Titel: Das Glas und die Silikate.
Fundstelle: Band 316, Jahrgang 1901, S. 747
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Das Glas und die SilikateNach La Nature.. Das Glas und die Silikate. Unter sämtlichen chemischen Produkten nimmt das Glas unstreitig eine der hervorragendsten Stellungen ein, denn abgesehen von seiner Verwendung zu hauswirtschaftlichen Zwecken, Luxus- und Beleuchtungsgegenständen u.s.w., ist seine Verwendung zu Linsen für optische Apparate von der hervorragendsten Bedeutung für die Wissenschaft. Da das Glas von chemischen Agentien nicht angegriffen wird, ermöglicht es die Isolierung labiler Körper, deren Konservierung und die Erforschung ihrer Eigenschaften, durch das Glas ist die Zersetzung des Lichtes in seine Bestandteile, die Herstellung der durchkreuzten Farben und die Spektralanalyse ermöglicht worden; kurz, die Physiker, Chemiker, Astronomen und Naturforscher verdanken demselben ihre Entdeckungen. Ungeachtet dessen scheint es, dass ein ausgiebiges Studium des Glases und der Silikate von den Gelehrten versäumt worden ist, wenigstens sind sehr wenig Abhandlungen über diesen Gegenstand bekannt und von diesen ist in keiner einzigen eine vollkommene Geschichte seiner Entdeckung enthalten. Sonderbar ist es auch, dass die Art der Herstellung des Glases mit der in den ältesten Zeiten fast dieselbe geblieben ist und dass dieselben Angaben hierüber sowohl in den neuesten Schriften, wie indenen vor hundert und mehr Jahren enthalten sind. Nur über die Silikate selbst finden wir wirkliche Entdeckungen und neue industrielle Verwendung derselben. Nach Plinius ist, wie bekannt, die Erfindung des Glases einem Zufall durch phönizische Kaufleute zuzuschreiben, was hier nicht wiederholt zu werden braucht, welche Angabe jedoch nicht auf Wahrheit beruhen kann, da bei diesem bekannten Vorfall, welcher zur Erfindung des Glases geführt haben soll, es nicht möglich war, eine Hitze von mindestens 1200° zu erzeugen, welche zur Verbindung von Sand und Natron erforderlich ist. Es muss daher ein anderer, mehr auf wissenschaftlicher Grundlage beruhender Vorfall angenommen werden. In der von Plinius angegebenen Zeit war schon lange die Fabrikation von Töpferwaren und das Ausscheiden von Metallen aus den hierzu verwendeten Mineralien bekannt, wozu Oefen benutzt wurden, welche bedeutende Hitzegrade aushalten konnten; hierbei kann es leicht vorgekommen sein, dass ein intelligenter Arbeiter die Entdeckung gemacht hat. Ungeachtet dessen kann Plinius, welcher die Entdeckung den Phöniziern zuschreibt, Recht behalten, da die letzteren dieselbe am besten infolge des Vorhandenseins in ihrem Lande von Sand, Natron und nötigem geeigneten Brennstoff hierzu in der Lage waren. Obwohl in dem Alten Testament von der Glasindustrie keine Rede ist, so ist wohl anzunehmen, dass die Aegypter Glassachen besassen, deren Entstehen weiter zurückreicht, als in die Zeit von Tyrus und Sidon. In den Glashütten von Tyrus und Alexandrien wurden nicht allein farblose Glaswaren hergestellt; die Erzeugnisse besassen schon eine grössere Vervollkommnung, indem das Glas mit Hilfe von Diamanten geschnitten wurde; man färbte das Glas durch metallische Oxyde, sie wurden vergoldet, kurz es wurden Glassachen wie in der jetzigen Zeit hergestellt. Wie auch die Entstehungsweise des Glases gewesen sein mag, so war dasselbe doch schon in dem grauesten Altertum bekannt. Auf dem Grabdenkmal von Beni Hassan, welches gegen 2000 Jahre vor Christus zurückreicht, sind Abbildungen von Glasarbeitern vorhanden. Die Aegypter führten ihre Glaswaren in Rom ein, wo dieselben binnen kurzem ein