Titel: Ein neues Steuerungsmodell für Lehrzwecke.
Fundstelle: Band 317, Jahrgang 1902, S. 321
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Ein neues Steuerungsmodell für Lehrzwecke. Von Ingenieur E. C. Karch, Fachvorstand an den vereinigten Maschinenbauschulen Köln a. Rh. Ein neues Steuerungsmodell für Lehrzwecke. Das in den Fig. 1 bis 10 dargestellte Modell hat den Zweck, sämtliche die Theorie der Schiebersteuerungen betreffenden Fragen durch unmittelbare Anschauung in erschöpfender Weise zu behandeln. Soll ein solches Modell den Anforderungen der Schule, für welche es ausschliesslich gedacht ist, voll und ganz entsprechen, so hat die sachgemässe konstruktive Formgebung desselben nicht nur eine genaue Kenntnis dieser Fragen selbst, sondern auch deren Behandlung im Unterricht zur unbedingten Voraussetzung. In allen Fällen wird durch die Demonstration an Modellen das Verständnis geweckt und wesentlich gefördert; immer stellen derartige Modelle ein bequemes Lehrmittel dar. In manchen Fällen, so auch in dem vorliegenden, erweist sich deren Benutzung aber geradezu als eine Notwendigkeit, ohne die an ein intensives Studium und ein Eindringen in das Wesen dieser dem Schüler an und für sich anfangs Schwierigkeiten bietenden Materie nicht wohl gedacht werden kann. Wenn auch die vom Standpunkt des Schulmannes aus an ein solches Modell zu stellenden Anforderungen unter Fachleuten als bekannt vorausgesetzt werden können, so erscheint es doch nicht überflüssig, mit Rücksicht auf den Zweck dieser Zeilen, welche eine Beurteilung des vorliegenden Gegenstandes überhaupt, und einen kritischen Vergleich mit bereits Bestehendem ermöglichen sollen, sowie in Anbetracht des Umstandes, dass die bislang in Gebrauch stehenden ähnlichen Modelle nicht befriedigen, auf diese Anforderungen des Näheren einzugehen und dieselben der Beschreibung des Modelles vorauszuschicken. Bei der grossen Mannigfaltigkeit der bestehenden und in der Praxis des Dampfmaschinenbaues in Anwendung stehenden Schiebersteuerungen, muss das Modell Universalinstrument sein. An einem und demselben Modell sollen möglichst alle in Bezug auf äussere Gestaltung und Wirkungsweise verschiedenen typischen Abarten der einfachen Schiebersteuerung sowie die Doppelschiebersteuerungen mit ihren wichtigsten Varianten demonstriert werden. Die Ein- und Ausschaltung aller Steuerungen soll sich ohne wesentliche Veränderungen des Modells, also auf einfache und bequeme Weise ermöglichen lassen. Die an dem Instrument zu demonstrierenden Fälle der verschiedenen Steuerungen sollen womöglich Ausführungen der Praxis entnommen sein. Wenn in manchen Fällen der Massstab, in welchem Modelle den darzustellenden Gegenstand wiedergeben von untergeordneter Bedeutung sein kann, so ist derselbe im vorliegenden Fall eigentlich Hauptsache. Am besten eignet sich ohne Zweifel die natürliche Grösse als Massstab für die in Frage stehenden Steuerungsorgane. Zu den Anforderungen gehört fernerhin eine solche Genauigkeit in der Herstellung des Modelles, dass exakte Messungen vorgenommen und die Uebereinstimmung der am Modell sich zeigenden Dampfverteilung mit den unter Berücksichtigung der Stangenlänge aufgezeichneten Schieberdiagrammen nachgewiesen werden kann. Das Modell zeigt denn auch eine solche Präzision, wie sie an der