Titel: | Der Aufstieg des Graf v. Zeppelin'schen Luftfahrzeugs. |
Fundstelle: | Band 315, Jahrgang 1900, S. 465 |
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Der Aufstieg des Graf v. Zeppelin'schen Luftfahrzeugs.
Der Aufstieg des Graf v. Zeppelin'schen Luftfahrzeugs.
Der erste Aufstieg des Graf v. Zeppelin'schen Luftfahrzeugs vor Manzell bei Friedrichshafen am Bodensee ging am Abend des 2. Juli glücklich von statten. Ehe wir über
diese Probefahrt des Näheren berichten, mögen hier einige Angaben über die Konstruktion und Herstellung des Luftfahrzeugs
Platz finden.
Das Luftschiff ist bekanntlich in einer schwimmenden Bauhütte auf dem Bodensee bei Manzell hergestellt worden (D. p. J. 1899 313 * 94). In dieser eigenartigen Werkstatt arbeiteten 70 Zimmerleute an der Herstellung des Gerüstes, 30 Schlosser und Monteure
an der Zusammensetzung des aus Aluminium bestehenden Gerippes. Das Ankerseil der Halle hat
50000 kg Bruchfestigkeit. Elf grosse, in gleicher Höhe angebrachte Fenster lassen das Licht in das Innere dringen.
Die spitz zulaufende Montierungshalle allein kostete 200000 M. Das Luftschiff ist wohl das längste von allen, die bisher hergestellt
wurden. Es besteht aus mehreren miteinander verbundenen Abteilungen. Die Beschädigung einer einzelnen Abteilung wird also
nicht die Ausserbetriebstellung des ganzen Luftschiffes zur Folge haben. Die Ballonhülse ist zusammengesetzt aus 17 Ballons
von 4 bezw. 8 m Länge und 11,3 m Durchmesser; sie sind aus bestem Material erbaut und vollständig undurchdringlich. Das Volumen
aller Ballons zusammen beträgt demnach 11000 cbm. Die Ballons sind mit Wasserstoffgas, das aus den auf den Pontons sich befindenden
Retorten geliefert wird, gefüllt. Die Tragkraft beträgt 12000 kg. Das Luftschiff wiegt einschliesslich Gondeln, Maschinen
und Besatzung etwa 10000 kg. Die grösste dem Winde dargebotene Querschnittfläche beträgt rund 100 qm. Die 17 gasdichten Hüllen
sind in einem von einer Aluminiumgitterkonstruktion gebildeten grossen Cylinder untergebracht.
Beiderseits etwa 25 m von den Enden entfernt, sind zwei Gondeln untergebracht, mit je einem 15pferdekräftigen Daimler-Motor,
der durch eine starke Aluminiumgitterkonstruktion an dem Hüllengerüst befestigt ist. Untereinander sind die Gondeln noch durch
eine Laufbrücke verbunden.
Die beiden Gondeln und der dieselbe verbindende Laufsteg sind aus Aluminiumblech hergestellt, der zur Aufnahme der 17 Ballons
bestimmte Tragkörper bildet ein Gerippe aus T- und U-förmigen Aluminiumbalken, die nachArt der Quer- und Längsspanten eines Schiffes angeordnet und durch Nietung fest miteinander verbunden sind. Als Diagonalverband
sind Kupferdrähte verwendet. Daneben sind Längs- und Querspanten durch ein straff gespanntes Netzwerk aus Ramieschnüren miteinander
verbunden, das den Diagonalverband verstärkt. Das Netzwerk ist doppelt; ebenso sind die diagonalen Kupferdrähte analog den
doppelten Balken, aus denen die Spanten bestehen, doppelt geführt. Die Maschenweite des Netzes beträgt 10 cm. Das innere Netz
dient als Widerlager für die Gasballons, welche, wenn sie eingebracht und gefüllt sind, die Steifigkeit des Ganzen erhöhen.
Textabbildung Bd. 315, S. 465
Um den Ballon gegen Hegen, Sonnenbestrahlung und vor mechanischen Verletzungen zu schützen, ist derselbe aussen mit einem
festen Baumwollstoff (Pegamoid) überzogen; der untere Teil ist vollkommen wasserdicht.
Die Fortbewegung des Ballons wird durch vier vierflügelige Luftschrauben aus Aluminium bewirkt, die paarweise seitlich am
Ballon befestigt sind, und ihre Drehung mittels Kegelrädergetriebe von den in den Gondeln untergebrachten Motoren erhalten.
