Titel: Naphtha als Brennmaterial für Dampfkesselheizung.
Autor: Hoh. Winkel
Fundstelle: Band 316, Jahrgang 1901, S. 783
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Naphtha als Brennmaterial für Dampfkesselheizung. Von Hoh. Winkel, Ingenieur. Naphtha als Brennmaterial für Dampfkesselheizung. In der folgenden Besprechung sollen einige beschreibende Aufschlüsse über die Naphtha als Brennmaterial, besonders für Dampfkesselheizungen, über seine Anwendung, sein Vorkommen und seine Zukunft gegeben werden. In umgekehrter Reihenfolge beginne ich mit der Beschreibung einiger Kesselheizungen, für welche die Verwendung von Naphtha grosse Vorteile in sich bergen dürfte. Zu den schwierigsten, dabei aber auch wichtigsten Dampfkesselfeuerungen, welche in Betrieb gehalten werden, sind diejenigen auf Lokomotiven und Seedampfern zu rechnen. Ist das Heizen von Dampfkesseln schon für sich keine leichte Arbeit, so wird sie in diesen Fällen noch erschwert dadurch, dass die Arbeitsplätze sich in Bewegung befinden und räumlich äusserst beschränkt sind. Trotz dieser ungünstigen Bedingungen werden an die zu leistende Arbeit ständig wachsende Anforderungen gestellt. Denken wir uns um 20 bis 30 Jahre zurück, so hatten wir für Lokomotiven eine Geschwindigkeit von 40 bis 50 km pro Stunde und besassen dieselben für Personenzüge ein Gewicht von 35 bis 45 t. Heute wird eine Geschwindigkeit von 60 bis 80 km verlangt, und müssen die Maschinen, um die durch die grossen Pullmann-Wagen erschwerten Züge bewältigen zu können, ein Gewicht von 80 bis 100 t haben. Für Dampfschiffe der Kriegs- und Handelsmarine waren zu jener Zeit Geschwindigkeiten von 12 bis 14 Knoten pro Stunde und Schiffe mit 6000 t Wasserverdrängung ganz respektable Leistungen, und als damals Schichau in Elbing die ersten Torpedoboote mit 16 bis 18 Knoten Geschwindigkeit baute, glaubte man in Fachkreisen, damit das Möglichste erreicht zu haben. Heute verlangt man selbst für grosse Schiffe Geschwindigkeiten von 18 bis 24 Knoten und Deplacements von 10000 bis 20000 t; – für Torpedoboote und deren Divisionsschiffe sind sogar schon Geschwindigkeiten von 33 Knoten erzielt worden, und das mit der Hoffnung, noch mehr erreichen zu können. In dem genannten Zeitraume sind also, wie wir sehen, die Leistungen in Bezug auf Geschwindigkeit und Gewicht für Lokomotiven und Schiffe geradezu verdoppelt worden, und niemand wird behaupten wollen, dass nunmehr das ersehnte Ziel erreicht sei; im Gegenteil, Wettbewerb und Erfordernis drängen zu stets vermehrten Leistungen. Wir wissen nun aber auch, dass diese grösseren Leistungen abhängig sind von der zu entwickelnden Dampf kraft und Dampfmenge, welche ihrerseits wieder in direktem Verhältnis zu der Menge des aufzuwendenden Brennmaterials, d. i. hier der Steinkohle stehen. Es wäre ja keine zu grosse Schwierigkeit, Maschinen und Kesselanlagen für jede, noch so grosse Leistung zu bauen, aber sowohl für Lokomotiven als auch für die Maschineneinrichtung auf Schiffen hat der Konstrukteur in Bezug auf Raumbeanspruchung nicht ganz freie Hand. Für erstere ist bekanntlich das Normalprofil, d. i. eine über die Schienen gedachte Thoröffnung von ganz bestimmten Abmessungen, diejenige Grösse, welche von keinem, auch noch so kleinen Teil der Lokomotive überragt werden darf, in welchen Rahmen die Maschine also hineinkonstruiert werden muss, während nur für die Länge eine gewisse Freiheit erlaubt ist. In Schiffen, welche schonso wie so einen beschränkten Raum darstellen, kann für die Maschinenanlage nebst Kesseln und Brennmaterialräumen auch nur ein gewisser Teil abgegeben werden, insofern ein Schiff noch seinen weiteren Bestimmungen, sei es zur Personen- oder Frachtbeförderung, sei es als Kriegsschiff, dienen soll. In beiden Fällen werden die Konstrukteure allen Scharfsinn aufzubieten haben, um in einen gegebenen Raum eine der geforderten Kraftleistung entsprechende Maschine hineinzubauen. An den heutigen Lokomotiven sehen wir schon äusserlich, wie sich der Konstrukteur manchmal hat helfen müssen, wie hier z.B. der Schornstein zu einem, den Zweck kaum verratenden Stutzen zusammengeschrumpft ist, da der Kessel den verfügbaren Raum einnimmt; aber noch eins sehen wir, dass für den Raum, in dem der Mensch zu arbeiten hat, dass für den Führer- und Heizerstand der Konstrukteur keinen Platz mehr übrig hatte, er ist derselbe geblieben wie früher so jetzt, und doch muss, wie nachgewiesen wurde, jetzt auf demselben Platze die doppelte Arbeit gegen früher geleistet werden. Das Gleiche gilt in noch verstärktem Masse von den Heizräumen in den Schiffen: die Ausnützung des verfügbaren Raumes zur Unterbringung von Maschinen, Kesseln und Kohlenbunkern ist bis auf das Möglichste getrieben, auf kleinstem Raum wird die gesamte Dampfanlage