bedeutender Handelsartikel wurden. Wie gross die gebrauchte Glasmenge gewesen sein muss, ergibt sich hieraus, dass ein gewisser Scaurus zur Feier seiner Ernennung zum Edil ein Theater bauen liess, dessen einer Rang aus Glas bestand, desgleichen wurde das Fensterglas verwendet; in Herkulanum sind Fensterscheiben gefunden worden, deren Herstellungsweise sich wenig von der jetzigen unterscheidet. Die Gallier übernahmen diesen Industriezweig von ihren Besiegern; derselbe ging jedoch bald wieder verloren, da sogar im 6. und 7. Jahrhundert keine Spuren von Glashütten zu finden sind. Nach Frankreich kam die Kenntnis der Glasfabrikation durch die Kreuzzüge und wurde der Handel mit Glaswaren bald zu einem angesehenen Erwerbszweig, da sogar der Adel, welchem alle Handarbeiten untersagt waren, das Recht der Glasbläserei besass. Unter Philipp dem Schönen wurden die Glasfabrikanten geadelt, welcher Adel am Ende des 16. Jahrhunderts einer Untersuchung unterworfen und bestimmt wurde, dass die Beschäftigung mit Glasfabrikation zwar keine Beeinträchtigung des Adelsprädikats begründe, jedoch nicht das Recht zur Führung des letzteren erteile, welche Bestimmung Heinrich IV. durch ein besonderes Edikt bestätigte. Am hervorragendsten hatte sich die Glasfabrikation in der Republik Venedig ausgebildet, wo die Glaswaren den bedeutendsten Teil zu ihrem kommerziellen Reichtum bildeten, so dass den Glasfabrikanten, sowohl den Besitzern als Arbeitern, mit grossem Misstrauen begegnet wurde. Am Ende des 13. Jahrhunderts erliess der Hohe Rat ein Ausfuhrverbot für sämtliche zur Glasfabrikation notwendige Materialien, sogar für zerbrochenes Glas. Ein Erlass vom Jahre 1289 verordnete die Ansiedelung der Glasfabrikanten auf der kleinen Insel Murono, welche von Venedig nur durch einen kleinen Wasserstreifen getrennt ist, wodurch die Ueberwachung erleichtert wurde. Durch diese Massregeln wurden jedoch die Ueberläufer nicht abgeschreckt, denn im Jahre 1547 erliess der Hohe Rat einen Befehl an sämtliche ausgewanderte Glasarbeiter zur Rückkehr unter Androhung der Verhaftung ihrer Eltern und bei nicht sofortiger Rückkehr der Konfiskation ihres Vermögens; es wurden sogar geheime Boten zur Ermordung jeden Arbeiters ausgesandt, welcher sich im Ausland fest etablieren sollte, und da dies alles nicht ausreichte, wurden diese Strafbestimmungen 1762 noch verschärft. Von Venedig kam die Glasindustrie durch die Auswanderer nach Frankreich, Toskana, Deutschland und Böhmen. Holländische Arbeiter liessen sich in England nieder, wo binnen kurzem eine grosse Anzahl von Fabriken entstand. In Frankreich liess sich unter Heinrich II. der Italiener Thesco Mulio in Saint-Germain nieder, dessen Fabrik nicht von grosser Bedeutung war und bald einging. Heinrich IV. gründete neue Fabriken in Paris und Nevers, und Golbert unter Ludwig XIV. Fabriken von Spiegel- und besonders Fensterglas. Von verschiedenen Schriftstellern wird behauptet, dass die Fabrikation von Luxusglas zu jener Zeit in Frankreich unbekannt war und daher die Glasindustrie im 18. Jahrhundert in Verfall geriet. Indessen sind in den 1827 erschienenen Werken von Dumas zahlreiche Beschreibungen der Vorgänge bei der Glasfabrikation enthalten, obwohl er keine neue Methoden derselben erwähnt. Es ist auch nicht anzunehmen, dass die Glasindustrie in einer Zeit (18. Jahrhundert) in Verfall geraten sein sollte, in welcher sämtliche bemerkenswerteEigenschaften des Glases, sowie seine Streckbarkeit unter Einfluss von Hitze bekannt waren. Einen grossen Aufschwung erhielt besonders die Glasspinnerei, so dass man Fäden davon spann, welche an Feinheit der