen Maschinen haben gewöhnlichen cylindrischen, die der Schenektady-Werke den Wagon-top-Kessel. Letztere haben ausserdem verlängerte Rauchkammer und einen dreiachsigen Normaltender der Midlandbahn. Dagegen ist der Tender der Baldwin'schen Serie nach amerikanischen Mustern mit zwei zweiachsigen Drehgestellen gebaut. Merkwürdigerweise geht bei den Baldwin'schen Lokomotiven die horizontale Cylindermittel- linie nicht, wie stets üblich, durch das Radmittel, sondern exzentrisch einige Zoll über demselben vorbei. Da die Lokomotive eine doppelt wirkende Dampfmaschine ist, so dürfte es schwer sein, für diese Anordnung einen genügenden theoretischen Grund aufzufinden; ein praktischer ist überhaupt nicht stichhaltig. Die wahrscheinliche Folge der Anordnung ist eine Art von Hinken im Gang der Maschine; beim Vorwärtsgang der Kolben wird eine bedeutend grössere Tangentialkraft als beim Rückgang auftreten (beim Vorwärtsfahren der Lokomotive). Textabbildung Bd. 315, S. 377 Fig. 2.Güterzuglokomotive der Midlandbahn. 1/100 nat. Grösse. Lässt man die Hauptabmessungen vorläufig ausser Betracht, so sind folgende Masse von Interesse: Baldwin Schenektady Feuerbüchse (Kupfer) LängeBreite         Tiefe 1830845   1950 mm 1830805   1890 mm Röhre LängeAnzahl   3190263 3350244 Aeusserer Kesseldurchmesser hinter         der Rauchkammer 1422 mm   1372 mm Laufraddurchmesser Maschine      Tender     838915 „     915   1290 „     Tender AchsenzahlVorräteDienstgewicht WasserKohlen 417,76,136,0 cbmt 314,756,040,6 cbmt Radstand festgesamteinschliesslich Tender 4500676013110 mm 4730702013110 mm Gesamtes Dienstgewicht (einschliess-      lich Tender) 81,6 t 89,0 t Die Leistungsfaktoren und -verhältnisse der Maschinen sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt. In dieselbe sind des Vergleichs halber in dritter Linie die entsprechenden Zahlen der neuen preussischen schnellfahrenden Verbundgüterzuglokomotive aufgenommen. An vierter Stelle finden sich die zugehörigen Werte einer jetzt nicht mehr vorhandenen Personenzugtenderlokomotive der Schweizer Zentralbahn. Dieselbe ist in den Werkstätten dieser Bahn 1865 entstanden und ist sehr wahrscheinlich die erste „Mogul“ maschine auf europäischem Boden. Sie ist eines besonderen Interesses würdig, indem ihre Abmessungen für die damalige Zeit sehr stark gewählt und ihre Leistungen sehr befriedigend waren. Ihr Dienst bestand in der Beförderung der Personenzüge auf der Strecke Basel-Olten hauptsächlich, wo die Zufahrt zu dem berühmten Hauensteintunnel Steigungen bis zu 26,3 ‰ nötig gemacht hat. Die Aufgabe der Maschine war, unter entsprechenden Verhältnissen Züge vom Gewicht bis zu 300 t (einschliesslich Maschine) mit Geschwindigkeiten bis 65 km/Std. zu bewältigen. Ein wesentlicher Punkt in der Leistungsfähigkeit dieser alten Lokomotive war das oft gezeigte, manchmal geradezu verblüffend rasche Ingangbringen der Züge, mit Hilfe dessen sich auch die Beobachtung erklärt, dass im Personenzug oft selbst auf sehr geringe Stationsdistanzen mittlere Geschwindigkeiten bis zu 60 km/Std. erzielt wurden. Die Maschine ist durch Fig. 3 wiedergegeben; in der Tabelle gilt: Die Maschinenzugkraft ist Z=0,6\,\frac{d^2\,p\,s}{D} bezw. Z=0,6\,\frac{{d_1}^2\,p\,s}{2\,D} (Verbund), die Reibung zu W = 0,167 La gerechnet. Ein Blick auf die Tabelle zeigt, dass die Baldwin'schen Maschinen vor denen der Schenektady-Werke den Vorzug verdienen. Bei ersteren sind nicht nur die Verhältnisse durchwegs bessere, sondern auch die Zugkraft absolut eine höhere, wobei die Werte von W und Z gut zu einander stimmen. Der Vergleich mit den Werten der vorzüglich konstruierten preussischen Lokomotive, bei der übrigens infolge des Ueberschusses von Z über W wahrscheinlich leicht Schleudern eintritt, beweist, wie verschieden bekanntermassen die Ansprüche sind, welche diesseits und jenseits des Kanals an Güterzuglokomotiven gestellt werden. Die kleineren englischen Güterzüge werden mit ziemlich hohen Geschwindigkeiten (bis 64 km/Std.) gefahren, die dazu erforderlichen Maschinen sind nach diesseitigen Begriffen eher Personenzuglokomotiven für Bergdienst, haben daher Hauptabmessungen einiger „Mogul“-Maschinen. Textabbildung Bd. 315, S. 378 Maschine; Kessel; Gewicht; Zugkraft; Verhältnisse; Bahn-Gesellschaft; Erbauer und Jahr der Entstehung; Cylinderdurchmesser; Kolbenhub; Triebraddurchmesser; Ueberdruck; Heizfläche; Rostfläche; Rohre; Anzahl; Länge; Gesamtes; Adhäsions-; Maschine; Reibung; Heizfläche; Rostfläche; Heizfläche; Gesamtgewicht; Cylinderinhalt; Heizfläche; Zugkraft; Adhäsionsgewicht; Midlandbahn; Baldwin; Schenektady; Preussische; Verschiedene; Staatsbahn; Olten; Schweizer; Zentralbahn kleinere Heizfläche und grössere Triebraddurchmesser, überhaupt schwächere Abmessungen. Die englische Betriebsweise entscheidet sich für leichtere, daher schneller fahrende, aber zahlreichere Züge, als bei uns üblich, was dem ganzen Lokomotivbau in England das Gepräge verliehen hat. Bei dem hier gewählten Beispiel einer preussischen Lokomotive tritt der Gegensatz nicht so scharf hervor, weil diese ihrer Bauart entsprechend schon mehr der englischen Güterzuglokomotive zuneigt, als der in Deutschland gebräuchlichen. Sehr deutlich dagegen könnte durch Gegenüberstellung der normalen dreifach gekuppelten dreiachsigen Güterzuglokomotiven einer deutschen und einer englischen Bahn die ungleiche Praxis beider Länder nachgewiesen werden. Textabbildung Bd. 315, S. 378 Fig. 3.Ehemalige Personenzuglokomotive der Schweizer Zentralbahn. 