Titel: Das Glasblaseverfahren von P. Th. Sievert.
Fundstelle: Band 316, Jahrgang 1901, S. 261
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Das Glasblaseverfahren von P. Th. Sievert. Das Glasblaseverfahren von P. Th. Sievert. Im folgenden soll versucht werden, ein neues Glasblaseverfahren, das seit einiger Zeit in den Fachkreisen des In- und Auslandes berechtigtes Aufsehen erregt, zur zusammenfassenden Darstellung zu bringen. Dies Verfahren ist in dem D. R. P. Nr. 109 363 und einer bereits stattlichen Reihe von Zusatzpatenten niedergelegt und geschütztBis jetzt liegen folgende Zusatzpatente vor: Nr. 109364, 109365, 111393, 111882, 112091, 112248, 113235, 115606, 115635, 116026, 116135, 116682, 117936, 118246.. Indessen soll sich die Darstellung nicht an die chronologische Reihenfolge der betreffenden Patentschriften binden, sondern dem inneren Zusammenhange der Grundidee mit Früherem, und der verschiedenen Abänderungen untereinander nachzugehen versuchen, in der Hoffnung, dass auch der an der Glasindustrie nicht unmittelbar beteiligte Techniker mit Teilnahme und vielfacher Anregung dem Schauspiel folgen wird, wie eine Erfindungsidee geboren wird, wächst und ausgereift in die Praxis eintritt. Daneben wird der Glasfachmann die Bekanntschaft eines Verfahrens willkommen heissen, das in weiten Gebieten seines Faches umwälzend zu wirken und die Lösung neuer bisher unzugänglicher Aufgaben zu ermöglichen berufen ist. Jedem Glasfachmann ist die unheilvolle Wirkung kalter Metallflächen auf die Oberflächenbeschaffenheit des Glases bekannt, welches in glühendem, noch plastischen Zustande mit solchen Metallflächen in Berührung kommt. Die jähe Wärmeentziehung macht die Glasoberfläche in zahllosen Buckeln und Beulen erstarren, so dass sie ein „gehämmertes“ Aussehen annimmt, im Gegensatz zu geblasenem Glase, das während seines Festwerdens nur mit der umgebenden, wenig Wärme entziehenden Luft in Berührung ist, und daher die spiegelnde Glätte einer ungestört erstarrten Flüssigkeitsoberfläche aufweist. Ebenso bekannt ist, dass man die Werkzeuge, mit denen man die glühende Glasblase bearbeitet (Walgerhölzer u.s.w.) nass macht, um, bewusst oder unbewusst, zwischen Glas und berührender Fläche eine Schicht wenig Wärme entziehenden Gases, hier Wasserdampf, zu erzeugen. Es ist augenscheinlich unter Berücksichtigung dieser Thatsachen geschehen, dass der Urheber des hier behandelten D. R. P. Nr. 109363 vorschlugD. R. P. Nr. 100557., das Auswalzen von flüssigem Glase zu Tafeln mit Hilfe von Walzen und Walztischen zu bewirken, deren Oberflächen aus feucht gehaltenen Faserstoffen, wie Holz, Papier, Asbest u.s.w. bestehen. Gerade beim Auswalzen tritt die erwähnte üble Wirkung kalter Metallflächen auf das Glas besonders störend in Erscheinung, gerade hier schien es besonders am Platze, nicht eine Metallfläche, sondern eine Gasschicht in unmittelbarer Berührung mit dem erstarrenden Glase zu halten. Aber diese angefeuchteten Walztische haben ihren Uebelstand, wie wir später aus der Patentschrift Nr. 106084 erfahren. Der zwischen feuchter Unterlage und glühendem Glase beständig entwickelte Dampf muss beständig zwischen beiden Flächen abfliessen. Ist die Glasfläche sehr ausgedehnt, die Unterlage irgendwo besonders feucht, so