zusammengedrängt, welche diese schwimmenden Paläste, diese Warenspeicher, diese schwimmenden Festungen mit Geschwindigkeiten von bald 40 km pro Stunde durch die Meere treiben. Aber auch hier kann der Konstrukteur einen, der zu leistenden Heizerarbeit mit ihrer unvermeidlichen Hitze, entsprechenden Arbeitsraum nicht erübrigen; mit der Vermehrung der geforderten Arbeit hat die eigentlich notwendige Vergrösserung der Heizräume nicht Schritt gehalten. Wenn auch heute noch der Betrieb aufrecht erhalten werden kann, so geschieht es mit den grössten Anstrengungen; bei einer weiteren Vermehrung der Kraft, zur Erlangung noch grösserer Geschwindigkeit, wird aber sehr bald die Grenze der Möglichkeit erreicht sein. Für die Schiffe der Handelsmarine, welche die heissen Zonen befahren, ist es hinlänglich bekannt, dass sie zur Kesselheizung europäische Arbeiter nicht mehr brauchen können, vielmehr solche von südlichen Rassen benutzen müssen, welche den Einflüssen grosser Hitze besser widerstehen können. Ferner brachten die Zeitungen die Mitteilung, dass bei den diesjährigen Seemanövern der französischen Flotte ein ganz neues Kriegsschiff zum Umbau zurückgezogen werden musste, weil beim Heizen von nur 24 der vorhandenen 36 Kessel die Temperatur in den Heizräumen schon auf 62 ° C. stieg, ein Arbeiten also fürder unmöglich war. In diesem Falle war also die Grenze der Möglichkeit überschritten. Durch Kunst wird ja auch hier Rat geschaffen werden, aber der Dampfbetrieb und die Seele desselben, die Heizung, wird eine gekünstelte sein und bleiben, und wird wenig mit der Betriebseinfachheit und Sicherheit, welche für ein Kriegsschiff erforderlich ist, im Einklang stehen. Um ein Bild der auf einem Schiffe zu leistenden Heizerarbeit zu erhalten, nehme ich z.B. die Angaben über den Dampfer „Kronprinz Wilhelm“ des Norddeutschen Lloyd. Das Schiff führt für seine Maschinen, von zusammen 35000 PS, 16 grosse Kessel, davon 12 Doppel- und 4 einfache Kessel an Bord. Die Bunker fassen 4450 t und der tägliche Verbrauch beträgt 500 t Steinkohlen. Die Mannschaft zählt über 500 Mann. Diesen Zahlen zufolge ist der tägliche Brennmaterialverbrauch also ein Eisenbahnzug von 50 Waggon Kohlen, und stündlich müssen über 2 Waggonladungen aus den Bunkern vor den Kessel geschafft und von hier aus schaufelweise auf die Roste aufgeworfen werden. Bedenkt man, dass dabei die Bewegungen des Schiffes und die strahlende Hitze der Kessel und der Feuerungen mit ausgehalten werden müssen, so kann man sich vorstellen, welche gewaltige Arbeit dabei geleistet werden muss, und erklärt sich dadurch auch der grosse Mannschaftsbedarf. Auf den Eisenbahnen wie bei der Schiffahrt werden die heute erreichten Geschwindigkeiten noch ohne Anstand gefahren. Diese Geschwindigkeiten dürften aber noch nicht das letzte Wort sein. Für die Eisenbahnen liegen ja bereits die endgültigen Projekte für bedeutende Geschwindigkeitsvermehrungen vor, welche mit Zuhilfenahme der Elektrizität auch erreicht werden können. Für die Schifffahrt mit ihrer freien Bewegung, gegenüber der zwangläufigen der Eisenbahnen, ist der Ausweg zu einer derartig radikalen Umwälzung noch nicht geboten; wird hier ebenfalls eine erhebliche Geschwindigkeits- und damit Kraftvermehrung gefordert, so muss, falls mit dem jetzigen Steinkohlenbetrieb die Grenze der Möglichkeit erreicht wird, ein besseres Brennmaterial, welches höhere Effekte erzielt, gesucht werden. – Ein solches ist vorhanden, es ist die Naphtha! Naphtha oder Petroleum, auch Erdöl, Steinöl und Bergöl genannt, ist bekanntlich ein Naturprodukt, welches sowohl in gasförmigem wie in tropfbar-flüssigem Zustande im Erdinneren vorkommt und im Grossbetriebe durch Tiefbohrungen gewonnen wird. Es ist in seiner chemischen Zusammensetzung eine Verbindung von Kohlenstoff mit Wasserstoff, also ein Kohlenwasserstoff von, je nach dem Fundort und dessen geologischem Alter, verschiedener Zusammensetzung. Die Rohnaphtha, wie sie aus dem Erdinneren gewonnen wird, stellt dabei ein Gemenge von verschiedenen, schwerer und leichter flüchtigen Oelen dar, im Gesamtprodukt jedoch ein dickflüssiges Oel von schwarzgrüner Farbe, mit einem spezifischen Gewicht von etwa 0,81 bis 0,88 und einem Entflammungspunkt von etwa 24 bis 35° C. Rohnaphtha ist daher seiner Konsistenz halber nicht direkt als Lampenöl und seiner leichten Entflammbarkeit wegen auch nicht direkt als Brennmaterial, ausgenommen etwa an dem Gewinnungsplatze selbst, zu verwenden. Sie muss zum Zwecke ihrer Verwendung bearbeitet werden. Durch Destillation wird das Rohprodukt in verschiedene Oele von entsprechend einheitlichem spezifischen Gewicht und Entflammbarkeit getrennt, um dann durch weitere Behandlung zu, verschiedenen Zwecken dienender, marktfähiger Ware verarbeitet zu werden. So werden z.B. die amerikanischen Rohöle (Pennsylvanien) verarbeitet in:   8 bis 10 % Gasolin Spez. Gew. 0,645 S.