Titel: Elementares über die cyklischen Kurven.
Autor: Ebner
Fundstelle: Band 317, Jahrgang 1902, S. 405
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Elementares über die cyklischen Kurven. Von Dr. Ebner in Breslau. Elementares über die cyklischen Kurven. Im Jahrgang 1890 der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure gab Prof. Reuleaux eine Einteilung der cyklischen Kurven, die er in der Vorrede zu dem zweiten Bande seiner Kinematik (1900) kurzweg „unsere (der Ingenieure?) richtige Anschauung“ nennt. Leider entspricht bei näherem Zusehen die Reuleaux'sche Anschauung nicht ganz den hohen Erwartungen, die man auf Grund so stolzer Worte hegen darf. Vor allem lässt sie gänzlich eine Berücksichtigung der bedeutenden Fortschritte vermissen, die die mathematische Untersuchung der cyklischen Kurven in der neuesten Zeit gemacht hat. Die Folge davon ist eine gewisse Schwerfälligkeit und Unübersichtlichkeit der Darstellung, die nicht nur manches Ueberflüssige, sondern oft geradezu Falsches enthält. Will man nun nicht der von Reuleaux gewiss am wenigsten vertretenen Ansicht sein, dass das, was dem Mathematiker nicht mehr genügt, doch für den Mann der technischen Praxis noch vollständig ausreichend sei, so dürfte es nicht unangebracht scheinen, die Fehler Reuleaux' zu berichtigen und eine möglichst einwandfreie und durchsichtige Theorie der cyklischen Kurven zu geben, um so mehr, als die hier in Betracht kommenden Verhältnisse ganz elementarer Natur und selbst dem Verständnis eines technischen Mittelschülers ohne weiteres zugänglich sind. Diese Lücke in der technischen Litteratur auszufüllen, ist der Zweck der nachfolgenden Zeilen. Sie rechnen auf einiges Interesse in den Kreisen der deutschen Ingenieure, nicht nur, weil historisch in der mathematischen Renaissance des 17. und 18. Jahrhunderts die cyklischen Kurven mit ihrer bunten Fülle von Formen und Eigenschaften dieselbe Rolle spielen wie einst im Altertum die Kegelschnitte, sondern weil diese Kurven auch in enger Beziehung zur Konstruktion der Zahnräder stehen, und deshalb ihre zweckmässige und einfache Klassifizierung und Darstellung auch ein Bedürfnis der Technik ist, soweit diese wissenschaftlich betrieben und aufgefasst wirdAus der umfangreichen Litteratur über unseren Gegenstand seien hier nur kurz diejenigen wichtigsten Arbeiten genannt, die nicht wie Weissenborn, Hattendorf, Reuleaux u.a. Unrichtiges enthalten. Es sind dies:1.Bellermann, Epicykloiden und Hypocykloiden, Dissert. Jena 1867.2.Rittershaus, Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbefleisses, 1874.3.Burmester, Lehrbuch der Kinematik, Leipzig 1888.4.Vietor, Die Polkreispaare einer Cykloide, Zeitschrift für Mathematik und Physik, 1880 Bd. 25.5.Wiener, Doppelte Entstehungsweise der cyklischen Kurren, ibid. 1881 Bd. 26.6.Schilling, Ueber neue kinematische Modelle, ibid. 1899 Bd. 44.Von allen diesen Werken ist das erste zwar elementar gehalten, aber wenig durchsichtig; die übrigen sind teils recht umständlich, wie 4. und 5., oder sie setzen ein tieferes Eindringen in das Studium der Kinematik voraus. An 6. lehnt sich unsere Klassifikation im folgenden an.. Eine allgemeine cyklische Kurve werde folgendermassen definiert: Drehen sich zwei anstossende Seiten OA = a1 und OB = a2 eines Parallelogramms gleichförmig um den festen Punkt O, so dass das Verhältnis \frac{\omega_1}{\omega_2} ihrer