Seide gleichkamen und gewebt werden konnten und Kleider angefertigt wurden, worauf man kürzlich wieder zurückgekommen ist. Unter Ludwig XV. und Ludwig XVI. wurden sogar schwarze Perücken aus gesponnenem Glas angefertigt, welche mittels kleiner Eisen frisiert werden konnten und einen Gegenstand der grössten Eleganz bildeten. Seit langer Zeit war übrigens das doppelt kieselsaure Kali- und Bleisalz bekannt, aus welchem nach einer Analyse von Fougeroux de Boudoroix vom Jahre 1787 der Spiegel Virgil's bestanden hat. Woher der Name „Spiegel Virgil's“, welcher in der Abtei von Saint-Denis aufbewahrt wird, stammt, ist ungewiss, wahrscheinlich gehörte er nur demselben oder ist zu dessen Zeit angefertigt worden. Bestandteile des Glases, das Wasserglas und dessen Verwendung. Die Feststellung der Bestandteile des Glases und ihrer chemischen Formeln sind Berzelius zu verdanken, welcher die sauren Eigenschaften der Kieselerde untersuchte und für die alkalischen Silikate den kohlensauren Salzen entsprechende Formeln geschaffen hat. Sämtliche Glasarten bestehen aus doppelt kieselsauren Salzen mit einer. alkalischen Basis, dem Natron oder Pottasche und einer erdartigen oder metallischen Basis, wie Kalk, Schwerspat, Thonerde, Bleioxyd u.s.w. Ihre chemischen Eigenschaften ändern sich je nach den letzteren. Das Wasserglas wird aus einem Gemisch von Sand und kohlensaurem Natron hergestellt, welches einer hohen Temperatur ausgesetzt wird, wobei der Sand überwiegen muss, da andernfalls die Zersetzung nicht vollkommen ist und die Kohlensäure nicht frei wird. Dies kann noch durch einen Zusatz von Kohlenstaub unterstützt werden, jedoch in ausreichender Menge, um die Umwandelung sämtlichen Gases in Kohlenoxyd zu bewerkstelligen. Das Wasserglas wird von kaltem Wasser nicht oder doch wenig angegriffen, dagegen ist es in kochendem Wasser löslich. Das Wasserglas bildet eine klebrige, in konzentriertem Zustand trübe Flüssigkeit. Die Lösung zu gewerblichen Zwecken enthält im allgemeinen 28 bis 35° auf 100 Teile Wasserglas; an der Luft erhält man eine glasartige Masse, welche noch 10 bis 12° auf 100 Teile Wasser enthält. Mit Schwefelsäure oder Chlorwasserstoffsäure behandelt, ergibt es eine gallertartige Masse. Ungeachtet der schweren Löslichkeit der alkalischen Silikate in kaltem Wasser können dieselben dennoch nicht zur Anfertigung von Trinkgefässen oder anderen zur Aufbewahrung von Flüssigkeiten bestimmten Gefässen gebraucht werden. Im Jahre 1780 versuchte man in Bayel in der Champagne Trinkgefässe anzufertigen und verwendete hierzu eine Zusammensetzung von 100 Teilen Glaserde, 100 Teilen Pottasche und etwas Kalk. Die hiervon verfertigten Gläser waren unklar und von geringer Haltbarkeit; sie zerflossen leicht und bildeten eine starke alkalische Lösung. Die alkalischen Silikate und besonders das Wasserglas können als erste Substanz der Produkte der Glasfabrikation angesehen werden, welche, man jedoch nur durch Mischung des löslichen Glases aus einer erdartigen oder metallischen Basis erhalten kann. Hinsichtlich anderer Verwendungen des Wasserglases heben wir besonders seine Widerstandsfähigkeit gegen Feuer hervor. Seit dem schrecklichen Brand des Wohlthätigkeitsbazars und der Comédie française hat die Imprägnierung gegen Feuer eine hervorragende industrielle Bedeutung erhalten. Auf der Weltausstellung 1900 war die Benutzung nicht imprägnierten Holzes und Gemälde verboten. Sämtliche Theaterdekorationen müssen jetzt dem heftigsten Feuer widerstehen und sind die Vorschriften so streng, dass infolgedessen eine ganze Reihe von Mitteln zur Imprägnierung gegen Feuersgefahr