Titel: Weltausstellung Paris 1900.
Fundstelle: Band 315, Jahrgang 1900, S. 762
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Weltausstellung Paris 1900. Weltausstellung Paris 1900. Das „Elektrizitätspalais“ und der Saal der Täuschungen. Es ist an dieser Stelle bereits mehrmals von dem Elektrizitätspalais die Rede gewesen (vgl. S. 249 und S. 315 d. Bd.), dessen breite Giebelfront hinter dem Wasserschloss emporragend mit dem letzteren ein architektonischesGanzes und zugleich den prächtigen Abschluss des Innenraumes der Paläste am Marsfelde bildet. Das Entstehen dieses Zierbaues ist auf den Umstand zurückzuführen, dass für die diesjährige Weltausstellung bekanntlich das Gruppensystem angenommen und im Zusammenhange damit von vorhinein festgestellt worden war, für jede der 18 Gruppen thunlichst ein eigenes Palais zu errichten. Unter diesen Gruppen sollte natürlich der angewandten Elektrizität ein Platz in den vordersten Reihen gesichert werden, sowohl wegen der verhältnismässigen Neuheit des Gebietes, als in Berücksichtigung der ganz aussergewöhnlichen Fortschritte, welche die einschlägige Industrie im Laufe der letzten 20 Jahre gemacht hat. Mit Rücksicht darauf entschloss man sich, das Elektrizitätspalais vor der grossen, von der letzten Pariser Weltausstellung 1889 stehen gebliebenen Maschinenhalle aufzustellen, als Mitteltrakt des von den Palästen des Marsfeldes gebildeten Hufeisens. Textabbildung Bd. 315, S. 763 Fig. 1.Grundriss des Elektrizitätspalais (Obergeschoss, rechtsseitige Hälfte). Textabbildung Bd. 315, S. 763 Fig. 2.Ansicht des Stahlgerippes der Vorderfront des Elektrizitätspalais. Allein die Wahl dieser Stelle bot insofern nennenswerteSchwierigkeiten, als notgedrungen in nächster Nähe auch die Kesselanlagen untergebracht werden mussten (vgl. S. 181 d. Bd.), welche zusammen mit den in den Räumen des Elektrizitätspalais aufzustellenden Kraftmaschinen grosse Mengen von Betriebswasser nötig hatten. Behufs Deckung dieses Bedarfes musste zuvörderst am Seineufer ein Wasserwerk errichtet werden, und es machte wenig Unterschied in den Anschaffungs- und Betriebskosten dieses Werkes, wenn es für eine etwas reichliche Leistungsfähigkeit eingerichtet wurde. Es lag ja auch der Gedanke ganz nahe, die für die Kessel und Dampfmaschinen – welch letztere, wie an dieser Stelle bereits öfter schon besprochen wurde, ausnahmslos mit Kondensation arbeiteten – aufzuwendenden riesigen Wassermassen vorher zur Erzeugung dekorativer Wirkungen auszunutzen. Als Folge dieser Erwägung entstand der Plan des Wasserschlosses mit seinen vorliegenden Becken und Kaskaden (vgl. Fig. 16 auf S. 315 d. Bd.) und des hinter demselben liegenden Mitteltraktes des Elektrizitätspalais. Letzteres, dessen Grundriss Fig. 1 ersehen lässt, umfasst in seiner Gesamtheit (vgl. auch Fig. 22 S. 182 und Fig. 7 S. 310 d. Bd.) eigentlich vier getrennte Bauwerke, die von der ehemaligen, jetzt als Ausstellungsraum für die Gruppen VII und X, Ackerbau und Lebensmittel, und für den grossen Festsaal ausgenutzte Maschinenhalle durch eine 3,363 m breite Quergalerie getrennt sind. Als erstes dieser Bauwerke ist der sogen. Saal der Täuschungen anzuführen, dessen Achse mit der Mittelachse des Marsfeldes und des vorgedachten grossen Festsaales zusammenfällt. Die rechts und links den Saal der Täuschungen flankierenden Flügel, die sogen. Dynamohallen (Fig. 1; vgl. auch Fig. 15 S. 315 d. Bd.), erstrecken sich bis zum Hof räum der beiden nachbarlichen Kesselhäuser und bilden hier, parallel zur Längsachse des Marsfeldes, je eine Galerie von 17 m Breite, während sie von dem Saal der Täuschungen beiderseits durch eine 8,82 m breite Galerie getrennt sind. Vor diesen drei Baulichkeiten, welche zusammen eine Länge von 158 m und eine Breite von 45 m besitzen, dehnt sich der grosse Haupttrakt des Elektrizitätspalais (Fig. 1 bis 3) aus, in einer Länge von 30,472 m und einer Breite von 158,0 m; zwischen demselben und den vorher angeführten