Titel: | Kinematische Untersuchung eines belasteten ebenen Stabzuges. |
Autor: | G. Ramisch |
Fundstelle: | Band 316, Jahrgang 1901, S. 533 |
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Kinematische Untersuchung eines belasteten ebenen
Stabzuges.
Von Prof. G. Ramisch,
Breslau.
Kinematische Untersuchung eines belasteten ebenen
Stabzuges.
I.
Der Stabzug besteht in der Fig. 1 aus einer Menge von
Stäben, welche zu je zwei in Eckpunkten starr miteinander verbunden sind; er soll im
Punkte B eingeklemmt und von beliebig vielen Kräften
und Kräftepaaren belastet sein. Die Kräfte und Kräftepaare sind auf den Stäben
verteilt und wirken in ein und derselben Ebene des Stabzuges; dieselbe soll eine
Hauptebene sein, d.h. sämtliche Querschnitte des Stabzuges in
Schwerpunktshauptachsen schneiden. Infolge der von der Belastung hervorgebrachten
Biegung der Stäbe werden sich daher die Querschnitte um Schwerachsen normal zur
Hauptebene drehen; zwar trifft dies nicht ganz genau ein, aber desto genauer, je
dünner die Stäbe im Verhältnisse zu den übrigen Dimensionen des Stabzuges sind. Es
soll daher diese Annahme hiermit gemacht sein. Ausser der Biegung findet noch eine
Längen- und Querveränderung der Stäbe statt; weil dieselben jedoch im Verhältnis zu
der von der Biegung der Stäbe hervorgerufenen Veränderung sehr klein sind, so sollen
sie vernachlässigt werden.
Textabbildung Bd. 316, S. 533
Fig. 1.
Wir stellen nun die Bedingung, dass der Punkt A des Stabzuges
festliegen soll und der Stab gA im Punkte A seine Richtung nicht ändern
darf. Erstere Bedingung wird erfüllt, wenn der Stab in zwei beliebigen
Richtungen unverschiebbar ist. Hierfür sind zwei Gleichungen erforderlich, und damit
der Stab in A seine Richtung nicht ändert, ist noch
eine Gleichung notwendig. Wir werden daher drei Bedingungsgleichungen haben und
müssen deshalb von den Kräften und Kräftepaaren drei als unbekannt voraussetzen. Es
ist ganz gleichgültig, ob es drei Kräfte, drei Kräftepaare, zwei Kräfte und ein
Kräftepaar, oder eine Kraft und zwei Kräftepaare sind. Da in den
Bedingungsgleichungen auch Strecken vorkommen werden, so können auch Strecken zu den
Unbekannten zählen; doch wollen wir, nachdem wir sie aufgestellt haben werden, zur
näheren Betrachtung dieser Angelegenheit dann eingehen.
Wir bezeichnen mit ds das Längenelement eines Stabes,
mit J das Trägheitsmoment des Querschnitts in Bezug auf
seine Drehungsachse infolge der Biegung an der Stelle, wo ds sich befindet und mit E den
Elastizitätsmodul an dieser Stelle und endlich mit J0 ein beliebig grosses, aber als
konstantanzunehmendes Trägheitsmoment und bilden den Ausdruck: \frac{J_0}{J\,\cdot\,E}\,\cdot\,d\,s,
welchen wir dσ nennen wollen. Dieser Ausdruck lässt
sich für jeden Querschnitt, wenn dafür J, ds und E bekannt sind, von vornherein berechnen. Wir setzen
daher dσ für jeden Querschnitt als bekannt voraus. Es
ist also:
d\,\sigma=\frac{J_0}{E\,\cdot\,J}\,\cdot\,d\,s . . . . . 1)
Jedes dσ betrachten wir als ein Gewicht, wir suchen
jetzt den Schwerpunkt S des Gesamtgewichts, legen durch
ihn als Koordinatenanfangspunkt ein rechtwinkeliges Koordinatenkreuz, dessen Achsen
X0 und Y0 sind und nennen die
Koordinaten irgend eines Querschnittsschwerpunktes x
und y. Welche Lage auch die Koordinatenachsen haben
mögen, stets muss
\int\limits_A^B\,x\,\cdot\,d\,\sigma=0 . . . . . . . 2)
und
\int\limits_A^B\,y\,\cdot\,d\,\sigma=0 . . . . . . . 3)
sein, wie man aus der Lehre vom Schwerpunkte weiss. Wir wollen
jedoch das Koordinatenkreuz mit S als Anfangspunkt
nicht ganz willkürlich wählen, sondern so, dass dafür das Zentrifugalmoment
\int\limits_A^B\,x\,\cdot\,y\,\cdot\,d\,\sigma=0 . . . . . . 4)
ist. Die Lehre von den Trägheits- und Zentrifugalmomenten
lehrt uns, dass dies stets möglich ist, z.B. dann, wenn die X- oder Y-Achse oder beide Achsen
Symmetrieachsen sind, ein Fall, welcher bei praktischer Ausführung fast immer
eintreten wird.
