Titel: | Weltausstellung in Paris 1900. |
Autor: | Wilh. Gentsch |
Fundstelle: | Band 316, Jahrgang 1901, S. 7 |
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Weltausstellung in Paris 1900.
Von Wilh. Gentsch, Ingenieur und Mitglied des
Reichskommissariats.
Weltausstellung in Paris 1900.
Die künstliche Lüftung der Palais auf dem
Marsfeld.
Zu den Anlagen, welche unter der Fülle des Gebotenen vielleicht zu wenig beachtet
worden sind, nichtsdestoweniger aber die hochinteressante Lösung einer schwierigen
Aufgabe darstellen, gehört die künstliche Ventilation des Festsaales, der damit
zusammenhängenden Hallen für Landwirtschaft und Nahrungsmittelindustrie und getrennt
davon diejenige der Dampfdynamohallen (Galeries de trente mètres). Für den
kuppelförmigen Festsaal von etwa 100 m Durchmesser, der immerhin für 24000 bis 25000
Personen ausreichen musste, hatte man mit Rücksicht auf die im Jahre 1889 gemachten
Erfahrungen von vornherein auf die natürliche Lüftung verzichten müssen. Die
gewählte Einrichtung hat hier selbst unter schwierigsten Verhältnissen ebenso
tadellos gewirkt, wie in den durch Aufbauten aller Art komplizierten
Ausstellungsräumen der Landwirtschaft und Nahrungsmittelindustrie. Wurde in dem
ersteren Falle die frische Luft unter den Sitzreihen eingeblasen, so hatte man in
dem zweiten Falle die auf den Wegen angeordneten Luftaustrittsöffnungen mit Sitzen
überdeckt, welche an warmen Tagen auch mit Vorliebe benutzt wurden. Im allgemeinen
lässt es sich sagen, dass es in weitgehendem Masse gelungen war, eine angenehme
Lufterneuerung aufrecht zuerhalten. In den Dampfdynamohallen, welche eine
natürliche Lüftung durch das Dach besassen, hatten nur einzelne Ventilatoren unter
den Galerien verteilt werden können. Der Schöpfer der Lüftungsanlagen ist Prof. Bourdon, der Chefingenieur der französischen
Ausstellungsleitung, dem ich auch die nachfolgenden Angaben zu verdanken habe.
Der Gesamtinhalt der zu lüftenden Gebäude betrug 1478000 cbm. Zur Lüftung wurden 50
Apparate verschiedener Systeme benutzt, welche stündlich 1250000 cbm Luft bewegen
und demnach die Lufterneuerung annähernd alle fünf Viertelstunden bewirken konnten.
Es wurde allerdings die Ventilation des Festsaals und der Maschinengalerien
energischer betrieben, als diejenige der beiden landwirtschaftlichen Palais.
Textabbildung Bd. 316, S. 7
Fig. 1.Führung der Luftverteilungskanäle im Festsaal.
Auf dem Plan (Fig. 1) ist die ganze Anlage im
Grundriss dargestellt. Für den Festsaal waren sechs Druckventilatoren ausserhalb des
Gebäudes auf Seite der Avenue Lamotte-Piquet aufgestellt. Von der Firma Leroy und de. waren gewöhnliche L, von Fouché Apparate mit Kühleinrichtung
F geliefert worden.
Jeder der vier Ventilatoren, System Leroy, hatte einen
Turbinendurchmesser von 2,50 m und leistete 65000 cbm Luft pro Stunde unter einem
Druck von 0,070 m Wasser, entsprechend einer Tourenzahl von 200 pro Minute. Der Antrieb erfolgte durch
Riemen von einer Gramme-Dynamo von 40 PS aus, welche Gleichstrom von 220 + 220 Volt
von der elektrischen Zentrale der Ausstellung erhielt. Die zentral eingesaugte Luft
wurde am Radumfange ausgedrückt und in eine Sammelkammer S eingetrieben, in welche drei Verteilungskanäle C mündeten. Von den beiden Fouché'schen Druck
Ventilatoren F hatte ein jeder 1,600 m Durchmesser und
drückte die Luft zwecks Kühlung durch eine angefeuchtete Luftschicht. Für einen
solchen Apparat genügte zum Antrieb ein Motor von 6 PS.
Textabbildung Bd. 316, S. 8
Querschnitte der Luftverteilungskanäle im Festsaal.
Die Führung der Luft Verteilungskanäle im Festsaal lässt Fig. 1 erkennen. Die Querschnitte dieser Kanäle zeigen Fig. 2 bis 4.
Die Mündungen O der Kanäle befanden sich teils unter den
Stufen der Amphitheater, teils unter einem in Mitte des Saales im Fussboden
eingelassenen Holzrost. Zur besseren Verteilung unter den Stufen wurden von den
Kanälen senkrechte Rohre bis etwa 1,00 m über Boden geführt. Ein etwa 1,5 m über den
Mündungen dieser senkrechten Rohre angebrachtes Verteilungsbrett sorgte für die
gleichmässige Ausbreitung der Luft, welche durch die senkrechten Oeffnungen in den
Stufen und diejenigen des Podiums austrat. Diese Kategorie der
Durchlässestellte einen freien Luftdurchlass von 254,20 qm dar, so dass eine
mittlere Austrittsgeschwindigkeit von 0,30 m pro Sekunde sich ergab.