Teilen des Palais liegt eine 9,5 m breite, für sich überdachte Quergalerie. Weil nun lediglich die Vorderseite des breitgestreckten Haupttraktes frei sichtbar und durch eine aussergewöhnlich reiche Fassade gekennzeichnet ist, wird in der Regel vorwiegend dieser Teil unter dem Namen Elektrizitätspalais verstanden. Bei der architektonischen Ausgestaltung der eben erwähnten, dem Eiffel-Turm bezw. dem Inneren des Marsfeldes zugewendeten Front handelte es sich sowohl um die harmonische Verbindung der Paläste an den beiden Längsseiten des Marsfeldes, als um den. rahmenartigen Anschluss an das Wasserschloss. Behufs Lösung dieser Aufgabe musste man in erster Linie darauf Bedacht nehmen, den nächst der Mittelachse des Marsfeldes befindlichen Teilen des Gebäudes eine imposante Höhe zu geben. Nachdem aber rechts wie links doch wieder der Anschluss an die niedrigeren Galerien der neuen Hallen für Maschinen und für chemische Industrien gefunden werden musste, so ergab sich von selbst – weil man nicht wieder auf einen Kuppelbau zurückgreifen wollte – die Entwickelung der Front als riesiger Ziergiebel. An demselben (Fig. 2) finden sich in der aus dem stählernen, durch Zinkblechornamente und Glaseinsätze verzierten Fachwerk hergestellten Fassade drei Hauptmotive, nämlich in der Frontmitte eine von Säulen getragene Halbrosette von 13 m Durchmesser, deren Scheitel 58,50 m über dem Erdboden liegt, und mit seiner Abkrönung als Sockel für eine die Elektrizität darstellende, fast 10 m hohe Figur (vgl. Fig. 16 S. 315 d. Bd.) dient; ferner eine fächerförmig verzierte, von einem Spitzbogen überspannte Pylone, und schliesslich  – über der „17 m-Galerie“ – ein Rundbogenabschluss. Diese drei Motive sind durch geneigte, ungleich hohe Zwischenfriese einheitlicher Ornamentik verbunden und natürlich auf den beiden Fronthälften symmetrisch durchgeführt. Wie diese eigentümliche, aber zweifellos sehr gelungene, auch bei Tag einen prächtigen Abschluss des Marsfeldes bildende Fassade namentlich bei Nacht infolge der elektrischen Beleuchtung der Hauptkonturen und der Glaseinsätze durch farbige Glühlichtlampen, sowie der Skulpturen durch Scheinwerfer zu einer märchenhaft glänzenden Geltung gebracht wird, haben wir bereits S. 249 d. Bd. des Näheren dargelegt. Der Entwurf und die künstlerische Ausarbeitung des Elektrizitätspalais rührt von Hernard, dem bekannten und hervorragenden Hilfsarchitekten der Ausstellungsdirektion her und verdient um so rückhaltslosere Anerkennung, als es hierbei, wie bereits weiter oben hervorgehoben wurde, nicht geringe Schwierigkeiten zu überwinden gab. Die Ausmittelung, BerechnungEine sehr eingehende Darlegung der eingehaltenen Berechnungsmethode gibt der Inspektor des Konstruktionskontrollbureaus der Ausstellung, René Weil, in Le Génie civil vom 1. September 1900 S. 319 ff. und Aufstellung des Metallgerippes für den Haupttrakt war der Firma Baudet, Danon und Co. übergeben, jene für die beiden Dynamohallen und die angrenzenden Galerien der Eisengewerksgesellschaft Franche-Comté. Besondere Schwierigkeiten der Konstruktion bot, abgesehen von dem Saal der Täuschungen, der später für sich besonders besprochen werden wird, nur der vordere Haupttrakt, und zwar namentlich in seinem Mittelfelde, an das sich rechts wie links je fünf weitere Felder anschliessen. Tragpfeiler und Gesperre im Mittelfelde sind ersichtlichermassen nicht nur von ganz aussergewöhnlicher Höhe, sondern haben auch Zierwerk von grossem Gewichte, sowie die schwere Figurengruppe zu tragen. Hier sind die als Fach werksträger aus Stahlblech hergestellten Pfeiler der Tragjoche 43,50 m hoch, 2,30 m breit, 2,50 m tief unter der Fussbodensohle mit verankerten Fussplatten auf 0,75 m hohen Untermauerungen gestellt und in Cementguss gegesetzt. Zur Verbindung der beiden Pfeiler in der Vorderwand dienen, wie Fig. 2 zeigt, ein wagerechter Gitterträger, ein Rundbogen, ein Flachbogen und zu oberst die Halbrosette, während bei der