1/100 nat. Grösse. Gemeinsam haben die beiden Lokomotivgattungen von Baldwin und Schenektady neben der Gesamtanordnung die Lagerung der vorderen Laufachse in einem „Bissel“-Gestell (Deichsel mit Drehzapfen zwischen den vorderen Triebrädern); die Stopfbüchsen sind mit der Metallpackung „United Kingdom“ versehen, die Schieber nach Richardson entlastet. Das Material der Kessel ist Stahl, das der Röhren und Feuerbüchse Kupfer. (Blechstärke der letzteren 12,7 mm.) Die Maschinen sind mit Vakuumbremse und mit Dampfsandstreuapparat ausgestattet, letzterer in doppelter Anordnung für Vor- und Rückwärtsfahren. Die ganze Serie ist im regelmässigen Dienst thätig, Ergebnisse liegen zahlenmässig zur Beurteilung noch nicht vor, jedoch sind der Sachlage nach jedenfalls keine schlechten Resultate zu erwarten. 2. Die Grosse Nordbahn hat ebenfalls von Baldwin zehn Mogullokomotiven sich liefern lassen, welche nur unwesentlich von denen der Midlandbahn verschieden und durch Skizze 1 dargestellt sind. Was der hier nicht abgebildeten eigentlichen Midlandlokomotive ein etwas verändertes Aeussere verleiht, ist die Anbringung des erstenSandkastens, welcher sonst nach englischer Manier sich unter dem Trittbrett befindet, als Dom auf dem vorderen Kesselschuss. 3. Unterdessen sind auch fünf von den für die Zentralbahn (ehemals Manchester-Sheffield- und Lincolnshirebahn) bei Baldwin bestellten zwanzig Mogulgüterzuglokomotiven angekommen und werden in den Gorton-Werken der Bahn montiert. Im Grössen ganzen gleichen sie den für die Nordbahn gelieferten ziemlich, halten sich aber in den Einzelheiten genau an die Normalien der Bahn, für welche sie bestimmt sind. Eine kurze Berechnung, welche ein Bild von der zu erwartenden Leistungsfähigkeit gibt, ist hier angebracht. Zum Gegenstand derselben sei eine der Baldwin'schen Lokomotiven genommen. Die verfügbare Zugkraft von 6280 kg wird wohl selten zur Verwendung kommen, wenigstens wird dieselbe nicht durch Belastung oder Geschwindigkeit, sondern höchstens auf einer Steigung gegeben sein. Wie eine einfache Rechnung beweist, ist die höchste Zugkraft stets nur bei sehr geringer Fahrgeschwindigkeit vorhanden, da das Produkt \frac{W\,.\,V}{270}=N_e eine gewisse Grösse nicht überschreiten kann? welche durch die verhältnismässig kleine Heizfläche bestimmt ist. Wie schon erwähnt, sind die der englischen Güterzuglokomotive zugemuteten Lasten ziemlich klein, auch verhindern die Grössen Triebräder mit der Belastung über eine gewisse Grenze hinauszugehen, um wieder in letzter Linie an die Heizfläche keine unmögliche Forderung zu stellen. Die Verminderung der Geschwindigkeit mit steigendem Zugwiderstand führt zu Werten, welche unter der Rentabilitätsgrenze liegen, und auch der Bauart der Lokomotive kaum entsprechen. Da die amerikanischen Maschinen an sich schon starke Blasrohrwirkung besitzen, die in England verwendeten Kohlen von besonderer Güte sind, und die Lokomotive nach unseren Begriffen als Personenzuglokomotive gelten kann, so dürfen jedenfalls hohe Ansprüche an die Heizfläche immerhin gestellt werden. Wenn auch der Adhäsionskoeffizient bis auf ⅕ getrieben werden kann (während hier mit ⅙ gerechnet ist), so dass W = 7520 kg wäre, und wenn auch bei sehr guter Kesselwirkung eine höhere Zugkraft, etwa Z = W, zu erreichen ist, so sind mit Rücksicht auf Dauerleistung ungünstigere Annahmen vorzuziehen. Aus \frac{W\,V}{270}=N_e ergibt sich V=\frac{270}{W}\,N_e, mit Einsetzung V=\frac{270}{6280\,N_e}=0,043\,N_e für die grösste Zugkraft. Durch Probieren ist nun ein passender Wert für N zu finden, welcher mit dem aus dieser Gleichung zu erhaltenden V im Einklang steht, in Beachtung des Umstandes, dass die Leistung der Heizfläche eine Funktion der dieser Geschwindigkeit entsprechenden Tourenzahl der Maschine ist. Am besten passt der Wert Ne = 508 PSe. Es ergibt sich nämlich V = 22 km/Std. rund, so dass, bei der zugehörigen Tourenzahl n = 76 per Minute, \frac{N_e}{H}=4 PSe/qm Heizfläche entfallen, was wohl möglich ist. Es fragt sich nun, was zu dem Widerstand W = 6280 kg am meisten beiträgt. Nimmt man gerade horizontale Bahn an, so findet sich durch Auflösung der Formel W=G\,\left(2,4+\frac{V^2}{1000}\right) nach G mit Einsetzung der für W und V gültigen Werte, dass G = 2170 t wäre als gesamtes Zuggewicht. Dies Ergebnis ist für englische Verhältnisse unbrauchbar im besonderen, und weil nur auf durchgehends horizontaler Strecke möglich, auch im allgemeinen nicht verwendbar. Mit Rücksicht auf Steigungen muss also unter allen Umständen eine viel kleinere Zugslast in Rechnung gezogen werden. Eine längere Steigung betrage 10 ‰, dann ist für W= 6280 kg, V= 22 km/Std., Ne = 508 PSe nach dem Zugsgewicht G gefragt. Also: 6280=G\,\left(2,4+\frac{22^2}{1000}+10\right),\ G=\frac{6280}{12,9}=487\mbox{ t.