Titel: | Moderne Lade- und Transporteinrichtungen für Kohle, Erze und Koks. |
Autor: | Georg v. Hanffstengel |
Fundstelle: | Band 317, Jahrgang 1902, S. 711 |
Download: | XML |
Moderne Lade- und Transporteinrichtungen für Kohle, Erze und Koks.
Von Georg v. Hanffstengel, Ingenieur in Stuttgart.
(Fortsetzung v. Seite 597 d. Bd.)
Moderne Lade- und Transporteinrichtungen für Kohle, Erze und Koks.
Link-Belt-Förderer für Gaskoks.
Dieser Transporteur, der in Fig. 62 skizziert ist,
dient dem gleichen Zweck, wie die Brouwer'sche Rinne,
nämlich die glühend aus den Retorten kommenden Koksstücke aufzunehmen und sie
schon während des Transportes abzulöschen. Die Aufgabe wird hier, wie die Abbildung
zeigt, durch eine Art von liegendem Becherwerk erreicht, dessen Becher vor der
Aufgabestelle mit Wasser gefüllt werden, das beim Weitertransport allmählich
verdampft und dabei die Koks
abkühlt. Die Becher hängen zwischen zwei Flacheisenketten, die an den Gelenken
mit kleinen Laufrollen versehen sind. Die Schmierung der Rollen erfolgt
selbstthätig, ähnlich wie bei dem später zu beschreibenden Link-Belt-Förderer für Transport in beliebiger Richtung.
Textabbildung Bd. 317, S. 712
Fig. 62. Link-Belt-Förderer für Gaskoks.
Für Deutschland hat Wilhelm Fredenhagen, Offenbach a.
M., den Bau dieser aus Amerika stammenden Vorrichtung übernommen.
Schnecken und Spiralen.
Ein Fördermittel, das für Getreide und ähnliche Stoffe sehr viel verwandt wird, für
Kohle aber geringere Bedeutung besitzt, ist die Transportschnecke. Sie besteht aus
einem spiralförmig gewundenen, 3–5 mm starkem Blech, das auf ein schmiedeeisernes
Rohr oder eine Welle aufgezogen wird. In einem eisernen Troge wird die Schnecke an
beiden Enden fest gelagert und schiebt bei der Drehung das Fördergut vor sich her,
wobei dieses gewissermassen die bewegliche Mutter für die festliegende Schraube
bildet. Bei Längen über 3–4 m muss die Welle auch an Zwischenpunkten gelagert
werden. Die Beschickung kann an beliebiger Stelle geschehen, die Entleerung erfolgt
durch Oeffnungen mit Schieberverschluss, wie beim Kratzer.
Fig. 63 und 64 zeigen
Ausführungen von Gebr. Commichau, Magdeburg.
Textabbildung Bd. 317, S. 712
Fig. 63. Transportschnecke von Gebr. Commichau.
Die Schnecke zeichnet sich durch grosse Einfachheit der Konstruktion aus, und man
verwendet sie deshalb für kurze Entfernungen und kleine Leistungen sehr gern, zumal
die Anschaffungskosten niedrig sind. Bedienung ist fast garnicht erforderlich, da
nur einige Lager geschmiert werden müssen.
Textabbildung Bd. 317, S. 712
Fig. 64. Transportschnecke (Linksgewinde) von Gebr. Commichau.
Jedoch eignet sich die Schnecke nur für Kohle von geringer Korngrösse. Kommen
grössere Stücke vor, so treten leicht Klemmungen und Verstopfungen ein, besonders an
den Zwischenlagern, wo das Gewinde auf eine kurze Strecke unterbrochen ist.
Sehr begünstigt werden diese Störungen' die unter Umständen Brüche im Gefolge haben
können, durch ungleichmässige Aufgabe des Materials. Man verwendet daher die
Förderschnecke im allgemeinen nur für Nusskohle.
Ein weiterer Nachteil der Schnecke ist ihr hoher Kraftverbrauch, welcher den des
Kratzers noch übertrifft, da einmal das Fördergut im Troge entlang gleitet, dann
aber auch die Schnecke selbst sich durch das Material hindurcharbeiten muss. Für
grössere Förderlängen, wenigstens wenn es sich um erhebliche Leistungen handelt,
verbietet sich daher ihre Anwendung fast immer, und es bleibt ihr demnach nur ein
sehr beschränktes Verwendungsgebiet übrig. Am häufigsten findet man sie in
Kesselhäusern, wo mit der mechanischen Zuführung der Kohle eine selbstthätige
Rostbeschickung verbunden ist, da diese gewöhnlich eine Kohle von gleichmässiger,
geringer Korngrösse verlangt und die Fördermenge sehr gering zu sein pflegt.