im allgemeinen wesentlich einfacheren Wandverbindung an den beiden rückwärtigenPfeilern die Rosette fehlt. Vom vorderen zum rückwärtigen Pfeilerpaar vermitteln die Verbindung zwei hufeisenförmige Gitterträger (Fig. 3) von 29,072 m Spannweite, aufweichen in Abständen von 2,77 m insgesamt 11 sattelförmige Dachgesperre sitzen. Entsprechend ihrer geringeren Höhe und weitaus geringeren Inanspruchnahme haben die Querschnitte der Tragpfeiler der weiteren Seitenfelder wesentlich geringere Abmessungen erhalten; diese Pfeiler werden an den Längsseiten des Gebäudes (Fig. 2) teils durch mehrere wagerechte Gitterträger, teils durch Rund- oder Spitzbögen und Bogensegmente zur Wand zusammengefügt, während sie im Saalinneren (Fig. 3) Paar für Paar mit Hilfe ebensolcher hufeisenförmiger Gitterträger verbunden sind, wie im Mittelfelde. Eine weitere Versteifung erhalten die Joche sämtlicher Felder durch die das Untergeschoss vom Obergeschoss trennenden Deckenträger, welche 0,95 m hoch und durch je zwei 6,5 m hohe Tragsäulen (Fig. 3) unterstützt sind. Textabbildung Bd. 315, S. 764 Fig. 3.Querschnitt A B (Stahlgerippe des Haupttraktes). In dieser Decke ist im Mittel des Gebäudes (vgl. Fig. 1 und 3) eine Lichtöffnung von 14,5 m Länge und 15,5 m Breite ausgespart und ebenso rechts wie links 42 m von der Mittelachse entfernt noch je eine solche von 14,50 m Länge und 9,00 m Breite. Um das Mittelfeld, dessen Konstruktion im wesentlichen nur für die senkrechte Inanspruchnahme berechnet ist, auch gegen den Winddruck angemessen zu versichern, erachtete man es für geboten, die beiden Tragjoche durch je einen besonders kräftigen Strebepfeiler zu verstärken, welche sich in einem kleinen Lichthofe erheben, der hinter der 9 m breiten Quergalerie durch das Zurückrücken der Vorderwand des Saales der Täuschungen gewonnen worden war. Den Ausstellungsbesuchern sind also diese beiden schwanenhalsförmigen Strebepfeiler nicht sichtbar; dieselben stehen mit verankerten, kassettenartig angeordneten Fussgestellen auf 9,40 m breiten, 4,50 m. langen, 0,75 m tiefen Konkretuntermauerungen, 3,73 m unter der Sohle des Erdbodens. Ihre Anordnung ist diejenige von turmförmigen Fachwerksträgern mit rechteckigem Querschnitte; sie sind 2 m lang, 2,3 m breit und vom Fusse bis zur Verbindungsstelle 44,30 m hoch, während die letztere in jenem Punkte, wo die Achse des Strebepfeilers den Stützpfeiler des Mittelfeldjoches trifft, 37,56 m über dem Erdbodenniveau liegt. Textabbildung Bd. 315, S. 765 Fig. 4.Seitenansicht des feststehenden Montierungsgerüstes. Ursprünglich hatte die bauausführende Gesellschaft beabsichtigt, zur Durchführung des Aufbaues die Decke des Erdgeschosses als Basis für die Montierungsgerüste auszunutzen, allein für diesen Zweck würden die Deckenträger wesentlich zu verstärken gewesen sein. Man zog es vor, die bezüglichen Mehrkosten zur Beschaffung von Holzstützen aufzuwenden und die Montierungsgerüste auf gewachsenen Boden zu stellen. Da ferner die Bauarbeiten in den angrenzenden Gebäuden so wenig als möglich gestört werden sollten, erschien es von vorhinein geboten, die Montierung vom Innenraume aus durchzuführen, zu welchem Ende für das Mittelfeld ein eigenes unverschiebbares Gerüst (Fig. 4) errichtet und für die rechts und links vorhandenen weiteren fünf Felder je ein fahrbares Gerüst von der durch Fig. 5 und 6 gekennzeichneten Anordnung hergestellt wurde. Die letzteren, welche der Breite des betreffenden Traktflügels entlang verschoben werden konnten, liefen mit acht Rädern auf zwei Schienensträngen, die auf untermauerten hölzernen Längsschwellen befestigt waren. Für alle drei Gerüste zusammengenommen betrug der erforderliche Holzaufwand nicht weniger als 789 cbm, von denen 337 cbm auf das feststehende und je 226 cbm auf die beweglichen Gerüste entfielen. In Anbetracht des Umstandes, dass die beim Montieren zu hebenden Teile des Stahlgerippes zumeist nennenswerte Abmessungen und ein bedeutendes Gewicht