-P.   18° C.S.-P. Siedepunkt, Fl.-P. Entflammungspunkt. und Benzin 0,73   70° 70 80 „ Lampenpetroleum 0,796 Fl.-P.   22°             „ 0,788   38°             „ 0,825 121°   5   9 „ Rückstände, welche zur Oelgasbereitung ver-wandt oder auf Schmieröle und Paraffin ver-arbeitet werden. Die kaukasischen Rohöle werden verarbeitet in:   2 bis 10 % Benzin Spez. Gew. 0,75 S.-P. 60 bis   80° C. 25 35 „ Lampenpetroleum oder Kerosin 0,825 Fl.-P.   29° „   4 „ Solaröl 0,875 105° „ zur Oelgasbereitung und 50 70 „ Rückstände: Spez. Gew. 0,9 b. 0,915, Fl.-P. 80 b. 170° C.welche teilweise zu Schmierölen verarbeitet, derHauptsache nach aber als Brennmaterial verwandtwerden. Diese Zusammenstellung, in welche nur die hauptsächlichsten Destillate aus Rohnaphtha aufgenommen sind, zeigt einerseits die Verschiedenartigkeit der zu gewinnenden Produkte, andererseits zeigt sie den vorher erwähnten Unterschied zwischen Naphtha von älterem und jüngerem geologischen Alter, insofern die pennsylvanischen Oele solche von altem Vorkommen aus der devonschen Formation, diejenigen des Kaukasus aber der jüngeren tertiären Periode zuzuzählen sind. Erstere gibt bis 90 % leichtere Oele und geringe, dabei paraffinhaltige Rückstände; letztere dagegen nur 30 bis 50 % leichtere Oele und 50 bis 70 % Rückstände, welche nur Wert als Brennmaterial haben. Die geologisch älteren Oele sind daher die wertvolleren, solange es Zweck der Petroleumindustrie ist, Lampenöle zu produzieren, welches Verhältnis sich aber zu Gunsten der jüngeren Oele ändert, sobald Naphtha als Brennmaterial die ihm gebührende Beachtung und Verwendung findet. Hier möchte ich eine Bemerkung bezüglich der bisher vorgekommenen und noch vorkommenden Benennungen über das zu besprechende Naturprodukt einschalten. Petroleum ist schon seit alten Zeiten bekannt; eine Petroleumindustrie besteht aber erst seit etwa 40 Jahren, d. i. seitdem es in Amerika gelungen ist, aus dem Naturprodukt durch Destillation ein brauchbares, in Lampen zu brennendes Leuchtöl im grossen herzustellen. Da diese Industrie also noch verhältnismässig jung ist und sich der Hauptsache nach nur in Amerika und Russland konzentrierte, so haben sich, verstärkt durch die Sprachverschiedenheit in den beiden Zentren, noch keine feststehenden Benennungen für deren Produkte eingebürgert. In Deutschland wird mit „Petroleum“ das zum Brennen in Lampen taugliche Mineralöl bezeichnet; in Amerika wird unter „petroleum“ und „crude petroleum“ das Rohöl verstanden, wogegen das erstere unter den Namen „ordinary lamp oil“, „water-white-oil“, „high-test-oil“ u.s.w. geht. In Russland wird das Rohöl mit „Naphtha“, das daraus destillierte Lampenöl mit „Kerosin“ und die Rückstände mit „Masut“ oder „Ostatki“ bezeichnet. Mit diesen Benennungen „Naphtha, Kerosin und Masut“ wären nun eigentlich drei sehr scharf ausgeprägte und nicht zu verwechselnde Bezeichnungen gegeben, von denen die beiden ersteren auch schon Eingang, selbst unter den englischen Benennungen gefunden haben, wogegen die Benennung „Masut“ sogar in Russland nicht Wurzel fassen konnte, so dass z.B. die Heizung mit Masut allgemein Naphthaheizung genannt wird. – Der leichteren Verständlichkeit halber behielt ich deshalb diese Bezeichnung auch bei, bezeichne dann aber auch das dabei zur Verwendung kommende Brennmaterial, der Kürze und Einfachheit halber, mit „Naphtha“, statt jedesmal „Naphtharückstände“ zu sagen, und unterscheide davon das Rohprodukt mit „Rohnaphtha“. Naphtharückstände und Rohnaphtha unterscheiden sich übrigens im äusseren Aussehen sehr wenig voneinander, sie sind beide dickflüssig und von dunkler Farbe, so dass sie nur durch Feststellung des spezifischen Gewichtes und des Entflammungspunktes bestimmt werden können, die ungenaue Bezeichnung dürfte deshalb keine besondere Verwirrung hervorrufen. Die Naphtha, welche zur Heizung von Dampfkesseln benutzt wird, hat, wie vordem erwähnt, ein spezifisches Gewicht von 0,900 bis 0,915, einen Flammpunkt von 80 bis 170° C, einen Heizwert von 10000 bis 11000 W.-E. und eine Verdampfungsfähigkeit von 12- bis 13fach. Durch diese Zahlen ist der Wert der Naphtha schon festgestellt. Steinkohlen haben einen mittleren Heizwert von 6000 W.