Winkelgeschwindigkeiten immer konstant bleibt, so beschreibt die vierte Ecke C eine allgemeine cyklische Kurve oder TrochoideDiese Benennung statt der leicht Verwirrung stiftenden, auch von Reuleaux gebrauchten Bezeichnung „Cykloide“, wird neuerdings auch in England und Frankreich üblich; sie wurde schon 1800 von Young eingeführt. (Radlinie). Es soll zunächst gezeigt werden, dass diese Definition äquivalent ist mit der allgemein noch üblichen von dem Rollen eines Kreises auf oder in einem anderen Kreise. Textabbildung Bd. 317, S. 405 Fig. 1. Angenommen, die beiden Seiten OA und OB drehen sich in demselben Sinne: dann ist das Verhàltnis \frac{\omega_1}{\omega_2} stets > O. Als Anfangslage zur Zeit t = O sei dabei eine derjenigen Lagen des Parallelogramms gewählt, bei welcher O A und OB übereinander liegen. Nehmen wir dann noch ω2 > ω1, so ergibt sich zur Zeit t etwa beistehende Fig. 1. Wir können nun sofort die Tangente und Normale der Trochoide in C konstruieren. Denken wir uns allein OA um O mit der Winkelgeschwindigkeit ω1 rotieren, dagegen OB fest; dann beschreibt A während eines Zeitelementes dt einen kleinen Kreisbogen ds1 = a1 ω1 dt; den gleichen kleinen Bogen CC1 = ds1 beschreibt auch C, wobei wir für die Zeit dt CC1 senkrecht zu BC wählen können. Denken wir uns dagegen allein OB beweglich, dagegen OA fest, so beschreibt die vierte Ecke des Parallelogramms in analoger Weise ein Bogenelement CC2 = ds2 = a2 ω 2 dt senkrecht zu AC. Sind also beide Seiten OA und OB zugleich in Drehung, so beschreibt die vierte Ecke C die Diagonale CT des Parallelogramms aus CC1 und CC2 für das Zeitelement dt; CT ist mithin die Tangente der Trochoide in C und CN ihre Normale. Wir berechnen jetzt die Abschnitte der Normalen CN auf den beiden drehbaren Strecken OA und OB. Bezeichnen (Fig. 2) P1 und P2 die Schnittpunkte der Normalen CN mit OA und OB, so folgt aus den ähnlichen Dreiecken CC1 T und CAP1 bezw. CC1 T und CBP2 leicht unter Berücksichtigung der Werte von ds1 und ds2: \left{{P_1\,A=\frac{C\,C_1}{T\,C_1}\,\cdot\,A\,C=\frac{d\,s_1}{d\,s_2}\,\cdot\,a_2=a_1\,\frac{\omega_1}{\omega_2}}\atop{P_2\,B=\frac{T\,C_1}{C\,C_1}\,\cdot\,B\,C=\frac{d\,s_2}{d\,s_1}\,\cdot\,a_1=a_2\,\frac{\omega_2}{\omega_1}}}\right.\}\ .\ 1) Es liegt also unter der Voraussetzung ω2 > ω1 : P1 auf OA selbst, P2 dagegen auf der Verlängerung von OB über O hinaus. Weiter folgt: \left{{O\,P_1=a_1-P_1\,A=a_1\,\frac{\omega_2-\omega_1}{\omega_2}}\atop{O\,P_2=P_2\,B-a_2=a_2\,\frac{\omega_2-\omega_1}{\omega_1}}}\right\}\ .\ .\ 1') Textabbildung Bd. 317, S. 406 Fig. 2. Macht man nun die Abschnitte 1) und 1') zu Radien von Kreisen, deren Mittelpunkte für 1) die beiden Punkte A und B, für 1') der feste Punkt O sind, und bezeichnen E1 und E2 die Schnittpunkte der festen Kreise um O mit der Anfangslage OA0 CQ des Parallelogramms, D1 und D2 die Schnittpunkte der beweglichen Kreise um A und B mit den Verlängerungen von CA und CB über A und B hinaus, so folgt: \left{{arc\,P_1\,E_1=O\,P_1\,\cdot\,\omega_1\,t=a_1\,\frac{\omega_2-\omega_1}{\omega_2}\,\omega_1\,t}\atop{arc\,P_1\,D_1=P_1\,A\,\cdot\,(\omega_2-\omega_1)\,t=a_1\,\frac{\omega_1}{\omega_2}\,(\omega_2-\omega_1)\,t}}\right\}\ 2) und \left{{arc\,P_2\,E_2=O\,P_2\,\cdot\,\omega_2\,t=a_2\,\frac{\omega_2-\omega_1}{\omega_1}\,\omega_2\,t}\atop{arc\,P_2\,D_2=B\,P_1\,(\omega_2-\omega_1)\,t=a_2\,\frac{\omega_2}{\omega_1}\,(\omega_2-\omega_1)\,t}}\right\}\ 2') Es ist mithin Bogen P1 E1 = Bogen P1 D1 und Bogen P2 E2 = Bogen P2 D2. Oder: der Kreis vom Radius AP1 rollt aus der Anfangslage heraus, wo D1 auf E1 fällt, auf dem festen Kreis vom Radius OP1 ab; und ebenso rollt der Kreis vom Radius BP2 von der Anfangslage, bei der D2 auf E2 fällt, heraus auf dem festen Kreis vom Radius OP2 ab. Setzen wir noch zur Abkürzung: OP1= R1, OP2 = R2, AP1 = r1, BP2 = r2 . 