besassen, hatte man auf den Arbeitsböden der Montierungsgerüste stets zwei oder auch vier mit kräftigen Winden versehene Hebeböcke aufgestellt. Im wesentlichen vollzogen sich nun die Aufstellungsarbeiten in nachfolgender Weise: Nachdem die Pfeilerfüsse mittels am Fussboden aufgestellter Hebezeuge versenkt, in die richtige Lage gebracht, genügend hoch angeschaltet, eingemauert und verschüttet waren, fuhr man fort, die Pfeiler weiter auszugestalten, wobei die Werkstücke mit den Hebemaschinen der Gerüste gehoben und von den letzteren aus, die zu diesem Zwecke mehrere Arbeitsböden besassen, an Ort und Stelle gebracht und vernietet wurden. Gleichzeitig trug man Sorge, nach Massgabe der fortschreitenden Pfeilerhöhen die versteifenden Längs- und Querkonstruktionen zu versetzen. Wo dies nicht sofort möglich war, wie beispielsweise bei bogenförmigen Zwischenträgern o. dgl., wurden unterdessen mittels Holzbalken, die als Streben oder Schliessen zu wirken hatten, straffe, unverrückbare Verbindungen improvisiert. Diese Massnahme war nötig, um allen Gebäudeteilen, namentlich aber den Tragpfeilern ihre genau richtige Lage zu sichern, da sich unter den einzufügenden Werkstücken solche bis zu 3000 kg Eigengewicht befanden, die beim Montieren ihren Platz ohne Montierungsgerüstes. nachträgliche Berichtigungen genau so vorfinden mussten, als es die Pläne vorschrieben. Das sorgsame Eichten der Pfeiler begann natürlich gleich beim Versetzen der Pfeilerfüsse, wobei man die Einstellung durch Unterlagplatten oder Zwischenkeile aus Blei aufs genaueste fixierte. Aber auch weiterhin wurde bei jedem frisch anzuschäftenden Stücke das Richten neuerlich vorgenommen und die gehörige Lage mit Hilfe der vorerwähnten Holzverspreizungen gesichert. Ein nachträgliches Rücken oder Drehen der bereits aufgestellten Pfeiler war ja ausgeschlossen; dank dem strengenVorgehen bei der Montierung wurde denn auch selbst im Mittelfelde der Parallelismus und die senkrechte Lage in den Jochen so genau gewahrt, dass schliesslich beim Aufsetzen der hufeisenförmigen Verbindungsträger weder Zulagen noch Zwischenkeile oder sonstige Berichtigungsmittel zum Anpassen erforderlich waren. Es ist das in der That ein geradezu glänzendes Ergebnis, wenn man die riesige Höhe der Pfeiler des Mittelfeldes in Betracht zieht. Das fixe Montierungsgerüst des Mittelfeldes mass parallel zur Fassade des Bauwerkes 24,00 m und im Inneren des Saales 26,50 m; der oberste Arbeitsboden lag 39,30 m über dem Fussboden und wurde von 24 starken Holzsäulen getragen, die durch Querbalken, Stützen und Kreuzbänder nach der in Fig. 4 gekennzeichneten Anordnung versteift und gesichert waren. Zur Montierung der unteren Hälfte des Stahlblechgerippes im Mittelfelde benutzte man jedoch einen Arbeitsboden, der sich nur ungefähr 20 m über dem Boden befand; anfänglich hatte überhaupt das in Rede stehende Gerüst diese Höhe und erst später wurde der obere Teil aufgesetzt. Für jene Teile der Mittelfeldfassade und der Dachkonstruktion, für welche auch der obere Arbeitsboden nicht hoch genug lag, stellte man auf dem letzteren noch besondere Böcke und Hebezeuge auf. Von den zwei fahrbaren Gerüsten (Fig. 5 und 6) hatte jedes eine Breite von 13,60 m und eine Länge von 26,50 m. Die beiden Schienenstränge ihrer Fahrbahn lagen 15,60 m voneinander. Der obere Arbeitsboden befand sich 28,50 m, ein zweiter 19,50 m über dem Fussboden. Beim Beginn der Aufstellungsarbeiten standen alle drei Gerüste nebeneinander, wodurch es möglich wurde, die fünf mittleren Felder des Haupttraktes des Elektrizitätspalais gleichzeitig zu montieren. In dieser Periode war das mittlere, unverschiebbare Gerüst nur bis zum ersten, tieferen Arbeitsboden hergestellt; nach Fertigstellung des bezeichneten Gebäudeteiles wurden dann die fahrbaren Gerüste bis zum tieferen Arbeitsboden abgetragen und behufs Montierung der weiteren Felder nach Bedarf seitlich fortgerückt. Das Aufstellen und Eichten der unteren Teile