} Zieht man das Lokomotivgewicht ab, so ist die Maschine also im stände, ein Gewicht von etwa 400 t hinter dem Tender mit der Geschwindigkeit 22 km/Std. über eine Steigung von 1/100 zu schaffen, wobei die Nutzleistung 508 PS beträgt, während die volle Zugkraft und Adhäsion der Maschine mit 6280 kg ausgenutzt wird. Dieser Zug betrete die Horizontale. Die Geschwindigkeit steigt, bis die Grenze der Dampferzeugung erreicht ist. Dieser entspreche ein Verhältnis \frac{N}{H}=5,3 PSe/qmHeizfläche, was gerade noch in den Bereich der Möglichkeit fällt bei Berücksichtigung der obwaltenden Umstände. Es wird N = 670 PSe (weil N = 5,3 . 127). Es folgt V = 61 km/Std.; denn W=487\,\left(2,4+\frac{61^2}{1000}\right)=487\,.\,6,1=2980 kg Zugkraft. Andererseits muss sein N=\frac{W\,.\,V}{270}=\frac{2980\,.\,61}{270}=670 PSe. Der für V angenommene Wert ist also richtig gewählt. Das Ergebnis ist demnach: Die Maschine ist im stände, denselben Zug von 400 t hinter dem Tender auf der Horizontalen mit 61 km/Std. zu befördern, wobei die Nutzleistung 670 PS, die Zugkraft aber nur 2980 kg beträgt. Dieser Zug besteht etwa aus Maschine mit Tender und 20 zweiachsigen Wägen von je 20 t Vollgewicht. Fasst man die brauchbaren Resultate der Rechnung zusammen, so hat man den folgenden Ueberblick: Zuglastt Steigung\frac{1}{n} Geschwindig-keitkm/Std. Zugkraftkg LeistungPSe (400 + 87) \frac{1}{100}0 2261 62802980 508670 Dieser Ueberblick zeigt nebenbei in treffender Weise die Beziehungen zwischen Geschwindigkeit, Zugkraft und Leistung im allgemeinen und erklärt das mit steigender Geschwindigkeit nötig werdende Verringern der Füllung, Welches geboten ist, um durch Verkleinern der Zugkraft die Leistung an die jeweilige Kesselwirkung anzupassen. Die Geschwindigkeit kann nur auf Kosten der Zugkraftgesteigert werden, was nicht nur seinen rein mechanischen Grund hat, sondern vor allem auch in der Natur des Lokomotivorganismus bedingt ist. 4. Die Barryeisenbahn hat von den Cooke Lokomotivwerken in Paterson, New Jersey, fünf Lokomotiven bezogen, welche in der äusseren Erscheinung sich an den gewöhnlichen Typus der englischen Tenderlokomotiven für gemischten Dienst anschliessen. Für ähnliche Zwecke ist die Bauart im letzten Jahrzehnt auch im Gebiet der preussischen und bayerischen Staatsbahnen aufgetreten; sie kennzeichnet sich durch dreifach gekuppelte Maschine mit hinterer kurvenbeweglicher Laufachse und mit seitlichen Wasserkästen. Die Cylinder hängen über, dagegen ist die Feuerbüchse gestützt. Die Lokomotiven der Barryeisenbahn sind durch Fig. 4 dargestellt; die dazu gehörigen Angaben sind der Zeitschrift Locomotive magazine, 1899 S. 105 mit Skizze, 1900 S. 18 mit Photographie, entnommen. Der amerikanische Barrenrahmen ist nur für die Triebachsen in Anwendung gekommen, während von der Feuerbüchse ab der gewöhnliche europäische Blechrahmen zur Aufnahme der radial einstellbaren Laufachse und zur Stütze des Führerstandes und des Kohlenbehälters dient. Die Laufachse ist nicht, wie in England üblich, in Webb'schen oder Adams'schen radialen Achsbüchsen, sondern in einem Bisselgestell gelagert, indem die Achsbüchsen durch ein besonderes deichselartiges Gestell vereinigt sind, dessen Drehpunkt in der Mitte zwischen beiden Hauptrahmen hinter der Feuerbüchse bezw. letzten Triebachse liegt. Der Oberbau der Lokomotive ist durchaus englisch: Langkessel aus drei Schüssen, deren mittlerer den Dom trägt, Ramsbottom'sches Federventil über der Feuerbüchse vor dem Führerstand, massig lange Rauchkammer. Textabbildung Bd. 315, S. 379 Fig. 4.Tenderlokomotive der Barryeisenbahn. 1/100 nat. Grösse. Besondere Einzelheiten sind: die nach Richardson entlasteten Schieber, die Siederohre aus Messing, der sogen. „Auspuffinjektor“, eine durch den Cylinderabdampf betriebene Kesselspeisevorrichtung, über welche an anderer Stelle zu berichten wäre. Die Lokomotive weist folgende Hauptabmessungen und Verhältnisse auf: Kolbendurchmesser d = 457 mm Kolbenhub s = 610 Triebraddurchmesser D = 1295 Kesseldruck p = 11,2 at Gesamtheizfläche H = 109 qm Rostfläche R = 1,95 Gesamtgewicht L = 57,2 t Adhäsionsgewicht La = 45,3 Maschinenzugkraft Z = 6680 kg Reibungszugkraft W = 7580 Verhältnisse \frac{Heizfläche}{Rostfläche} \frac{Heizfläche}{Gesamtgewicht} \frac{Cylinderinhalt}{Heizfläche} \frac{Zugkraft}{Adhäsionsgewicht} \frac{H}{R} \frac{H}{L} \frac{C}{H} \frac{Z}{L_a} ==== 561,90,92148 qm/tl/qmkg/t Die Verhältnisse haben gute Werte für eine Zwillingstenderlokomotive. \frac{Z}{L_a} dürfte etwas höher sein, da die Maschine nicht für Personenzüge bestimmt ist. Zur Vervollständigung des Bildes dienen noch folgende Grössen: Radstand festgesamt                                       43906300 mm Ganze Länge 10882 Höhe des Kaminrandesder Kesselmitte über S . O 39652270 Siederohre AnzahlLängeAeusserer Durchmesser 181  342050,8 mm Feuerbüchse (Kupfer) LängeBreiteTiefe vornhinten     185210201750 1330 mm Vorräte Wasser                                            Kohlen 7,271,78 cbmt Ausser der Verschmelzung amerikanischer und englischer Eigentümlichkeiten bietet diese Maschine nichts besonderes. 