staut und spannt sich dort der Dampf unter dem Glase und wirft eine Blase auf – bläst dasGlas auf. Ein störender Zwischenfall, ein verdriesslicher Uebelstand; nichts weiter! Wenigstens für die meisten! Aber der Erfindergeist ist damit nicht zufrieden. Er bleibt stehen bei diesem Punkte, er umkreist ihn. Und plötzlich ist er da, der Erfindungsgedanke: das muss man doch zum Glasblasen nutzbar machen können! Wenn man das absichtlich herbeiführt, was hier zufällig geschieht, wenn man eine glühende Glasschicht, welche auf einer feuchten Unterlage oder vielmehr auf der daraus entwickelten Dampfschicht liegt, wenn man diese Glasschicht auf einer geschlossenen Linie an die Unterlage andrückt, so muss der sich entwickelnde Dampf, dem ringsum der Ausweg verschlossen, die Glasschicht über ihm anheben, aufblähen. Die Patentschriften Nr. 109110 und 109365 zeigen die ersten praktischen Anwendungen, welche dieser Gedanke gefunden hat. Erstere knüpft an frühere Patente desselben Erfinders an, nach welchen mittels Stanzen Formstücke aus einer ausgebreiteten Glasschicht herausgeschnitten werden. Die plastische Glasschicht e (Fig. 1) wird nunmehr auf eine Asbestschicht m gelegt, welcher durch die Oeffnungen c in der Oberseite der hohlen Platte a Wasser zugeführt wird. Textabbildung Bd. 316, S. 261 Fig. 1. Die Stanzen n schneiden Stücke o aus der Glasschicht, welche unter dem Druck des sich darunter entwickelnden, durch die Stanzenpressung am Entweichen verhinderten Wasserdampfes nach oben aufgebläht werden. Textabbildung Bd. 316, S. 261 Fig. 2. Die zweite Anwendung (D. R. P. Nr. 109365) ist von erheblich grösserer Tragweite. Die allgemeine Anwendung, deren jene zufällige Beobachtung fähig ist, tritt bereits klarer zu Tage. Eine plastische Glasschicht e (Fig. 2) wird wie vorher auf eine Asbestschicht m aufgelegt, welcher auf beliebige Weise Wasser zugeführt werden kann. Auf die Glasschicht wird darauf ein Rahmen f aufgelegt und durch Zwingen n niedergedrückt. Der unter der Glasschicht sich entwickelnde Dampf kann infolge der Festklemmung der Ränder nicht seitlich entweichen und bläst die Glasschicht zu einem Hohlkörper e1 auf. Der Dampfdruck und das Aufblasen lässt sich, wie ohne weiteres klar, dadurch regeln, dass man die Zwingen e mehr oder weniger fest anzieht. In der Praxis wird man natürlich nicht die schematisch gezeigten umständlich zu handhabenden Zwingen benutzen, sondern ein leicht vorzustellendes, von einem Handgriff aus zu bewegendes Hebelwerk, welches das Anpressen des Rahmens f gegen die Glasschicht aufs feinfühligste zu regeln erlaubt. Und nun schliesst sich das D. R. P. Nr. 109363 an, welches der Erkenntnis entspringt, dass das Aufblähen der Glasschicht mittels von ihr selbst erzeugten Wasserdampfes nur ein besonderer Fall des allgemeineren Verfahrens ist: „geschmolzenes Glas auf einer Unterlage zu einer Schicht auszubreiten, durch einen formgebenden Rahmen, welcher dem Umriss der Hohlkörperöffnung entspricht, gegen die Unterlage niederzuhalten und nun unter der Glasschicht innerhalb des durch den formgebenden Rahmen eingeschlossenen Bereiches mittels Druckluft, Wasserdampfes o. dgl. elastischen Druck zu erzeugen, mit dem Erfolge, die Glasschicht über dem Grundriss des formgebenden Rahmens entweder frei oder in eine Form hinein zu einem Hohlkörper aufzublasen.