der beiden Strebepfeiler des Mittelfeldes (vgl. Fig. 3) geschah in derselben Weise, wie bei den Tragpfeilern, die weitere Ausführung erfolgte aber erst nach Vollendung der beiden Joche des Mittelfeldes, weil man die letzteren zur Anbringung eines 11 m nach rückwärts über die 9 m-Galerie vorspringenden Gerüstes benutzte, von dem aus mittels Winden und Hängegerüsten das Heben der zu den Strebepfeilern gehörigen Werkstücke bezw. das Montieren der beiden Strebepfeiler durchgeführt wurde. Auch hierbei ist man mit solcher Genauigkeit vorgegangen, dass das Einfügen der Widerlagsschuhe, wie überhaupt der ganze Anschluss der beiden Strebepfeiler an den zugehörigen Tragpfeilern ohne weiteres vorgenommen werden konnte, und nicht die geringste aussergewöhnliche Vornahme zum Anpassen erforderlich machte. Textabbildung Bd. 315, S. 765 Fig. 5.Vorderansicht des fahrbaren Montierungsgerüstes. Textabbildung Bd. 315, S. 765 Fig. 6.Seitenansicht des fahrbaren Montierungsgerüstes. Wenig ist über die Ausführung der beiden Dynamohallen und der Zwischengalerien hervorzuheben, da sie gegenüber ähnlichen Bauwerken nichts Absonderliches aufweisen, es dürfte daher genügen, diesbezüglich auf S. 315 und Fig. 15 S. 314 d. Bd. zu verweisen. In der Mitte zwischen den beiden Dynamohallen (vgl. Fig. 1) befindet sich der Saal der Täuschungen, auf welchen Platz dieses eigenartige Bauwerk insofern volles Anrecht besitzt, als es ausschliesslich dem Zwecke dient, die wunderbar günstige Verwertung des elektrischen Lichtes unter gewissen dekorativen Vorbedingungen im grossartigen Massstabe zur Anschauung zu bringen. Der Saal der Täuschungen reiht sich also nach Aufgabe und Anordnung an die Hauptfassade des Elektrizitätspalais nebst dem Wasserschlosse an, lediglich mit dem Unterschiede, dass dieselben augenberauschenden Wirkungen, welche letzteren- orts im Freien und mit Hilfe von bewegten Fluten und stürzenden Wassern zu stände kommen, ersterenorts im geschlossenen Raume mit Hilfe von Spiegelwänden hervorgerufen werden. Textabbildung Bd. 315, S. 766 Fig. 7.Querschnitt des Saales der Täuschungen. Den Zuweg zum Saal der Täuschungen, dessen Fussbodenniveau mit jenem des ersten Geschosses der übrigen Teile des Elektrizitätspalais zusammenfällt, vermitteln einerseits sämtliche anstossenden Galerien des in Rede stehenden Geschosses, dann aber auch die Monumentalstiege des dahinter liegenden grossen Festsaales und vier in den Winkeln des Saalbaues (vgl. Fig. 1) eingefügte Treppen. Der Grundriss des Saalbaues bildet ein gleichseitiges Sechseck, das um einen Kreis von 11 m Halbmesser umschrieben ist, so dass also die lichte Weite zwischen den gegenüber liegenden Saalwänden 22 m beträgt. Die aus Ziegeln erbauten Wände bestehen aus zwei 3,30 m voneinander abstehenden parallelen Mauern m1 und m2 (Fig. 7), welche vom Erdbodon bis zum Dache eine Höhe von 40 m besitzen und von Mauer zu Mauer durch fünf Geschossdecken d1 bis d5, die rings um das ganze Gebäude laufen, versteift und verbunden sind. Um diese Rundgänge erreichen zu können, ist zwischen den beiden Mauern in jedem der Stockwerke für jede Gebäudehälfte eine eigene schmale, dem Publikum nicht zugängige verborgene Treppe vorhanden. Die innere der beiden Hauptmauern hat bis zur Dachhöhe an jeder Sechseckseite fünf senkrecht angebaute Streben (vgl. Fig. 1 und 10), welche zur Befestigung der eigentlichen Wände, d.h. der sichtbaren Wandverkleidungen dienen, die, insoweit sie nicht aus Spiegeltafeln bestehen, aus schwachen Holzleisten, Eisenbändern, Gips, Steifleinwand und Kitt hergestellt sind. Aus diesen Materialien hat man Hufeisenbögen mit arabischen Füllungen angefertigt, welche die Anläufe für eine aus gleichen Stoffen, im gleichen Stile ausgeführte, auf der eisernen Dachkonstruktion hängende elliptische Kuppeldecke bilden, deren Kassetten mit maurischen Ornamenten, ebensolchen Ampeln und Glühlichtlüstern ausgestattet sind. Die aus den sechs Ecken des Saales auslaufenden Pendentifs stützen sich je auf zwei aus milchfarbigen Opalglasröhren von ungefähr 1 cm Wandstärke bestehenden Säulen, deren aus Staff hergestellten Kapitaler kunstvoll von verschiedenfarbigen Blattkränzen umschlungen werden, die Glühlampen bergen. Alle Gesimse und Gewölberippen sowie der Untergrund der Füllungen sindvergoldet, die sonstigen Zierstücke aber im Stile der maurisch-spanischen Prachtbauten mit Glasurfarben bemalt. Textabbildung Bd. 315, S. 766 Fig. 8 AnsichtFig. 