Bezeichnet man mit
d den Durchmesser der Schnecke in
m
s die Steigung „ „ „ „
n die Umdrehungszahl der Schnecke
pro Minute
φ den Füllungskoeffizienten, d.h.
eine Zahl, die
angiebt, der wievielte Teil des Schneckentroges bei der
Förderung mit Material gefüllt ist, so ergiebt sich die stündliche Fördermenge in
cbm
Q=\frac{\pi}{4}\,d^2\,\cdot\,s\,\cdot\,n\,\cdot\,60\,\cdot\,\varphi
Hierin ist \varphi=\frac{1}{3} bis \frac{1}{5} zu setzen, der letztere Wert bei grossen
Schnecken. Dem Katalog von Gebr. Commichau sind
folgende Angaben entnommen:
d =
100
140
200
300
400
500
mm
s =
80
111
167
250
333
333
mm
n =
100
100
70
60
50
50
mm
Q =
1,2
3,3
7,3
15,5
31,0
48,0
cbm.
Wo Störungen beim Betriebe mit Schnecke zu befürchten sind, verwendet man an ihrer
Stelle häufig Flacheisenspiralen nach Fig. 65
(Ausführung von Amandus Strenge, Hamburg).
Diese haben den Vorteil, dass infolge der offenen Gänge nicht so leicht
Verstopfungen eintreten, was namentlich bei unregelmässiger Materialzuführung von
Wichtigkeit ist. Ausserdem sind sie widerstandsfähiger gegen Abnutzung als die
dünnen Schneckenbleche. Das Flacheisen kann auch durch eine Rundeisenspirale ersetzt
werden.
Textabbildung Bd. 317, S. 713
Fig. 65. Flacheisenspirale von Strenge.
Amandus Strenge stellt die Spiralen aus Stahl her und
giebt ihnen normal folgende Abmessungen:
Durchmesser der Spiralen in mm
100
200
300
500
Querschnitt des Flachstahles
20×5
38×7
64×7
76×7
Schüttelrinnen.
Die Schüttelrinnen, häufig auch Förderrinnen genannt, sind ihrer Einfachheit und
Betriebssicherheit wegen für viele Fälle ein ganz vorzügliches Transportmittel,
besonders wenn es sich um kleine Leistungen handelt. Man hat zu unterscheiden
Schüttelrinnen, die zugleich in horizontaler und vertikaler Richtung schwingen, und
solche mit rein horizontaler Bewegung. Bei den ersteren wird die Veränderlichkeit
des Auflagedrucks und damit des Gleitwiderstandes des Materials beim raschen Auf-
und Niederschwingen für die Förderung ausgenutzt, während das zweite System im
wesentlichen darauf beruht, dass Rinne und Material zusammen langsam vorwärts bewegt
und dann die Rinne so rasch zurückgezogen wird, dass der Beschleunigungswiderstand
des Materials die Reibung auf dem Rinnenboden überwiegt, also nur eine Verzögerung
der Bewegung des Fördergutes, aber kein oder nur geringes Zurücknehmen eintritt.
Textabbildung Bd. 317, S. 713
Schüttelrinne von Gebr. Commichau.
Eine Schüttelrinne der ersten Art ist in Fig. 66–68 nach Ausführung von
Gebr. Commichau, Magdeburg-Sudenburg, dargestellt.
Eine aus dünnem Blech gebogene Rinne wird von schräg gestellten Holzfedern
unterstützt und durch eine Kurbel mit langer hölzerner Pleuelstange in
schwingende Bewegung versetzt. Der Kopf der Stange ist mit dem Rinnenboden fest
durch Schrauben verbunden, sodass der Ausschlag durch ihre Federung aufgenommen
werden muss. Die Antriebswelle ist in einem kräftigen Bock gelagert und trägt ausser
Fest- und Losscheibe ein Schwungrad auf jeder Seite zum Ausgleich der
Massenwirkungen.
Die Tourenzahl der Schüttelrinne wird meist zwischen 350 und 450 gewählt, der
Kurbelradius 10–15 mm. Die Stärke des Rinnenblechs kann zu 2½–4 mm angenommen
werden, je nach der Art des Fördergutes. Für Koks ist des stärkeren Verschleisses
wegen grössere Blechstärke erforderlich, als für Kohle. Infolge der hohen Umlaufzahl
treten beträchtliche Massendrücke auf, die sehr kräftige Ausbildung und Verankerung
der Lager sowie solide Unterstützung der Tragfedern notwendig machen. Man verwendet
deshalb die Schüttelrinne am besten für Förderung zu ebener Erde und befestigt die
Teile auf zwei längs gelegten Holzbalken oder ⊏-Eisen. Indessen ist die Aufstellung
in Stockwerken, auf Brücken usw. keineswegs ausgeschlossen, besonders wenn man sich
mit mässigen Tourenzahlen begnügt. Auch kann man z.B. die Schüttelrinne an der Decke
aufhängen.