“ So wie hier im Raume weniger Zeilen überflogen, von der Warte kritischer Betrachtung aus überblickt, scheint der Weg nicht weit von der in der Patentschrift Nr. 106084 niedergelegten gelegentlichen Beobachtung bis zu der Erkenntnis ihrer praktischen Verwertbarkeit und von da in zweimaliger Verallgemeinerung zu dem grundlegenden Verfahren des D. R. P. Nr. 109363. Aber dem scheint nur so, er ist in Wahrheit die That eines scharfen Beobachters, eines logischen Kopfes, eines hervorragenden Praktikers. In der Entwickelung des Erfindungsgedankens dürfte das D. R. P. Nr. 109365 der Vorgänger des D. R. P. Nr. 109363 sein, aber patentrechtlich und logisch ist dieses die Grundlage, jenes die Weiterentwickelung. Wir treten in eine kurze Besprechung des Hauptpatentes ein. Textabbildung Bd. 316, S. 262 Fig. 3. Textabbildung Bd. 316, S. 262 Fig. 4. Das oben definierte Verfahren kann in verschiedenen Ausführungsformen ausgeübt werden. So kann z.B. (Fig. 3) die Glasmasse e auf einer hohlen Grundplatte a durch Walzen, Pressen oder sonstwie eingeebnet werden, wobei der Rand d die Dicke der Glasschicht bestimmt und einem übergreifenden Rahmen f als Auflager dient, welcher die Glasschicht e an den Rändern festhält. Nunmehr wird in den Hohlraum von a ein elastisches Druckmittel eingeführt (z.B. Pressluft), welche durch die Durchbrechungen a1 unter die Glasschicht tritt und dieselbe entweder frei (Fig. 4) oder in eine aufgestülpte Form g (Fig. 5) zu dem Hohlkörperk aufbläht. Dabei können die Formränder h das Festhalten der Glasschicht übernehmen. Indessen kühlen die Formränder die Glasschicht stark ab, so dass die Randpartien beim Aufblasen leicht zu stark bleiben; zweckmässiger ist es daher, das Festhalten der Glasschicht durch einen Rahmen zu bewirken und die Form mit zugeschärften Kanten (Fig. 9) aufzusetzen. Textabbildung Bd. 316, S. 262 Fig. 5. Sehr wichtig ist, dass der Blasvorgang, wie in Fig. 6 gezeigt, mit Hilfe vielfacher Formen g1 bis g7 zur gleichzeitigen Herstellung einer grossen Anzahl gleichartiger Stücke benutzt werden kann. Textabbildung Bd. 316, S. 262 Fig. 6. Die Apparatur lässt sich sehr vereinfachen, wenn man das Verfahren so ausführt (Fig. 7), dass man die Glasmasse e auf einer Platte a ausbreitet, welche eine Oeffnung s hat, die zunächst mittels des aufklappbaren Deckels n verschlossen ist. Textabbildung Bd. 316, S. 262 Fig. 7. Textabbildung Bd. 316, S. 262 Fig. 8. Auf die eingeebnete Glasschicht wird nun ein Hohldeckel o aufgepresst, unter welchen durch die Oeffnungen s1 Druckluft eingeführt wird, nachdem der Deckel n, wie gezeichnet, weggeklappt worden ist. Der Hohldeckel hält die Ränder der Glasschicht fest, der Umriss der Oeffnung s bestimmt den Querschnitt des nach unten ausgeblasenen Hohlkörpers. Gleichviel ob ein elastisches Druckmittel durch die Durchbrechungen der Platte a zugeführt oder wie beim Verfahren nach D. R. P. Nr. 109365 durch die Hitze der Glasplatte erzeugt wird, sei es aus der einmal angefeuchteten (Fig. 2) oder mittels durch die Durchbrechungen a1 zugeführten Wassers feucht erhaltenen Asbestschicht (Fig. 8), immer ist die Glashaut während des Aufblähens nur in Berührung mit dem umgebenden gasförmigen