Titel: Max Déri's Wechselstrommotor mit grosser Anlaufkraft.
Autor: A. Prasch
Fundstelle: Band 315, Jahrgang 1900, S. 509
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Max Déri's Wechselstrommotor mit grosser Anlaufkraft. Max Déri's Wechselstrommotor mit grosser Anlaufkraft. Als idealster Betrieb elektrischer Zentralen für die Versorgung eines umfangreicheren Konsumgebietes wäre der Betrieb mit Einphasenwechselströmen anzusehen. Die Elektrogeneratoren sind von der denkbarst einfachen und betriebsichersten Konstruktion und gestatten, Ströme hoher Spannungen mit Leichtigkeit zu erzeugen. Ausserdem ist durch die Transformatoren ein Hilfsmittel an die Hand gegeben, diese Spannungen nach Bedarf zu erhöhen und umgekehrt wieder auf die Verbrauchsspannung umzuwandeln, ohne dass die hierdurch, wie bei jeder Uebertragung, entstehenden Energieverluste wesentlich in das Gewicht fallen. Hierdurch ist man bei Wechselstrombetrieb in der Lage, umfangreiche Gebiete mit elektrischer Energie zu versorgen, da die hohen Spannungen den bestehenden Gesetzen nach, die in den Leitungen entstehenden Verluste, selbst bei Anwendung relativ schwach dimensionierter Leitungsnetze, auf ein praktikables Mass herabdrücken lassen. Nun müssen aber Elektrizitätswerke darauf bedacht sein, ihre Anlagen thunlichst voll auszunutzen, und da der Bedarf an elektrischer Energie für Lichtzwecke in vollem Umfange nur für wenige Stunden anwährt, trachten, für das von ihnen gelieferte Produkt auch anderweitige Absatzgebiete zu gewinnen. Elektrizität zur Erzeugung grosser Wärme Wirkungen kann ebenso wie für elektrochemische und elektrometallurgische Zwecke in grösserem Massstabe nur dort Verwendung finden, wo selbe zurelativ billigem Preise abgegeben werden kann, also dort, wo billige Betriebskräfte zur Verfügung stehen. Nur in sehr seltenen Fällen wird es bei Dampfbetrieb möglich sein, den in dieser Beziehung seitens der Konsumenten an den Preis zu stellenden Anforderungen entsprechen zu können. Es erübrigt sohin in der Regel nur ein zweites Absatzgebiet durch Verwertung des Produktes für motorische Zwecke, d.h. zum Antrieb von Elektromotoren, welche andererseits wieder die Werkmaschinen der verschiedenen kleinen und grossen Industriebetriebe entweder direkt oder durch Transmissionen in Bewegung versetzen. Hier vermag die Elektrizität trotz all der bei Erzeugung, Weiterleitung und Umwandlung in eine andere Energieform entstehenden Verluste mit der Dampfmaschine erfolgreich in den Wettbewerb einzutreten, weil bekanntlich die Kosten der Arbeitseinheit bei Kleinbetrieben um so grosser werden, je geringer das zu erzeugende Kraftquantum ist, und weiters auch die, durch Verteilung der aufzuwendenden Arbeit auf die verschiedenen Kategorien von Arbeitsmaschinen entstehenden Uebersetzungsverluste viel grosser sind, als wie die bei Kraftverteilung auf elektromotorischem Wege entstehenden. Aber gerade auf dem Gebiete der elektrischen Kraftübertragung ist der einphasige Wechselstrom, wenigstens dermalen noch, von dem Gleichstrom übertroffen. Wird nun weiters in Betracht gezogen, dass bei Gleichstrom durch Akkumulatoren direkte Energieaufspeicherung möglich ist, so darf es nicht wundern, wenn bei vielen derartigen Anlagen, welche für den Wechselstrom geradezu prädestiniert sind, dem Gleichstrome der Vorzug gegeben wird. Es ist nun das Bestreben der Wechselstromtechniker eifrig dahin gerichtet, den Einphasenwechselstrommotor in Bezug auf dessen Leistungsfähigkeit dem Gleichstrommotor gleichwertig zu machen. Der schwerwiegendste Nachteil des Einphasenwechselstrommotors, der sonst wegen der grossen Einfachheit und Solidität des Baues eine ideale Maschine wäre, liegt darin, dass er fast keine Anlaufkraft besitzt. Es rührt dies daher, dass in der Ruhelage des Ankers bei Stromentsendung in den Motor ein oscillierendes oder hin und her pendelndes Feld entsteht, welches in zwei Drehfelder zerlegt gedacht werden kann, die sich in entgegengesetzter Richtung drehen. Solange diese beiden Drehfelder gleiche Intensität besitzen, was zu Beginn der Stromentsendung immer der Fall sein muss, kann ein Drehmoment