Titel: Die Fortschritte im Eisenhüttenwesen in den letzten fünf Jahren.
Autor: Karl Brisker
Fundstelle: Band 317, Jahrgang 1902, S. 217
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Die Fortschritte im Eisenhüttenwesen in den letzten fünf Jahren. Von Ingenieur Karl Brisker, Assistent an der k. k. Bergakademie in Leoben. (Fortsetzung von S. 73 d. Bd.) Die Fortschritte im Eisenhüttenwesen in den letzten fünf Jahren. 5. Fortschritte im Hochofengebläsemaschinenbau. In der Tabelle 2 sind einige neuere Gebläsemaschinen für Hochöfen zusammengestellt, um in übersichtlicher Weise an einigen Beispielen über die Grösse und Leistungsfähigkeit moderner Gebläse Aufschluss zu geben. Die auf diesem Gebiete gemachten Fortschritte stehen einerseits im Zusammenhang mit den Fortschritten des allgemeinen Maschinenbaues überhaupt, andererseits sind sie durch die gesteigerten Produktionsverhältnisse der Hochöfen hervorgerufen. Beide Momente führen übrigens zu demselben Resultate, der Steigerung der Tourenzahlen dieser Maschinen. Ist es vom Standpunkte des allgemeinen Maschinenbaues vorteilhafter eine Maschine schneller laufen zu lassen, so ist auch eine Erhöhung der Tourenzahl das einzige Mittel, die zu liefernde Windmenge und ihre Pressung zu erhöhen, ohne dass die Dimensionen der Maschine sich zu vergrössern brauchen. Tabelle 2. Zusammenstellung einiger in den letzten Jahren gebauter Hochofengebläsemaschinen. Textabbildung Bd. 317, S. 218 Dampfspannung; Durchmesser des Dampfcylinders; Durchmesser des Windcylinders; Hub; Tourenzahl; Windmege pro 1 Minute; Pressung; Ventile; Falvahütte (O.-S.); Karl-Emilshütte bei Königshof; Eisenerz; Witkowitz; Vajdahunyad (Ungarn); Krompach; Ruhrort, Rheinische Stahlwerke; Burbach; Bochum; Dingler'sche Maschinenfabrik, Zweibrücken; Breifeld und Daniek, Prag; Audritz, Graz; Lang, Budapest; Bolzano, Schlan; Kölnische Maschinenfabrik; Ehrhard und Sehmer; Elsässische Maschinenfabrik, Mühlhausen; liegend Zwilling; liegend Compound; stehend Compound; Ringventile; Riedler-Stumpf; Corliss-Schieber u. Ueberdruckventile; Lederklappen; Pat. Scheibenventile Dass diese Steigerung der Tourenzahl, obwohl es sich hier relativ nur um eine ganz geringe Grösse handelt, indem man jetzt die Gebläse mit höchtens 60 bis 70 Touren statt wie früher mit kaum 30 laufen lässt, für den Gebläsebau eine sehr wichtige und auch heute noch nicht gelöste Sache ist, hat seinen Grund in den Saug- und Druckventilen des Gebläsecylinders. Die Ventile des Gebläses sind der heiklichste Teil der Maschine, auf ihnen allein beruht der Wirkungsgrad des Gebläses. Sie sollen sich präcise öffnen und schliessen, sollen dauerhaft sein, sollen auch bei starker Pressung dicht halten und bei schnellerem Gange nicht schlagen und „flattern“, Forderungen, die alle gleich gut zu erfüllen nahezu unmöglich erscheint (vgl. D. p. J. 1900 315 389). Textabbildung Bd. 317, S. 218 Fig. 43. Rückläufiges Druckventil von Riedler-Stumpf. Dass sich eine der neuen Ventilkonstruktionen als absolut zweckmässigste noch nicht erwiesen hat, geht auch aus der Tabelle hervor, welche uns zeigt, dass selbst bei ganz neuen Gebläsen die verschiedensten Abschlussorgane Verwendung finden, selbst die ursprünglichen Lederklappen noch nicht abgethan sind, wie dies die unter Nr. 8 erwähnte Maschine beweist. Textabbildung Bd. 317, S. 218 Fig. 44. Ventil der Elsässischen Maschinenfabrik. Die Forderung nach präcisem Abschluss der Ventile führte zur Anwendung gesteuerter Organe, als deren wichtigstes der Corliss-Schieber zu gelten hat, der insbesondere als Saugventil sich gut zu bewähren scheint. Textabbildung Bd. 317, S. 218 Hörbiger'sches Lenkerventil. Von den neueren Konstruktionen sei als wichtigste das Riedler-Stumpf'sche rückläufige Druckventil erwähnt (vgl. Stahl und Eisen, 1899 S. 478,  764; 1901 S. 501). Die Wirkungsweise des in Fig. 43 abgebildeten Ventils ist die, dass bei Steigerung der Pressung im Windcylinder C über die Pressung im Druckkasten D das röhrenförmige Ventil V sich