Mittel, bewahrt also beim Erstarren die gleiche Feuerpolitur wie die in gewöhnlicher Weise geblasenen Glasgegenstände. Aus Fig. 9 ergibt sich auch, dass man, statt mit einer hohlen Platte mit vielen Durchbrechungen in der Oberseite zu arbeiten, auch eine massive Platte a verwenden kann, durch welche mittels einer oder wenigen Durchbrechungen Pressluft unter die Glasschicht e eingeführt wird. Diese etwas grösseren Durchbrechungen legt man so, dass die ihnen entsprechenden Glasnäbel am fertigen Gegenstand nicht auffallen, oder wie in der Figur gezeigt, ganz wegfallenD.R.P. Nr. 111882.. Nicht immer wird die aufzublähende Glasschicht die Gestalt einer überall gleich starken Tafel haben. Es ist vielmehr zuweilen zweckmässig, die Oberfläche der Platte a, auf welcher die Glasschicht ausgebreitet wird, muldenförmig vertieft zu gestalten (Fig. 9). Textabbildung Bd. 316, S. 263 Fig. 9. Es ist dadurch möglich, bei Hohlkörpern von im Verhältnis zu ihrem Grundriss beträchtlicher Höhenentwickelung ein Mehr von Glasmasse in der Mitte der Glasschicht e zu versammeln, wo dieselbe die grösste Expandierung erfährt, auch dem direkten Stoss des Pressluftstrahles ausgesetzt istD.R.P. Nr. 116026.. Auch können sich solche muldenförmige Vertiefungen vielfach auf einer Plattenoberfläche wiederholen. Fig. 10 zeigt z.B., unter Benutzung dieser Anordnung, die Herstellung von Lampencylindern in einer vielfachen Form. Die Glasschicht e erhält durch die Oberflächengestaltung der Platte a zahlreiche Verdickungen, deren jede einer darüber schwebenden Cylinderform ntspricht. Beim Blasen hebt sich die Schicht e einheitlich an, und jede Verdickung wird nun weiter durch die ganze Höhenerstreckung der Cylinderform aufgeblasen. Textabbildung Bd. 316, S. 263 Fig. 10. Die fabrikmässige Ausführung der vorstehend schematisch dargestellten Verfahrensarten macht die Zusammenordnung der dabei gebrauchten Vorrichtungen zu maschinellen Ganzen erforderlich, die, wenngleich an sich nicht überraschend, doch die ausserordentliche Handlichkeit und Leistungsfähigkeit des Verfahrens zu illustrieren geeignet sind. Fig. 11 stellt eine dem Grossbetrieb entsprechende Ausbildung der in Fig. 2 schematisch gegebenen Vorrichtung dar. Auf dem Wagen q liegt die Platte a, f dieser eine feuchte Asbestschicht m, auf dieser die glühende Glasschicht e. Der Wagen q wird nun auf die in der punktiert gezeichneten Lage befindliche Platte c gefahren und mit dieser durch den Hebel k soweit angehoben (ausgezogene Linien), dass die am Rahmen l befestigten Formen g mit ihren Rändern in die Glasschicht eindringen, worauf der darunter aus der Asbestlage entwickelte Wasserdampf die Glasschicht in die Formen g einbläst. Darauf wird der Wagen q wieder gesenkt und ausgefahren mit den frei darauf liegenden, durch den Ueberstand zusammenhängenden Hohlkörpern. Die dargestellte Vorrichtung ermöglicht die Herstellungvon nicht weniger als zwölf schalen artigen Gefässen in einem BlasvorgangeD.R.P. Nr. 115606.. Textabbildung Bd. 316, S. 263 Fig. 11. Eine etwas anders arbeitende Vorrichtung zeigt die Fig. 12. Bei ww wird die Glasmasse e zu einer dicken Tafel ausgewalzt und über t noch glühend auf die Formen g gezogen, welche auf der Platte l stehen. Die Formen werden auf dem Wagen q