nicht entstehen. Sobald jedoch der Anker, sei es durch einen äusseren Anstoss oder sonst ein künstliches Mittel, in Rotation versetzt wird, erlangt das eine Drehfeld das Uebergewicht über das andere, und zwar im Verhältnisse zur Drehgeschwindigkeit, so dass bei Synchronismus des Motors, d.h. sobald der Anker annähernd dieselbe Drehgeschwindigkeit hat, wie das eine Drehfeld, das andere Drehfeld als nahezu verschwunden zu betrachten ist. Um daher dem Motor ein Anlaufmoment zu geben, muss die Intensität des einen Drehfeldes, und zwar des im entgegengesetzten Sinne der gewünschten Drehrichtung rotierenden abgeschwächt werden, da das gesamte Drehmoment die Differenz der Drehmomente der beiden entgegengesetzt rotierenden Drehfelder darstellt. Dies erfolgt in der Regel durch Einfügung einer Kunstphase, indem man in den Stromkreis der Induktionsspulen Widerstände einschaltet, zu welchem Zwecke zumeist Schleifringe im Anker (induzierte Armatur) angebracht und mittels Bürsten die entsprechenden Widerstände in den Stromkreis der Ankerwickelung zugeschaltet werden. Diese Widerstände müssen, sobald der Anker eine entsprechende Drehgeschwindigkeit erreicht hat, wieder ausgeschaltet oder kurz geschlossen werden, weil die Bedingung für einen guten Wirkungsgrad, möglichst geringer Ohm'scher Widerstand im Anker und für eine hohe Anlaufkraft hoher Widerstand im Anker sich nahezu diametral entgegenstehen. Aehnliche Erscheinungen machen sich auch bei den Drehfeldmotoren für Mehrphasenstrom bemerkbar und ist man gezwungen in jenen Fällen, wo eine grosse Anlaufkraft gefordert wird, zu dem gleichen Auskunftsmittel, nämlich Einschalten eines Widerstandes in den Ankerstromkreis und Abschalten desselben, nachdem der Anker eine entsprechende Geschwindigkeit erreicht hat, die Zuflucht zu nehmen. Die Anwendung dieser Hilfsmittel hat aber verschiedene Verschlechterungen und Komplikationen in der Konstruktion des Ankers im Gefolge, indem die Herstellung der Ankerwickelungen bedeutend schwieriger, die Induktion derselben minder wirksam wird. Ausserdem werden Schleifringe, Bürsten und Verbindungen erforderlich, wodurch dieser Motor an seiner ursprünglichen Einfachheit wesentliche Einbusse erleidet und auch an die Bedienung desselben höhere Anforderungen gestellt werden. Bei der nachstehend zur Beschreibung gelangenden Anordnung von Max Déri wird es möglich, den zur Erzielung einer grossen Anlaufkraft notwendigen Ohm'schen Ankerwiderstand vorübergehend herzustellen und diesen erhöhten Widerstand nach Erreichung einer gewissen Geschwindigkeit wieder auszuschalten, und zwar in einer Weise, dass die Ankerwickelung in ihrer einfachsten Ausführung aus Kupferstäben mit geringer Isolierung beibehalten werden kann. Bei dieser Anordnung werden ausserdem Schleifringe, Rheostate und Schalt Vorrichtungen für den Anker nicht gebraucht, und wird bloss in der Feldwickelung eine Umschaltung vorgenommen. In Fig. 1 ist die gebräuchliche Ausführungsform einer Ankerwickelung für einen vierpoligen Motor, nämlich eine in sich kurzgeschlossene Vierdrahtwindung, schematisch dargestellt. Eine solche Windung der Einwirkung eines zweipoligenWechselfeldes ausgesetzt, wird, da sich die Induktionswirkungen gegenseitig aufheben, stromlos erscheinen und deren elektromotorische Kraft sohin an jedem Punkte derselben Null sein. Anders gestaltet sich die Einwirkung, wenn je zwei Punkte aa und aa' der in sich geschlossenen Windung, die ungleiche Potentiale haben, durch einen Leiter b bezw. b' verbunden werden. Textabbildung Bd. 315, S. 509 Fig. 1 Textabbildung Bd. 315, S. 509 Fig. 2 Textabbildung Bd. 315, S. 509 Fig. 3 Es entstehen hierdurch zwei stromführende Schliessungskreise, in welchen der Strom in der durch die Pfeile angedeuteten Richtung (Fig. 2) fliessen wird. Bei vierpoliger Induktion hingegen wird, wenn sich der Anker bereits in einer der Synchrongeschwindigkeit nähernden Rotation befindet, der Stromlauf nach dem Schema in Fig. 3 in der durch die Pfeile angedeuteten Richtung erfolgen, hingegen zwischen den aa' keine Potentialdifferenz auftreten, die beiden Verbindungsleitungen bb' sohin stromlos