Die Herstellung der Pleuelstange aus einem elastischen Material wie Holz vermindert
die Erschütterungen, indessen werden häufig auch eiserne Stangen verwandt, die mit
elastischer Zwischenlage an der Rinne zu befestigen sind. Gelenke, die Schmierung
erfordern, vermeidet man, soweit als möglich, sodass in der Regel nur der
Pleuelstangenkopf und die Kurbelwellenlager zu bedienen sind, die alle sehr breite
Laufflächen erhalten. Die Stützfedern aus Eschenholz werden nur bei sehr schwerer
Belastung durch Rundeisenstangen ersetzt, so bei der Konstruktion Fig. 69, die gleichfalls von Gebr. Commichau herrührt.
Das Material kann an beliebiger Stelle aufgegeben werden und wird am Ende der Rinne
ausgeworfen, falls man nicht durch Aufziehen von Schiebern im Rinnenboden eine
frühere Entleerung herbeiführt.
Die Wirkungsweise der Schüttelrinne soll an einem Beispiel erläutert werden. Es
sei:
der Kurbelradius r = 0,015 m,
die minutliche Umlaufzahl n = 400,
also die Geschwindigkeit des Kurbelzapfens
c=\frac{2\,\pi\,\cdot\,0,015\,\cdot\,400}{60}=0,628\mbox{ m pro Sek.}
der Neigungswinkel der Stützfedern gegen die Vertikale
α
=
20°,
demnach
tg α
=
0,364,
der Reibungskoeffizient des geförderten Gegenstandes gegenüber
der Rinne f = 0,4.
Der Ausschlag der Rinne ist sehr klein gegenüber der Länge der Pleuelstange und der
Stützfedern, die deshalb als unendlich lang angesehen werden dürfen. Ein Punkt der
Rinne bewegt sich also nach Fig. 70 auf einer
unter dem ∢ α gegen die Horizontale geneigten Geraden a1
b1. Die Antriebswelle
liege in einer Horizontalen mit dem Angriffspunkt der Pleuelstange, eine
vereinfachende Annahme, die praktisch im allgemeinen nicht zutreffen wird, aber nur
geringen Einfluss auf das Rechnungsergebnis hat.
Textabbildung Bd. 317, S. 714
Fig. 69. Schüttelrinne von Gebr. Commichau.
Die horizontale Beschleunigung der Rinne bei einem bestimmten Drehwinkel φ ist \frac{c^2}{r}\,\cdot\,cos\,\varphi und, wie aus Fig. 70 hervorgeht, die vertikale Beschleunigung \frac{c^2}{r}\,\cdot\,cos\,\varphi\,\cdot\,tg\,c.
Textabbildung Bd. 317, S. 714
Fig. 70.
Der Auflagedruck des in der Rinne sich bewegenden Kernes vom
Gewichte G beträgt daher:
N=G+\frac{G}{g}\,\cdot\,\frac{c^2}{r}\,\cdot\,cos\,\varphi\,\cdot\,tg\,\alpha
Am grössten ist N für φ = 0, wo cos φ = 1, am
kleinsten für φ = π, wo cos φ =
– 1 wird. Für diese beiden Kurbelstellungen ergiebt sich im vorliegenden
Fall:
N=G\,\left(1+\frac{0,628^2}{9,81\,\cdot\,0,015}\,\cdot\,0,364\right)
=1,975\,g\mbox{ bezw. }0,025\,G
Bei geringer Vergrösserung der Umlaufzahl wäre das zweite Glied in der Klammer > 1,
also der Auflagedruck im Hubwechsel b negativ, d.h. der
Kern würde sich von der Rinne abheben und eine springende Bewegung machen.
