Titel: Berechnung des Schwungrades für elektrisch betriebene Hobelmaschinen.
Autor: Otto Schaefer
Fundstelle: Band 316, Jahrgang 1901, S. 245
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Berechnung des Schwungrades für elektrisch betriebene Hobelmaschinen. Von Ingenieur Otto Schaefer. [Berechnung des Schwungrades für elektrisch betriebene Hobelmaschinen.] Um den erhöhten Ansprüchen zu genügen, hat man die neueren Hobelmaschinen immer grösser und damit ihre hin und her gehenden Teile immer schwerer gebaut. Da gleichzeitig viel mit der Maschine geleistet werden soll, ist die Schnittgeschwindigkeit und die Rücklaufgeschwindigkeit sehr erhöht worden. Die Folge dieser beiden Umstände ist, dass an den Hubenden eine sehr grosse Arbeit nötig ist, um die Maschine umzusteuern. Bei Transmissionsantrieb wird diese Arbeit ohne besondere Schwierigkeit von der Hauptbetriebsmaschine mit bewältigt; anders bei elektrischem Einzelantrieb. Wäre der Elektromotor nur auf die während des Schnittes verlangte Leistung berechnet, so würde der Anker beim Umsteuern, wobei die Leistung plötzlich auf ein Vielfaches der normalen wächst, durchbrennen. Man ist also gezwungen, den Motor auf diese erhöhte Leistung zu berechnen, bekommt also einen für die Arbeitszeit und den Rücklauf zu starken, mithin zu teuren Motor, der ausserdem, weil er nur wenig belastet ist, unökonomisch arbeitet. Bezeichnet M die Masse aller hin und her gehenden Teile, v1 die Arbeitsgeschwindigkeit, v2 die Rücklaufgeschwindigkeit, so ist die Arbeit A=M\,\frac{{v_1}^2}{2}+M\,\frac{{v_2}^2}{2} an beiden Hubenden gleich. Setzt man A = K . s, wo K die auszuübende Kraft, s den Weg bedeutet, längs dessen K wirken muss, so erkennt man, dass man K beliebig verkleinern und vergrössern kann durch entsprechende Vergrösserung und Verkleinerung von s. K und s können noch an beliebiger Stelle gemessen gedacht werden: z.B. K als Umfangskraft an einer zwischen Motor und Hobelmaschine geschalteten Riemenscheibe, s ist dann der von einem Punkte des Umfangs zurückgelegte Weg, oder K als Zugkraft des Motors und s als zugehöriger Weg. Die Stromstärke eines Motors ist proportional der Zugkraft i . c = K, wo c eine entsprechende Konstante ist. Nun ist s=p\,\frac{t^2}{2}, wenn p die Beschleunigung, t die Zeit bedeutet, also, da A = K . s war A=c\,\cdot\,i\,\cdot\,p\,\cdot\,\frac{t^2}{2} i=\frac{1}{t^2}\,\cdot\,\frac{2\,\cdot\,A}{c\,\cdot\,p}, also i proportional \frac{1}{t^2}. Die Temperaturerhöhung eines vom elektrischen Strom durchflossenen Leiters ist T= C . i2 . t wenigstens anfänglich, so lange noch keine erhebliche Wärmeabgabe an die Umgebung stattfindet. Der Anker des betrachteten Motors befindet sich erst im Beharrungszustand, die durch den normalen Strom zugeführte Wärmeund die Wärmeabgabe an die Luft halten sich im Gleichgewicht; jetzt steigt plötzlich der Strom, die zugeführte Wärmemenge ist proportional dem Quadrat der Stromstärke, die Wärmemenge ist um so grösser, je länger die Stromerhöhung andauert; erhöhte Wärmeabgabe findet noch nicht statt, also ist T=C . i2 . t, wo C eine Konstante ist, die den Widerstand des Leiters, die spezifische Wärme u.s.w. in sich enthält. Da nun, wie vorhin gezeigt, i proportional zu \frac{1}{t^2} ist, so kann man setzen T=C_1\,\cdot\,\frac{1}{t^4}\,\cdot\,t=C_1\,\cdot\,\frac{1}{t^3}. C1 ist die entsprechende Konstante. Die beiden Wünsche, die Erwärmung T und die Zeit des Umsteuerns t klein zu halten, stehen also im Widerspruch, und zwar wird eine geringe