9 VertikalschnittFig. 10 Horizontalschnitt der Spiegelwand im Saal der Täuschungen. Nicht zu unterschätzende Schwierigkeiten bot es, die Spiegelverkleidung der Wände, durch deren Reflexwirkungen der Raum auf den Besucher den Eindruck hervorruft, als befände sich derselbe in einem endlosen Prunksaal, so gleichmässig und eben herzustellen, dass keine Verzerrungen in den Spiegelbildern entstehen konnten. Hierzu war es also notwendig, die zwölf Tafeln einer jeden der 11,50 m breiten und 13,50 m hohen Spiegeleinsätze (Fig. 8 bis 10) genau in eine und dieselbe senkrechte Ebene zu bringen und für diesen Zweck eigene Einstellvorrichtungen anzuwenden. Jede einzelne der rechteckig geformten Spiegelscheiben s (Fig. 11) ist an einem aus 70/70 mm Winkelblech angefertigten Rahmen befestigt, der etwa 10 mm breiter und höher ist als die Glasscheibe. Zur Befestigung der letzteren dienen drei Klemmleisten, nämlich für jede der beiden Höhenkanten und für die untere Breitenkante je ein 4 mm starker, -förmig gebogener Blechstreifen b, welcher vorn den Rahmen auf 15 mm falzartig übergreift und rückwärts durch je zwei Stellschrauben festgeklemmt wird. Von den für jede Wand (Fig. 8 bis 10) erforderlichen zwölf Spiegeln haben zehn je eine Breite von 2,85 m und eine Höhe von 4,70 m, während die zwei kleineren, in den oberen Ecken anzubringenden Tafeln zwar ebenso breit, aber bloss 3,95 m hoch sind. Die vorerwähnten Stellschrauben bestehen aus einem in das Rahmen eisen w (Fig. 11) eingeschraubten und verstemmten Bolzen p, der am unteren, äusseren Teile gleichfalls mit Gewinde versehenen Mutter r und einer zweiten Mutter q. Durch das Anziehen oder Nachlassen der in einem Querschlitze des Falzbleches b angebrachten Mutter r wird zuförderst die Klemmung des Falzes richtig gestellt, während sodann die etwaigen, in der Kantenrichtung vorzunehmenden Nachbesserungen durch entsprechendes seitliches Verschieben von b zu bewerkstelligen sind, worauf schliesslich die einregulierte Lage durch Anziehen der Mutter q fixiert wird. An den oberen Kanten der Spiegel sind keine Klemmleisten vorhanden, sondern man hatte es vorgezogen, diesen Rand unbedeckt zu lassen, um die Breite der nicht spiegelnden Trennungsfugen zwischen den wagerechten Tafelreihen aufs äusserste. zu verringern. An der Wand sind die einzelnen Tafeln einfach aufgehängt und zwar mittels zweier oben in den Ecken des Spiegelrahmens angebrachter Zapfen; letztere ruhen auf Haken, welche an den Mauerstreben i (Fig. 10) seitlich befestigt sind. Den Hauptteil dieser Haken, oder vielmehr dieser Aufhängevorrichtungen, bildet eine Stahlgussplatte m (Fig. 12), welche mittels dreier durch die Strebemauer reichender Schraubenbolzen c1, c2 und c3 mit einer ähnlichen, auf der anderen Mauerfläche vorhandenen, symmetrisch angeordneten Platte m, d. i. mit der Aufhängevorrichtung der nächst anstossenden Spiegeltafel fest verbunden ist. Auf einem seitlich in m eingesetzten Drehzapfen z1 sitzt die Hülse k mit dem angegossenen Bügel y, welch letzterer sich gegen eine Stellschraube q2 stemmt. In k befindet sich der mit Gewinde versehene Bolzen h, der an seinem vorderen Ende zum eigentlichen Traghaken h1 ausgebildet ist, auf dem der Rahmen w des Spiegels s mit dem Zapfen z hängt. Textabbildung Bd. 315, S. 767 Fig. 11.Spiegelrahmen mit Einspannvorrichtung. Textabbildung Bd. 315, S. 767 Fig. 12.Aufhängehaken. Textabbildung Bd. 315, S. 767 Fig. 13 AnsichtFig. 