Die Ausdrücke für die drei Unbekannten werden sich jetzt in sehr einfacher Gestalt
ergeben. Freilich ist vorher in der geschilderten Weise das Koordinatenkreuz
herzustellen notwendig.
Der Stabzug sei nun mit P1 bis P8 als
Kräfte, mit M1 bis M4 als Kräftepaare und
dann noch mit den in A wirkenden Kräften X und Y, welche zu den
Koordinatenachsen X0
bezw. Y0 parallel sind,
und mit dem Kräftepaare vom Momente M0, welches in A wirkt,
belastet. Der Punkt A möge die Koordinaten a und b haben und die
Koordinaten irgend eines Querschnittsschwerpunktes C
des Stabzuges mögen x und y in Bezug auf das genannte Koordinatenkreuz sein.
Bezeichnet man die Abstände des Punktes C von P6, P7 und P8 der Reihe nach mit
p6, p7 und p8, so setze man den
Ausdruck
P6 .
p6
+ P7 . p7
+ P8 . p8
+ M4
= M
und wie für C können wir für
jeden beliebigen Querschnittsschwerpunkt M berechnen,
setzen also dieses Moment auch als bekannt für jeden Querschnitt voraus.
Ist der Stabzug nur in C elastisch, so dreht sich der
Teil CA um C mit dem unendlich
kleinen Winkel dγ und es ergibt sich dann das
Biegungsmoment für den Punkt C aus der Gleichung
E\,\cdot\,J\,\frac{d\,\gamma}{d\,s}=M-M_0+X\,\cdot\,(y+b)+Y\,\cdot\,(a-x).
Bedenkt man, dass \frac{J_0}{J\,\cdot\,E}\,\cdot\,d\,s=d\,\sigma ist, so folgt hieraus
J0 .
dγ = (M – M0
+ X [y + b] + Y [a – x] . dσ 5)
Bezeichnet man GA mit r, so
legt bei der Drehung des Stabzugteiles CA der Punkt A den unendlich kleinen Weg r .
dγ zurück und zwar senkrecht zu r. Man zerlege
diesen Weg in zwei Komponenten, nämlich parallel zur X0- und zur Y0-Achse. Erstere Komponente nennen wir
dwx und
letztere dwy so
ist, wie man sich leicht ableiten kann,
dw
x
= (y + b) . dy
und
dw
y
= (a – x) dγ.
Mit Rücksicht auf die Gleichung 5 entsteht daher
J0 .
dwx
= (M – M0
+ X [y + b] + Y [a – x](y + b)
dσ 6)
und
J0 .
dwy = (M – M0
+ X [y + b] + Y [a – x])(a – x)
. dσ 7)
Die drei Gleichungen 6, 7 und 8 können wir für sämtliche Querschnitte zwischen A und B bilden, dann
lassen sich alle dγ, alle dwx und alle dwy algebraisch
zusammenzählen.
Setzen wir nun
\int\limits_A^B\,d\,\gamma=\gamma,\ \int\limits_A^B\,d\,w_x=w_x und \int\limits_A^B\,d\,w_y=w_y,
so entsteht aus diesen Gleichungen
J_0\,\gamma=\int\limits_A^B\,(M-M_0+X\,[y+b]+Y\,\cdot\,[a-x])\,\cdot\,d\,\sigma,
J_0\,w_x=\int\limits_A^B\,(M-M_0+X\,\cdot\,[y+b]+Y\,\cdot\,[a-x])\,(y+b)\,d\,\sigma
und
J_0\,\cdot\,w_x=\int\limits_A^B\,(M-M_0+X\,[y+b]+Y\,[a-x])\,(a-x)\,d\,\sigma.
Nimmt man jetzt Rücksicht auf die Gleichungen 1, 2 und 3, so ergibt sich, wenn man
noch
\int\limits_A^B\,d\,\sigma=\sigma . . . . . . . 8)
setzt,
J_0\,\cdot\,\gamma=(a\,\cdot\,Y+b\,\cdot\,X-M_0)\,\sigma+\int\limits_A^B\,M\,\cdot\,d\,\sigma . 9)
Hierin bedeutet σ das Gesamtgewicht aller dσ.