erfunden worden sind. Man darf jedoch nicht annehmen, dass die Lösung dieser Aufgabe darin bestehen kann, das Harz oder auch das Petroleum durch andere Flüssigkeiten zu ersetzen oder dass es ausreicht, in die färbende Substanz Salze, wie z.B. salzsaures Ammoniak und gaserzeugende, feuerwidrige Stoffe einzuführen. Besonders das letztere Verfahren erscheint widersinnig und besteht hauptsächlich darin, die Feuersgefahr durch die Erstickungsgefahr zu ersetzen. Der Professor der Chemie, Troost, empfiehlt besonders den Gebrauch von Ueberzügen aus Hydroborsäure oder borsauren Salzen, hat jedoch erkannt, dass die Silikate eine vollkommene Feuersicherheit bieten. Das kieselsaure Salz leistet vorzügliche Dienste, ein Gemälde o. dgl. feuerfest zu machen, wozu es durch seinen geringen Preis und leichte Anwendung besonders geeignet ist. Diese Methode hat den Anspruch, die älteste zu sein, da sie vorteilhaft in einigen Theatern, besonders in München, im Anfang des verflossenen Jahrhunderts angewendet wurde. Zum Ueberziehen von Holz und Stoffen, welche leicht faul werden, ist es erforderlich, eine Lösung von Wasserglas zu verwenden, welche wenig kohlensaures Salz enthält und muss ein vier- bis fünfmaliges Anstreichen erfolgen. Obwohl das lösliche Glas selbst ein vorzügliches Präservativmittel gegen Feuer ist, so wird diese Eigenschaft noch durch einen Zusatz mit einem anderen unverbrennbaren und fein gemahlenen Stoff erhöht. Hierzu dient besonders Eisen und Bleischlag, Feldspat, Flussspat u.a. Zur Imprägnierung des Holzes im Theater in München hatte man eine Mischung von 1/10 gelber Thonerde und 9/10 Silikat benutzt. Bei Imprägnierung von Stoffen müssen dieselben nach dem Eintauchen einem starken Druck ausgesetzt werden. Da das Wasserglas jedoch auf manche Farbstoffe, wie z.B. auf Preussisch Blau, Kobaltblau, Lacke und Karmin, ungünstig einwirkt, so ist die Benutzung desselben in der Malerei eine sehr schwierige. Dieser Uebelstand dürfte sich durch gefärbte Silikate vermeiden lassen. Das Bleisilikat besitzt eine rein weisse Farbe und wird leicht durch Mischung einer Wasserglaslösung und einer Lösung von salpetersaurem oder essigsaurem Blei gewonnen, wobei die auf dem Salz schwimmende Flüssigkeit abgegossen wird. Ueberwiegt das Wasserglas, so erhält man staubförmiges Krystallglas, welches den Gemälden ein porzellanartiges Aussehen verleiht. Bei einer Beimischung von etwas Bleiglätte erhält man ein vorzügliches Trockenmittel für Oelgemälde und ein wertvolles Mittel zur Bildung harziger Mischungen. Ausserdem kann das lösliche Glas bei einer Zusammensetzung mit Asbest zur Herstellung eines sehr harten und unschmelzbaren Stoffes verwendet werden, welcher vorteilhaft zum Kitten von Glas und Porzellan gebraucht wird. Derselbe trocknet sofort und dient zum hermetischen Verschluss von Gefässen für verfliegbare Flüssigkeiten u. dgl. Die Glasfabrikation. Allgemeine Eigenschaften. Glasbearbeitung. Es ist nicht möglich, im Rahmen dieser Abhandlung sich lange bei der Fabrikation des Glases aufzuhalten, da die eingehende Beschreibung der Glasöfen und der Vorrichtungen und Geräte zur Herstellung jedes einzelnen der verschiedenen Gegenstände zu weit führen würde. Die verschiedenen Glasarten besitzen verschiedene Grade der Schmelzbarkeit, welche von den besonderen chemischen Bestandteilen abhängen. Je nach der Art des Glases, welches man herstellen will, gebraucht man Tiegel aus feuerfester Thon- oder Ziegelerde, aus Cement mit kohlensaurem Natron, aus Kieselerde mit einer entsprechenden Basis, welche Bestandteile vollkommen und in entsprechenden Verhältnissen gemischt werden