3) so erhalten wir das Resultat: I. Drehen sich OA und OB in demselben Sinne \left(\frac{\omega_1}{\omega_2}\,>\,0\right), so beschreibt die vierte Ecke C des Parallelogramms OABC eine Kurve, die auch erzeugt werden kann durch Rollen eines Kreises vom Radius r1 auf einem festen Kreis vom Radius R1 bezw. durch das Rollen eines Kreises vom Radius r2 auf einem festen Kreis vom Radius R2. Im ersten Falle bleibt das Zentrum des festen Kreises von der Fläche des rollenden Kreises unbedeckt oder frei, im zweiten Falle dagegen bedeckt. Bei gegebenem a1, a2 und \frac{\omega_1}{\omega_2} bestimmen sich die Radien dieser Kreise aus den Gleichungen: \left{{R_1=a_1\,\left(1-\frac{\omega_1}{\omega_2}\right),\ r_1=a_1\,\frac{\omega_1}{\omega_2}}\atop{R_2=a_2\,\left(\frac{\omega_1}{\omega_2}-1\right),\ r_2=a_2\,\frac{\omega_2}{\omega_1}}}\right\}\ .\ .\ 4) Aus den Gleichungen 4) folgt noch: \left{{R_1+r_1=a_1,\ r_2-R_2=a_2}\atop{\frac{r_2}{R_2}-\frac{r_1}{R_1}=1}}\right\}\ .\ .\ .\ 5) d.h.: Die Entfernung des die Trochoide beschreibenden Punktes C von dem Mittelpunkt des rollenden Kreises des einen Paares ist stets gleich der Entfernung der beiden Mittelpunkte des anderen Kreispaares, und das Verhältnis der Radien des zweiten Kreispaares ist stets > 1, der rollende Kreis umschliesst also immer den festen Kreis. Aus den Gleichungen 4) ergibt sich: a_1=R_1+r_1,\ \frac{\omega_1}{\omega_2}=\frac{r_1}{R_1+r_1} . . . 6) d.h.: Sind die Radien R1 und r1 des einen Kreispaares gegeben, und kennt man die Entfernung a2 des beschreibenden Punktes C vom Mittelpunkt des Kreises vom Radius r1, so ist auch das zugehörige Parallelogramm der Grösse und Lage nach eindeutig bestimmt, wie man auch sofort aus Fig. 2 erkennt. Damit sind dann auch die Radien R2 und r2 des zweiten Kreispaares gegeben, das dieselbe cyklische Kurve erzeugt, indem der rollende Kreis den festen Kreis nicht von aussen, sondern von innen berührtDiese doppelte Erzeugung jeder cyklischen Kurve wurde zuerst von G. Bellermann, 1867, in der oben citierten Dissertation allgemein bewiesen. Sie macht die auch noch von Reuleaux unterschiedene sogen. Pericykloide für den Fall, dass der Rollkreis den festen Kreis umschliesst, ganz überflüssig, da dieselbe Kurve auch entsteht, wenn ein Kreis ausschliessend auf einem anderen rollt.. Textabbildung Bd. 317, S. 406 Fig. 3. Wir haben bisher angenommen, dass die beiden Seiten des Parallelogramms sich in gleichem Sinne drehen. Nun noch einige Worte über den Fall, dass sich OA und OB entgegengesetzt drehen, also \frac{\omega_1}{\omega_2} stets < O ist. Wir wählen ω1 negativ und seinen absoluten Wert (ω1) < ω2 (vgl. Fig. 3). Die Schnittpunkte P1 und P2 der Normalen in C mit den Seiten OA und OB des Parallelogramms fallen jetzt beide auf die Verlängerung von OA über A hinaus und von OB über B hinaus. Die Gleichungen 4) bleiben der Form nach ungeändert, nur dass \frac{\omega_1}{\omega_2} überall negativ zu nehmen ist. Wir erhalten so das Resultat: II. Drehen