Der Gleitwiderstand des Kernes bei einem beliebigen ∢ φ
ist:
R=f\,\cdot\,N=f\,(G+\frac{G}{g}\,\frac{c^2}{r}\,\cdot\,cos\,\varphi\,\cdot\,tg\,a)
Diese Kraft allein beeinflusst die Bewegung des Kernes in horizontaler Richtung,
indem sie sich dem Gleiten auf dem Rinnenboden widersetzt. Sie beschleunigt den
Kern, solange die Geschwindigkeit der Rinne grösser ist, und verzögert ihn, sobald
er der Rinne vorauseilt. Die positive bezw. negative Beschleunigung des Kernes durch
die Reibung beträgt:
p=\frac{R}{m}=\frac{f\,(G+\frac{G}{g}\,\frac{c^2}{r}\,\cdot\,cos\,\varphi\,\cdot\,tg\,a)}{\frac{G}{g}}
p=f\,(g+\frac{c^2}{r}\,\cdot\,cos\,\varphi\,\cdot\,tg\,a) . . . . . (1
Dieser Wert ist massgebend für die Bewegung des Kernes, da er die höchste erreichbare
Beschleunigung darstellt. Die horizontale Beschleunigung oder Verzögerung der Rinne
selbst kommt nur dann in Frage, wenn einmal Rinne und Kern sich gemeinsam, also mit
gleicher Geschwindigkeit bewegen, und die Beschleunigung der Rinne < p ist. Das kann aber in allen praktischen Fällen, wie
bei näherer Verfolgung des Vorgangs leicht nachzuweisen ist, in keinem Augenblick
eintreten.
Mit Einsetzung der gegebenen Grossen findet sich:
p = 3,92 + 3,83 . cos φ .
. . . . . (1 a)
In Fig. 71 sind die hieraus berechneten Werte von p aufgetragen, bezogen auf den Drehwinkel φ.
Fig. 72 enthält die Kurven der Geschwindigkeiten von
Rinne und Kern. Erstere (= c . sin φ) ist voll ausgezogen, letztere gestrichelt gezeichnet. Sie gilt für
den ersten Umgang der Rinne und ist aus den weiter unten entwickelten Gleichungen
berechnet.
Nehmen wir bei Betrachtung des Fördervorganges zunächst an, dass bei φ = 0 der Kern in Ruhe ist, so muss er zu Beginn der
Kurbeldrehung ziemlich rasch beschleunigt werden, ohne zunächst die Geschwindigkeit
der Rinne zu erreichen. Dies kann erst im zweiten Quadranten eintreten, wenn die
Rinne sich wieder verzögert hat, etwa bei dem ∢ φ1. Für die hier erreichte Kerngeschwindigkeit v1 giebt die Fläche
über \overline{0\,\varphi_1} in Fig. 71 ein Mass. Ihr Inhalt
ist
\int\limits_0^{\varphi_1}\,p\,d\,\varphi=\omega\,\int\limits_0^{\varphi_1}\,p\,d\,t=\omega\,\cdot\,v_1
wenn mit ω die konstante
Winkelgeschwindigkeit der Kurbel bezeichnet wird. Die Fläche ist also proportional
der Kerngeschwindigkeit.
Von jetzt an eilt der Kern der Rinne vor, wird also verzögert, aber, wie Fig. 71 zeigt, in sehr geringem Masse,
da die Beschleunigung der Rinne nach unten an dieser Stelle sehr gross und
infolgedessen der Auflagedruck und die Reihung klein sind. Bei der Weiterdrehung der
Kurbel über π hinaus wächst die Verzögerung und der
Kern wird zur Ruhe kommen, wenn der Inhalt der links steigend schraffierten Fläche,
der die negative Beschleunigungswirkung darstellt, gleich dem der positiven, rechts
steigend schraffierten Fläche geworden ist. Wie aus der Gestalt der Kurve leicht
ersichtlich, kann dies erst sehr spät, kurz vor dem Hubwechsel eintreten. Der Rest
des Rücklaufs dient nun dazu, den Kern zunächst rückwärts in Bewegung zu setzen, bis
seine Geschwindigkeit bei ∢
φ2 gleich der der Rinne
ist, und ihn dann wieder zu bremsen, sodass er bei φ =
2
π eine gewisse geringe Geschwindigkeit nach rückwärts
hat.
Textabbildung Bd. 317, S. 715
Fig. 71. Beschleunigungskurve.
Textabbildung Bd. 317, S. 715
Fig. 72. Geschwindigkeitskurven.
Beim Beginn des Vorlaufs wird diese zunächst vernichtet, was
infolge der anfänglich starken verzögernden Wirkung sehr bald geschieht, und dann
der Kern wieder vorwärts bewegt. Die während der Beschleunigungsperiode erreichte
Geschwindigkeit v1 muss
jetzt, beim zweiten Umlauf, naturgemäss etwas kleiner, also φ1 grösser sein, als vorher.