unter eine mittels Hebels k senkbare Platte a gefahren, welche auf ihrer Unterseite eine feuchte Asbestschicht m trägt. Durch Anpressen derselben gegen die auf den Formen liegende Glasschicht e wird letztere nach unten in die Formen eingeblasen. Bei o wird die Platte l angehoben, mit einem Brett z bedeckt, und nach Zurückfahren von q um 180° gedreht. Die geblasenen Hohlkörper fallen aus der Form und werden auf dem Brett z entferntD.R.P. Nr. 116135.. Textabbildung Bd. 316, S. 263 Fig. 12. Die Ausbildung der in Fig. 7 schematisch dargestellten Vorrichtung zu einer im Fabrikbetriebe, z.B. zum Blasen von Akkumulatorenkästen, verwendbaren Maschine kann in folgender Weise geschehen (Fig. 13 und 14). Die durchbrochene Platte a besteht aus zwei in Gleitführungen gelagerten Rahmenhälften a' und a'' (Fig. 14). Dieselben können gegen- und voneinander bewegt werden durch Drehen der Welle e (etwa durch Handkurbel), auf deren mit gegenläufigen, steilen Gewinden versehenen Enden die Enden der um c drehbaren Hebel d schrauben. Mittels Handrades k wird der flache Deckel n gegen die viereckige Durchbrechung der Platte a geführt und nach Einbringen der flüssigen Glasmasse in den Raum s und Abschlichten derselben der Deckel o mittels Handrades z soweit niederbewegt, dass seine Ränder die Ränder der Glasschicht gegen die Nut am oberen Rande der Durchbrechung s festhalten. In dem Masse als die durch einen (nicht gezeichneten) Einlass zwischen Deckel o und Glasschicht eintretende Pressluft die Glasschicht nach unten aufbläst, senkt man mittels Handrades k den Deckel n, der also benutzt werden kann, um den Boden des entstehenden viereckigen Glaskastens zu stützen. Vor Beginn des Blasens schiebt man mittels Handrades t, Zahnrades r und Zahnstangen q die Hälften g einer viereckigen Kastenform unter der Platte a zusammenD.R.P. Nr. 111393.. Es erhellt ohne weiteres, dass man die Hälften des Rahmens a mit den Hälften der Form g zu einem Ganzen vereinigen kannD.R.P. Nr. 116682.. Textabbildung Bd. 316, S. 264 Fig. 13. Aus dem bisher Gesagten ergibt sich, dass die Rahmen, welche die aufzublasende Glasschicht an den Rändern festhalten und den Umriss der Hohlkörpermündung bedingen, eine wichtige Rolle bei der Ausführung des Verfahrens spielen. Indessen wurde auch schon erwähnt, dass sie einen Uebelstand mit sich führen, nämlich den, dass den am Metallrahmen unmittelbar anliegenden Teilen der Glasschicht eine beträchtliche Menge Wärme entzogen wird. Dadurch entsteht beim Aufblasen an den Rändern des entstehenden Hohlkörpers eine starke Glaswulst, die bei dickwandigen Körpern nicht störend, ja erwünscht ist, die aber, wenn Hohlkörper mit dünnen Wandungen hergestellt werden sollen, einen unverhältnismässig grossen Teil der zu einem Blasvorgang verwendeten Glasmenge verbraucht und zwar nutzlos verbraucht. Textabbildung Bd. 316, S. 264 Fig. 14. Textabbildung Bd. 316, S. 264 Fig. 15. So erfahren wir in der Patentschrift Nr. 113235, die zugleich ein Mittel zur Abhilfe angibt. Bekanntlich haftet flüssiges Glas, das von kaltem Metall abgeschreckt und zum Erstarren gebracht wird, sehr gut an glühenden Metallflächen. Darauf beruht ja auch das feste Anhaften des Glaskülbels an der Pfeife des Glasbläsers. Unter Benutzungdieser Thatsache wird