Letztere sind gewöhnliche viercylindrige Daimler-Benzinmotoren mit elektrischer Zündung; die Arbeitscylinder sind aus Gusseisen,
dagegen die Gehäuse aus Aluminium; die Tourenzahl der Motoren beträgt 700 in der Minute, diejenige der Luftschrauben
1100; die Uebertragung erfolgt, wie bemerkt, durch Kegelrädergetriebe mit hohlen Wellen aus Mannesmann-Röhren, die
Kegelräder sind aus Rohleder, um eine Schmierung derselben während der Fahrt entbehrlich zu machen.
Textabbildung Bd. 315, S. 466
Das Kühlwasser erfährt in längs des Laufstegs angebrachten Kühlrohren eine Rückkühlung; der Benzinvorrat soll vorläufig einen
10stündigen Betrieb gestatten.
Zeppelin ist mit den ihm zur Verfügung stehenden 30 PS seinen Vorgängern weit überlegen, denn es verfügte Giffard nur über 3,5, Renard und Krebs über 8,5 und Schwarz über 12 PS. Bei windstillem Wetter bewegt sich der Ballon 540 m in der Minute vorwärts oder 32,4 km in der Stunde. Seine
Erhebungsfähigkeit wird auf 1100 m angegeben; als Belastung soll er 1900 kg tragen können.
Die Steuerung des Luftschiffs geschieht mittels Steuerflächen, vertikal stehenden Segeln aus Pegamoid, das zwischen Aluminiumrahmen
gespannt ist; die Verstellung dieser Steuerflächen erfolgt durch Zugseile aus Stahldraht.
Das vordere Ruder liegt in der Mittschiffsebene des Fahrzeugs über und unter demselben; die Achse geht durch den Tragkörper
hindurch. Die beiden hinteren Ruder liegen seitlich. Das vordere Ruder stützt somit die Spitze des Schiffs etwas bei Pendelschwingungen
desselben um seine Längsachse (Schlingern).
Textabbildung Bd. 315, S. 466
Zum Ausgleich von Gewichtsdifferenzen und um ausder horizontalen Lage der Schiffsachse in eine Schräglage derselben bis zu 5° gelangen und dadurch schräg auf- und schräg
absteigen zu können, dient ein 300 kg schweres Laufgewicht aus Blei, das von den Gondeln aus mittels Zugseile auf dem die
Gondeln verbindenden Laufstege verstellt werden kann; dadurch dass die 17 Einzelballons einzeln in sich geschlossen sind,
ohne Kommunikation miteinander, ist bei Schräglage des Tragkörpers ein Aufsteigen der Gesamtgasmenge gegen die Ballonspitze
ausgeschlossen, und das so sehr befürchtete Aufkippen des Tragkörpers verhütet.
Textabbildung Bd. 315, S. 466
Das Luftschiff ist in seiner Montierungshalle auf einem beweglichen Mittelfloss festgemacht, das herausgeschoben werden kann.
Soll es eine Fahrt unternehmen, so schieben Arbeiter das Mittelfloss heraus, draussen nimmt es ein Dampfer in Tau und bringt
es an die für den Aufstieg gewählte Stelle, die Halttaue werden gelöst und durch Mannschaften festgehalten. Ist alles fertig,
so werden die Taue auf Kommando losgelassen, das Luftschiff schwebt langsam empor und die Maschinen setzen sich in Bewegung.
Die Landung findet ebenfalls mit dem an bestimmter Stelle aufgestellten Mittelfloss statt, oder das Luftschiff setzt sich
in der Nähe desselben aufs Wasser und wird dann nach dem Mittelfloss gefahren. Geplant wurde, in dem Viereck Immenstaad, Langenargen,
Rorschach, Uttwyl mit dem Luftschiff zu manövrieren.
Zu eventuellen Hilfeleistungen ist ein Begleitdampfer bestimmt. Um die Bahn des Luftschiffs feststellen zu können, wurden
terrestrische Beobachtungsstationen bei Schloss Hersberg, dem Dorfe Retterschen ob Kressbronn, Buchen bei Rorschach und oberhalb
Uttwyl eingerichtet, von denen aus gleichzeitige Positionsbestimmungen gemacht wurden. Auf dem Belvedere der Montierungshalle
und am Land sind Wetterbeobachtungsstationen installiert. Mehrere Tage vor dem ersten Aufstieg schwebte in Höhe zwischen 100 und 500 m ein kleinerer Fesselballon (v. Siegsfeld'scher Drachenballon) über Manzell, dessen Registrierinstrumente Aufschluss über die meteorologischen Verhältnisse dieser
Luftschichte und damit über die für den Aufstieg günstigste Tagesstunde geben sollen. Halbstündliche Beobachtungen über die
Windgeschwindigkeit sind mit Hilfe eines an dem Anemometer des Registrierballons angeschlossenen Telephons während mehrerer
Tage und Nächte gemacht worden.