Ferner ergibt sich, wenn man
\int\limits_A^B\,\cdot\,y^2\,\cdot\,d\,\sigma=T_x . . . . . 10)
setzt,
J_0\,\cdot\,w_x=b\,\cdot\,\{\int\limits_A^B\,M\,\cdot\,d\,\sigma+(a\,\cdot\,Y+b\,\cdot\,X-M_0)\,\cdot\,\sigma\}
+\int\limits_A^B\,M\,y\,\cdot\,d\,\sigma\,\cdot\,X\,\cdot\,T_x
und mit Rücksicht auf die Gleichung 9
J_0\,\cdot\,\{w_x-b\,\cdot\,\gamma\}=\int\limits_A^B\,M\,\cdot\,y\,\cdot\,d\,\sigma+X\,\cdot\,T_x . 11)
Endlich entsteht
J_0\,\cdot\,w_y=a\,\cdot\,\{\int\limits_A^B\,M\,\cdot\,d\,\sigma+(a\,\cdot\,Y+b\,\cdot\,X-M_0)\,\cdot\,\sigma\}
-\int\limits_A^B\,M\,\cdot\,x\,\cdot\,d\,\sigma+Y\,\cdot\,T_y,
wobei
\int\limits_A^B\,x^2\,\cdot\,d\,\sigma=T_y . . . . . . 12)
vorher gesetzt worden ist.
Mit Rücksicht auf die Gleichung 9 erhält man endlich:
J_0\,\{w_y-a\,\cdot\,\gamma\}=-\int\limits_A^B\,M\,\cdot\,x\,\cdot\,d\,\sigma+Y\,\cdot\,T_y . 13)
Damit nun der Stabzug im Punkte A seine Richtung nicht
ändert, muss γ = 0 sein. Aus der Gleichung 9 ergibt
sich dann
(a\,Y+b\,X-M_0)\,\cdot\,\sigma+\int\limits_A^B\,M\,\cdot\,d\,\sigma=0 . . 14)
Damit er ferner im Punkte A fest ist, muss wx = 0 und wy = 0 sein.
Hieraus folgt aus den Gleichungen 11 und 13:
\int\limits_A^B\,M\,\cdot\,y\,\cdot\,d\,\sigma+Y\,\cdot\,T_x=0 . . . . 15)
und
-\int\limits_A^B\,M\,x\,\cdot\,d\,\sigma+Y\,\cdot\,T_y=0 . . . . 16)
In den letzten drei Gleichungen sind Strecken enthalten, es könnten also auch drei
Strecken, zwei Strecken und eine Kraft oder ein Kräftepaar u.s.w. unbekannt sein.
Wir haben das Koordinatenkreuz so gewählt, dass wenn wir X,
Y und M0 als
Unbekannte wählen, wir dafür die allereinfachsten Ausdrücke erhalten; nehmen wir
daher dieselben als Unbekannte, so folgt aus diesen drei letzten Gleichungen
sofort
M_0=a\,Y+b\,X+\frac{\int\limits_A^B\,M\,\cdot\,d\,\sigma}{E} . . . 17)
X=-\frac{\int\limits_A^B\,M\,y\,\cdot\,d\,\sigma}{T_x} . . . . 18)
Y=+\frac{\int\limits_A^B\,M\,x\,\cdot\,d\,\sigma}{T_y} . . . . . 19)
Bevor wir weiter fortfahren, soll ein einfaches Zahlenbeispiel durchgerechnet
werden.
Ein gerader Stab von überall gleichem Querschnitt soll in den Punkten A und B eingeklemmt und in
der Entfernung p von B mit
P normal dazu belastet sein. Wie gross sind X, Y und M0, wenn AB gleich l ist?
Auflösung. Die X0-Achse
des rechtwinkeligen Koordinatenkreuzes fällt mit AB
zusammen und die Y0-Achse geht durch die Mitte S von AB. Nennen wir dx das
Längenelement des Stabes, so ist dσ = dxWeil man ja J =
J0 nehmen darf. und
T_y=2\,\cdot\,\int\limits_0^{\frac{1}{2}}\,x^2\,d\,x=2\,\cdot\,\frac{1}{3}\,\left(\frac{l}{2}\right)^3=\frac{1}{12}\,l^3.