Dementsprechend wird die Rücklaufgeschwindigkeit grösser und φ2 kleiner. Bei dem nächsten Hube tritt
derselbe Vorgang ein, indem φ
1 nach rechts, φ2 nach links rückt, solange bis ein
Beharrungszustand erreicht, also die negative Beschleunigungswirkung gleich der
positiven geworden ist, oder die beiden schraffierten Flächen über φ1
φ2 und φ2
φ1 denselben Inhalt
haben. Erheblich grössere Werte kann die Rücklaufgeschwindigkeit dabei nicht
annehmen. Da nämlich die Fläche φ1
π gleich der über φ22
π werden muss, die erstere aber sich beständig
verkleinert, so wird, wie aus der Figur leicht hervorgeht, die Strecke φ22
π und damit die negative Geschwindigkeit sehr klein
bleiben.
Nimmt man an, dass beim Anlauf der Kurbelzapfen statt in a sich in b befindet (Fig. 70), so tritt ein ähnlicher Vorgang ein, der mit
Hilfe des Diagrammes, Fig. 71, leicht zu verfolgen
ist. Der Beharrungszustand wird jetzt von der entgegengesetzten Seite her, aber erst
nach längerer Zeit erreicht.
Für das vorliegende Beispiel ergiebt sich unter Festhaltung der obigen Voraussetzung,
dass nämlich bei φ = 0 der Kern in Ruhe war, und mit
Benutzung von Gleichung (1 a) die Geschwindigkeit des Kernes an beliebiger
Stelle:
v=\int\,p\,d\,t-\frac{r}{c}\,\int\limits_0^{\varphi}\,p\,d\,\varphi=\frac{0,015}{0,628}\,\int\limits_0^{\varphi}\,(3,92+3,83\,\cdot\,cos\,\varphi)\,d\,\varphi
v = 0,0937 . φ + 0,0914 .
sin φ . . . . (2)
Nach dieser Gleichung ist der erste Teil der in Fig.
72 eingetragenen Kurve für v bestimmt. Sie
ergiebt z.B. für \varphi=\frac{\pi}{2}:
v=0,0937\,\cdot\,\frac{\pi}{2}+0,0914\,\cdot\,1=0,238\mbox{ m pro Sek.}
Es ist jetzt der ∢
φ1 zu ermitteln, bei
dem Gleichheit der Geschwindigkeiten von Rinne und Kern eintritt. Erstere ist:
c . sin φ = 0,628 . sin φ
Somit gilt:
0,628 . sin φ1 = 0,0937 . φ1 + 0,0914 . sin φ1
Daraus findet sich:
φ1 = 2,66 (= 152° 20'), sin φ1 = 0,464
und
v1 = 0,628 . 0,464 =
0,291 m pro Sek.
Im weiteren Verlauf eilt der Kern vor, wird also verzögert, und das bisherige
Bewegungsgesetz verliert seine Giltigkeit. An seine Stelle tritt die Gleichung:
v=v_1-\int\limits_{\varphi_1}^{\varphi_1}\,p\,d\,t=v_1-\int\limits_0^{\varphi}\,p\,\cdot\,d\,t+\int\limits_0^{\varphi_1}\,p\,\cdot\,d\,t
oder, da das letzte Glied wieder = v1 ist:
v=2\,v_1-\int\limits_0^{\varphi}\,p\,\cdot\,dt
v = 2 . 0,291 – (0,0937 φ
+ 0,0914 sin φ) . . . (3)
Das ergiebt z.B. für den Hubwechsel mit φ = π, sin φ = 0:
vb = 0,288 m pro
Sek.
Die Geschwindigkeit hat also auf der Strecke von φ1 bis π nur ganz wenig
abgenommen.
Nunmehr ist ∢
φ2 zu bestimmen, bei
dem die negativen Geschwindigkeiten übereinstimmen. Dazu dient die Gleichung:
0,628 . sin φ2 = 2 . 0,291 – 0,0937 φ2 – 0,0914 . sin
φ2 . φ2
φ2 = 6,275 (= 359°
32'), sin φ2 = – 0,008
Die Geschwindigkeit ist also in diesem Augenblicke:
v2 = – 0,628 . 0,008 =
– 0,005 m pro Sek.
Bis zum Hubwechsel wird die rückläufige Geschwindigkeit noch bis auf
va' = – 0,0035 m
verzögert, eine Grösse, die praktisch fast verschwindet. Für
den Gleichgewichtszustand können sich demnach die Verhältnisse nicht mehr wesentlich
verschieben, da die zuerst gemachte Annahme: v = 0 bei
φ = 0 angenähert zutrifft. Eine absolut genaue
Ermittelung des Beharrungszustandes ist nur durch Probieren möglich.