5. Die Port Talbotbahn endlich hat bei derselben Fabrik, Cooke in Paterson, N. J., drei Tenderlokomotiven von bedeutender Grösse bestellt, über welche Locomotive magazine, 1900 S. 76 mit Photographie, berichtet. Dieser Typus ist durch Fig. 5 vertreten. Die Maschine ist vierfach gekuppelt und besitzt wie die vorige eine hintere gelenkige Laufachse und seitliche Wasserkästen. Die vierfach gekuppelte Lokomotive mit Schlepptender findet sich in England nur auf der Nordwestbahn (mit Webb'scher Dreicylinder-Verbundanordnung), und zwar erst seit einigen Jahren. Ein Bedürfnis war dazu auch bei den leichten Güterzügen bisher nicht vorhanden. Als Tenderlokomotive dazu ist die Maschine mit vier Triebachsen und einem Cylinderpaar eine seltene Erscheinung überhaupt, welche auf dem Festland, zumal auf Hauptbahnen, nur vereinzelt vorkommt, wie z.B. auf den Vereinigten Schweizerbahnen. In England zeigte sie sich einmal auf der Nordbahn, verschwand jedoch bald wieder. Gegenwärtig findet sie sich auf der Barryeisenbahn und auf der Port Talbotbahn neuerdings, durch die hier zu besprechenden Maschinen daselbst eingeführt. Textabbildung Bd. 315, S. 380 Fig. 5.Lokomotive der Port Talbotbahn. 1/100 nat. Grösse. Ein Hauptnachteil der vierfach gekuppelten Maschine ist der lange, ungelenkige Radstand. Werden die Triebachsen möglichst nahe zusammengerückt, so wird die Feuerbüchse des stets sehr Grössen Kessels überhängend (die Cylinder hängen so wie so stets über), wodurch im ganzen die Maschine in Konstruktionsverhältnisse gerät, welche heutzutage mehr und mehr aufgegeben werden. Soll das Ueberhängen umgangen werden, so wird der Radstand sehr lang, wodurch im allgemeinen starke Beanspruchungen der Spurkränze sich einstellen. Diese Umstände haben bekanntlich zu der Konstruktion der kurvenbeweglichen Lokomotiven, Systeme Mallet, Klose, Hagans, geführt. Die Amerikaner helfen sich in solchen Fällen in einerbei uns nicht zulässigen Weise, indem sie die Spurkränze der beiden mittleren Triebachsen weglassen. Dadurch wird wenigstens das Einzwängen in den Kurven vermieden, wenn auch die erste und letzte Achse parallel bleiben. Dieses Hilfsmittel ist auch bei den ⅘ gekuppelten Lokomotiven der Port Talbotbahn angewendet. Im äusseren Aufbau hat diese Lokomotive eine Grösse Aehnlichkeit mit der vorigen, welche sich bis auf die Einzelheiten erstreckt. Nur der Kessel ist hier nicht cylindrisch, sondern hat ausgedehnte Wagon-top-Form, indem schon der zweite Kesselschuss konisch gebildet ist; der Dom sitzt bereits auf dem erweiterten Teile. Der Unterbau der Maschine ist durchaus amerikanisch, die äusseren Formen des Oberbaues, von der Wagon-top-Bauart abgesehen, echt englisch. Die Abmessungen sind gross gewählt und zwar: Kolbendurchmesser d = 483 mm Kolbenhub s = 610 Triebraddurchmesser D = 1320 Kesseldruck p = 12 at Gesamtheizfläche H = 138 qm Rostfläche R = 2,27 Gesamtgewicht L = 76,8 t Adhäsionsgewicht L a = 62 Maschinenzugkraft Z = 7750 kg Reibungszugkraft W = 10350 Verhältnisse \frac{Heizfläche}{Rostfläche} \frac{Heizfläche}{Gesamtgewicht} \frac{Cylinderinhalt}{Heizfläche} \frac{Zugkraft}{Adhäsionsgewicht} \frac{H}{R} \frac{H}{L} \frac{C}{H} \frac{Z}{L_a} ==== 611,80,8125 qm/tl/qmkg/t Auch hier sind gute Verhältnisse wieder bis auf das letzte. Die Maschine ist im Verhältnis zu ihrem Gewicht zu schwach, d.h. unnötig schwer für ihre Zugkraft. Höchstens bei grosser Füllung wird das Adhäsionsgewicht gut ausgenutzt, wozu der Grösse Kessel wahrscheinlich genügend Dampf liefert, um so mehr als \frac{C}{H} einen guten Wert hat. Ausserdem sind noch folgende Abmessungen von Interesse: Radstand festgesamt 47306740 mm Laufraddurchmesser 1067 Höhe Kesselmitte über S . O                           2418 Kesseldurchmesser an der Rauchkammeram Dom 14201555 Siederohre AnzahlLängeDurchmesser                           219363850,8 mm Vorräte WasserKohlen 9,12 cbm t Vergleicht man diese Maschine mit der vorigen, so ist ihre absolute Leistungsfähigkeit bedeutend höher als diejenige der letzteren, nicht nur was Zugkraft, sondern auch was die zu erwartende Leistung in Pferdekräften betrifft. Hinsichtlich der spezifischen Leistung jedoch verhält sich die Sache anders. Die Lokomotive der Barryeisenbahn nutzt ihr Adhäsionsgewicht besser aus, beansprucht also bei gleicher Leistung den Oberbau der Bahn weniger, jedoch hat sie schwierigere Dampfentwickelung, indem auf den Quadratmeter Heizfläche bei ihr 0,92 l Cylinderinhalt entfallen, bei der Lokomotive der Port Talbotbahn nur 0,8 l, so dass bei dieser die Heizfläche weniger angestrengt ist. Rechnet man pro Quadratmeter Heizfläche 4,5 PSe als höchste Leistung, so wäre bei der Lokomotive der Barryeisenbahn eine Totalleistung von 490 PS, bei derjenigen der Port Talbotbahn von 620 PS zu erwarten. In beiden Fällen würde die entsprechende Geschwindigkeit etwa 48 km/Std. betragen. Die beförderte Zuglast wäre hinter dem Zughaken bei der ersten dabei 530 t, bei der zweiten 670 t in der Horizontalen, wobei die Zugkräfte 2750 bezw. 3490 kg erreichten. Zur Beförderung dieser Zuglasten über eine andauernde Steigung von 8 ‰ bei der Geschwindigkeit von etwa 16 