sich OA und OB in entgegengesetztem Sinne, so beschreibt die vierte Ecke C des Parallelogramms OABC eine cyklische Kurve, die auf doppelte Weise erzeugt werden kann; beide Male rollt ein Kreis von dem Radius r1 bezw. r2 innerhalb eines festen Kreises vom Radius R1 bezw. R2. Im ersten Falle bleibt das Zentrum des festen Kreises frei, im zweiten Falle wird es stets von der Fläche des Rollkreises bedeckt. Die Gleichungen 5) werden hier: \left{{R_1-r_1=a_1,\ R_2-r_2=a_2}\atop{\frac{r_2}{R_2}+\frac{r_1}{R_1}=1}}\right\}\ .\ .\ .\ 5') d.h.: Die Entfernung des die Trochoide beschreibenden Punktes von dem Mittelpunkte des Rollkreises des einen Paares ist auch hier gleich der Entfernung der beiden Mittelpunkte des anderen Kreispaares, und ist das Verhältnis der Radien des einen Kreispaares < 1, so ist es auch das des anderen, d.h. der kleinere Kreis rollt immer innerhalb des grösseren. Auch hier ist aus den gegebenen Radien des einen Kreispaares sowohl das Parallelogramm als auch das andere Kreispaar eindeutig bestimmt, sobald noch die Entfernung des beschreibenden Punktes vom Mittelpunkt seines Rollkreises bekannt ist. Fassen wir I. und II. nunmehr zusammen, so können wir den Satz aussprechen: III. Drehen sich zwei anstossende Seiten OA und OB eines Parallelogramms OABC so um den festen Punkt O, dass das Verhältnis \frac{\omega_1}{\omega_2} ihrer Drehgeschwindigkeiten stets > O ist, so beschreibt die vierte Ecke C eine Kurve, die auch auf doppelte Weise durch das Rollen eines Kreises auf einem anderen erzeugt werden kann; die Trochoide ist eine Epitrochoide. Ist dagegen \frac{\omega_1}{\omega_2} stets < O, so beschreibt C eine Kurve, die auch auf doppelte Weise durch das Rollen eines Kreises in einem anderen erzeugt werden kann; die Trochoide ist eine Hypotrochoide. Besondere Erwähnung verdient noch der Fall, dass \frac{\omega_1}{\omega_2}=\,\pm\,1 ist; im ersten Falle \left(\frac{\omega_1}{\omega_2}=+1\right) erkennt man sofort, dass die Epitrochoide ein Kreis vom Radius OC0 wird; im zweiten Falle \left(\frac{\omega_1}{\omega_2}=-1\right) findet man für das Verhältnis der Radien des festen und beweglichen Kreises beide Male: \frac{R_1}{r_1}=\frac{R_2}{r_2}=2 . . . . . 6) d.h. der Radius des im Innern des festen Kreises rollenden Kreises ist stets halb so gross als der des festen, oder die Hypotrochoide ist nach bekannten Sätzen eine Ellipse. Für Fig. 2 wurde \frac{\omega_1}{\omega_2}=\frac{1}{4}, Fig. 3 \frac{\omega_1}{\omega_2}=-\frac{1}{4} gewählt. Wir haben bisher zwei Hauptarten von cyklischen Kurven kennen gelernt, je nach dem Vorzeichen von \frac{\omega_1}{\omega_2}. Wir fragen jetzt, ob jede dieser Hauptarten noch besondere Unterarten aufweist. Zuerst die Epitrochoiden. Wir bilden zu dem Zwecke nochmals aus Fig. 1: \frac{C\,C_1}{C\,C_2}=\frac{d\,s_1}{d\,s_2}=\frac{a_1\,\omega_1}{a_2\,\omega_2}=\frac{\frac{\omega_1}{\omega_2}}{\frac{a_2}{a_1}} . . . 