ausgeführten Maschine kaum zu erreichen ist. Wenn es Thatsache ist, dass von 100 an und für sich nicht unrichtig konstruierten Steuerungen kaum die Hälfte richtig eingestellt sein soll, dann ergibt sich die Notwendigkeit einer gründlichen Behandlung dieser Materie in der Schule von selbst. Die Einstellung der Steuerungen am Modell wird nach vorher aufgezeichneten Diagrammen vorgenommen. Auf den letzten Punkt ist besonderer Wert zu legen. Textabbildung Bd. 317, S. 321 Der geometrische Zusammenhang des Steuerungsmodells zeigt die gewöhnliche Anordnung der horizontalen Dampfmaschine und zwar der sogen. Rechtsmaschine. Cylinder mit Steuerung links, Kurbel und Exzenter rechts, Drehrichtung im Sinne des Uhrzeigers. Diese Anordnung ist wegen der damit verbundenen Vorteile die allgemein übliche. Die Fig. 5 bis 7 stellen den rechten Teil des Instrumentes dar, von welchem die Bewegung ausgeht, während in den Fig. 1 bis 4 der linke Teil mit dem jeweilig eingeschalteten Steuerungsorgan zur Darstellung gebracht ist. Das mittlere Stück ist der Einfachheit halber weggelassen. In den Fig. 8 bis 10 ist ebenfalls die linke Seite des Instrumentes gezeigt; jedoch sind Her das Steuerungsorgan mit Schieberspiegel entfernt, um die Trommelbewegung, welche von G abgeleitet ist, zu zeigen. Sämtliche Teile des Instruments sind an zwei parallelen Winkeleisen WW von etwa 1700 mm Länge angeordnet. Die Exzenterstange zur Bewegung des Schiebers erhält dadurch eine Länge, wie sie den Dimensionen einer ausgeführten Maschine von mittlerer Grösse entspricht. Der Einfachheit wegen ist der Kolbenhub reduziert und beträgt 250 mm. Ebenso ist der Dampfkolben selbst, als unwesentlich für den vorliegenden Zweck, durch eine deutlich sichtbare Marke M ersetzt, deren Bewegung an einer in 1/100 geteilten Skala genau verfolgt werden kann. Die Kolbenwege lassen sich in Prozenten des ganzen Hubes und Bruchteilen genau ablesen. Textabbildung Bd. 317, S. 321 Die hin und her gehende Bewegung der Schieber, sowie der den Dampfkolben ersetzenden Marke erfolgt durch die drehende Bewegung von zwei Kurbeln H und K und durch ein Exzenter E (Fig. 7); das letztere liegt zwischen den Kurbeln. Dieses Exzenter besorgt bei den Doppelschiebersteuerungen (Meyer, Rider) die Bewegung des Grundschiebers, während jene des Expansionsschiebers von der Schlitzkurbel K ausgeht. Diese Schlitzkurbel Vertritt demnach die Rolle des Expansionsexzenters bei Doppelschiebersteuerungen; sie gestattet gleichzeitig eine sichere und bequemere Einstellung, als dies bei einem Exzenter möglich ist. Die Handkurbel H, welche die Maschinenkurbel darstellt, hat einen Radius von 125 mm, entsprechend einem Hub der Marke von 250 mm. Dies ist die Länge der Skala (reduzierter Kolbenhub). Handelt es sich um die Demonstration einfacher Steuerungen, also eines einfachen Schiebers, so kann die von der Schlitzkurbel K ausgehende Stange E2, sowie die Expansionsschieberstange S2 und deren Führungen F – weil jetzt überflüssig – abgenommen werden (Fig. 4). Alle einfachen Schieber, der gewöhnliche Muschelschieber mit äusserer und innerer Einströmung, sowie dessen sämtliche Abarten: Trick, Penn u.s.w. werden vom Exzenter E aus bewegt. In diesem Falle benutzt man nur die Handkurbel H und das Exzenter E mit den hinzugehörigen Stangen L bezw. E1. Bei