-E. und eine 6fache Verdampfungsfähigkeit. Naphtha hat also, wenn wir die Verdampfungsfähigkeit in Betracht ziehen, welche für die Praxis ohnedem der ausschlaggebende Faktor ist, den doppelten Heizwert gegen Steinkohle. – Das heisst also, für Erzeugung einer gewissen Dampfmenge ist an Gewicht nur halb so viel Naphtha notwendig als Steinkohle. Auf Dampfschiffe angewandt, ergibt sich, dass für eine bestimmte Fahrt, dem Gewicht nach, nur halb so viel an Naphtha als an Steinkohle mitzunehmen ist, oder falls die gleiche Gewichtsmenge wie jetzt an Bord genommen wird, kann das Schiff den doppelten Weg zurücklegen. Ausser diesem wichtigen Ergebnis ist nun weiter zu beachten, dass Naphtha eine Flüssigkeit ist; sie kann deshalb wie jede Flüssigkeit mittels Pumpen in Röhren fortbewegt werden, gestattet also einen, jedweder Oertlichkeit sich ohne Schwierigkeit anpassenden Transport. Die Heizung selbst basiert nun darauf, die Naphtha in feinst verteiltem Zustande zur Verbrennung zu bringen. Sie wird zu diesem Zwecke mittels geeigneter Apparate in den Brennraum hinein zerstäubt, entzündet sich hier und zieht in Form einer rutenförmigen Flamme in den Kessel. Die Zerstäubung wird entweder durch Dampf oder Pumpendruck bewirkt. Die Heizeinrichtung gestaltet sich dann auf folgende einfache Weise. Aus einem zur Feuerstelle passend gelegenen Naphthabehälter fliesst unter eigenem Druck die Naphtha in Röhren zum Zerstäuber, welchem durch ein zweites Rohr der Dampf zugeführt wird. Beide Röhren sind mit Ventilen ausgerüstet, und der gesamte Zerstäubungsapparat in Scharnieren, welche an der Stirnwand des Kessels sitzen, so beweglich, dass er zur Feuerstelle ein- und ausgeschwenkt werden kann. Ist beim Ingangsetzen der Heizung die Flamme zur Entzündung gebracht, so bedarf die Feuerung, ausser einer anfänglichen Regulierung der Naphtha-, Dampf- und Luftzuströmung bis zur Erzielung einer nicht leuchtend weissen, sondern gelblichroten Flamme keiner weiteren Wartung. Geschieht die Zerstäubung durch Pumpendruck von 3 bis 5 at, so fällt auch die Dampfzuführung weg und ist nur die Naphtha- und Luftzuführung zu regulieren. Aus der Beschreibung ist ersichtlich, dass die Naphthaheizung nicht nur eine überaus einfache, sondern auch eine vollkommen automatische ist, welche einer besonderen Geschicklichkeit und ständigen Aufmerksamkeit der Heizer entbehren kann. Ein weiterer wesentlicher Vorzug dieser Heizung ist darin zu finden, dass die Feuerung stets geschlossen bleibt, womit jede unkontrollierbare Luftzuführung ausgeschlossen ist, letztere vielmehr eine stets gleichmässige bleibt. Das Zusammenwirken solcher, für eine rationelle Verbrennung günstigen Bedingungen lässt deshalb den guten Wirkungsgrad der Naphthaheizung erklärlich erscheinen. In den früher genannten Zahlen war angegeben, dass Steinkohlen bei 6000 W.-E. eine 6fache Verdampfung, Naphtha bei 10000 W.-E. aber eine 12fache Verdampfung ergibt, durch welchen Unterschied, da die letzte Zahl der Praxis entnommen ist, der hervorragende Effekt genügend erklärt ist. Der Vollständigkeit halber wäre noch zuzufügen, dass ausser den aufgeführten Heizungen, mit Zerstäuben der Naphtha durch Dampf oder mittels Pumpendruck, von welchen erstere die am meisten gebräuchliche ist, auch eingehende Versuche gemacht wurden, Naphtha auf rostartigen Einrichtungen, nur durch den Schornsteinzug, zur Verbrennung zu bringen, und andererseits Naphtha durch Pressluft zu zerstäuben. Erstere Einrichtung verlangte eine sehr schwierig zu handhabende Luftregulierung und gab, wie gleichfalls die letztere Einrichtung auch, eine viel zu heisse Flamme, welcher weder die Dampfkessel noch deren Einmauerungsmaterial auf die Dauer widerstehen konnten. Beide Einrichtungen werden dagegen mit grösstem Vorteil in der metallurgischen Industrie, wie für Puddelöfen, Schweissöfen, Tiegelschmelzöfen, für Schmiedefeuer u.a.m. angewandt. An Hand der gegebenen Erklärungen wäre nunmehr die Anwendung der Naphthaheizung auf die Lokomotiv- und Schiffskessel zu besprechen. Als Hauptpunkte sind hier hervorzuheben: erstens, dass bei der Naphthaheizung jedwede physische Arbeit wegfällt; der Heizerdienst wird ein reiner Ueberwachungsdienst; es besteht die ganze Handhabung bei demselben im Regulieren einiger Ventile; zweitens, dass durch das Fortfallen der zu öffnenden Feuerthüren, wie bei der Steinkohlenheizung, eine Belästigung durch die strahlende Wärme der Feuerung ausgeschlossen bleibt. Der jetzt so schwierige und die Gesundheit beeinflussende Heizerdienst wird dadurch ein wesentlich leichterer und gesünderer. – Für Schiffe und besonders für grosse Schiffe kommt noch der günstige Umstand dazu, dass nicht für einen Kessel so und so viel Mann notwendig sind,sondern dass ein Mann, ohne Anstrengung, viele Kessel bedienen kann, also eine Verminderung des Heizerpersonals. Von grossen Fabriken z.B. kenne ich Dampfanlagen mit Naphthaheizung für zehn und mehr grosse Kessel, welche von nur zwei Mann bedient werden, wobei der zweite Mann auch nur mehr der Gesellschaft halber und zur Wachhaltung da ist; zu thun haben sie beide nichts. Für Lokomotiven ist die Einrichtung nun derartig, dass auf dem Tender, brückenartig auf die seitlichen Wasserkasten, ein Naphthareservoir aufgesetzt ist, von welchem eine Rohrleitung