müssen, da man anderenfalls eine Mischung von physikalischen Eigenschaften, aber keine chemische Verbindung erhalten würde. Die einzelnen Bestandteile müssen vollkommen rein sein und man verwendet daher fein gesiebten Sand oder Quarz. Nach Füllung der Tiegel, welche verschieden geformt und von verschiedener Grösse sein können, werden dieselben einer Temperatur von ungefähr 1100° in den Oefen zum Schmelzen ausgesetzt, wobei von Zeit zu Zeit eine Probe entnommen wird, um den Grad der Klarheit festzustellen. Das Glas wird mehrere Stunden hindurch ingeschmolzenem Zustand erhalten, um sämtliche Unreinigkeiten und Gase, welche ein blasiges Produkt liefern würden, zu entfernen. Die Dauer des Schmelzens beträgt 10 bis 12 Stunden, und sobald dasselbe beendet ist, wird die Masse während 5 bis 7 Stunden innig gemischt, worauf man sie auf 750° erkalten lässt, in welchem Zustand das Glas teigartig ist und sich leicht bearbeiten lässt. Jede Glasart kann unter Einwirkung von Temperaturen, gewöhnlich unter 1200°, flüssig gemacht werden. Das Krystallglas ist das am leichtesten schmelzbare, während das weisse Glas durch seinen Kalkgehalt schwerer schmelzbar ist; die Anwesenheit von Thonerde, Eisenoxyd oder Manganerz erhöht die zum Schmelzen erforderliche Temperatur. Die Entglasung. Der Vorgang der Entglasung besteht in der Aenderung der Beschaffenheit, welche das auf eine hohe Temperatur gebrachte und nachher einer langsamen Abkühlung unterworfene Glas durchmacht. Das doppelte Silikat wird ausgeschieden, die Kieselsäure verbindet sich mit zwei Basen und das Glas wird zu einem Gemisch von zwei Silikaten. Es nimmt dabei eine bedeutende Härte an, wird faserig, undurchsichtig, weniger schmelzbar und ein besserer Wärme- und Elektrizitätsleiter. Dieser Vorgang lässt sich um so leichter hervorrufen, als die Beschaffenheit des Glases sich weiter von derjenigen eines alkalischen Silikates und einer molekularen Verbindung entfernt. Ungeachtet dessen tritt dieser Vorgang bei Krystallglas schwer ein, während die Entglasung von Flaschenglas leichter ist, wenn die Flaschen mehrmals erhitzt und nach und nach abgekühlt werden. Es ist leicht ersichtlich, dass der Vorgang des Entglasens bei der Glasfabrikation Schwierigkeiten bereitet, da die Masse nicht mehreremal erhitzt werden kann, um dieselbe leichter zu blasen und die Dicke der Wandungen zu vermindern. Angenommen, man hätte mit einer geringen Masse von Glas mit reichem Kalk- oder Thonerdeinhalt zu thun, welche mehreremal geschmolzen worden ist, so würde es unmöglich sein, eine Kugel zu blasen, da das Glas hart geworden ist und die grösste Anstrengung der Lungen hierzu nicht ausreichen würde. Die Vorsichtsmassregeln, welche bei der Zusammenstellung der Glasarten für optische Instrumente (Prismen, dicken Linsen u.s.w.) zu beobachten sind, sind noch viel bedeutender; je mehr Masse hierzu erforderlich ist, desto langsamer ist das Erkalten derselben. Glas mit einer Baryt- oder Thonerdebase entglast leicht. Desgleichen darf es zur Herstellung von Objektiven und Flint-(Kiesel-)glas oder Kronglas (doppeltes Silikat von Pottasche und Kalk) verwendet werden. Es wurde gesagt, dass die Entglasung besonders in der Zersetzung des doppelten Silikats besteht. Man kann sich hiervon überzeugen, wenn man ein Stück entglastes Glas zerbricht, wobei man eine Menge von kleinen Krystallen erblickt, welche der Masse ein porzellanartiges Aussehen verleihen. Die Fabrikation von glasartigem Porzellan. Das entglaste Glas kann leicht das Porzellan, besonders das Porzellan von Bayeux ersetzen, aus welchem Gegenstände für den Gebrauch in Laboratorien