den Doppelschiebersteuerungen jedoch sind die drei Teile: Handkurbel H, Exzenter E und Schlitzkurbel K mit den dazugehörigen Stangen anzuwenden. Diese verhältnismässig langen Stangen besorgen die hin und her gehende Bewegung von Kolben (Marke), Grundschieber und Expansionsschieber in der Weise, dass die Stange für den Grundschieber E1 am inneren Gleitstück G angreift, während diejenige für den Expansionsschieber E2 bei a gelenkig mit der Expansionsschieberspindel S2 verbunden ist. Die von der Handkurbel H ausgehende Stange L kann sowohl unmittelbar an dem die Marke M tragenden Stück G angreifen (wodurch L sehr gross, ungefähr 1430 mm wird), als auch zur Demonstration des Einflusses kurzer Schubstangen (L = 3,5 R bis 6 R) in der Länge stark verändert werden. Die Veränderung geschieht durch ausschiebbare Stange aus einem Messingrohr. Alle Stangen lassen sich auf einfachste Weise aus dem Instrument ausbauen und wieder einsetzen. Handkurbel, Schlitzkurbel und Exzenter sitzen auf einer gemeinschaftlichen Achse A, welche sich nach erfolgter Einstellung der genannten drei Teile mit der Büchse B zusammen als ein Stück im Lager N dreht (Fig. 6). Hand- und Schlitzkurbel sind auf dieser Achse drehbar angeordnet und werden durch Klemmvorrichtung auf jeden beliebigen Winkel mit Hilfe des Winkelgradmessers genau eingestellt. Die Achse A dient mit ihrem mittleren Teile der im Exzenterstein drehbar gelagerten Schraubenspindel als Mutter; daher erfolgt bei Drehung dieser Spindel eine fortschreitende Bewegung derselben, zusammen mit dem Exzenterstein, wodurch die Exzentrizität verändert wird. An den Enden dieser Spindel befinden sich Vierkante v, auf welche der beigegebene Schlüssel aufgesteckt wird. Bei entsprechender Stellung des Exzenterbügels gegenüber dem Exzenterstein (Strecklage) ist das eine der beiden Vierkante durch den Exzenterbügel hindurch zugänglich. Dadurch ist bei sehr gedrängter Anordnung des Instruments eine bequeme Verstellung des Exzenters erreicht. Mit Hilfe eines am Lager N angebrachten Zeigers Z und der am Exzenterstein angebrachten Millimeterteilung lassen sich die Exzentrizitäten genau einstellen. Es ist vorteilhaft, zuerst die Grösse der Exzentrizität einzustellen, wobei man zweckmässig unter Benutzung der im Exzenterbügel angebrachten Alhydade das Exzenter in die Totlage bringt. Erst dann verdreht man nach Lösung der Klemmvorrichtung k das Exzenter auf der Achse A, und stellt wieder unter Benutzung der Alhydade und des Winkelgradmessers genau auf den verlangten Voreilwinkel ein. Zur Erreichung des letzteren Zweckes ist die Handkurbel in die Totlage zu bringen (Totlage links). Die an der Handkurbel angebrachte Marke muss hierbei mit dem am Winkelgradmesser angebrachten Visierblech zusammenfallen. Das Einstellen der Schlitzkurbel, auf welcher ebenfalls eine Millimeterteilung angebracht ist, erfolgt in ähnlicher Weise wie beim Exzenter E. Nach Lösung der Flügelmutter f3 verschiebt sich der im Schlitz bewegliche Gleitstein g3, wodurch Exzentrizitäten bis 80 mm eingestellt werden können. Ein an der Schlitzkurbel K angebrachter Zeiger z ermöglicht mit Hilfe des Gradmessers die genaue Einstellung des verlangten Voreilwinkels. Die Möglichkeit der Verstellung innerhalb derart weiter Grenzen hat den Vorteil für sich, dass Schieber