14 Querschnitt der Seilöse und Hängezapfen am Spiegelrahmen. Da die höchsten Aufhängestellen 15,50 m, die niedrigsten aber noch immer 6,10 m über dem Fussboden liegen und das Eigengewicht der einzelnen Spiegeltafeln inbegriffen ihres Rahmens und der sonstigen Ausstattung mehr als 800 kg beträgt, konnte das Aufhängen nur mit Hilfe von Winden und Flaschenzügen vorgenommen werden, zu welchem Zwecke die beiden oberen Rahmenecken zum Einhängen der Hebeseile mit einer Oese o (Fig. 13 und 14) versehen sind. Diese beiden Abbildungen lassen auch die Anordnung des weiter oben erwähnten Aufhängezapfens z näher ersehen, der in einem Stahlgussgestelle ll steckt, das mittels dreier Bolzen a1a2a3 und des Stieles der Oese o an dem Winkeleisen w des Rahmens festgeschraubt ist. Da z einerseits in der Lagerhülse f lose sitzt, andererseits im Stege e im Gewinde läuft, so kann der Zapfen durch Drehung, die mit einer in die Löcher x einzusetzenden Stahldrahtspeiche geschieht, im Sinne seiner Längsachse nach rechts oder links weitergerückt werden. Um die einzelnen Spiegeltafeln an ihren Wandplatz zu bringen, wurden sie also zuerst mit der in Fig. 11 dargestellten Vorrichtung sorgsamst in den obengeschilderten Eisenrahmen eingespannt und mittels Winden, die am Fussboden des Saales standen, und Flaschenzügen, die an der Dachkonstruktion befestigt waren, hochgehoben. Dabei brachte man den Rahmen um einige Centimeter höher als es eigentlich die betreffenden Aufhängehaken hh1 (Fig. 12) erforderten, welche vorher in der Hülse k um genau 32 cm vorgerückt worden waren, damit der aufzuhissende Spiegel nicht so sehr nahe der Wandebene gehoben zu werden brauchte. Sodann wurde zunächst das Einstellen der Zapfen z (Fig. 12 bis 14) dergestalt vorgenommen, dass derselbe mit seiner Mitte genau über die Mitte des zugehörigen Aufhängehakens kam und nunmehr erfolgte durch sachtes Nachlassen der Winden das Einhängen. Hierauf brachte man die Tafel durch Anziehen der Muttern q1 nach und nach in die richtige Ebene zurück, worauf auch noch die Höhe bezw. die wagerechte Lage durch Anwendung der Stellschrauben q2 genau einreguliert wurde, welche ersichtlichermassen beim Anziehen durch Vermittelung des Bügels m den Haken h1 hebt und beimNachlassen senkt. Sobald der Spiegel auf diese Weise seine richtige Lage erhalten hatte, wurden schliesslich auch die Hebeseile wieder beseitigt. Damit sich diese heiklichen Arbeiten ohne aussergewöhnliche Gerüste durchführen liessen, und um den Zutritt zu der Rückseite der Spiegelwände dauernd zu ermöglichen, sind in jedem Geschosse d (Fig. 7 und 9) die sämtlichen Strebemauern i (Fig. 10) von Thüröffnungen t1 t2 . . . (Fig. 7 und 9) durchbrochen und durch 1,50 m breite, mit Geländer versehene Balkone g1g2 . . . ringsum verbunden; diese letzteren stehen ihrerseits in jeder Ecke des Sechseckes wieder durch Thüren mit dem Gange des betreffenden Stockwerkes in Verbindung, der sich zwischen den Mauern m1 und m2 (Fig. 7) um den ganzen Saal erstreckt. Um das die Spiegelung beeinträchtigende Schwitzen der Glasflächen hintanzuhalten, sind am Sockel jeder Spiegelwand eigene regulierbare Heizvorrichtungen angebracht, welche es bewirken, dass die Spiegel nie tiefere Temperaturen erlangen, als die Innenluft des Saales. Die elektrische Ausstattung umfasst zuförderst sechs grosse Lüster, deren wirkliche Höhe nicht weniger als 8 m beträgt, wenn sie auch, vom Boden des Saales aus gesehen, kaum 3 bis 4 m hoch erscheinen. Der untere Teil dieser je 1000 Glühlichter umfassenden Lüster bildet einen dreifach verschlungenen Stern aus blauen, roten und weissen Lampen, die gruppenweise beliebig eingeschaltet werden können. Wie an den Lüstern, so sind auch in den Schäften der Glassäulen verschiedenfarbige Glühlampenreihen eingesetzt, mit deren Hilfe den Säulen das Aussehen des Alabasters, hellen Porphyrs oder wasserblauen Marmors erteilt werden kann. Ebenso ist die über den Spiegelwänden angebrachte, den Gesimskonturen folgende Glühlichtausstattung