angefertigt werden. Die Gegenstände aus glasartigem Porzellan sind nicht mehr porös als diejenigen aus Porzellan von Bayeux und widerstehen hohen Temperaturen. Nach der Ansicht von Dumas müsste die Industrie von glasartigem Porzellan bald einen bedeutenden Aufschwung nehmen, da das Formen von aus diesem Material hergestellten Gegenständen viel einfacher ist als derjenigen aus Porzellan hergestellten. Auch ist das schillernde Aussehen von entglastem Glas ein bedeutend schöneres. Hierzu kommt, dass die Zerbrechlichkeit derartiger Gegenstände eine bedeutend geringere ist, als von Gegenständen aus gewöhnlichem Glas. Stammt nun dieser Industriezweig aus unserer Zeit, in welcher die Thonbildnerei und die Fabrikation von Luxusgegenständen aus Glas so bedeutende Fortschritte gemacht hat? Es wäre interessant, zu erfahren, ob man durch die Entglasung nicht ähnliche Krystallisationseffekte erzielen könnte, wie man sie bei dem schönen Kopenhagener Porzellan wahrnimmt. Vor ungefähr 100 Jahren stellte ein erfinderischer Industrieller, d'Arcet, aus entglastem Flaschenglas Fussbodenplatten für Wohnungen und verschiedene andere zur Mosaik verwendbare Gegenstände her. Das auf eine verhältnismässig geringe Temperatur von 250 bis 350° erhitzte und darauf sehr langsam abgekühlte Glas entglast im allgemeinen nicht, wenn es auch ansehnliche Mengen von Thonerde oder alkalischerdige Basen enthält, sondern nimmt die Eigenschaft an, selbst plötzlichen Temperaturschwankungen zu widerstehen. Auf Grund dieser Eigenschaft beruht die Fabrikation der bedeutenden chemischen Instrumente, wie das Böhmische Glas u.s.w. Das hierzu angewandte Verfahren zur Herstellung von Behältern, welche nur Temperaturen von 100 bis 110° auszuhalten haben, besteht in folgendem: Die vollkommen voneinander getrennten Gläser werden in einen grossen Behälter gestellt, die Gläser und der Behälter mit Wasser gefüllt und letzteres zum Sieden gebracht, worauf die Abkühlung in Trockenkästen mit höherer Temperatur vor sich geht. Sollen die Gefässe plötzlichem Temperaturwechsel in erweiterten Grenzen ausgesetzt werden, so wird das Wasserbad durch ein Oelbad oder eine schmelzbare Mischung ersetzt. Infolgedessen konnten vollkommen unzerbrechliche Glasgegenstände angefertigt werden; man kann dieselben bis zum Weichwerden erhitzen und nachher in kaltes Wasser tauchen, was sie, ohne zu springen, aushalten. Glasthränen. Wir kommen nun zu den Eigenschaften, welche eine plötzlich abgekühlte geschmolzene Glasmasse annimmt. Lässt man von einer geschmolzenen Glasmasse einige Tropfen in kaltes Wasser fallen, so tritt deren Erstarrung sofort ein und man erhält kleine feste Körper in Form von Thränen, welche in kleinen Glasfäden endigen. Wirft man eine solche Thräne selbst mit bedeutender Kraft hin, so wird dieselbe sehr schwer zerbrechen, da ihre äussere Hülle mehr oder weniger entglast und daher sehr fest ist. Bricht man dagegen die Spitze des Fadens ab, so entsteht eine kleine Explosion, wobei die Teilchen der Thräne nach allen Richtungen zerstreut werden. Es kommt dies daher, dass die äussere Hülle plötzlich erstarrt ist, während die inneren Teile noch eine hohe Temperatur besassen und sich daher in ausgedehntem Zustand befanden. Durch das plötzliche Abkühlen der äusseren Hülle haben daher die inneren Moleküle das Bestreben, einen bedeutend grösseren Raum einzunehmen, als dies ihrem Atomgewicht entspricht, wodurch eine bedeutende Spannung eintritt. Wird nun die Spitze abgebrochen, so zerstört man den Zusammenhang der Hülle und sämtliche Moleküle wechseln plötzlich den Gleichgewichtszustand. Durch das