infolge des Ueberdruckes dem Kolben entgegen bewegt und die Oeffnung A freigibt. Die gepresste Luft tritt in den Druckkasten. Das Schliessen des Ventils besorgt der Kolben. Da dies wenige Augenblicke vor Erreichung der Totpunktlage geschieht, ist die Geschwindigkeit des Kolbens eine sehr geringe und das Schliessen erfolgt ohne merklichen Stoss, der überdies noch durch die Auspolsterung gemildert wird. Beim Rückgange des Kolbens kann sich das Ventil nicht öffnen, da in dem Cylinder wie in dem hohlen Ventilkörper bereits die Saugspannung herrscht. Auf jeder Cylinderseite sind mehrere solcher Ventile angeordnet. Als Saugventile dienen Corliss-Schieber. Das Riedler-Stumpf'sche rückläufige Druckventil soll selbst bei einer Tourenzahl von 300 noch geräuschlos und sicher funktionieren. Um in einem kleinen Raum möglichst viele Ventile anordnen zu können, wobei sich ausser dem Vorteil des kleinen schädlichen Raumes noch der geltend macht, dass bei möglichst kleinem Hub der Ventile wegen ihrer grossen Zahl sich dennoch ein grosser Durchgangsquerschnitt ergibt, hat die Elsässische Maschinenfabrik zu MülhausenVgl. Stahl und Eisen, 1899 S. 570.  die in Fig. 44 skizzierten Ventile gebaut. Dieselben sind Platten aus Stahl a, welche durch eine Spiralfeder R auf ihren Sitz gepresst werden. Je fünf Ventilscheiben sitzen auf einer Spindel B und je vier Spindeln sind nebeneinander auf einem Rahmen angeordnet, so dass im ganzen 20 Ventile in einem verhältnismässig kleinen Raume beisammen sind. Die Zergliederung in viele kleine Ventile ist für hohe Tourenzahlen vorteilhaft, weil die einzelnen Ventile nur einen kleinen Hub zu besitzen brauchen, daher bei der überdies geringen Masse keine grossen Beschleunigungskräfte geweckt werden, und ein Schlagen oder „Flattern“ der Ventile nicht eintreten kann. Gleichfalls Scheibenventile, welche durch Federn gegen den Sitz gedrückt werden, sind die Hörbger'schen LenkerventileVgl. Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, 1901 S. 218; Stahl und Eisen, 1897 S. 941, 1066; 1898 S. 23. (Fig. 45 bis 47), nur dass die stählernen Ventilscheiben nicht voll, sondern ringförmig und die Federn nicht spiralförmig, sondern Blattfedern sind. Fig. 46 zeigt die Anordnung der Federn auf der Ventilscheibe. Die Verbindung der Feder mit der Scheibe ist eine feste, die mit dem Ventilfänger eine lösbare. Die Ventilscheiben bestehen beim Druckventil aus zwei Platten, einer 4 mm starken Grundscheibe und einer 1½ mm starken Polsterscheibe, beide aus zähem Stahl. Die Blattfedern sind aus Uhrfederstahl und haben eine Stärke von 0,7 mm. Während die Druckventile in der skizzierten Zwillingsanordnung zwei nur der Grösse nach verschiedene Ventile vereinigen, sind die Zwillingssaugventile, welche in Fig. 47 abgebildet sind, eine Vereinigung zweier verschieden wirkender Ventilscheiben. Das grössere Ventil hat eine solche Federspannung, dass es sich stets zu schliessen trachtet, das kleinere dagegen wird durch die Feder offen gehalten und nur während der Kompressionsperiode durch den Ueberdruck geschlossen. Dadurch wird in zweckmässiger Weise dem Uebelstande abgeholfen, dass sich erst beim Eintritt eines unter der atmosphärischen Spannung liegenden Druckes, also nach Zurücklegung eines Teiles des Kolbenhubes das Saugventil öffnet, wobei natürlich ein Widerstand von Seiten der Maschine zu überwinden ist. Die hier besprochenen Neuerungen auf dem Gebiete der Gebläsemaschinen, die sich vornehmlich in einer für eine höhere Tourenzahl brauchbaren Ventilkonstruktion geltend machen, sind vor allem auch für die durch Gichtgasmotoren betriebenen Gebläsemaschinen von grösster Wichtigkeit, da ja vor allem bei dieser Kraftverwendung eine höhere Umdrehungszahl stattfindet. Da wir aber dieses Gebiet der Gichtgas Verwendung im Hüttenwesen, wegen der grossen Bedeutung, welche dieselbe für die gesamte Weiterentwickelung der Eisenindustrie besitzt, erst an späterer Stelle zusammenhängend besprechen wollen, so kann hier auf diese Frage nicht näher eingegangen werden. 