km/Std. sind die vollen Zugkräfte von 6680 bezw. 7750 kg nötig, während die entsprechenden Leistungen 330 bezw. 470 PSe betragen würden, so dass der Quadratmeter Heizfläche 3 bezw. 3,4 PSe aufzubringen hätte, was möglich ist. Ueber Betriebsergebnisse und Brennmaterialverbrauch sind bis jetzt keine Berichte veröffentlicht worden. In kurzer Zeit sind somit 78 Lokomotiven aus Nordamerika bis jetzt in England eingeführt worden. Ob es bei dieser Zahl bleiben wird, ist eine Frage der Zeit; sinkt die Nachfrage der Bahnen nach Rollmaterial, oder steigt die Produktionsfähigkeit der englischen Werke in genügendem Mass, was wohl beides kaum plötzlich eintreten wird, so hat es für einige Zeit sein Bewenden mit dieser Krisis, welche jedenfalls nicht ohne Einfluss auf den Verkehr zwischen England und Nordamerika, sowie auf gewerbliche Zustände auf englischem Boden selbst bleiben kann. Verlassen wir das britische Inselreich und überschreiten den Kanal, so sehen wir auf französischem Boden zum erstenmal ebenfalls amerikanische Lokomotiven im Betrieb. Eine Anzahl 2/4 gekuppelter Schnellzuglokomotiven sind nämlich an die französische Staatsbahn von den Baldwin'schen Werken geliefert worden, über welche Locomotive Engineering, 1900 S. 119 mit Photographie, berichtet. Dieselben sind nach wohlbekannten amerikanischen Mustern gebaut, die ersten nach dem Zwillingssystem (Cylinderdurchmesser 438 mm), alle folgenden bei im übrigen gleicher Ausführung nach dem Vauclain'schen Verbundsystem (D. p. J. 1898 308 124). Derselbe Typus wurde von der sächsischen Staatsbahn zurückgewiesen, da sie dem Ausschreiben nicht entsprachen. Die Geschichte schweigt vorläufig darüber, ob diese Anschaffung seitens der französischen Staatsbahn aus ähnlichen Gründen unternommen wurde, welche bei den englischen Bahnen obwalteten, oder aus wissenschaftlichem Interesse. Gegen letzteres spricht die Grösse Anzahl der gleichzeitig zur Ablieferung gelangenden Maschinen, von denen eine auf der Pariser Weltausstellung das Augenmerk auf sich ziehen wird; am meisten wird die in Europa noch nicht vorgekommene Höhe der Kessellage das Staunen erregen, welche den amerikanischen Maschinen eigen ist, und zur imponierenden Erscheinung das meiste beiträgt. Auch sonst verleugnen diese Maschinen ihren Ursprung in keiner Weise; sie sind durch Fig. 6 dargestellt, welche mit Zugrundelegung der üblichen Konstruktionsprinzipien an Hand der Photographie und der sehr mangelhaften Angaben der Quelle verfertigt werden musste. Auch hier ist das Material der Feuerbüchse Kupfer. Der Kessel zeigt die Wagon-top-Bauart, allerdings nur in sehr geringem Mass, mit Belpaire'scher Feuerbüchse. Die Rauchkammer ist sehr weit über das Kamin hinaus verlängert, enthält ein Funkensieb und trägt die Grösse Laterne. Hierher gehören auch folgende Grössen: Kleinster Kesseldurchmesser 1438 mm Feuerbüchse LängeBreiteMittlere Tiefe 224011101650 Feuerrohre AnzahlLängeDurchmesser 282369050,8 mm Radstand festgesamteinschliesslich Tender 2440717014810 mm Erst vor einigen Jahren hat nach dem Vorgang der übrigen französischen Hauptbahnen die Staatsbahn sich 2/4 gekuppelte viercylindrige Verbund-Schnellzuglokomotiven beschafft, deren Erbauer die Elsässische Maschinenbaugesellschaft Grafenstaden war (D. p. J. 1899 312 124). Interessant dürften die Vergleiche zwischen beiden Verbundsystemen ausfallen und auf die Ergebnisse der Fahrten mit den amerikanischen Maschinen gegenüber den europäischen kann man gespannt sein. Textabbildung Bd. 315, S. 381 Fig. 6.Schnellzuglokomotive der französischen Staatsbahn. 1/100 nat. Grösse. Das besonders in Frankreich, in der Schweiz und in Süddeutschland zur Verbreitung kommende Verbundsystem mit zwei getrennten Triebwerken hat den Vorteil, dass die Massen ausgeglichen werden können (wenigstens die hin und her gehenden), sowie den der höchsten Anpassungsfähigkeit an den Wechsel der an die Maschine tretenden verschiedenartigen Forderungen, dagegen den Nachteil des doppelten Triebwerks, also der Vielteiligkeit, wobei noch das innere Triebwerk unzugänglich ist. Demgegenüber sind beim Verbundsystem Vauclain die Verhältnisse gerade umgekehrt. Die Maschine hat nur ein Triebwerk, ist sehr leicht zugänglich und einfach und daher seltener der Reparatur bedürftig; jedoch verliert sie die Möglichkeit der Massenausgleichung und die Anpassungsfähigkeit; denn die Kolbenstangen sind durch den gemeinsamen Kreuzkopf gekuppelt, so dass stets beide Cylinder arbeiten müssen, wenn das „Ecken“ des Kreuzkopfes einigermassen vermieden werden soll; ganz lässt sich diese äusserst ungünstige Beanspruchung überhaupt nie vermeiden, weil die Arbeit in beiden Cylindern nie gleich gross ist, und auch infolge der gemeinsamen Steuerung (Kolbenschieber) nicht reguliert werden kann. Dieser jeweilige Ueberdruck der einen Kreuzkopfseite gegen die andere muss jedenfalls zu bedeutenden Pressungen auf den Gleitbahnflächen Anlass geben, wenn nicht zu Deformationen derselben. In der folgenden Tabelle sind die Hauptabmessungen beider Lokomotivgattungen zusammengestellt, welche neuerdings auf der französischen Staatsbahn zusammengetroffen sind. Ist