dem formgebenden Rahmen f die Gestalt eines (geteilten) Ringes gegeben, der um die Platte a gelegt wird, und mit seinem konisch verstärkten unteren Rande unter eine Unterschneidung der Platte a greift (Fig. 15). Erhitzt man den Ring f nun in irgend einer Weise, durch Einlegen in einen Flammherd, durch Stichflammen oder elektrisch, bringt darauf die Glasmasse e in die glühende Umrandung ein und schickt nun Pressluft durch die Löcher in der Oberseite von a, so wird die Glasschicht angehoben, haftet aber mit ihren Rändern fest am Rahmen f, und wird zu einem Hohlkörper e von bis zum Rande durchweg gleichmässiger Wandstärke aufgeblasen. Will man den Rahmen elektrisch erhitzen, so bettet man ihn, durch die nicht leitende Schicht i (Fig. 16) isoliert, in eine Rinne der Platte a ein und schaltet ihn mittels der Klemmen s in einen Stromkreis ein. Textabbildung Bd. 316, S. 264 Fig. 16. Textabbildung Bd. 316, S. 264 Fig. 17. Fig. 17 zeigt eine Umgestaltung des Deckels o der Fig. 7, indem seine Ränder durch den elektrisch erhitzten Rahmen f ersetzt sind. Hätte die Unterlage a eine Durchbrechung, so könnte man die Glasschicht e durch die Oeffnung ohne weiteres nach unten aufblasen. Aber eine solche durchbrochene Unterlage ist nicht mehr nötig, da die Glasschicht nicht mehr zwischen f und d eingeklemmt zu werden braucht, vielmehr an dem glühenden Rahmen f haftet. Es ergibt sich also bei dieser Einrichtung die weitere ausserordentliche Vereinfachung des Verfahrens, dass man das Glas auf einer beliebigen Unterlage a zu einer Schicht e ausbreitet und mit derselben gegen eine Platte o anhebt, deren Metallrand f durch Widerstandserhitzung heiss gemacht, und welche mit einer Pressluftzuleitung versehen ist. Die Schicht e haftet an f und wird nach Entfernung von a frei nach unten aufgeblasen. Textabbildung Bd. 316, S. 264 Fig. 18. Die in der Fig. 17 dargestellte Vorrichtung erfährt im D.R.P. Nr. 118246 eine überraschende Weiterbildung, die, wenngleich ihr praktischer Wert vielleicht hinter anderen zurückbleibt, doch technologisch so interessant ist, dass sie eine kurze Erwähnung verdient. Ersetzt man nämlich in der Fig. 17 die Pressluftleitung durch ein gewöhnliches, von Hand zu regierendes und mit dem Munde anzublasendes Rohr, und den elektrisch erhitzten Rahmen durch einen beliebig zu erhitzenden eisernen, so erhält man das in Fig. 18 dargestellte Instrument, eine Glasbläserpfeife a, mit tellerförmig erweiterter Mündung ö, und abwärts gebogenem Rand c. Textabbildung Bd. 316, S. 264 Fig. 19. Man übt mit diesem Werkzeug das Verfahren des Hauptpatents Nr. 109363 (vgl. S. 262) aus, indem man auf einer Unterlage d (Fig. 19) die Glasmasse zu einer Schicht e ausbreitet (durch Pressen, Walzen o. dgl.), darauf den Rand c der Blaspfeife glühend macht, gegen die noch glühende Glasschicht andrückt, und letztere dadurch an dem Tellerrande anhaften macht. Die Glasschicht kann nun mit der Pfeife angehoben und wie beim gewöhnlichen Glasblasen ins Freie oder in eine Form hinein zu einem Hohlkörper aufgeblasen werden, dessen obere Oeffnung nach dem Absprengen von der Pfeife dem Umriss des Pfeifentellers entspricht. Interessant ist diese Arbeitsweise darum, weil man sie als die technologische Wurzel des im Hauptpatente niedergelegten