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Für den ersten Probeaufstieg war der Nachmittag des 30. Juni ernstlich in Aussicht genommen, doch konnte der Plan trotz des
dazu an diesem Abende besonders geeigneten Wetters bezw. Windes nicht ausgeführt werden, da die aus 2200 eisernen Gasflaschen
zu bewirkende Füllung des Ballons nicht rechtzeitig vor Eintritt der Dunkelheit zu Ende geführt wurde. Der folgende Tag brachte
einen ungünstigen Wind, erst am späten Abend des 2. Juli liess sich der von ernsten Fachleuten, wie von Laien mit grosser
Spannung erwartete Aufstieg in Scene setzen. – Der Aufstieg erfolgte um 8 Uhr 3 Minuten abends, nachdem das Fahrzeug etwa
20 Minuten vorher die Montierungshalle auf dem beweglichen Mittelfloss verlassen hatte. Das Mittelfloss und das darüber befindliche
Luftschiff wurden von einer Dampfbarkasse langsam von der Montierungshalle frei geschleppt und in die zum Aufstieg passende
Stellung gebracht, wobei grosse vorn und hinten auf dem Floss angebrachte Schlagruder, wie sie die Flösser gebrauchen, die
Steuerung des Flosses unterstützten. An der Fahrt nahmen teil: Vordere Gondel: Generalleutnant z. D. Graf v. Zeppelin Leitung und Steuerräder, Freiherr v. Bassus-München für den aeronautischen Teil, Monteur Gross-Friedrichshafen Bedienung der Maschine. Hintere Gondel: der Weltreisende Eugen Wolff Befehlsübermittelung, Ingenieur Burr Bedienung der Maschine. Die Kommandoelemente, d.h. Steuer-, Gewicht-, Ventilzüge u.s.w. befinden sich alle in der vorderen
Gondel. Nachdem der Ballon etwa eine Höhe von 25 m erreicht hatte, wurden die 32 Haltseile losgelassen. Zuerst trieb das Fahrzeug
vor dem leichten Ostwinde, welcher herrschte,etwas ab; als aber die Maschinen angelassen wurden, hielt es gegen den Wind, drehte dann nach rechts und links und fuhr danach
vor dem Winde, dabei gelegentlich hin und her wendend bis nach Immenstaad, der nächsten Dampfbootlandestelle hinunter. Während
dieser Fahrt brach ein Steuerseil. Es gelang noch, das Fahrzeug nach links gegen den Wind zu steuern; nach rechts liess sich
aber, infolge des gebrochenen Taues, nicht mehr steuern und Graf v. Zeppelin entschloss sich infolgedessen zur Landung, die 8 Uhr 20 Minuten, also 17 Minuten nach dem Aufstieg, nahe der Küste erfolgte.
Textabbildung Bd. 315, S. 467
Nachdem Floss und Luftschiff durch eine Leine miteinander verbunden waren, wurde das letztere in Position geholt und die Haltetaue
auf das Floss gegeben. Das Luftschiff stand dabei hinter demselben, es mit der Spitze überragend. Sobald die ersten Halttaupaare
gefasst waren, wurde der Rest des Ballastes (etwa 250 kg) ausgeworfen und das Kühlwässer der Maschinen entfernt: das Luftschiff
hob sich von der Wasseroberfläche mit einem leichten Ruck und wurde von den Mannschaften mit kleiner Mühe über das Landungsfloss
gezogen und befestigt. Um 1 Uhr nachts war der Ballon wieder in seiner Halle untergebracht.
Textabbildung Bd. 315, S. 467
Als Ergebnis der ersten Fahrt darf das Folgende gelten: Die statischen Verhältnisse des Ballons entsprechen vollkommen den
gehegten Erwartungen und den zu stellenden Ansprüchen; Auf- und Abstieg vollzogen sich tadellos, auch das Laufgewicht funktionierte
gut. Die gewonnenen Resultate sind als ein wertvoller Beitrag zur Lösung des Problems der Lenkbarkeit des Luftballons anzusehen.
Es wurden eine Höhe von etwa 250 m und eine Geschwindigkeit von etwa 8 m in der Sekunde (mit dem Winde) erreicht. Die Füllungskosten
des 11000 cbm fassenden Ballons betragen bei einem Preise von 0,85 M. pro Cubikmeter Wasserstoffgas etwa 10000 M. Mancherlei
Anfechtungen gegenüber mag hier betont sein, dass die Höhe der Herstellungskosten (1 Million Mark) und diejenige der jedesmaligen
Füllung den Wert des grossartigen Versuchs nicht schmälern können.