Ferner ist für einen Punkt C zwischen P und dem Punkte S\,:\,M=-P\,\left(x-\left[\frac{l}{2}-p\right]\right), wenn der Punkt von der Y-Achse die Enfernung x
hat. Wir erhalten jetzt:
\int\limits_{\frac{l}{2}-p}^{\frac{l}{2}}\,M\,\cdot\,x\,\cdot\,d\,x=-P\,\cdot\,\left(\frac{1}{3}\,\left[\frac{l^3}{8}-\left\{\frac{l}{2}-p\right\}^3\right]-\left(\frac{l}{2}-p\right)\right
\left\cdot\,\frac{1}{2}\,\left[\frac{l^2}{4}-\left\{\frac{l}{2}-p\right\}\right]\right)=-\frac{P\,p^2}{12}\,(3\,l-2\,p).
Demnach ist
Y=-\frac{\frac{1}{12}\,P\,p^2\,(3\,l-2\,p)}{\frac{1}{12}\,l^3},
d.h.
Y=-\frac{P\,p^2}{l^3}\,(3\,l-2\,p).
Weiter ist
\int\limits_{\frac{l}{2}-p}^{\frac{l}{2}}\,M\,\cdot\,d\,\sigma=\int\limits_{\frac{l}{2}-p}^{\frac{l}{2}}\,P\,\left(x-\left[\frac{l}{2}-p\right]\right)\,d\,x
=P\,\left(\frac{1}{2}\,\left[\frac{l^2}{4}-\left\{\frac{l}{2}-p\right\}^2\right]-\left(\frac{l}{2}-p\right)\,\left[\frac{l}{2}-\left\{\frac{l}{2}-p\right\}\right]\right)
=\frac{P\,\cdot\,p^2}{2}.
Da noch \sigma=2\,\cdot\,\frac{l}{2}=l ist, so ist
\frac{\int\limits_{\frac{l}{2}-p}^{\frac{l}{2}}\,M\,\cdot\,d\,\sigma}{\sigma}=\frac{P\,p^2}{2\,l}.
Dann sind Tx = 0
und
\int\limits_{\frac{l}{2}-p}^{\frac{l}{2}}\,M\,y\,\cdot\,d\,x=0,
so dass X unbestimmt gross
ist.
Da noch a=\frac{l}{2} und b = 0 ist, so ergibt sich:
M_0=-\frac{P\,p^2}{l^2}\,(3\,l-2\,p)\,\frac{l}{2}+\frac{P\,p^2}{2\,l} nach der Formel 17,
d.h.
M_0=\frac{P\,p^2}{l^2}\,\left(-\frac{3\,l}{2}+p-\frac{l}{2}\right)=-\frac{P\,p^2}{l\,2}\,(l-p).
Die Berechnung ist umständlich und wurde nur ausgeführt, um die Anwendung der Methode
zu zeigen. Sie ist weit einfacher, wenn man den Punkt A
zum Koordinatenanfangspunkt nimmt. Es ist also damit nicht gesagt, dass Wenn die
Ausdrücke für X, Y und M1 die einfachste Gestalt haben, die
Berechnung davon zugleich am einfachsten ist.
II.
Man stelle sich vor, dass im Punkte A der Stab SA mit dem Stabe gA in
fester Verbindung ist, so kann man den Punkt S als
Angriffspunkt der Kräfte X und Y nehmen. Hierdurch verändert sich das Kräftepaar vom Momente M0 und zwar entsteht
ein neues Kräftepaar, dessen Moment
M
1
= M
0
– X . b – Ya
ist.
Nach der Gleichung 17 ist
M_0-X\,\cdot\,b-Y\,a=\frac{\int\limits_A^B\,M\,\cdot\,d\,\sigma}{\sigma},
so dass sich ergibt
M_1=\frac{\int\limits_A^B\,M\,\cdot\,d\,\sigma}{\sigma} . . . . . . 20)
Dieses Kräftepaar wirkt im Punkt A; da jedoch der Stab
SA mit dem Stabe gA in
fester Verbindung ist, so kann man annehmen, dass das Kräftepaar auch im Punkte S Wirkt, weil man ja ein Kräftepaar in der Ebene eines
und desselben Körpers, in welcher es wirkt, beliebig verschieben
Wenn wir davon sprechen, dass ein Kräftepaar in einem Punkte wirkt, so ist es
folgendermassen zu vergehen. Mit dem Stabe k2k3 sei z.B. der Stab uv
im Punkte u (siehe Fig.