Zusammenziehen entsteht eine grosse Anzahl von Bruchstellen und jedes abgebrochene Stück wird mit einer bedeutenden Kraft weggeschleudert. Auf demselben Vorgang beruht die sonderbare Erscheinung bei der sogen. Bologneser Flasche, einem Probeglas, dessen Wandungen sehr stark und durch plötzliche Abkühlung erstarrt sind. Obwohl eine solche Flasche, wie bekannt, den heftigsten Stössen widersteht, zerbrichtsie sofort in tausend Stücke, sobald man in dieselbe ein Stück Glas wirft. Die Härte des Glases. Wirkung des Diamanten. Obwohl man sich grösstenteils zum Linieren und Schneiden des Glases des Diamanten bedient, so ist es in den meisten Fällen leicht, andere billigere Mittel hierzu zu verwenden. Benutzt man einen vom Steinschneider geschnittenen Diamanten, so kann man mittels des letzteren im allgemeinen nur die Oberfläche des Glases ritzen, da diese durch das Polieren eben geworden ist und sich daher in geradlinigen Richtungen teilen lässt. Dagegen benutzen die Glasarbeiter nur natürliche Steine. Man kann sich leicht davon überzeugen, dass die Oberflächen des Diamanten gekrümmt sind, die Kanten sind daher krummlinig. Setzt man nun den Diamanten so an, dass diese Krümmung tangential zur Oberfläche ist und jede Seite die gleiche Neigung hat, so erhält man eine Spalte durch Druck. Es genügt dann eine geringe Kraftäusserung auf die Seiten der Spalte, um diese in gerader Linie zu verlängern und den Bruch zu beenden. Die Richtigkeit dieser durch Wollaston aufgestellten Theorie lässt sich leicht feststellen. Nimmt man nun natürliche Krystalle von erforderlicher Härte und geradlinigen Kanten und ändert eine solche Spalte in eine krummlinige, so kann man mittels eines solchen Krystalles das Glas wie mit einem Diamanten schneiden. Wollaston erzielte vorzügliche Resultate mit einem Rubin, Saphir und sogar mit einem gewöhnlichen Bergkrystall. Durch den Sauerstoff der Luft wird zwar das Glas nicht angegriffen, doch kann durch Wasserdampf ein der Entgasung entsprechender Vorgang bewerkstelligt werden. Glas mit einer Base von Natriumsilikat und reichen Bestandteilen von Kalk wird durch Wasser leichter angegriffen. Es bildet sich eine Lösung von alkalischem Silikat und ein Niederschlag von farblosem Silikat, wobei das Wasser basisch bleibt. Nimmt man ein Stück Fensterscheiben- oder auch Spiegelglas und legt es in ein Platingefäss mit Wasser, so wird die Flüssigkeit binnen 2 oder 3 Tagen Lackmuspapier blau färben. Infolge dieser Zersetzung werden Fenster- und Spiegelscheiben mit der Zeit trübe und verlieren an Dicke. Dieser Vorgang tritt besonders bei den Scheiben in Pferdeställen auf, welche oft die sämtlichen Farben des Regenbogens annehmen. Es ist jedoch auch anzunehmen, dass hierzu der sich an Orten, wo Dünger vorhanden ist, entwickelnde Ammoniak beiträgt. Es muss an dieser Stelle noch auf das sonderbare Aussehen alter Glasgegenstände aufmerksam gemacht werden, welche man in Ruinen oder alten Gräbern gefunden hat und welche oft die Durchsichtigkeit in einer Weise verloren haben, dass sie wie verzinnt aussehen. Natron und Pottasche, sowie alkalische Salze greifen in einer konzentrierten und kochenden Lösung das Glas an und erzeugen lösliche Silikate. Besteht das Glas aus einem bestimmten Silikat, so wird es auch durch stark konzentrierte Säuren angegriffen, bei mangelhafter Mischung dagegen kann es in Schwefel- oder Salpetersäure gelöst werden. Die an Thonerde reichen Glasarten sind am leichtesten löslich. Bei der Gewinnung und Polierung des Glases wird von dem Einfluss der Fluorwasserstoffsäure und der Kieselwasserstoffsäure die Rede sein. (Fortsetzung folgt.)