7) Hier sind offenbar drei Fälle zu unterscheiden: \frac{\omega_1}{\omega_2}=\frac{a_2}{a_1} . . . . . . . a) \frac{\omega_1}{\omega_2}\,<\,\frac{a_2}{a_1} . . . . . . . b \frac{\omega_1}{\omega_2}\,>\,\frac{a_2}{a_1} . . . . . . . c) Wir betrachten zuerst den Fall a): das zu der Konstruktion der Tangente in C benutzte Hilfsparallelogramm ist dann ein Rhombus, dessen Diagonalen den Winkel zweier anstossender Seiten halbieren. Um zu erkennen, ob die zu diesem Falle gehörige Epitrochoide ausgezeichnete Punkte enthält, untersuchen wir zunächst die ausgezeichneten Lagen der rotierenden Seiten OA und OB. Solche gibt es zwei: die Lage des Aufeinanderliegens wie in der Anfangslage und die Lage des Entgegengesetztliegens, wo der Winkel der beiden Seiten 180° beträgt. Während aber in jeder Lage des Aufeinanderliegens die Tangente CT = ds 1 + ds 2 wird, und sich der Radius vector OC der Kurve in demselben Sinne dreht wie OA und OB, wird für jede Lage des Entgegengesetztliegens: CT = ds1 – ds2, in unserem Falle also = O; da aber auch jetzt noch die Tangente den Winkel von ds1 und ds2 halbieren muss, so muss ihre Richtung in die Linie des Entgegengesetztliegens fallen. Diese Linie muss aber zugleich – wie jede Linie des Aufeinanderliegens – eine Symmetrale der Kurve sein, d.h. die Kurve muss gegen sie symmetrisch liegen. Mithin besitzt die Epitrochoide an jeder Stelle, wo sie eine Linie des Entgegengesetztliegens schneidet, einen Rückkehrpunkt oder Spitze (vgl. Fig. 4, wo für jede Lage I des Aufeinanderliegens die Kurventangente in C0 senkrecht zu OC 0 steht, für jede Lage II des Entgegengesetztliegens die Kurventangente in C0' auf die Richtung II fällt, die Kurve also in C0' eine Spitze hat). Textabbildung Bd. 317, S. 407 Fig. 4. Die Epitrochoide besitzt mithin soviel Spitzen, als Lagen des Entgegengesetztliegens von OA und OB vorhanden sind; fällt eine dieser Lagen mit der ersten Lage des Entgegengesetztliegens wieder zusammen, so schliesst sich die Kurve. Bezeichnen φ0 und φ0' die Winkel in Bogenmass, um welche sich OA und OB gedreht haben, bis sie zum erstenmal einen Winkel von 180° einschliessen, so ist: φ0' = φ0 + π . . . . . . 8) Da sich aber auch verhält: \frac{\varphi_0}{\varphi'_0}=\frac{\omega_1}{\omega_2}, so folgt aus 8): \varphi_0=\frac{\omega_1}{\omega_2-\omega_1}\,\cdot\,\pi,\ \varphi'_0=\frac{\omega_2}{\omega_2-\omega_1}\,\pi . . . . . . 8') Soll die Kurve also in sich zurückkehren, so muss ein ganzzahliges Vielfaches von φ0 gleich einem ganzzahligen Vielfachen von π, oder wenn m und n ganze Zahlen bezeichnen, so muss sein: \frac{\omega_2-\omega_1}{\omega_1}=\frac{m}{n} . . . . . . 9) Wir erhalten demnach als Bedingung des Schliessens der Kurve, dass das Verhältnis \frac{\omega_1}{\omega_2} der Drehgeschwindigkeiten ein rationales ist. Denkt man sich die Quotienten in 9) noch vollständig gehoben, so kann man setzen: m = ω2ω1, n = ω1 . . . . 10) d.h. die Kurve besitzt (ω2ω1) Spitzen, besteht also aus ebensoviel kongruenten Kurvenzügen und kehrt nach (ω1 Umdrehungen von OA in sich zurück, falls \frac{\omega_1}{\omega_2} rational ist. Wir können die Bedingung a) für die Existenz von Spitzen einer Epitrochoide aber noch anders ausdrücken, wenn wir sie auf die Gleichungen 4) anwenden. Aus diesen Gleichungen folgt nämlich in diesem Falle: \left{{R_1=a_1\,\left(1-\frac{a_2}{a_1}\right)=a_1-a_2}\atop{R_2=a_2\,\left(\frac{a_2}{a_1}-1\right)=a_1-a_2}}\right\}\ .\ .\ .\ 11) Es fallen mithin für den Fall a) die beiden konzentrischen festen Kreise in einen Kreis um O vom Radius (a1 – a2) zusammen. Weiter ergibt sich aus 4): \left{{\frac{r_1}{a_2}=\frac{\omega_1}{\omega_2}=1}\atop{\frac{r_2}{a_1}=\frac{\frac{\omega_2}{\omega_1}}{\frac{a_1}{a_2}}=1}}\right\}\ .\ .\ .\ .