2) in fester Verbindung und der Teil uv sei
von einem Kräftepaar, dessen Moment Q . q ist,
beansprucht, dann wirkt das Kräftepaar im Punkte u des
Stabzuges. Wirkt z.B. in der Verlängerung vom Stabe k1g eine
Kraft V in der Entfernung v von g, so ist der Punkt g einerseits von einem Kräftepaare, dessen Moment V . v ist, und anderseits von einer gleichgerichteten
Kraft V beansprucht.
Die Werte von MI, X und Y aus der letzten
Gleichung bezw. die Formeln 18 und 19 sind nach einemanderen Verfahren von Müller-Breslau zuerst gefunden und auf der Seite 116
der Neueren Methoden der Festigkeitslehre und der Statik der
Baukonstruktionen (Jahrgang 1893) enthalten.
Textabbildung Bd. 316, S. 535
Fig. 2.
Nunmehr setze man X und Y
in S wirkend zur Mittelkraft Za zusammen und verschiebe diese
Kraft parallel mit sich um eine Strecke Z=\frac{M_{\mbox{I}}}{Z_a}. Hierauf bilde man den
Durchschnittspunkt O dieser verschobenen Kraft mit der
der Resultierenden R der gegebenen Belastung des
Stabzuges und bilde die Kraft Zb, welche sich mit R und Za im Gleichgewicht befindet. Diese Kraft geht auch durch O und wird folgendermassen gefunden. Man mache OU der Grösse und Richtung nach gleich R, lege durch U zur Kraft
Za die
parallele und gleichgerichtete UV, ziehe VO, so ist diese Strecke der Grösse, Lage und Richtung
nach die Kraft Zb. Für dieselbe kann man B zum Angriffspunkt
wählen, erhält dann aber zugleich ein Kräftepaar, welches vom Momente gleich Zb . mb ist, wenn
mb der
Abstand des Punktes B von der durch O gehenden Kraft Zb ist. Auf gleiche -Weise hat man eine Kraft
Za im
Punkte A wirkend, welche parallel und gleichgerichtet
zu der durch S gehenden Kraft Za ist. Nennt man ma den Abstand
des Punktes A von der durch O gehenden Kraft Za, so entsteht noch in A wirkend ein Kräftepaar, dessen Moment Za . ma ist. Lassen
sich die gegebenen Belastungen durch ein Kräftepaar ersetzen, so sind die beiden
Kräfte Za und
Zb parallel
gleich, aber entgegengesetzt gerichtet und ergeben dann ein Kräftepaar, dessen
Moment gleich dem Momente des resultierenden Kräftepaares aus der gegebenen
Belastung ist. Halten sich endlich alle Kräfte der gegebenen Belastung das
Gleichgewicht, so müssen sich Za und Zb auch das Gleichgewicht halten. Beide
Kräfte sind dann auch einander gleich und entgegengesetzt gerichtet, ausserdem
wirken sie aber noch in ein und derselben Kraftlinie.
Man kann nun folgendermassen immer erzielen, dass Za und Zb sich das Gleichgewicht halten und zwar wie
folgt:
Man bilde die Resultante der gegebenen Belastung und zerlege sie in zwei beliebige
Seitenkräfte, welche durch A und B hindurchgehen. Bekanntlich kann man dies auf
unendlich viele Arten ausführen. Jetzt bilde man die entgegengesetzten Seitenkräfte,
welche sich offenbar mit der gegebenen Belastung das Gleichgewicht halten. Für die
letzteren Kräfte und die gegebene Belastung bestimme man X,
Y und M0 und
erzielt daraus endlich die Kraft Za. Diese Kraft Za setze man nun mit der in A wirkenden Seitenkraft zu einer Mittelkraft und die
entgegengesetzte Kraft Za mit der in B
wirkenden Seitenkraft zu einer Mittelkraft zusammen. Es sind dann diese Mittelkräfte die Stützenwiderstände, welche, wenn sie
A und B zu
Angriffspunkten erhalten, nach dem Vorhergehenden Kräftepaare in diesen Punkten noch
erzeugen.
Obgleich man die Resultante der gegebenen Belastung ganz beliebig in die durch A und B gehenden
Seitenkräfte zerlegen kann, so wird man stets dieselben Stützenwiderstände, worauf es doch
ankommt, erhalten. Dieses hiermit beschriebenen Verfahrens möge man sich auch zur
Lösung von Aufgaben bedienen.
Professor Müller-Breslau benutzt dasselbe zur
Untersuchung der Endversteifung einer Balkenbrücke Seite 118 bis 125 in dem
erwähnten Werk.