Für den Kern lässt sich nun weiter der während eines Hubes zurückgelegte Weg
bestimmen, wenn man die Einzelwege während der verschiedenen Perioden aus der
Formel
s=\int\,v\,dt-\frac{r}{c}\,\int\,v\,\cdot\,d\,\varphi
berechnet. Das soll im vorliegenden Falle angenähert
geschehen, indem für die Strecke von 0 bis φ1 die Gleichung (2), für die Strecke φ1 bis 2 π Gleichung (3) als gültig angenommen
wird. Beides trifft mit grosser Annäherung zu, bei andern Rechnungsgrundlagen,
die grössere Rücklaufgeschwindigkeit ergeben, wäre diese Annahme natürlich
verkehrt.
Der Weg für die Strecke 0 bis φ1 = 2,66 ist:
s_1=\frac{r}{c}\,\int\limits_0^{\varphi_1}\,(0,0937\,\varphi+0,0914\,\cdot\,sin\,\varphi)\,d\,\varphi
=\frac{0,015}{0,628}\,\left[\frac{1}{2}\,0,0937\,\cdot\,2,66^2-0,0914\,(cos\,2,66-cos\,0)\right]
s1 = 0,0120 m
Für die Strecke von φ1
bis 2
π dagegen gilt:
s_2=\frac{r}{c}\,\int\limits_{\varphi_1}^{2\,\pi}\,(0,582-0,0937\,\varphi-0,0914\,\cdot\,sin\,\varphi)
s2 = 0,0181 m
Also ist der Gesamtweg während eines Hubes:
s = s1 + s2 = 0,0301 m
Mit n = 400 folgt dann die mittlere Geschwindigkeit des
Kernes:
v_m=0,0301\,\frac{400}{60}=0,20\mbox{ m pro Sek.}
Je kleiner die Umlaufzahl, um so geringer ist die Förderung. Sie wird ganz aufhören,
wenn nirgends mehr ein Gleiten des Körpers gegenüber der Rinne stattfindet, d.h. an
jedem Punkte der vom Auflagedruck und der Reibung abhängige höchstens erreichbare
Wert der Beschleunigung p grösser oder gleich der
Beschleunigung der Rinne ist. Massgebend ist der Hubwechsel im Punkte b, da hier die Rinnenbeschleunigung absolut genommen am
grössten, der Auflagedruck aber am kleinsten ist, also am leichtesten Gleiten
eintreten wird. Die „kritische“ Umlaufzahl ergiebt sich demnach unter
Berücksichtigung von Gleichung (1) mit φ = π aus dem Ansatz:
\frac{c^2}{r}=f\,\left(g-\frac{c^2}{r}\,\cdot\,tg\,a\right) Daraus folgt:
c=\sqrt{r\,\frac{f\,g}{1+f\,\cdot\,tg\,a}}
und mit Einsetzung der gegebenen Werte:
c=\sqrt{0,015\,\frac{0,4\,\cdot\,9,81}{1+0,4\,\cdot\,0,364}}=0,227
n=\frac{60\,\cdot\,c}{2\,\pi\,r}=145 Umdr. pro Minute.
Bei dieser oder einer geringeren Tourenzahl wird also der Kern sich mit der Rinne
hin- und herbewegen, ohne eine eigene Bewegung auszuführen.
Um den Vorgang auch in einem weniger einfachen Fall einigermassen klar zu stellen,
wurde die Rechnung für folgende Verhältnisse durchgeführt:
r = 0,015 m, n = 350, tg α = 0,285, f = 0,4.
Geht man wieder davon aus, dass bei φ = 0 die
Kerngeschwindigkeit va
= 0 ist, so ergiebt sich, wenn wieder mit φ1 und φ2 die Winkel im zweiten und vierten Quadranten
bezeichnet werden, in denen die Geschwindigkeiten von Kern und Rinne gleich sind,
für den ersten Umlauf:
φ1 = 146° 20'
v1 = 0,305 m
pro Sek.
φ2 = 354° 50'
v2 = – 0,0495 m
„ „
Diese Geschwindigkeit vermindert sich bei φ = 2 π auf:
va' = – 0,035 m pro
Sek.,
behält also noch einen ziemlich erheblichen Wert, der den
zweiten Umlauf stark beeinflusst. Für denselben findet sich:
φ1' = 150° 20'
v1' = 0,278 m
pro Sek.
φ2' = 353° 0'
v2' = – 0,067 m
„ „
va'' = – 0,046 „
„ „
3. Umgang:
φ1'' = 151° 0'
v1'' = 0,266 m
pro Sek.