zu dem Zerstäuber führt, welcher unten im Aschenfall der Feuerbüchse angebracht ist. Durch Dampf wird die Naphtha zerstäubt, und zieht die Flamme durch die, zur Unschädlichmachung der Stichflamme, mit Mauerwerk ausgekleidete Feuerbüchse nach oben, dann durch die Heizrohre zur Rauchkammer. Die Verbrennung ist dabei eine so vollkommene, dass weder eine Belästigung durch Russ noch durch den Geruch ungenügend verbrannter Naphtha stattfindet; aus dem Schornstein kommt der kaum gefärbte Dampf. – Bei der ungemeinen Erleichterung durch Fortfall der Rostbedienung bleibt im sonstigen der Dienst auf der Lokomotive der übliche, nur mit dem Unterschied, dass der stark entlastete Gehilfe, auf seiner linken Seite der Maschine, mehr zur Mitüberwachung der Strecke herangezogen werden kann. – Der aufmerksam beobachtende Reisende in Russland kann z.B. sehen, dass auf naphthageheizten Lokomotiven der Heizer ständig seinen Platz am linken Auslug einnehmen kann, und wird sich wundern können über das ungewohnte reinliche Aussehen desselben. Bezüglich der Einwirkung auf die Gesundheit hat die Wladikawkaser Eisenbahn durch Statistik festgestellt, dass mit Einführung der Naphthaheizung, die Erkrankungen an Rheumatismus beim Lokomotivpersonal sehr merklich zurückgegangen sind. In Russland ist die Anwendung der Naphthaheizung auf Lokomotiven eine schon weit verbreitete und schon längst aus jedem Versuchsstadium herausgetreten; laut Mitteilungen in dem amtlichen Anzeiger des Finanzministeriums gab es in Russland Ende 1900 zusammen 12187 Lokomotiven, von welchen 5647 mit Steinkohlen, 4536 mit Naphtha und 2004 mit Holz oder Torf geheizt werden. Die ersten Versuche mit Naphthaheizung wurden vor nun etwa 20 Jahren gemacht und sind seitdem zu der jetzigen Höhe angewachsen; ausreichende Erfahrungen sind daher im vollsten Masse vorhanden. Für Schiffe hat die Anwendung der Naphthaheizung noch nicht in gleichem Verhältnisse platzgreifen können wie für Lokomotiven. Die gesamte Dampfschiffahrt auf der Wolga und dem Kaspischen Meere verwendet zwar ausschliesslich diese Heizung; in der Seeschiffahrt konnte dieselbe aber noch nicht Eingang finden, und zwar aus Gründen, welche später zur Besprechung kommen. An und für sich dürften dagegen die Vorteile, welche nach dem bisher Gesagten die Seeschiffahrt, sowohl der Kriegs- als auch der Handelsmarine, durch Anwendung der Naphthaheizung erzielen könnte, vollständig klar sein. Für Kesselanlagen mit stark beschränktem Arbeitsraum, wie sie in diesen Fällen vorliegen, wäre die Verwendung eines Brennmaterials, welches die Beihilfe einer jeden physischen Kraft fast ganz ausschliesst und eine unnötige Raumerwärmung stark vermindert, eine geradezu ideale Lösung dieser schwierigen Frage zu nennen. Ausser diesem grundsätzlichen Vorteil sind nun noch weitere Vorteile aufzuführen, welche in pekuniärer Hinsicht nicht ausser acht zu lassen wären und zu Gunsten der Verwendung der Naphtha sprechen dürften. Es ist einerseits die bedeutende Verminderung an Heizerpersonal und die damit zusammenhängende Ersparnis an Geld und Raum; andererseits ein Gewinn an Ladefähigkeit dadurch, dass nur die Hälfte an Gewicht von Naphtha gegen Steinkohle mitgenommen werden muss, wobei die Ersparnis an Raum jedoch nicht in gleichem Verhältnis steht, da sich die spezifischen Gewichte von Naphtha zu Steinkohle etwa wie 1 : 1,5 verhalten. Indirekt können aber auch hierin wesentliche Vorteile erzielt werden. Naphtha ist eine Flüssigkeit! – In einem Schiffe gibt es, verursacht durch die Form des Körpers, viele Räume, welche weder zum Verstauen noch zur Unterbringung von Menschen geeignet sind, – für eine Flüssigkeit wären sie aber geeignet. Die Kohlenbunker nehmen im Schiffe sehr schöne Räume ein, sie müssen günstig zu den Kesseln und günstig zum Kohleneinnehmen gelegen sein, sie müssen ausserdem geeignete Form haben, um die Kohle gut lagern und ohne Schwierigkeit gut entnehmen zu können. Bei einer Flüssigkeit fallen alle derartigen Bedenken weg. Durch geeignete Rohrleitungen und Pumpenanlagen kann man eine Flüssigkeit in jeden Teil des Schiffskörpers hinschaffen und von dort auch wieder wegholen, ihr kann man jeden Platz im Schiffe einräumen. Eine solche Dispositionsfreiheit gestattet eine sehr rationelle Ausnutzung des vorhandenen Raumes. Ein sehr beachtenswerter Punkt für die Verwendung von Naphtha dürfte die Zeitersparnis beim Einnehmen des Brennmaterials sein. Bei sachgemässen Einrichtungen können durch entsprechend grosse Pumpen, oder mehrere solcher, in verhältnismässig ganz kurzer Zeit die grössten Quantitäten Naphtha aus den Reservoirs oder Tankschiffen an Bord übergeführt werden, so dass sich hierfür die Zeitverluste auf ein Minimum reduzieren lassen, wobei die ganze Arbeit mit Ausschluss von fast jeder