bleiben. Ordnet man daher längs aller dieser in sich geschlossenen Windung des Ankers solche Verbindungsleitungen von entsprechenden Widerständen so an, dass sie einen unveränderlichen Bestandteil der Ankerwickelung bilden, so erhält man, wenn man den Motor zweipolig anlaufen lässt, den zur Erreichung der erforderlichen Anzugskraft benötigten Ankerwiderstand, welcher sich entsprechend den vorherigen Ausführungen sozusagen von selbst abschaltet, wenn man den Motor nach erreichter entsprechender Rotationsgeschwindigkeit vierpolig schaltet. Zu diesem Zwecke wird in der Feldwickelung des Motors ein Umschalter angebracht, um durch einfache Aenderung der Verbindung das induzierende Feld zwecks des Anlassens 2- oder n-polig und nach erreichter Geschwindigkeit 4- oder 2n-polig oder auch unter Umständen n/2-polig zu machen. Es ist hierbei nicht notwendig, die Ankerwiderstände allmählich zu ändern, um während der Anlaufperiode ein genügendes Drehmoment zu erhalten, weil die Drehmomente bei doppelter Synchrongeschwindigkeit innerhalb der in Betracht kommenden Periode nur wenig abnehmen. Das ganz gleiche Prinzip der Verbindung der einzelnen Windungen durch einen grossen Widerstand besitzenden Verbindungsdraht an Punkten von ungleichem Potentiale für die Dauer des Anlaufes und selbständiges Ausschalten desselben nach erreichter Geschwindigkeit, lässt sich auch für den einphasigen Induktionsmotor verwerten, ohne dass ein äusserer Widerstand hierfür angewendet werden muss. Die früheren Versuche, einphasige Wechselstrommotoren als Kombination von Kollektor- und Induktionsmotoren herzustellen, führten stets zu grossen Komplikationen, so dass die Möglichkeit unter Last anzufahren stets teuer erkauft werden musste. Durch Anwendung eines Kollektors mit schräg gestellten Bürsten und entsprechende Verbindung der Windungsdrähte mit dem Kollektor, werden, wenn das Feld zweipolig ist, in den Ankerwindungen, je nach ihrer Lage, im Felde Ströme induziert, die durch die Verbindungsdrähte, den Kollektor und die Bürsten fliessen und ein Ankerfeld erzeugen, welches mit dem induzierenden Felde einen bestimmten Winkel einschliesst. Durch die gegenseitige Abstossung dieser beiden Felder entsteht ein hinreichend kräftiges Drehmoment, um den Motor selbst bei Volllast zum Anlaufen zu bringen. Sobald der Anker die erforderliche Umlaufgeschwindigkeit erreicht hat, wird, wie bei den Mehrphasenströmen, das 2- oder w-polige Ankerfeld 4- oder 2n-polig gemacht, wodurch die Verbindungsdrähte, der Kollektor und die Bürsten stromlos werden, die Ankerwindungen hingegen in sich kurz geschlossen und in sich stromführend bleiben, somit der Motor ausschliesslich als Induktionsmotor mit der normalen Umlaufgeschwindigkeit arbeitet. In diesem Falle können auch die Bürsten von dem Kollektor abgehoben werden, ohne dass eine Aenderung in der Funktion des Motors eintritt. Textabbildung Bd. 315, S. 510 Fig. 4 Textabbildung Bd. 315, S. 510 Fig. 5 In den beiden Fig. 4 und 5 sind zwei Arten der Zusammensetzung des Kollektors und dessen Verbindung mit der Ankerwickelung dargestellt. Die Windungen auf dem Anker sind gleichfalls Vierdraht Windungen und sind so mit den zugehörigen Verbindungsdrähten und dem Kollektor verbunden, dass jede derselben eine Windung nach dem Systeme der Trommelwickelung darstellt. In den Figuren beträgt die Anzahl der in Betracht kommenden Windungen neun, und ist dementsprechend der Kollektor aus ebensovielLamellen zusammengesetzt. Die Ankerwickelungen werden also wie eine gewöhnliche Dynamotrommel durch Verbindungsdrähte mit den Kollektorlamellen verbunden. Fig. 4 stellt hierbei die Anordnung nach der bekannten Serienschaltung der Windungen und Fig. 5 die Anordnung nach Art der Wickelung mit offenen Spulen dar. In letzterem Falle sind die Enden der einzelnen Anker Wickelungen einerseits sämtlich untereinander, andererseits einzeln mit den Lamellen des Kollektors in Verbindung gebracht. Auf den Kollektor sind in beiden Fällen Bürsten aufgelegt, welche jedoch bei der Wickelung mit offenen Spulen so beschaffen sein müssen, dass sie, wie dies die breiten, starken Striche darstellen, mehrere