Verfahrens bezeichnen kann. Hier zweigt sich von der breiten Heerstrasse des von alters her überkommenen Handwerks die neue Arbeitsweise ab, als ein unscheinbarer Pfad und wenig verheissend, um in wenigen überraschenden Wendungen zu einer Höhe unbegrenzten Ausblicks zu führen. Wir selbst sind soeben von der Höhe zum Ursprung gegangen und erkennen an dieser Stelle am besten die Wesensverschiedenheit zwischen Altem und Neuem. Textabbildung Bd. 316, S. 265 Fig. 20a. Textabbildung Bd. 316, S. 265 Fig. 20b. An dem Ende seiner Pfeife sammelt der Glasbläser einen Ballen Glases, vereinigt das ganze aufzublasende Material an einem Punkte. Durch Blasen bringt er eine Höhlung in der Kugel hervor und verwandelt die Kugel durch Schwenken und Wiederblasen u.s.w. in einen oben und unten geschlossenen Schlauch, den er nun, hier seinen Durchmesser zurückhaltend, dort auftreibend, in die erstrebte Form bringt. Handelt es sich um ein Gefäss mit enger Mündung, z.B. eine Masche, so bildet das obere Ende des Schlauches mit im wesentlichen unveränderten Durchmesser die Gefässmündung. Soll aber ein Körper von weiter Mündung gewonnen werden, eine Hohlglaswalze, eine Schale u.s.w., so muss der Glasschlauch schon am oberen Ende zu einer Kalotte ausgeweitet werden, deren Grundfläche der späteren Hohlkörpermündung entspricht, die also nach Beendigung des Blasvorganges abgesprengt wird. Die ganze Umfläche des zu bildenden Hohlkörpers wird also von einem Punkte aus allmählich durch Aufblasen einer Kugel entwickelt, von der um so mehr abfällt, und mit Aufwand von um so mehr Arbeit, je grösser die Mündungsweite ist. Bei dem neuen Verfahren dagegen geht die Hohlkörperbildung von einer Fläche aus, die an den Rändern festgehalten und unter mässiger Streckung zu dem gewünschten Hohlkörper aufgeblasen wird. Die bei dem alten Verfahren unmittelbar an der Pfeife sitzende und dann abzutrennende Glaskalotte wird hier, z.B. in Fig. 4 durch die Platte a, in Fig. 17 durch o, in Fig. 19 durch den Teller b ersetzt, ein Glasverlust findet also nicht statt. Es zeigt sich nun auch, dass das Gebiet, auf dem das neue Verfahren seine besonderen Vorzüge entfaltet, in der Herstellung von Hohlkörpern mit im Verhältnis zu ihrem Inhalt weiter Mündung liegt. Hier zeigt es, wie wir sehen werden, eine erstaunliche Leistungsfähigkeit. Da es mit Ausschluss jeder Handarbeit auszuführen ist, so vermag es Massen in einem Blasvorgange zu bewältigen, unter deren Gewicht der Arm des Glasbläsers machtlos sinken würde, und Formen zu liefern, die selbst unter Zuhilfenahme der Schwenkmaschine an der Glasbläserpfeife nicht zu gewinnen sind. Bei der Herstellung von Massenartikeln ermöglicht es eine bis dahin unmögliche Arbeitsleistung, da es, wie bei Fig. 11 und 12 bemerkt, eine. Vielheit von Stücken durch einen einzigen Blasvorgang zu erzeugen erlaubt. Und wenn die besondere Stärke des Verfahrens in der Herstellung grosser und weitmündiger Stücke liegt, so stehen doch Wege offen, umdas Verfahren der Massenherstellung enghalsiger Körper anzupassen, wie aus den Fig. 20a und 20b ohne weitere Erläuterung zu verstehen sein dürfteD.R.P. Nr. 112248.. Textabbildung Bd. 316, S. 265 Fig. 21. Textabbildung Bd. 316, S. 265 Fig. 22. Textabbildung Bd. 316, S. 265 Fig. 23. Mit