menschlichen Hilfe vor sich geht. Um hierfür ein Zahlenbeispiel aufzuführen, greife ich auf die über den Dampfer „Kronprinz Wilhelm“ gemachten Angaben zurück. Zu einer Reise muss derselbe 445 Waggonladungen Steinkohle einnehmen, welches Quantum sich bei Naphtha auf etwa 220 Waggonladungen reduzieren würde. Stehen 6 Pumpen zur Verfügung, welche je eine Waggonladung in 10 Minuten überpumpen, so ist das ganze Quantum in etwa 6 Stunden bewältigt. Die hier kurz aufgeführten Ersparnisse, welche die Schiffahrt an Mannschaft, Gewicht, Raum und Zeit bei Verwendung von Naphtha erzielen kann, welche Ersparnisse sich nicht um Kleinigkeiten, sondern um sehr gewichtige Zahlen drehen, werden denjenigen, die es angeht, vollkommen einleuchtend sein. Zur Beleuchtung des Vorstehenden führe ich noch eine Zeitungsmitteilung an, welche während der Drucklegung dieses Aufsatzes erschien: Vor einigen Tagen traf nach 45tägiger Fahrt von Borneo der 3550-t-Dampfer „Clam“ der Londoner Shell-Linie in Dover ein, nachdem er die 11000 Seemeilen lange Fahrt ausschliesslich unter Oelfeuerung zurückgelegt hatte. Während ein Dampfer dieser Grosse bei Verwendung von Kohlen als Heizstoff immerhin 18 bis 20 Heizer an Bord haben muss, waren auf der „Clam“ deren nur drei vorhanden. Besonders ins Auge fiel das reinliche Aussehen des ganzen Schiffes und insbesondere des Laderaumes. Um die nach dem fernen Osten fahrenden Dampfer auch für die Ausreise mit der erforderlichen flüssigen Feuerung zu versorgen, beabsichtigt die Shell-Linie, in Dover drei grosse Oelbehälter und ausserdem in Havre und Liverpool Niederlagen zu errichten, so dass die Schiffe dann auf ihrer Fahrt nach China und Japan in regelmässigen Zwischenräumen Stellen zum Auffüllen ihrer Bunker vorfinden würden. Für die Heimreise hatte der oben erwähnte Dampfer etwa 1500 t Oel an Bord genommen, eine Arbeit, die in kaum 3 Stunden ohne Schwierigkeiten und ohne die Unannehmlichkeiten des Kohlenbunkerns ausgeführt wurde. Wenn trotz aller dieser, nehmen wir an, als richtig erkannten Vorteile dieses Brennmaterial selbst bei der russischen Flotte, welcher dasselbe zur Verfügung stehen könnte, noch nicht Eingang gefunden hat, so liegt das daran, dass dasselbe noch zu wenig produziert wird und daher noch sonst nirgends in Verwendung steht. Ein Schiff für grosse Fahrt kann sich aber nicht auf ein Brennmaterial seines Heimatshafens einrichten, wenn es nicht die Möglichkeit hat, sich dasselbe auch anderwärts beschaffen zu können. Bis die Schiffahrt sich dieses ideale Brennmaterial zu nutze machen kann, ist es daher noch ein weites Ziel. Ueber die Möglichkeit, es zu erreichen, werden die späteren Zeilen berichten. Bisher war nur stets von hervorragend guten Eigenschaften der Naphtha die Rede, eine Erwähnung gebührt nun auch der etwaigen Feuergefährlichkeit dieses Brennmaterials. – Für diese ist der Flammpunkt entscheidend. – In den Erklärungen über Naphtha wurde mitgeteilt, dass das Rohöl einen Flammpunkt von 24 bis 35° C., die Naphtharückstände dagegen einen solchen von 80 bis 170° C. haben. In diesen Grenzen von 24 bis 170° C. bewegt sich also der Flammpunkt; je niedriger dieser ist, um so grösser ist die Entzündbarkeit und Feuergefährlichkeit, um so dünnflüssiger ist aber auch das Material; während umgekehrt die Feuergefährlichkeit ab-, die Dickflüssigkeit aber zunimmt. Die als Heizmaterial zu verwendende Naphtha muss aber von einer Beschaffenheit sein, dass sie genügende Sicherheit gegen Entzündbarkeit bietet, andererseits aber auch dünnflüssig genug ist, um enge Röhren, sowie die Zerstäuber schnell durchfliessen zu können. Ein solches Material herzustellen, hat man bei der Verarbeitung des Rohöls jedoch vollständig in der Hand, indem man nach Bedarf mehr oder weniger leichte Oele ausdestilliert. Naphtha mit einem Flammpunkt von 120 bis 170° C. dürfte nicht viel feuergefährlicher sein als etwa auch Holz oder Steinkohle, man kann z.B. in derselben ein brennendes Scheit Holz ganz ruhig, ohne jede Gefahr einer Entzündung, ablöschen. In der Praxis, wie sie uns hier beschäftigt, würde eine Gefahr nur darin zu suchen sein, wenn der Flammpunkt des Brennmaterials niedriger liegen würde als die Temperatur des Heizraumes, in welchem es verwandt wird, so dass bei etwaigen Undichtigkeiten der Röhren das heraustropfende Oel eine Entzündung erleiden könnte; diese Temperatur dürfte mit 50° C. als Maximum anzusehen sein; jede Naphtha mit einem Flammpunkt höher als 50° C. wäre daher ungefährlich. Sind damit die hauptsächlichsten die Naphthaheizung betreffenden Punkte besprochen, so wirft sich die Frage auf: Wird denn genügend Naphtha produziert, um dieselbe eventuell als Brennmaterial im Eisenbahnbetrieb oder in der Seeschiffahrt in grösserem Masse einführen zu können? Die Beantwortung