Lamellen gleichzeitig bedecken. Die Bürsten sind zu dem induzierenden Felde schräg gestellt und miteinander leitend verbunden. Textabbildung Bd. 315, S. 510 Fig. 6 Die zur Verbindung der Ankerwickelung mit dem Kollektor dienenden Drähte sind gleichfalls von hohem Widerstand, weil für den durch die Bürsten kurzgeschlossenen Anker die gleiche Bedingung wie für die Drehfeldmotoren besteht, dass, um das günstigste Anlaufmoment zu erzielen, der Ohm'sche Widerstand der Ankerwindungen dem betreffenden induktiven Widerstände möglichst gleich sein soll. Durch die Anordnung der Widerstände als Verbindung zwischen der Ankerwickelung und den Kollektorlamellen wird der weitere Vorteil erreicht, dass die bei Kollektormotoren für Wechselstrombetrieb, dann in störendem Masse auftretende Funkenbildung, wenn die Bürsten gleichzeitig mehrere Lamellen berühren und einzelne Windungen kurz schliessen, hintangehalten ist. Die eingeschalteten Widerstände bewirken nämlich, dass das Verhältnis zwischen der elektromotorischen Kraft und dem Widerstände des geschlossenen Stromkreises stets annähernd gleich bleibt, gleichgültig, ob der Stromschluss in einzelnen Kreisen durch Verbindung von Nachbarlamellen im Kollektor oder in einer Serie von Windungen durch Verbindung der Bürsten untereinander hergestellt wird. Es können sohin keine wesentlichen zur Funkenbildung Veranlassung gebenden Veränderungen an den Bürsten auftreten. Der wesentliche Unterschied zwischen Kollektormotoren mit von aussen einzuschaltenden Widerständen in den Ankerstromkreis und dieser Anordnung liegt darin, dass die Widerstände konstant in den Stromkreis eingeschaltet bleiben und so lange stromführend sind, als der Strom durch Kollektor und Bürste fliesst. Der Kollektor ist bei diesen Anordnungen stets nur in kurzen Perioden, und zwar vom Beginne des Anlassens bis zu dem Momente, wo der Motor die normale Geschwindigkeit erreicht hat, in Funktion. Er braucht hierbei noch nicht die volle Geschwindigkeit zu erreichen, da der Motor schon bei einer Geschwindigkeit von etwa 48 % bezw. 74 % als Induktionsmotor die Belastung überwinden und sich bis zur normalen Umlaufgeschwindigkeit beschleunigen kann. Es ist sonach für die Umschaltung ein weiter Spielraum gegeben, innerhalb dessen nicht zu befürchten ist, dass der Motor ausser Takt gelangt. Zweckmässig lässt man die Umschaltung durch einen von der Motorwelle angetriebenen Zentrifugalregulator bewerkstelligen, wobei mit dieser Umschaltung auch das Abheben bezw. Auflegen der Kollektorbürsten verbunden werden kann, um sowohl den Kollektor als auch die Bürsten vor unnötiger mechanischer Abnutzung zu bewahren. Selbstredend muss der Umschalter, bevor der Motor gänzlich stille steht, bereits in die für das darauffolgende neuerliche Anfahren erforderliche Lage gebracht werden, was sich gleichfalls selbstthätig wirkend bewerkstelligen lässt. Um nun das Feld für das Anfahren 2- oder n-poligzu machen und es hierauf auf ein 4- bezw. 2n-poliges Feld umzuschalten, wird die Feldwickelung, wie dies aus der schematischen Darstellung Fig. 6 zu entnehmen ist, mit einem Umschalter verbunden, und durch. entsprechende Umstellung des Schalthebels U entweder a mit d und b mit c verbunden, was dem zweipoligen Felde entspricht oder a mit c und b mit d, wodurch das vierpolige Feld erzeugt wird. Die Pfeile in dieser Figur sollen die Richtung der magnetischen Strömung andeuten. Textabbildung Bd. 315, S. 511 Fig. 7 Fig. 7 zeigt die äussere Ansicht eines derartigen 10-pferdigen Einphasenwechselstrommotors mit Zentrifugalregulator zur selbstthätigen Umstellung des Umschalters und Abheben der Bürsten, sobald die ausreichende Geschwindigkeit des Ankers erreicht ist. Dieser Motor steht auf dem Wiener Südbahnhofe seit ungefähr 2 Monaten im Betriebe, woselbst er einen Freisler'schen. Personenaufzug anzutreiben bestimmt ist. Da nun Aufzüge aller Art eine grosse Antriebskraft erfordern, dieser Motor seit seiner Inbetriebstellung ohne Anstand arbeitet und bisher zu keiner Störung Anlass gegeben hat, ist wohl der Beweis erbracht, dass derselbe allen Anforderungen bestens entspricht. A. Prasch.