eingeschaltet werden können, deren Abmessungen denen ausgeführter Dampfmaschinen entsprechen. An dem Instrument können ohne jede Veränderung desselben sämtliche Abarten des gewöhnlichen Muschelschiebers, einschliesslich der Corliss-Hähne, sowie nach Hinzufügung, der Expansionsschieberspindel S2 die wichtigsten Doppelschiebersteuerungen, wie z.B. Meyer und Rider, gewünschtenfalls auch Schleppschiebersteuerungen eingeschaltet werden. Aufgenommen sind für das vorliegende Modell zunächst folgende: 1. Einfacher Muschelschieber ohne Ueberdeckung. 2. Einfacher Muschelschieber mit Ueberdeckung. Desgleichen mit veränderlichen Ueberdeckungen. Diese veränderlichen Ueberdeckungen sind als Platten von verschiedener Länge ausgeführt und können durch rechteckige Schlitze auf Führungsstücke aufgesetzt und festgeklemmt werden. 3. Muschelschieber mit äusserer und innerer Einströmung. 4. Trick'scher Kanalschieber mit zwei verschiedenen Schieberspiegeln. 5. Meyer'sche Doppelschiebersteuerung für eine kleinste Füllung = 5 %. 6. Desgleichen für Minimalfüllung = 0. 7. Rider-Steuerung, als Flachschiebersteuerung ausgebildet. Gerade als Flachschiebersteuerung lässt sich deren Wirkungsweise, als grundsätzlich nicht verschieden von der Meyer'schen Steuerung, leicht erklären. Fig. 1 stellt die in das Instrument eingesetzte Meyer-Steuerung dar. Die Expansionsplatten P werden von den auf der Expansionsschieberspindel sitzenden Mitnehmern G2 erfasst; die letzteren sind durch Schräubchen f2 f2 auf der Spindel S2 festgeklemmt und können in jeder beliebigen Lage zu einander eingestellt werden. Ebenso können verschieden grosse Plattenlängen eingesetzt werden. Der Grundschieber der Rider-Steuerung wird durch G1 mitgenommen. Als Flachschieber ausgebildet, gleitet auf demselben die Trapezplatte, welche im Schlitz Q der Spindel S2' zur Erreichung verschiedener Füllungsgrade in vertikaler Richtung zu verstellen ist. Textabbildung Bd. 317, S. 322 Um den Zusammenhang zwischen Schieber- und Kolbenbewegung zu veranschaulichen, lässt sich an dem Instrument eine Vorrichtung anbringen, welche selbstthätig die Eröffnungs- und Abschlusskurven (Schieberellipse) aufschreibt. Aus der Gestalt und Lage derselben können Schlüsse auf die Dampfverteilung, sowie auf die Schnelligkeit der Eröffnung und des Schliessens der Kanäle gemacht, mit anderen Worten, es kann die Brauchbarkeit der Steuerung beurteilt werden. Senkrecht über der Skala der Kolbenwege (Fig. 8) befindet sich eine Papiertrommel, welche unter Einschaltung einer Hubvermindererrolle R ihre Drehbewegung von dem hin und her gehenden Teil G mit aufgesetztem Schnurhaken g erhält. Der jeweilig eingeschaltete Schieber trägt in seiner Mitte ein Schreibzeug, welches die hin und her gehende Bewegung des Schiebers, also die sogen. Schieberwege in der Achsenrichtung der Papiertrommel aufschreibt. Die reduzierten Kolbenwege liegen in der Umfangsrichtung der Trommel und setzen sich mit den darauf senkrecht stehenden Schieberwegen zur Ellipse zusammen. Die Ueberdeckungsparallelen können, nachdem die an G1 angreifende Stange E1 vorübergehend ausgehängt wird, ebenfalls vom Schreibstift geschrieben werden. Dieses Instrument ist dem Verfasser patentamtlich geschützt und wird von der Firma E. Leybold's Nachf. in Köln a. Rh. zur Ausführung gebracht.