φ2'' = 352° 30'
v2'' = – 0,072 m
„ „
va'' = – 0,050 „
„ „
Die hierbei zurückgelegten Wege entsprechen einer mittleren Geschwindigkeit
von:
vm = 0,173
m
pro
Sek.
beim
ersten
Umlauf,
vm' = 0,148
„
„
„
„
zweiten
„
vm'' = 0,136
„
„
„
„
dritten
„
Setzt man va = – 0,051
ein, so ergiebt sich
φ1 = 151° 30'
v1 = 0,262 m
pro Sek.
φ2 = 352° 20'
v2 = – 0,074 m
„ „
va' = – 0,051 „
„ „
Also ist jetzt va' = va, die
Anfangsgeschwindigkeit ändert sich nicht mehr, und der Beharrungszustand ist
erreicht. Die mittlere Geschwindigkeit wird
vm = 0,132 m pro
Sek.
Die Geschwindigkeiten von Kern und Rinne im Beharrungszustand sind in Fig. 73 aufgetragen.
Textabbildung Bd. 317, S. 716
Fig. 73. Geschwindigkeitskurven für den Beharrungszustand.
Die im vorhergehenden ausgeführten Rechnungen sollen im wesentlichen über den
Fördervorgang aufklären und damit einigen Anhalt für die Beurteilung und Ausbildung
ähnlicher Konstruktionen bieten. Die wirkliche Fördergeschwindigkeit dagegen unter
verschiedenen Verhältnissen wird am besten durch Versuche ermittelt. Durch
freundliches Entgegenkommen der Firma C. Eitle,
Stuttgart, war ich in der Lage, einige Versuche anzustellen. Da die Umlaufzahl nicht
beliebig geändert werden konnte, sind allerdings nur wenige Ergebnisse gewonnen
worden. Bei der zu den Versuchen benutzten Schüttelrinne war:
r = 0,015 m
tg α = 0,285
Bei horizontaler Lage der Rinne ergab sich für:
n = 300
vm = 0,10
m
pro
Sek.
n = 350
vm = 0,12
„
„
„
Dabei war es ziemlich gleichgiltig, ob Kohle oder Koks oder ein Stück unbearbeitetes
Eisen eingelegt wurde. Glatt gehobelte Eisenstücke dagegen bewegten sich langsamer
als oben angegeben, entsprechend dem geringeren Reibungskoeffizienten. Von der
Grösse der Körper war die Geschwindigkeit unabhängig, auch machte es keinen
merkbaren Unterschied, ob einzelne Stücke eingelegt oder ein ganzer Korb voll Kohle
eingeschüttet wurde. Der Unterschied zwischen dem Rechnungs- und dem
Versuchsresultat für n = 350 ist leicht durch die
willkürliche Annahme des Reibungskoeffizienten zu erklären.
Um den Einfluss einer Schrägstellung der Rinne zu untersuchen, wurde bei einer
Steigung von 45 mm auf 1 m aufwärts und abwärts gefördert. Die Umdrehungszahl war
n = 300. Es ergab sich:
bei
Förderung
aufwärts
vm = 0,033
m
pro
Sek.
„
„
abwärts
vm = 0,115
„
„
„
Danach hat schon mässige Steigung grossen Einfluss auf die Fördergeschwindigkeit,
während in umgekehrtem Sinne die Wirkung der Schrägstellung gering ist.
Die vorliegenden Angaben bieten ein-gen Anhalt für die Bestimmung des
Rinnenquerschnitts. Bei der geringen Transportgeschwindigkeit werden für bedeutende
Fördermengen die Dimensionen und damit die bewegten Massen zu gross, und man pflegt
daher Schüttelrinnen dieses Systems nur für Leistungen bis zu etwa 20 cbm stündlich
anzuwenden.
Alles bisher Gesagte hat nur für stückiges Material Giltigkeit. Wenn es sich um den
Transport feinkörniger Stoffe handelt, so wird der geschilderte Vorgang infolge von
Verschiebungen in der Masse selbst nicht mehr rein erhalten bleiben, und die
Förderung muss sinken.
Dem Kataloge von Gebr. Commichau sind folgende Angaben
entnommen:
Breite der Rinne in mm
300
500
800
Stündliche Leistung in cbm bei mehlartigem Material
3,6
6,0
9,6
bei körnigem, faustgrossen Material
7,2
12,0
19,2
Die letzteren Werte würden bei einer Höhe der geförderten Schicht von 6 cm einer
Geschwindigkeit von 0,11 m pro Sekunde entsprechen.