dieser Frage fällt fürs erste verneinend aus. Die Rohnaphthaproduktion auf der ganzen Erde betrug für das Jahr 1899: Nordamerika 8600000 t Russland 9000000 t Galizien 330000 t Rumänien 313000 t Holländisch Indien 217000 t Peru 125000 t Japan 100000 t Birma 77000 t Deutschland 26000 t Italien 1900 t Gegenüber dieser Zusammenstellung ist in Bezug auf die Frage, Naphtha als Brennmaterial zu benutzen, folgendes zu beachten. Vordem wurde erwähnt, dass nur die Rohnaphtha von geologisch jüngerem Alter, aus der tertiären Periode, eine Zusammensetzung hat, welche sich zur Herstellung von Heizölen eignet. Aus der vorstehenden Tabelle ist deshalb die Produktion von Nordamerika, welche sich auf Rohnaphtha von älterem Herkommen bezieht, auszuschalten bezw. verbleiben von diesem Quantum nur die Produktionen von Kalifornien und Texas, deren Lagerstätten der tertiären Formation zuzuzählen sind, und zusammen etwa 5% des Gesamtquantums, also 430000 t, betragen. Die übrigen genannten Produktionsstellen zählen wohl sämtlich der tertiären Periode zu, könnten also für Heiznaphtha in Betracht kommen. Ein Vergleich zeigt uns nun aber, dass die Gesamtproduktion der in Frage kommenden Fundstellen nur etwa ⅙ der russischen Produktion beträgt. Von der russischen Rohnaphtha war gesagt worden, dass nur 50 bis 70 % derselben als Heizmaterial zu verwenden sind; nehme ich den Höchstwert an, so kann das Quantum, welches Russland im Jahre 1899 an Naphtha zu Brennmaterial lieferte, auf 6300000 t und, bei angenommen ähnlichen Verhältnissen, dasjenige der übrigen Länder auf 1000000 t veranschlagt werden. Berücksichtigen wir ferner, dass das in Russland erzeugte Quantum ganz dorten verbleibt und noch lange nicht den eigenen Bedarf deckt, und dass dabei die Seeschiffahrt noch nicht mitbeteiligt ist, so ist ersichtlich, dass das zur Zeit in der Gesamtheit produzierte Produkt noch zu gering ist, um eine grössere Verwendung zu ermöglichen oder auch nur an eine solche heranzutreten. In meinen Darlegungen wollte ich nun aber darauf hinweisen, dass an unsere Verkehrsbetriebe zu Wasser und zu Lande möglicherweise, und möglicherweise in gar nicht zu ferner Zeit, die Frage einer sehr vermehrten Leistungsfähigkeit herantritt. Damit wird aber auch die Frage der Ausfindigmachung eines sehr viel intensiveren Heizmaterials, als des Urquells der zu erzeugenden Kraft, an sie herantreten; – ein solches Heizmaterial ist, wie ich nachzuweisen versuchte, in der Naphtha gegeben. Es drängt sich daher jetzt die Frage auf: Ist Aussicht vorhanden, die Naphthaproduktion derartig zu steigern, dass sie grossen Anforderungen genügen kann? Diese Frage ist meiner Ansicht und meinen Studien zufolge in bejahendem Sinne zu beantworten. Aus der vorstehenden Zusammenstellung der Naphthaproduktion ersehen wir schon, an wie verschieden gelegenen Stellen der Erde Naphtha bereits jetzt gewonnen wird. Diese Zusammenstellung kann aber noch um sehr viel vermehrt werden, wenn diejenigen Plätze in Berücksichtigung gezogen werden, an welchen Naphtha konstatiert wurde. So steckt z.B. Ostasien in seinen Küstenländern und den vorgelagerten Inselgruppen voll von Naphtha: ausser den genannten Stellen, wie Holländisch Indien, Birma und Japan, sind noch die Küstengebiete Chinas, die Aleuten, Kamtschatka, Sachalin und Russisch Ostasien als naphthaführend bekannt. Welche Bedeutung den letzteren Gebieten beigelegt wird, geht daraus hervor, dass im Juli d. J. von St. Petersburg eine Verordnung erlassen wurde, wonach im Küstengebiete des Amurgebietes, von der koreanischen Grenze an, in einem Küstenstreifen von 100 Werst landeinwärts, sowie auf Sachalin und allen anderen umliegenden Inseln auf russischem Gebiet, der private Gold- und Naphthaindustriebetrieb untersagt wird, d.h. also, die Regierung reserviert sich den ganzen Petroleumbergbau für sich selbst. Weitere Naphthagebiete sind in Zentralasien auf russischem Territorium bekannt. – Einer Beschreibung über die projektierte Bagdadbahn entnehme ich, dass im östlichen Zuge derselben auf ausgedehnten Gebieten Naphtha konstatiert wurde. Naphthaausschwitzungen an der Erdoberfläche, wie sie hier gefunden wurden, haben allerdings für den Petroleumbergbau fürs Erste nur einen zweifelhaften Wert, da es sich dabei meist um sekundäre Fundstellen mit sogen. Oberflächenöl handelt, immerhin sind sie aber ein gutes Zeichen, zumal diese Gegend als Naphthagebiet in genetischem Zusammenhang mit den vorgenannten Fundstellen, sowie mit dem kaukasischen Vorkommen stehen dürfte und primäre Lagerstellen aufgefunden werden können. Der Bagdadbahn kann man, falls sich diese Aussichten verwirklichen sollten, nur Glück wünschen; sie wird sich nicht nur ein vorzügliches Heizmaterial, sondern auch ergiebige Frachten sichern. In Nord- wie in Südamerika