\ 11') d.h. der beschreibende Punkt C liegt für beide Erzeugungsweisen auf der Peripherie des Rollkreises selbst. Wir kommen zu dem Falle b): \frac{\omega_1}{\omega_2}\,<\,\frac{a_2}{a_1} oder ds1 < ds2; während in der Anfangslage die Drehung des Radius vector OC mit der des langsamen Radius OA übereinstimmt, ergibt sich für die erste Lage des Entgegengesetztliegens als Richtung der Tangente der Kurve die Richtung von ds2, d.h. der Drehungssinn des Vectors OC wird von hier ab entgegengesetzt zu dem von OA. Da aber schliesslich für die nächste Lage des Aufeinanderliegens der Drehungssinn des Vectors wieder der von OA werden muss, so muss die Kurve die Linie II des Entgegengesetztliegens noch einmal schneiden, mithin wegen ihrer Symmetrie zu dieser Linie eine Schleife um diese Linie bilden (vgl. Fig. 5) oder einen Doppelpunkt auf II besitzen. Die Gleichungen 4) ergeben in dem Falle b): \left{{\frac{r_1}{a_2}=\frac{\frac{\omega_1}{\omega_2}}{\frac{a_2}{a_1}}\,<\,1}\atop{\frac{r_2}{a_1}=\frac{\frac{a_2}{a_1}}{\frac{\omega_1}{\omega_2}}\,>\,1}}\right\}\ .\ .\ .\ 12) d.h. der die Kurve beschreibende Punkt C liegt bei der ersten Erzeugungsweise der Epitrochoide ausserhalb des Rollkreises, bei der zweiten hingegen innerhalb des zugehörigen rollenden Kreises (vgl. Fig. 2, wo \frac{\omega_1}{\omega_2}=\frac{1}{4}, \frac{a_2}{a_1}=\frac{1}{2} gewählt ist). Textabbildung Bd. 317, S. 408 Fig. 5. Wir betrachten nun den letzten Fall c): \frac{\omega_1}{\omega_2}\,>\,\frac{a_2}{a_1} oder ds1 > ds2; der Drehungssinn des Radius vector OC stimmt hier immer mit dem von OA überein, bleibt also auch in der Lage des Entgegengesetztliegens derselbe. Die Kurve schneidet demnach die Linie II nur einmal, besitzt aber an dieser Stelle eine Einsenkung, da OC0' gleich dem kleinsten Wert (a1 – a2) wird; sie geht schliesslich für a2 = O in den Kreis um O vom Radius a1 über und besitzt in gewissen Fällen zu beiden Seiten von II je einen Wendepunkt W und W', wo sie vom Konkaven zum Konvexen übergeht (vgl. Fig. 6); und zwar lehrt die Untersuchung der Krümmungsverhältnisse der Kurve, dass zwei Wendepunkte vorhanden sind, solange \frac{a_2}{a_1}\,>\,\left(\frac{\omega_1}{\omega_2}\right)^2 ist; die beiden Wendepunkte fallen in einen Punkt W0 von II zusammen, wenn \frac{a_2}{a_1}=\left(\frac{\omega_1}{\omega_2}\right)^2 ist, und die Kurve ist überall konkav gegen O, sobald \frac{a_2}{a_1}\,<\,\left(\frac{\omega_1}{\omega_2}\right)^2 ist. Für diejenigen Kurven, wo a_2=a_1\,\left(\frac{\omega_1}{\omega_2}\right)^2 ist, folgt aus 4): r_1=r_2=\sqrt{a_1\,a_2}Reuleaux bezeichnet diese gestreckten Trochoiden mit Wendepunkten als tropische Cykloiden.. Textabbildung Bd. 317, S. 408 Fig. 6. Die Gleichungen 4) ergeben hier noch: \left{{\frac{r_1}{a_2}=\frac{\frac{\omega_1}{\omega_2}}{\frac{a_2}{a_1}}\,>\,1}\atop{\frac{r_2}{a_1}=\frac{\frac{\a_2}{\a_1}}{\frac{\omega_1}{\omega_2}}\,<\,1}}\right\}\ .\ .\ .\ 13) d.h. der beschreibende Punkt O liegt hier bei der ersten Erzeugungsweise der Epitrochoide innerhalb, bei der zweiten hingegen ausserhalb des zugehörigen Rollkreises. Macht man die gleiche Untersuchung für die zweite Hauptart der Trochoiden: die Hypotrochoiden, so ergibt der Fall a): \left(\frac{\omega_1}{\omega_2}\right)=\frac{a_2}{a_1} ebenfalls eine Kurve mit Spitzen, nur dass diese Spitzen jetzt in jeder Lage des Aufeinanderliegens der beiden Radien OA und OB eintreten, da hier ds1 und ds2 entgegengesetzt gerichtet sind. Ebenso ergibt der Fall b): \left(\frac{\omega_1}{\omega_2}\right)\,<\,\frac{a_2}{a_1} wieder