6. Fortschritte in der Verwertung der Nebenprodukte des Hochofens. Der Hochofen liefert zwei Nebenprodukte: Gase und Schlacke. Die weitgehendste Ausnutzung der Gase des Hochofens ist ein Fortschritt, welcher der neuesten Zeit angehört und der zu den weittragendsten Neuerungen im Eisenhüttenwesen zu zählen ist. Nicht bloss zur Winderhitzung und Dampferzeugung werden nunmehr die Gichtgase herbeigezogen, sondern wir können sie jetzt direkt zum Betriebe von Motoren verwenden. Wie schon vorhin angedeutet, soll dieses ganze Gebiet erst später eine zusammenhängende Behandlung erfahren, worauf auch der Umstand von Einfluss ist, dass die diesjährige Industrieausstellung in Düsseldorf gerade für dieses Gebiet reichhaltiges Material liefern wird und erst dann eine richtige Uebersicht über dieses junge Gebiet in seiner jetzigen Entwickelung möglich sein wird. Textabbildung Bd. 317, S. 219 Fig. 47. Hörbiger'sches Lenkerventil. Das zweite Nebenprodukt des Hochofens, die Schlacke, wird gegenwärtig in zweifacher Hinsicht verwertet, erstlich als Baustein und zweitens als Cement. Was die Verwendung der Schlackensteine betrifft, so ist diese schon seit langem bekannte Nutzbarmachung gegenwärtig ausschliesslich auf solche Steine beschränkt, die aus granulierter Schlacke durch Zuhilfenahme eines Bindemittels unter starker Pressung und Trocknenlassen an der Luft hergestellt werden. Steine aus flüssiger Schlacke durch Einrinnenlassen in Formen gewonnen sind als Bausteine für Wohngebäude nicht verwendbar, da sie weder Luft noch Wasserdampf durchlassen. Die aus granulierter Schlacke hergestellten Steine sind jedoch in hohem Grade permeabel. Diese Eigenschaft der Durchlässigkeit ist hier fünfmal grösser als bei gewöhnlichen Ziegelsteinen, bei ungefähr gleichen Festigkeitseigenschaften. Ueber die Einführung dieses Baumateriales, über die Kosten und die Herstellung desselben vergleiche die interessanten Ausführungen Lürmann's in Stahl und Eisen, 1897 S. 991. Wichtiger ist die Verarbeitung der Hochofenschlacke zu Cement. Von vornherein sei jedoch gleich bemerkt, dass es sich hierbei nur um ganz geringe Mengen von Schlacken handelt. Erstlich eignen sich nur sehr wenige Schlacken (insbesondere basische) für diesen Zweck, und dann ist die Schlacke wegen ihrer Menge und der Notwendigkeit sie fortzuschaffen und mit ihrer Aufstapelung Grund und Boden zu entwerten, ein so wertloses Objekt, dass für den Hochofenbetrieb höchstens die Fortschaffungskosten jenes kleinen, für die Cementherstellung benötigten Teiles gewonnen werden. Was die Fabrikation des Schlackencementes betrifft, so ist vor allem für die Trocknung des granulierten Cementes Sorge zu tragen. Granulierte Schlacke, und nur diese lässt sich für diesen Zweck verwerten, enthält 17 bis 33 % Wasser. Eine höhere Erhitzung als bis zur Rotglut darf bei der Trocknung nicht angewandt werden, da sonst die Schlacke ihre hydraulische Eigenschaft verliert. Als Bindemittel wird Kalkhydrat zugesetzt. Das ältere Verfahren formte aus der getrockneten und fein gemahlenen Schlacke und dem gebrannten und pulverisierten Kalkstein Steine, die dann scharf gebrannt und zu Cementmehl zermahlen wurden. Ein neues Verfahren, das von Forell'sche, welches mit bestem Erfolge auf dem Hüttenwerke zu Lollar in Oberhessen angewandt wird, lässt diese kostspielige Steinfabrikation aus und mahlt die mit dem Kalkstein bereits innig vermischte Schlacke nach dem Verlassen des Calcinierofens, der durch die Abhitze des eigentlichen Brennofens geheizt wird. Dieses bereits sehr feine Kalk- und Schlackengemenge kommt in einen rotierenden Brennofen, wo es zu Cement gebrannt wird. Auf einem letzten Mahlgange wird das gebrannte Produkt zu Cementmehl zermahlen. Der Schlackencement muss bei der Verwendung vor zu frühem Trockenwerden geschützt werden, da er nur feuchtgehalten während des Nachhärtens seine ganze Kraft entwickelt. Richtig behandelt vermag er den Portlandcement in den meisten Fällen zu ersetzen. (Fortsetzung folgt.)