so eingerichtet, dass man sie beliebig in einer oder in mehreren der drei genannten Farben leuchten lassen kann. Das Farbenspiel dieser Lichtgruppen macht in seiner endlosen Wiederspiegelung einen geradezu magischen Eindruck, mögen die Gruppen einzeln für sich oder in verschiedenen Kombinationen oder insgesamt in Wirksamkeit gesetzt werden. Es kann ferner auch noch von unten Licht in den Saal gelangen, und zwar von sechs im Untergeschosse aufgestellten Scheinwerfern u1u2 . . . (Fig. 7), die ihre Strahlen durch kreisrunde, 1,40 m weite Ausschnitte des Saalbodens (vgl. Fig. 1) nach aufwärts werfen, und deren Farben durch vorgeschobene Glastafeln gleichfalls gewechselt werden können. Die sechs Bodenausschnitte sind im Saale durch 1,60 m hohe Schäfte v1v2 . . . (Fig. 7) maskiert, welche beiläufig die Form maurischer Wasserbecken besitzen. Die Steuerung der gesamten Beleuchtungseinrichtung geschieht von einem der Vorräume des Saales aus, wo die erforderlichen Ein- und Umschalter auf einem Pulte zusammengestellt und mit Hebel derart verbunden sind, dass die letzteren ähnlich den Tasten eines Klaviers oder einer Schreibmaschine, dicht nebeneinander gereiht, sich wie solche handhaben lassen. Die Stromschliesser dieses Schaltbrettes sind zweihäusige Quecksilberumschalter, d.h. durch das Niederdrücken der Taster werden die Polstücke der betreffenden Leitung in zwei, durch eine verkürzte Scheidewand isolierte Quecksilbergefässe getaucht, wo hierdurch das Quecksilber derart verdrängt wird, dass es über die scheidende Wand steigt und mithin aus den beiden Gefässen zusammentritt. Vom Schaltbrette aus werden übrigens die Lampengruppen nicht unmittelbar, sondern nur durch Vermittelung von Relais ein- und ausgeschaltet, von welchen für jede der Teillinien je eines vorhanden und im Mittelraume des Saaluntergeschosses aufgestellt ist. Jedes genannte Relais besteht aus einem kräftigen, senkrechten Solenoid, dessen magnetischer Kern eine Hubhöhe von 20 mm und eine Tragkraft von 4 kg besitzt. Gegen das obere, mit einem Röllchen versehene Ende des Solenoidkernes lehnt sich ein auf einer wagerechten Achse drehbares, hochkantiges Ebonitkästchen, das durch eine ungefähr bis zur halben Höhe des Kästchens emporragende Zwischenwand in zwei Kammern geteilt ist. In diesen Kammern befindet sich Quecksilber und sind die Leitungsanschlüsse eingeführt. Bei der Ruhelage des Relais steht das Quecksilber niedriger als der obere Rand, der Scheidewand und die beiden Leitungsanschlüsse bleiben demnach voneinander isoliert. Gelangt aber durch den Schluss des Tasterhebels am Schaltbrett Strom in die Solenoidspule, so kippt der eingezogene Kern das Quecksilberkästchen in die Höhe, wodurch daselbst über die Scheidewand hinweg durch das überfliessende Quecksilber die leitende Verbindung erfolgt. Wird die Solenoidspule vom Schaltbrett aus wieder stromlos gemacht, dann fällt das Kästchen samt dem Solenoidkern in die Ruhelage zurück, wobei auch die Leitungsverbindung wieder aufhört. Stromschluss wie Stromunterbrechen erfolgen im Relaisumschalter stets ganz plötzlich, mag die Handhabung der Halthebel am Schaltbrett rasch oder langsam geschehen; auch ist es ein Hauptvorzug dieser von Bouchet angegebenen und bei Guénéeund Co. ausgeführten Umschalterrelais, dass dabei die Oeffnungsfunken nahezu vollkommen unterdrückt werden. Der bautechnische und künstlerische Teil des Entwurfes zum Saal der Täuschungen rührt ebenfalls von Hernard, dem Architekten des Elektrizitätspalais her; die Staffarbeiten sind durch Ameras und die elektrische Einrichtung durch A. und G. Martine in Lille ausgeführt worden. Die für das Aufhängen und Eichten der Spiegel erforderlichen Konstruktionen wurden von Ingenieur Brille entworfen nach Angaben Delloye's, des Direktionsgehilfen der Glaswerke Saint Gobain, welches Etablissement die sämtlichen 72 riesigen Spiegeltafeln des Saales der Ausstellungsverwaltung unentgeltlich zur Verfügung gestellt hat.