Der Holzrost (von 17,50 m Durchmesser) im Zentrum des Saales bildete den Abschluss
einer Grube von 1,5 m Tiefe, in welche zwei Luftkanäle K mündeten. Die letzteren konnten, etwa bei Gelegenheit eines Banketts,
mittels Klappen geschlossen werden, welche im geöffneten Zustande als Luftverteiler
dienten. Hier waren 60 qm freier Durchlass, der einer Austrittsgeschwindigkeit von
0,20 m pro Sekunde entsprach.
Benutzungsweise des Saales
Datum
Stunde
Aussen-temperatur
Temperaturan derMündungder
Kanal-auslässe
TemperaturdesSaales
Beobachtung
Uhr
°
°
°
Fest der Handwerker
12. August
11½
24,0
22,5
23,0
Zeremonie der Preisverteilung
18. August
11½
281/4
25,0
271/4
Ende der Zeremonie
Festbankett der Maire
22. September
3½ 5¾
21,520,5
19,819,8
21,022,0
Beginn des BankettsEnde des Banketts
do.
23. September
3½ 5½
24,524,5
23,023,0
23,525,0
Beginn des BankettsEnde des Banketts
Da der Festsaal einen Luftinhalt von 256170 cbm hatte, und die sechs Ventilatoren
zusammen 314400 cbm Luft pro Stunde liefern konnten, so erübrigte eine
Lufterneuerung etwa innerhalb 50 Minuten. In den Monaten August und September bei
Gelegenheit grosser Feste angestellte Versuche haben bezüglich der Temperatur im
Saal die in vorstehender Tabelle zusammengestellten Ergebnisse gehabt.
Was die beiden neben dem Festsaal gelegenen Teile der alten Maschinenhalle bildenden
Palais für Landwirtschaft und Nahrungsmittelindustrie anbetrifft, so hatte man für
ein jedes derselben zehn Ventilatoren vorgesehen, in der Weise, dass zwei Farcot'sche Apparate T
ausserhalb an der Giebelseite in kleinen Häuschen untergebracht, während acht
kleinere Huglo'sche Lüfter H innerhalb des Palais unter dem Fussboden des ersten Stockes angebracht
waren.
Textabbildung Bd. 316, S. 8
Farcot'scher Ventilator.
Jeder der Farcot'schen. Ventilatoren (Fig. 5 und 6) hatte 2,00 m
Durchmesser und lieferte bei 400 Umdrehungen in der Minute 54000 cbm Luft in der
Stunde mit einer Pressung von 0,070 m Wasser. Der Antrieb erfolgte durch einen
Elektromotor, System Postel-Vinay, von 25 PS (220 + 220
Volt Gleichstrom des Ausstellungsnetzes). Unterirdische Kanäle führten die Luft bis
zu den im Boden ausgesparten Oeffnungen. Um das Publikum von aufsteigenden
Luftströmen, welche auch staubaufwirbelnd wirken konnten, nicht belästigen zu lassen, wurden je vier
nebeneinander liegende Auslässe durch Bänke B (Fig. 1) verdeckt, die gemäss Fig. 7 seitlich gelocht waren, und die Luft dementsprechend wagerecht
ablenkten. Jede solche Bank besass einen freien Durchlass von 1,265 qm, so dass eine
mittlere Luftaustrittsgeschwindigkeit von 1,30 m in der Sekunde erübrigte. Je ein
Huglo'scher Apparat H
hatte eine Schraube von 0,900 m Durchmesser und förderte stündlich 18000 cbm Luft
von 0,010 m Wasserdruck bei einer minutlichen Tourenzahl von 600. Die Schraube war
hier mit einem zweipferdigen Elektromotor (220 + 220 Gleichstrom) direkt
gekuppelt.
Textabbildung Bd. 316, S. 9
Fig. 7.Schnitt durch eine Bank.
Der Ventilator war am inneren Ende eines unter dem Fussboden
des ersten Stockes angeordneten Kanals von 1,2 qm Querschnitt montiert;
dieäussere Mündung desselben konnte durch Fenster verschlossen werden.
Der Luftinhalt der beiden landwirtschaftlichen Palais betrug etwa 988400 cbm. Da nun
die vier Farcot'schen Ventilatoren und die 16 Huglo'schen Apparate 504000 cbm Luft pro Stunde
einzuführen vermochten, war auf eine etwa zweistündliche Erneuerung der Luft in den
Palais zu rechnen. Die mehrfach ausgeführten Versuche hatten ergeben, dass es
möglich war, die Temperatur der an den Bänken austretenden Luft 1½ bis 2° unter, und
dementsprechend die mittlere Temperatur in den Palais selbst annähernd gleich mit
der Aussentemperatur zu halten.
Aehnlich wie in den eben besprochenen Ausstellungsräumen waren 24 Huglo'sche Ventilatoren G
in den Hallen für die Dampfdynamos unter dem Boden der Galerien angeordnet. Der
Inhalt der Hallen musste zu 233400 cbm angenommen werden; die 24 Apparate lieferten
hingegen 432000 cbm Luft, so dass etwa alle halbe Stunden eine Lufterneuerung
stattfand. In der That liess sich beobachten, dass, sofern die Apparate voll in
Wirksamkeit waren, trotz der durch die Maschinen und die Dampfleitungen verursachten
Heizung die Temperatur in den in Rede stehenden Hallen die Aussentemperatur kaum um
1° überstieg.