Schleifen, der Fall c): \left(\frac{\omega_1}{\omega_2}\right)\,>\,\frac{a_2}{a_1} nur Wellenlinien mit eventuellen Wendepunkten. Fassen wir die drei Fälle der beiden Kurvenarten zusammen, so können wir sagen: IV. Je nachdem bei einer Epi- oder Hypotrochoide der absolute Wert von \frac{\omega_1}{\omega_2}\,{{\leq}\atop{>}}\,\frac{a_2}{a_1} ist, besitzt die Kurve Spitzen, Schleifen oder blosse Dehnungen. Demgemäss heisst die Kurve für: \left(\frac{\omega_1}{\omega_2}\right)=\frac{a_2}{a_1}: gespitzt, für: \left(\frac{\omega_1}{\omega_2}\right)\,<\,\frac{a_2}{a_1}: verschlungen, für: \left(\frac{\omega_1}{\omega_2}\right)\,>\,\frac{a_2}{a_1}: gedehnt oder gestreckt. Die gespitzte Epitrochoide heisse kurz: Epicykloide. Die gespitzte Hypotrochoide heisse kurz: Hypocykloide. Bei der gespitzten Kurve fallen die beiden Grundkreise der doppelten Erzeugungsweise dieser Kurve zusammen, und der beschreibende Punkt liegt in beiden Fällen auf der Peripherie des Rollkreises. Bei der verschlungenen Kurve liegen der beschreibende Punkt und der Mittelpunkt des festen Grundkreises entweder beide ausserhalb des Rollkreises (Kurve mit freiem Zentrum) oder beide innerhalb des Rollkreises (Kurve mit bedecktem Zentrum). Textabbildung Bd. 317, S. 409 Fig. 7. Textabbildung Bd. 317, S. 409 Fig. 8. Bei der gestreckten (gedehnten) Kurv! liegt der beschreibende Punkt entweder ausserhalb, der Mittelpunkt des festen Grundkreises dagegen innerhalb des Rollkreises (Kurve mit bedecktem Zentrum) oder umgekehrt (Kurve mit freiem Zentrum). Die Unterscheidungen des Satzes IV. fallen für den Fall \frac{\omega_1}{\omega_2}=\pm\,1 fort; die gespitzten Hypotrochoiden sind im Falle \frac{\omega_1}{\omega_2}=-1 die Durchmesser des festen Kreises. Besondere Erwähnung verdient noch der Fall, dass in den Gleichungen 4) a1 = ∞, \frac{\omega_1}{\omega_2}=O wird. Die Gleichungen ergeben dann: \frac{r_1}{R_1}=O,\ \frac{r_2}{R_2}=\frac{\infty}{\infty}=1. Der Punkt O des Parallelogramms rückt dann in die Unendlichkeit, der feste Kreis vom Radius R1 wird zu einer Geraden, auf welcher der Kreis vom endlichen Radius r1 rollt; das zweite Kreispaar rückt in die Unendlichkeit. Man erhält dann die gemeine Cykloide, die verschlungen, gespitzt oder gestreckt heisst, je nachdem a2 > r1 ,  a2 = r1 oder a2 < r1 ist (vgl. Fig. 7). Ein zweiter spezieller Fall ist noch in den Gleichungen 4) der, dass: a1 = a2 = ∞, \frac{\omega_1}{\omega_2}=1. Man erhält dann: \frac{r_1}{R_1}=\infty,\ \frac{r_2}{R_2}=\infty d.h. die beiden Kreispaare werden identisch, die Rollkreise dabei zu Kreisen vom Radius ∞, d. i. zu einer Geraden, die auf dem festen Grundkreis abrollt. Man erhält so die verschlungene, gespitzte oder gestreckte Kreisevolvente, je nachdem der beschreibende Punkt mit dem Mittelpunkt des festen Kreises auf derselben Seite der rollenden Geraden oder auf der Geraden selbst oder auf der entgegengesetzten Seite liegt (vgl. Fig. 8). Die oben gegebene Einteilung der cyklischen Kurven ist also für alle Fälle ausreichend; will man noch ein übriges thun, so mag man die besonderen verschlungenen Trochoiden, die entstehen, wenn \frac{a_2}{a_1}=1 ist, die Kurve also durch den festen Kreismittelpunke geht, wegen ihrer sternförmigen Gestalt als sternförmige Trochoiden bezeichnenReuleaux nennt diese sternförmigen Trochoiden: homozentrische Cykloiden; für sie hat Durège bereits 1864 in der Zeitschrift für Mathematik