einer weiteren wichtigen Verbesserung des die Glasschicht an ihren Rändern haltenden Organs, des Rahmens, beschäftigt sich die Patentschrift Nr. 115635. Wie schon oben erwähnt, haben die bisher beschriebenen Metallrahmen, welche über den Rand der aufzublähenden Glasschicht greifen und denselben festhalten, ebenso wie die zu demselben Zwecke etwa auf die Glasschicht aufgesetzten Formränder den Nachteil, dass sie dem anliegenden Teil der Glasschicht viel Wärme entziehen, so dass ein dicker Glaswulst die Ränder des gebildeten Hohlkörpers umgibt. Auch sind die sich an den Glaswulst anschliessenden Teile der Wandung meist zu stark. Diesem Uebelstand lässt sich noch einfacher als wie durch die Verwendung erhitzter Rahmen dadurch abhelfen, dass man in der die Glasschicht tragenden Platte a oder zwischen diese Platte und einem darumgelegten Rahmen d vertiefte Rillen m anordnet (Fig. 21)D.R.P. Nr. 117936.. Beim Aufgiessen des Glases auf die Platte a und Ausbreiten dringt dasselbe in die Rille m ein, erstarrt dort und der erstarrte Rand hält die auf der Oberfläche von a liegende Glasschicht fest. Gibt man der Rille wie in Fig. 22 eine möglichst scharfe nach aussen zeigende Kante, so hebt sich beim Aufblasen die Glasschicht scharf bis an diese Kante an und bleibt genügend dehnbar, um sich bis auf etwa die mittlere Wandstärke des Hohlkörpers auszustrecken. Natürlich muss der Rahmen d teilbar sein, um den Glaskörper daraus entfernen zu können. Es ist nunmehr möglich, einen besonderen, nicht festhaltenden, sondern nur formgebenden Rahmen oder eine Form in kurzem Abstande über der Platte a anzuordnen und letztere während des Blasens zu drehen, um das Entstehen von Formnähten zu verhindern. Das Luftzuführungsrohr muss dann geteilt, und der obere Teil o auf dem unteren p drehbar (etwa mittels Kugellagers) aufgesetzt sein (Fig. 23). Textabbildung Bd. 316, S. 265 Fig. 24. Textabbildung Bd. 316, S. 265 Fig. 25. Während bei den bisher erwähnten Arbeitsweisen der entstehende Glashohlkörper meist nach oben aufgeblasen wurde, zeigt die Praxis, dass der Blasvorgang, wenn es sich um Gefässe handelt, die tiefer als weit sind, erheblich besser verläuft, wenn die Glasschicht nach unten aufgeblasen wird, weil so der Körper durch sein eigenes Gewicht die Expandierung der Glasschicht befördert, besser seine Form behält und durch einen nach unten zurückweichenden Tisch während des Blasvorganges gestützt werden kann. Für die Praxis ist diese Arbeitsweise zusammen mit der Benutzung der haltenden Rillen (Fig. 21 und 22) von grosser Bedeutung. Man benutzt dazu entweder die in Fig. 13 und 14 dargestellte Maschine oder man lagert die hohle und auf der Oberseite durchbrochene Platte a an Zapfen t drehbar (Fig. 24). Nachdem das Glas auf die Platte aufgegossen und in die Nut m zwischen a und d eingetreten, kippt man die Platte mittels der Speichen u (Fig. 25) und bläst die Glasschicht e nach unten aufD.R.P. Nr. 117936.. Hiermit ist die an das Patent Nr. 109 363 sich knüpfende Entwickelung, soweit sie bisher an die Oeffentlichkeit gekommen, bis an den Tag von heute dargestellt, eine Entwickelung, die ebenso durch die Ursprünglichkeit und Kühnheit der leitenden Gedanken ausgezeichnet, als planmässig und logisch ist. (Schluss folgt.)