sind Naphthagebiete bekannt, in Mexiko, im Anschluss an das sich neuerdings als sehr ergiebig erweisende Vorkommen in Texas, ferner in Ecuador, Venezuela und Argentinien, sowie auf den Inseln Trinidad und Barbados; auch aus Alaska kommen Mitteilungen, dass man dort auf Naphtha gestossen sei, was sehr wahrscheinlich sein dürfte. Aber ausser diesen mehr entlegenen dürfte es auch in Europa noch Gegenden geben, wo mit Aussicht auf Erfolg Naphtha gemutet werden könnte. Von grossem Gesichtspunkte aus betrachtet, zeigt uns dieser Hinweis also, dass noch an den verschiedensten Punkten der Erde Naphtha in ihrem Schosse geborgen ist und einer Ausbeute entgegenharrt. Solange es aber der Hauptzweck des Petroleumbergbaus sein wird, Leuchtöl zu erzeugen, würde eine wesentliche Vermehrung der jetzigen Exploitationsstellen nur eine Ueberproduktion an solchem hervorrufen und die ganze Naphthaindustrie zu einer unrentablenmachen. Gegen eine solche Vermehrung würden auch die bestehenden Produktionszentren mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln ankämpfen. Die Sachlage würde sich aber sofort ändern, sobald es Zweck dieses Bergbaus wäre, Brennmaterial zu gewinnen. Es bedarf ja nur der Einführung desselben auf z.B. einigen grossen Weltdampferlinien, um sofort einen Bedarf zu schaffen, der einen ausgedehnten Bergbaubetrieb erforderlich machen und einen Konkurrenzkampf für lange Zeit ausschliessen würde. Die Chancen für diese Industrie sind ja nicht ungünstig. In Anbetracht, dass Naphtha den doppelten Heizwert der Steinkohle hat, ist der Paritätswert dementsprechend der doppelte Wert der Steinkohle. Kosten, für deutsche Verhältnisse, Steinkohlen am Produktionsorte etwa 100 M. pro 10 t, so kann Naphtha 200 M. pro 10 t erzielen. Umgerechnet in russische Werte gibt das 15¾ Kopeken pro Pud, das ist ein Preis, welcher im Kaukasus zu den guten gerechnet wird. Ein Preis also, bei welchem der Petroleumbergbau auch, ähnlich wie dort, unter schwierigen Verhältnissen gut und nutzbringend bestehen kann. Nach der gegebenen Zusammenstellung der bis jetzt aufgedeckten Naphthafundsteilen finden wir eine grosse Zahl derselben in Gebieten, welche von den Kulturstaaten weit entlegen sind. Diesem, vom geschäftlichen Standpunkt aus betrachtet, zur Aufnahme und Ausführung eines Bergbaubetriebes in vielen Hinsichten sehr ungünstigen Verhältnis treten beim Petroleumbergbau jedoch zwei Faktoren entgegen, welche den Fehler einigermassen wett machen. Es sind die nur einheitliche Qualität und die leichte Transportfähigkeit des Fördermaterials. Naphtha kommt je an seiner Fundstelle nur immer in einer stets gleichmässig hochwertigen Qualität vor; Ansammlungen von minderwertigen Produkten, wie beim Steinkohlenbergbau, welche nur an Ort und Stelle verwertet werden können, gibt es beim Petroleumbergbau nicht, vielmehr hat hier das ganze Förderquantum vom ersten bis zum letzten Tropfen gleichen Versandwert. Die leichte Transportfähigkeit der Naphtha wurde schon mehrfach, bei der Verwendung derselben, erwähnt, für den Grossbetrieb gilt dasselbe. Der Transport derartiger Flüssigkeiten in Spezialwagen der Eisenbahnen, sowie in Tankschiffen für See- und Flusstransport, samt den Pumpanlagen zum Be- und Entladen sind gewohnte Erscheinungen. Für den Bergbaubetrieb in Gegenden ohne Eisenbahnen ist der Transport in Röhrenleitungen bis zu günstig gelegenen Stapelplätzen ein vollwertiger Ersatz. Derartige ungemein leistungsfähige Röhrenleitungen, welche leicht und schnell ausführbar sind, für welche es weder Terrainschwierigkeiten noch Entfernungen gibt, sind ein Transportmittel, wie es einfacher und billiger nicht gedacht werden kann. Ausführungen solcher Leitungen bis zu Längen von vielen Hunderten von Kilometern liegen in vielen Beispielen bereits vor. Ebenso einfach wie der Transport gestaltet sich auch die Lagerung der Naphtha. Der Hauptsache nach geschieht dieselbe in grossen eisernen cylindrischen Reservoirs von oft gewaltigen Dimensionen. Als grösster derartiger Behälter wäre ein in Frankreich aufgestellter zu erwähnen, welcher bei 25 m Durchmesser und 12 m Höhe 5400 t Naphtha in sich bergen kann. Eine solche Stapelhöhe und dementsprechend geringe Bodenfläche erreichen zu können, dürften auch Bedingungen sein, wie man sie für Lagerung eines Massenproduktes nicht besser finden kann. Die Bedienung der Lagerreservoirs geschieht ebenfalls, wie auch die Fernleitungen, automatisch durch Pumpenbetrieb und erfordert, wie der gesamte Naphthabetrieb, nur geringe menschliche Beihilfe. Damit wären alle etwa in Betracht kommenden hauptsächlichsten Punkte, welche in den Rahmen der vorliegenden Aufzeichnungen gehören, besprochen, und geben dieselben wohl ein ungefähres Bild dieser für die Zukunft so hochwichtigen Naphthaindustrie.