und Physik die doppelte Erzeugungsweise nachgewiesen.Die Bezeichnung von Reuleaux u.a. „verlängerte und verkürzte Cykloide“, je nachdem der beschreibende Punkt ausserhalb oder innerhalb des Rollkreises liegt, ist dagegen infolge der doppelten Erzeugungsweise jeder Trochoide widersinnig, da ein und dieselbe Kurve nach der einen Erzeugungsweise eine „verlängerte“, nach der anderen aber zugleich eine „verkürzte“ wäre. Damit ist auch der von Reuleaux, Kinem., S. 15 ff., geführte Beweis, dass die „verlängerte Epicykloide“ ganz anders aussieht, als die „verlängerte Pericykloide“, hinfällig; man muss die „verlängerte Epicykloide“ eben mit der „verkürzten Pericykloide“ vergleichen, wenn man die Identität der Pericykloide mit einer Epicykloide erkennen will, nicht mit der verlängerten., ebenso wie man die Epitrochoiden des Falles \frac{\omega_1}{\omega_2}=\frac{1}{2} als Pascal'sche Kurven zu benennen pflegt. Die analytischen Gleichungen der Trochoiden, die sonst gewöhnlich rein geometrisch abgeleitet werden, ergeben sich hier recht einfach. Führt man in Fig. 1 die Anfangslage t = O als x-Achse eines rechtwinkligen Koordinatensystems ein, dessen Ursprung O ist, so folgt sofort durch Projektion von O A und OB auf die x-Achse bezw. auf die y-Achse: \left{{x=a_1\,cos\,\omega_1\,t+a_2\,cos\,\omega_2\,t}\atop{y=a_1\,sin\,\omega_1\,t+a_2\,sin\,\omega_2\,t}}\right\}\ .\ .\ 14) Für die Hypotrochoiden ist hierin ω1 als negativ zu wählen; für den speziellen Fall ω1 = – ω2 erhält man aus 14) durch Quadrieren und Addieren: \frac{x^2}{(a_1+a_2)^2}+\frac{y^2}{(a_1-a_2)^2}=1 . . . 14') d. i. in der That eine Ellipse mit den Halbachsen (a1 + a2) und (a1 – a2), die also auch den cyklischen Kurven angegliedert werden kann. Um die Radien der Erzeugungskreise in 14) einzuführen, benutzen wir die Gleichungen 14); dabei können wir entweder ω1 t = φ1 als Kurvenparameter wählen und ω2 t mittels 4) eliminieren, oder wir setzen ω2 t = φ2 und eliminieren ω1 t. Im ersten Falle betrachten wir die Trochoide so entstanden, dass sich OA gleichförmig um O und zugleich AC gleichförmig um A dreht; im zweiten Falle dreht sich OB gleichförmig um O und BG zugleich gleichförmig um B. Wir erhalten im ersten Falle (ω1 t = φ1) als Gleichung der Epitrochoide mit freiem Zentrum: \left{{x=(R_1+r_1)\,cos\,\varphi_1+a_2\,cos\,\frac{R_1+r_1}{r_1}\,\varphi_1}\atop{y=(R_1+r_1)\,sin\,\varphi_1+a_2\,sin\,\frac{R_1+r_1}{r_1}\,\varphi_1}}\right\}\ .\ 15) Im zweiten Falle (ω2 t = φ2) erhalten wir als Gleichung der Epitrochoide mit bedecktem Zentrum: \left{{x=a_1\,cos\,\frac{R_2-r_2}{r_2}\,\varphi_2+(r_2-R_2)\,cos\,\varphi_2}\atop{y=a_1\,sin\,\frac{r_2-R_2}{r_2}\,\varphi_2+(r_2-R_2)\,sin\,\varphi_2}}\right\}\ .\ 15') In derselben Weise ergibt sich für negative Werte von \frac{\omega_1}{\omega_2} als Gleichung der Hypotrochoide mit freiem Zentrum (w1 t = φ1) aus 4): \left{{x=(R_1-r_1)\,cos\,\varphi_1+a_2\,cos\,\frac{r_1-R_1}{r_1}\,\varphi_1}\atop{y=(R_1-r_1)\,sin\,\varphi_1+a_2\,sin\,\frac{r_1-R_1}{r_1}\,\varphi_1}}\right\}\ .\ 16) bezw. als Gleichung der Hypotrochoide mit bedecktem Zentrum (φ2 t = φ2): \left{{x=a_1\,cos\,\frac{r_2-R_2}{r_2}\,\varphi_2+(R_2-r_2)\,cos\,\varphi_2}\atop{y=a_1\,sin\,\frac{r_2-R_2}{r_2}\,\varphi_2+(R_2-r_2)\,sin\,\varphi_2}}\right\}\ .\ 15') Für a2 = r1 bezw. a1 = r2 erhält man aus 15) und 15') die Gleichung der Epicykloide, aus 16) und 16') die der Hypocykloide.