Verkleinerung von t wegen der dritten Potenz eine erhebliche Vergrösserung von T herbeiführen. Hier kann nun die Einschaltung eines Schwungrades grossen Vorteil schaffen. Ein Schwungrad von unendlich grossem Arbeitsvermögen würde die Umsteuerungsarbeit leisten, ohne seine Tourenzahl zu ändern, mithin würde auch der Motor nicht langsamer laufen, die Stromstärke folglich nicht wachsen und gar keine Erwärmung eintreten. Da ein solches Schwungrad unausführbar ist, so muss eine gewisse Erwärmung des Motorankers zugelassen werden, die man jedoch in zulässigen Grenzen halten kann. Man kann z.B. die Annahme machen, dass die Stromstärke höchstens auf das Doppelte der normalen anwachsen soll, und berechnen, wieviel dabei die Tourenzahl des Motors und damit auch die des Schwungrades sinken darf. Um diese Rechnung durchzuführen, nennen wir die Klemmenspannung k, die elektromotorische Gegenkraft e, die Ankerdrahtzahl a, die Kraftlinienzahl z, die Tourenzahl n1, den Ankerstrom i, den Ankerwiderstand w. Dann ist i=\frac{k-e}{w} und e=\frac{a\,\cdot\,z\,\cdot\,n_1}{60}\,10^{-8}, folglich i=\frac{k-\frac{a\,z\,n_1}{60}\,10^{-8}}{w} n_1=(k-i\,w)\,\frac{60}{a\,z\,\cdot\,10^{-8}}. Führen wir nun die Tourenzahl n2 ein, bei der i doppelt so gross sein soll, so ist n_2=(k-2\,i\,w)\,\frac{60}{a\,z\,10^{-8}} \frac{n_1}{n_2}=\frac{k-i\,w}{k-2\,i\,w}. Das Gewicht des Schwungringes sei G, die der Tourenzahl n1 entsprechende Umfangsgeschwindigkeit V1, die n2 entsprechende V2. Dann gibt das Schwungrad während der Verzögerung die Arbeit \frac{G}{2\,g}\,({V_1}^2-{V_2}^2) ab, wofür man setzen kann \frac{G\,{V_1}^2}{2\,g}\,\left(1-\left[\frac{V_2}{V_1}\right]^2\right) oder \frac{G}{g}\,\frac{{V_1}^2}{2}\,\left(1-\left[\frac{n_2}{n_1}\right]^2\right). Diese Arbeit durch die angenommene Zeit dividiert, ergibt eine Leistung L. Die Leistung des Motors bei Beginn des Umsteuerns ist bekannt, am Schluss ist sie, da die Stromstärke die doppelte und die Tourenzahl nur um wenige Prozente gesunken ist, etwa doppelt so gross, so dass man annähernd die mittlere Motorleistung L1 gleich dem anderthalbfachen der anfänglichen, normalen setzen kann. Einer genaueren Berechnung stehen zwar keine Hindernisse im Wege, doch dürfte sie unnötig sein. Setzt man nun das zum Umsteuern erforderliche Arbeitsvermögen A, durch t dividiert, gleich L + L1 so ist L+L_1=\frac{A}{t} L=\frac{A}{t}-L_1, mithin ist L bekannt. Nunmehr ist G berechenbar aus L=\frac{G}{g}\,\frac{{V_1}^2}{2}\,\left(1-\left[\frac{n_2}{n_1}\right]\right)^2 G=\frac{2\,L\,g}{{V_1}^2}\,\frac{1}{1-\left(\frac{n_2}{n_1}\right)^2}. Die Anbringung des Schwungrades kann auf der Motorwelle geschehen; aber ebensogut auf einer Zwischenwelle. Möglicherweise wird man ein genügend schnell laufendes Zahnrad als Schwungrad ausbilden können. Die Voraussetzung, dass die zwischen Motor und Hobelmaschine eingeschaltete Reibungskuppelung, z. B. der als solche wirkende Riemen, immer die genügende Kraft K übertrügen, um das Umsteuern wirklich in der Zeit t zu vollziehen, wird nicht immer erfüllt sein. Ueberträgt sie weniger, so wird das Umsteuern länger dauern und die Erwärmung des Motors geringer ausfallen, so dass dieser Fall, wenn auch als unerwünscht, so doch als unschädlich zu betrachten ist. Ueberträgt jedoch die Reibungskuppelung eine zu grosse Kraft, so wird t vermindert und die Erwärmung T wächst sehr rasch nach der Formel T=C_1\,\frac{1}{t^3}. Man muss also die Reibungskuppelung so konstruieren, dass dieser Fall nicht eintreten kann.