d1 der Durchmesser des Niederdruckcylinders, so ist (nach v. Borries) für die Vauclain'sche Verbundmaschine (System Woolf), deren Kolbenflächenverhältnis 1 : 2,75 ist, die Maschinenzugkraft Z=0,33\,\frac{{d_1}^2\,p\,s}{D}. Für die zweite Kategorie mit getrennten Triebwerken (System Mallet-Brunner), mit dem Verhältnis der Kolbenflächen 2,45, ist der mittlere Kolbendruck etwas höher zu nehmen, nämlich 0,38 des Kesseldrucks. Somit die Maschinenzugkraft Z=0,38\,\frac{{d_1}^2\,p\,s}{D}. Für Personenzuglokomotiven ist ferner zu rechnen: die Reibungszugkraft W= 0,15 La. Hauptabmessungen. Textabbildung Bd. 315, S. 382 Maschine; Kessel; Gewicht; Zugkraft; Verhältnisse; Erbauer und Jahr der Erbauung; Cylinderdurchmesser; Kolbenhub; Triebraddurchmesser; Kesseldruck; Heinzfläche; Rostfläche; Gesamtgewicht; Adhäsionsgewicht; Machine; Reibung; Heizfläche; Rostfläche; Heinzfläche; Gesamtgewicht; Cylinderinhalt; Heinzfläche; Zugkraft; Adhäsionsgewicht; Baldwin; Grafenstaden Die Baldwin'schen Lokomotiven sind mit offenbarer Anlehnung an den bisher gebräuchlichen Typus erbaut; die Zugkräfte vor allem stimmen beinahe genau überein. Das Zusammenfallen von W und Z darf als sehr gutes Zeichen gelten. Bekannt ist die gut berechtigte Vorliebe der Amerikaner für Grösse Heizflächen. 176 qm ist eine von wenig Lokomotiven Europas erreichte Zahl; sehen wir von den Feuerrohren System Serve ab, mit welchen leicht eine derartige Grösse der Heizfläche hergestellt werden kann (wenn diese auch allerdings nicht ganz vom Wasser berührt wird, und deshalb auf keinen Fall voll in Rechnung gesetzt werden darf), und lassen wir die Güterzuglokomotiven ausser Spiel, so ist in Deutschland nur eine einzige Lokomotivgattung, welche ebenfalls eine Heizfläche von 175 qm aufzuweisen hat, nämlich die ⅖ gekuppelte Schnellzuglokomotive der Pfalzbahn, die grösste und imposanteste Deutschlands, 1898 von Krauss, München, erbaut. – Die Heizfläche ist die Lunge der Lokomotive, innerhalb der Grenzen des zulässigen Gesamtgewichts der Lokomotive kann dieselbe nicht gross genug gemacht werden; es wird ja die Leistung auf den Quadratmeter Heizfläche bezogen. Bei guter Blasrohrwirkung ist eine gute Ausnutzung einer Grössen Heizfläche zu erwarten, um so mehr als die letztere nicht durch Verlängerung der Feuerrohre, sondern meistens, so auch hier bei den Baldwin'schen und bei den amerikanischen Lokomotiven überhaupt, durch Vergrösserung der Rohrzahl in die Höhe getrieben ist. Dazu ist ein grosser Kesseldurchmesser nötig und wir kommen in die Lage, den Kessel über die Räder legen zu müssen. Die Frage, ob der Kessel hoch oder tief zu legen ist, ist schon sehr oft berührt worden und Gegenstand von Untersuchungen theoretischen Charakters gewesen; dabei spielt nicht nur der Kesseldurchmesser eine Rolle im Sinne der Höherlegung, sondern veraltete Prinzipien, welche auf den mechanischen Begriffen der Stabilität fussen, werden neuerdings auch in solchen Fällen zu Gunsten der Hochlage des Kessels vernachlässigt, wo der Kesseldurchmesser eine viel tiefere Lage des Kessels (zwischen den Rädern, statt über denselben) zulassen würde. Allerdings liegt dabei auch oft das Bestreben vor, zum Zweck der Erzielung grösserer Breite der Feuerbüchse dieselbe über die Rahmen zu legen, was neben der Vergrösserung des Kesseldurchmessers wohl den ersten Anlass zu der Höherlegung des ganzen Kessels gegeben haben kann. Auch die hier besprochene Baldwin'sche Lokomotive der französischen Staatsbahn zeigt diese einigermassen unheimlich hohe Lage des Kessels (etwa 2,8 m Kesselmitte über der Schienenoberkante). Weder England noch der Kontinent haben sich bisher zu diesem Mass verstiegen. In Deutschland ist die Anschauung, zum ruhigen Gang gehöre ein tief liegender Kessel, in Form einer eisenbahnamtlichen Verordnung (T. V. 1886 § 93. „Der Kessel soll so tief als möglich liegen“) sogar noch offiziell vertreten; manche österreichischen Bahnen dagegen haben sich der alten Fesseln entledigt und die Kesselachse bis zu 2,6 m über S . O hochgelegt. Wenn die gegen die Hochlegung ins Feld geführten theoretischen Gründe stichhaltig wären, so müssten allerdingsdie zur Hochlegung Veranlassung gebenden konstruktiven Prinzipien umgangen werden; wie dann die Praxis dem Bedürfnis der hohen Leistungsfähigkeit des Kessels entgegenkäme, das zeigen der „Flaman“-Kessel (französische Ostbahn), die neuerdings häufig angewandten „Serve“-Röhren und ähnliche Bestrebungen, in einen kleinen, zwischen den Rädern steckenden Kessel die nötige Heizfläche hineinzupfropfen. Da ging natürlich die amerikanische Praxis ohne viel Besinnen und ohne Rücksicht auf theoretische Bedenken bahnbrechend vor und legte den Kessel über die Räder und die Rahmen, die ihn einengten und sein Wachstum verhinderten; analog dazu sind die Häuserungetüme, welche in die Höhe wachsen müssen, weil der Erdboden keinen Platz bietet (und nebenbei zu teuer ist). In Wirklichkeit steht auch die hohe Lage des Kessels nicht mit der Theorie im allgemeinen, sondern nur mit dem hergebrachten Begriff der Stabilität im rein mechanischen Sinn im Widerspruch; jedoch hat erwiesenermassen die „Standsicherheit“ eines ruhenden Körpers nichts zu thun mit der Ruhe des Ganges einer Lokomotive. Darüber wurde seinerzeit ausführlich in D. p. J. 1896 301 253 ff. erörtert. Es fragt sich dabei auch überhaupt, was unter der „Ruhe“ des Ganges zu verstehen ist. Bei hochliegendem Kessel ist der Gang ein einigermassen schwankender, aber es ist ein regelmässiges Pendeln ohne Stösse vom Bahnkörper auf den Körper der Maschine, die Federn dienen besser ihrem Zweck. Die Gefahr des Umfallens besteht ja überhaupt nicht, also diese Hauptbedingung der „Stabilität“ ist immer vorhanden. Bei tiefliegendem Kessel dagegen werden alle Stösse direkt auf denselben vom Radgestell übertragen, ein Schwanken kann nicht eintreten infolge der geringen Pendellänge, wenn man das System des Schwerpunkts der Lokomotive mit dem Geleise als Pendel betrachtet. Je länger dasselbe, um so mehr nähert sich das Gleichgewicht dem labilen Zustand und entfernt sich aus dem stabilen des tiefliegenden Kessels, indem der Pendelschwerpunkt sich über dem Stützpunkt befindet. Aber erst ein in unendlich grosser Höhe über dem Geleise liegender Schwerpunkt würde das Fahrzeug an die Grenze der Stabilität bringen. Je tiefer der Kessel liegt, um so sicherer allerdings steht die Lokomotive, aber nicht um so ruhiger läuft sie; an Stelle des gleichmässigen Schwankens tritt das unregelmässige Rütteln des Fahrzeugs, welches die ganze Maschine erschüttert, auf den Oberbau der Bahn verderbliche Wirkung hat, und – last not least – mehr noch das Maschinenpersonal beansprucht und ermüdet; naturgemäss ist diese Art der Bewegung die bei weitem nachteiligere für alle beteiligten Faktoren und rührt daher, dass die Maschine zu sicher steht, also den Stössen nicht auszuweichen vermag, während der Gang einer Lokomotive mit hochliegendem Kessel ein elastischer ist; höchstens in den Kurven ist starkes Schwanken fühlbar. Diese Art von Gang darf also als „ruhig“ mit mehr Recht bezeichnet werden, und zwar „wider Erwarten“ hat sich dies bei den hochgebauten Lokomotiven herausgestellt, aber nicht „wider Natur“; nicht „trotz“, sondern „wegen“ des hohen Kessels ist der Gang ruhig. Und sollte sogar die hohe Lage des Kessels Nachteile in der Erhaltung des Gleichgewichts bedingen, so ist zur Beruhigung zu sagen, dass der Schwerpunkt der Maschine nicht mit dem des Kessels zusammenfällt, so dass also der Gesamtschwerpunkt der Lokomotive bedeutend langsamer in die Höhe rückt, als der Kesselschwerpunkt. In richtiger Erkenntnis der Vorteile der hohen Kessellage werden in steigendem Mass auch auf dem europäischen Festland nun die alten Vorurteile, die z.B. zur Konstruktion der unter dem Namen „System Crampton bekannten Gattung von Schnellzuglokomotiven führten, aufgegeben, wobei die österreichische Staatsbahn am weitesten gegangen ist. In Deutschland sind die Lokomotiven bis auf weiteres im allgemeinen an der Grenze der Leistungsfähigkeit angelangt; auch in Sachen „Schnellbetrieb auf den Eisenbahnen“ bleibt Deutschland naturgemäss weit zurück hinter den rivalisierenden Nachbarn, nicht etwa infolge von wirtschaftlicher oder technischer Unfähigkeit, sondern infolge des Druckes einer Masse von eisenbahnamtlichen Vorschriften, welche den Bahnen rundweg jede freie Entwickelung abschneiden, und dazu aus. einer Zeit stammen, welche von Verbundsystem, von Drehgestellfahrzeugen, von modernem Bahnoberbau nichts wusste. Die T. V. 1886 halten nicht Schritt mit der Entwickelung des Verkehrs, der Bahnen, des Lokomotivbaues; sie wurden in einer Zeit geschaffen, wo die ⅔ gekuppelte Zwillings-Personenzuglokomotive mit kurzem Radstand, überhängenden Cylindern, geringer Heizfläche u.s.w. einen Zug von lauter zweiachsigen Wägen auf einem Oberbau, der sich aus 7,5 bis 9 m langen Schienen zusammensetzte, zu führen hatte, und gelten heute noch, wo das Eisenbahnwesen, besonders durch die Weltausstellungen von Paris 1889 und Chicago 1893 mächtig angeregt, eine gründliche Umwälzung durchgemacht hat; gerade so krampfhaft müssen sich die deutschen Bahnen an diese Normen heute noch halten. 4,15 m ist die Höhe Kaminrand über Schienenoberkante; dies verhindert, den Kessel so hoch zu legen, dass er zur Aufnahme der nötigen Heizfläche den erforderlichen Durchmesser erhalten kann; dabei aber ist zu bemerken, dass etwa bis zum Jahre 1880 auf denselben deutschen Bahnen Maschinen liefen, die bis zu 4,8 m Höhe erreichten, und deren Kamine gekürzt werden mussten, als die Vorschrift der oben erwähnten Höhe von 4,15 in entstand. – 90 km pro Stunde ist vorgeschriebene Maximalgeschwindigkeit in Deutschland; was hat diese Zahl 90 vor anderen für ein Vorrecht? Ihre Festsetzung entstammt derselben Zeit, welche mit der heutigen keine eisenbahntechnische Verwandtschaft hat; ohne Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit der einzelnen Bahnen, ihres Oberbaues und Rollmaterials, ist die Zahl 90 ein für allemal der vorgeschriebene Schluss des Fortschritts, die zulässige Grenze der Entwickelung! Dabei war und ist seit 1854 (!) in Frankreich die zulässige Maximalgeschwindigkeit 125 km/Std. (D. p. J. 1896 301 12), England und Amerika schreiben überhaupt