Ueber den Kraftbedarf von Schüttelrinnen ist nichts Näheres bekannt, jedenfalls wird
er niedriger sein als der von Kratzern, da nur das Fördergut gleitend bewegt wird
und Klemmungen u. dergl. ausgeschlossen sind.
Als Vorzüge der Schüttelrinne wurden schon erwähnt ihre Einfachheit und
Betriebssicherheit. Bedienung während des Laufes ist nicht erforderlich. Das
Material wird ruhig und gleichmässig fortbewegt, ohne jede Staubentwickelung und
ohne Schädigung der Qualität. Die Rinne fördert vollständig leer, d.h. es bleiben
nach Aufhören der Beschickung keine Teile in der Rinne zurück. Die Anschaffung ist
billig und Reparaturen pflegen erst nach einer Reihe von Jahren nötig zu werden,
wenn sich, namentlich bei Koksförderung, die Bleche durchgeschliffen haben.
Beschränkt ist die Anwendung dadurch, dass die Leistung nicht beliebig gesteigert
werden kann, und dass solide Unterstützung verlangt wird.
Besonders häufig findet man die Schüttelrinne in Gaswerken für die Entnahme der Kohle
aus den Silos und den Transport bis zum Elevator. Empfindlichere Transportmittel
wären hier weniger am Platze, weil die Förderung meist in engen, dunkeln
Kellerräumen vor sich geht, welche die Beaufsichtigung erschweren. Eine sehr grosse
Anlage dieser Art hat Eugen Kreiss, Hamburg, für das
neue Züricher Gaswerk geliefert. Hier laufen eine Anzahl Längsrinnen unter den Silos
her, deren Ausläufe beliebig geöffnet werden, und übergeben die Kohle an gemeinsame
Querrinnen, die sie den Elevatoren zuführen. An diese schliessen
Kratzertransporteure an, welche die Behälter über den Retorten füllen.Vergl. Schweizerische Bauzeitung 1899, Bd. 34, S. 186.
Ganz anders ist die Wirkungsweise der „Propeller-Rinne“ von Hermann Marcus, Köln, von der Fig. 74 eine Skizze giebt. Die Rinne bewegt sich lediglich horizontal,
also ohne Veränderung des Auflagedrucks, und die Bewegung des Fördergutes wird nur
dadurch hervorgebracht, dass der Antriebsmechanismus der Rinne eine eigentümlich
veränderliche Geschwindigkeit erteilt (vgl. Einleitung).
Die Welle der Kurbel 1 dreht sich gleichmässig, und diese greift mittels der Stange 3
im Punkte a an der Pleuelstange an. Kurbel 2, die sich
lose dreht, dient lediglich dazu, den Punkt a auf einem
Kreise zu führen und erhält eine ungleichförmige Bewegung. Die Pleuelstange bewegt
einen geradlinig geführten Kreuzkopf, der an der Rinne befestigt ist. Diese stützt
sich auf unvollständig ausgeführte Rollen, die den Vorteil geringen
Bewegungswiderstandes haben und keiner Schmierung bedürfen.
Textabbildung Bd. 317, S. 717
Fig. 74. Propellerrinne von Marcus.
Die Untersuchung des Fördervorganges kann ähnlich geschehen, wie im vorigen Falle.
Man wird vor allem die Geschwindigkeits- und Beschleunigungsverhältnisse der Rinne
feststellen und daraus die gegenseitige Bewegung ableiten müssen. Viel hängt dabei
offenbar von der Lage der Wellen 1 und 2 ab. Da Herr Marcus selbst eine Theorie seiner Förderrinne zu veröffentlichen
beabsichtigt, darf hier von einer Untersuchung abgesehen werden.
Die Umdrehungszahl ist gegenüber der vorigen Konstruktion sehr niedrig, sie beträgt
nur 50–80 pro Minute, je nach der Art des Fördergutes und der verlangten Leistung.
Daher werden die Massenwirkungen geringer und die Aufstellung leichter als dort.
In Düsseldorf sind zwei Propellerrinnen ausgestellt, die im Kreislauf arbeiten, und
zwar mit einer Steigung von ca. 75 mm auf 1 m. Sie sind je 12 m lang und haben 350
mm Breite bei 200 mm Höhe. Nach Angabe des Herrn Marcus
erfordert jede Rinne ca. 1,5 PS Betriebskraft und macht 60–65 Umdrehungen pro
Minute. Die Förderleistung beträgt normal 20 t Kohle stündlich.
Vier Propellerrinnen dieser Bauart von je 80 m Länge wurden von G. Luther, Braunschweig, für den Kohlentransport im
neuen Gaswerk der Stadt Haarlem ausgeführt.
(Fortsetzung folgt.)