nichts vor. Ob diese Länder aber mehr Unglückskilometer deshalb zu verzeichnen haben, als Deutschland, ist eine Frage. Es wäre an der Zeit, solche die freie Entwickelung hemmenden Vorschriften aufzuheben und die Grenze des Zulässigen vom jeweiligen Stand der betreffenden Bahn abhängig zu machen! Hier ist endlich noch eine kleinere Tenderlokomotive zu besprechen, welche die Richmond Lokomotiv-Werke der schwedischen Staatsbahn geliefert haben. Sie ist durch Fig. 7 dargestellt; die Abmessungen entnehmen wir der Zeitschrift Locomotive magazine, 1899 S. 154. Die Lokomotive hat drei gekuppelte Achsen und lässt natürlich die amerikanischen Vorbilder erkennen. Cylinder und Schieber liegen aussen, Rahmen und Steuerung innen. Die Wasservorratskästen sind zu beiden Seiten des Kessels angeordnet. Die Lokomotive ist ihrem Verwendungszweck entsprechend nicht für Verbundwirkung ausgerüstet und zeigt keine Besonderheiten. Ihre Abmessungen sind folgende: Cylinderdurchmesser 381 mm Kolbenhub 558 Triebraddurchmesser 1220 Kesseldruck 11,6 at Maschinenzugkraft 0,6\,\frac{d^2\,s\,p}{D} 4600 kg Heizfläche 80 qm Rostfläche 1,2 Dienstgewicht 34 t Verhältnisse \frac{Heizfläche}{Rostfläche} 67 \frac{Heizfläche}{Dienstgewicht} 2,35 qm/t \frac{Cylinderinhalt}{Heizfläche} 0,79 l/qm \frac{Zugkraft}{Adhäsionsgewicht} 135 kg/t Bis auf das letzte sind die Verhältnisse befriedigend. Ihrem Gewicht entsprechend ist die Maschine etwas zu schwach, oder umgekehrt ist die Lokomotive zu schwer im Verhältnis zu ihrer Zugkraft. Die Schieber sind nach System Richardson entlastet; die Stopfbüchsen mit der „United States“-Metallpackung versehen. Der Kessel zeigt nicht wagon top, sondern straigt top, d.h. cylindrische Bauart. Die Feuerbüchse ist auch hier aus Kupfer, die Siederohre aus Eisen. Der Rost ist ein Schüttelrost. Weitere Angaben über Kessel und Feuerbüchse in folgendem: Textabbildung Bd. 315, S. 383 Fig. 7.Tenderlokomotive der schwedischen Staatsbahn. 1/100 nat. Grösse. Aeusserer Kesseldurchmesser 1295 mm Rohre LängeDurchmesser   Anzahl 320050,8146 Feuerbüchse LängeBreiteTiefe vornhinten 141586315051275 mm Endlich gehören hierher noch folgende Grössen: Radstand 3660 mm Ganze Länge (ohne Buffer)      9220 Vorräte WasserKohlen 4,541,5 cbm t Die Maschine ist laut Angabe der Quelle für den Dienst in Gegenden nördlich vom Polarkreis bestimmt. Damit wäre unsere Rundschau über diese Fälle von Einwanderung aus Amerika, über die Einführung amerikanischer Lokomotiven in die Länder der alten Welt, beendet. Unterdessen sind aber auch schon auf deutschem Boden solche Fremdlinge angekommen. Wenigstens berichtet die Nr. 4 der Zeitschrift „Kraft“, Organ für u.s.w. (früher „Dampf“) vom 18. Mai 1900, dass auf den bayerischen Staatsbahnen Versuche mit amerikanischen Lokomotiven stattgefunden haben, welche schlechte Ergebnisse gezeitigt haben sollen. Bei einer zweiten Probefahrt sollen sich die schlechten Erfahrungen bestätigt und wiederholt haben. Zu welchem Zweck die bayerischen Staatsbahnen diese Anschaffung fremder Lokomotiven gemacht haben, oder aus welchem Grund dies geschehen ist, darüber verlautet nichts. Es bleibt auch abzuwarten, ob das Fiasko sich bewahrheitet; was für Umstände dazu die Veranlassung gegeben haben, um was für Lokomotiven und Bauanstalten es sich dabei handelt, ist vorläufig nicht bekannt. Auf der ersten Probefahrt soll eine Maschine bis zur Unbrauchbarkeit schadhaft geworden sein. Diese Nachricht ist besonders deshalb merkwürdig, weil es bekannt ist, welch hohe Ansprüche in Amerika an die Leistungsfähigkeit der Lokomotiven gestellt werden; dieselben werden dort bedeutend höher beansprucht und ausgenutzt, als bei uns, und gerade deshalb auch so einfach und massiv besonders in den Triebwerksteilen ausgebildet, so dass aus den Triebwerken zweier amerikanischen Lokomotiven diejenigen für fünf gleichwertige deutsche hergestellt werden könnten. Und nun soll schon bei der ersten Probefahrt eine derartige Beschädigung vorkommen! Erklärung könnte nur darin gefunden werden, dass entweder die amerikanischen Firmen minderwertiges Material für die deutschen Besteller verwendet bezw. in der Genauigkeit der Ausführung Tadelhaftes geliefert haben, oder dass die Maschinen abweichendvon der amerikanischen Praxis nach deutschen Normen gearbeitet werden mussten, die den amerikanischen Konstrukteuren und Fabrikanten nicht geläufig waren. – Man braucht hier nur an die eingangs dieses Artikels erwähnte Probefahrt auf der Snowdon-Bergbahn in England zu erinnern, wo das sonst vorzügliche Fabrikat der Lokomotivfabrik Winterthur kläglich verunglückte, um dem Gedanken Raum zu verschaffen, dass gewisse technische Produkte nur auf den Boden passen, auf dem sie entstanden sind, dass sie aber anderswo unter fremden Verhältnissen nicht recht lebensfähig sind. Der deutsche Lokomotivbau speziell scheint also amerikanische Konkurrenz nicht befürchten zu müssen, nachdem in Sachsen die amerikanische Bewerbung schon keinen, in Bayern die Probe aber einen schlechten Erfolg gehabt hat. Ob aber damit die Gefahr der Konkurrenz endgültig beseitigt ist, wird die Zeit lehren. M. Richter-Bingen.