Titel: Versuche mit dem Pupinschen Kabel, ausgeführt von der Siemens & Halske A.-G.
Autor: F. Dolezalek, A. Ebeling, Karl T. Fischer
Fundstelle: Band 318, Jahrgang 1903, S. 82
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Versuche mit dem Pupinschen Kabel, ausgeführt von der Siemens & Halske A.-G. Versuche mit dem Pupinschen Kabel. 1. Ueber die wesentliche Neuerung in der Konstruktion von Telephon- und Telegraphenleitungen, welche von dem Amerikaner Pupin theoretisch entwickelt und von ihm bereits praktisch erprobt worden ist, ist bereits in D. P. J. 1902, Bd. 317, S. 69K. T. Fischer, Neuerungen auf dem Gebiete der Schwachstromtechnik, III. das Pupinsche Kabel für Ferntelephonie und Ferntelegraphie. ausführlich berichtet. In Deutschland sind neuerdings von der Siemens & Halske A.-G. mit Unterstützung der Reichspost- und Telegraphen Verwaltung eingehende Versuche mit dem Pupinschen Leitungssystem durchgeführt worden und haben ein sehr befriedigendes Ergebnis geliefert, wie die Veröffentlichung von F. Dolezalek und A. Ebeling „Untersuchungen über telephonische Fernleitungen Pupinschen Systems“ in der Elektrotechnischen Zeitschrift 1902, Heft 49, zeigt. Die bisher angewandten Telephon- und Telegraphenkabel haben eine ziemlich beträchtliche Kapazität und erfordern daher erhebliche Elektrizitätsmengen, um auf die elektrische Spannung geladen zu werden, welche für die Ueberwindung des elektrischen Leitungswiderstandes nötig ist. Die Ladungsströme geben natürlich zur Entstehung Joulescher Wärme, welche an Stelle verbrauchter elektrischer Energie auftritt, Anlass, und bedeuten somit einen elektrischen Energieverlust, der um so grösser wird, je grösser der Leitungswiderstand ist; eine Verkleinerung des Leitungswiderstandes würde diesem Uebelstande abhelfen, ist aber nur bis zu einer gewissen Grenze möglich, weil sonst die Querschnitte der Leitungen zu gross und die Anlagekosten zu bedeutend würden. Da ein Teil der auf der Aufgabestation in das Kabel geschickten Elektrizitätsmengen dazu dient, das Kabel statisch zu laden, so ist die. am Ende beobachtete Stromstärke kleiner als im Anfangspunkt. Ist die Amplitude des im Anfangspunkte herrschenden Wechselstromes A0, so ist sie in der Entfernung x nur noch Ax = A0 . e–βx β ist massgebend für die Abnahme der Stromstärke mit der Entfernung von der Anfangsstation und heisst daher „Dampfungs- oder Abnahmekoeffizient“; er hängt von dem auf den Kilometer berechneten Widerstände R, der Selbstinduktion L und Kapazität C des Kabels und von der Periodenzahl z des Wechselstromes ab und ist \beta=\sqrt{\pi\cdot z\cdot C\,[\sqrt{4\,a^2\,z^2\,L^2+R}-2\,\pi\,z\,L]} Infolge der Kapazität kommen noch andere Störungen (vgl. den angezogenen Aufsatz von K. T. Fischer) hinzu, wenn die zu übertragenden Impulse sehr rasch auf einander folgen, wie es bei der Telephonübertragung nötig ist. Das einfachste Mittel, um dem schädlichen Einfluss der Kapazität zu begegnen, besteht darin, der Leitung eine genügend hohe Selbstinduktion zu geben, da die Selbstinduktion die Intensität der Ladeströme und damit die Wärmeverluste vermindert,vorausgesetzt, dass der Widerstand der Leitungen nicht wesentlich verändert wird. Es ist aus diesem Grunde schon früher versucht worden, den Kabeln dadurch grössere Selbstinduktion zu geben, dass man sie mit Eisen umkleidete, allein man erzielt auf diese Weise nur eine verhältnismässig geringe Erhöhung der Selbstinduktion, die nicht ausreicht, um den schädigenden Einfluss der Kapazität zu kompensieren. Die Einschaltung von Selbstinduktionsspulen in die Leitung ermöglicht zwar sofort die Selbstinduktion ganz erheblich zu steigern, allein es sind auch derartige Versuche früher ohne einen eigentlichen Erfolg angestellt worden, und zwar aus dem Grunde, weil in diesem Falle – „bei unstetig verteilter Selbstinduktion“ – der Abstand der Selbstinduktionsspulen eine sehr wichtige Rolle spielt. Das Verdienst Pupins war es, zunächst auf rechnerischem Wege ermittelt zu haben, dass die Wellenlänge λ – d. i. die Strecke, über welche hin sich die elektrische Störung während der Dauer des Impulses ausbreitet, stets ein Vielfaches des Abstandes der Selbstinduktionsspulen sein muss, wenn nicht schädliche Einflüsse durch Reflexion sich geltend machen sollen; er fand, dass ein Kabel mit unstetig verteilter Selbstinduktion mit derselben Genauigkeit berechnet werden kann, wie ein Kabel mit stetig verteilter Selbstinduktion, mit welcher sin\,\frac{1}{2}\,\frac{2\,\pi\,l}{\lambda}=\frac{1}{2}\,\frac{2\,\pi\,l}{\lambda} gesetzt werden darf, wo l den Spulenabstand und λ die Wellenlänge bedeutet (l. c. ds. Zeitschr. S. 70). Die Wellenlänge hängt von der Kapazität C, Selbstinduktion L und Schwingungszahl z der zu übertragenden Impulse ab und zwar ist \lambda=\frac{1}{z\cdot \sqrt{L\,C}} wo L den Selbstinduktionskoeffizienten und C die Kapazität des Kabels für den Kilometer bedeuten. Die Wellenlänge beträgt bei transatlantischen Kabeln etwa 4 km bei 750 Schwingungen in der Sekunde, und wächst bei einfacheren Kabeln bis zu 20 und mehr Kilometer für die gleiche Schwingungszahl, welche etwa der mittleren Schwingungszahl der beim Sprechen auftretenden Töne entspricht. 2. Schon die ersten Versuche der Siemens & Halske A.-G. lehrten, dass mit geeignet eingeschalteten Selbstinduktionsspulen mit dem gleichen Leitungsdraht, d.h. mit dem gleichen Kostenaufwand über mehr als die vierfache Entfernung telephoniert werden kann, wie vorher, sodass man schon jetzt in der Lage ist, zwischen so weit auseinander liegenden Städten wie Berlin und London oder Paris und Petersburg eine ganz vortreffliche telephonische Verbindung herzustellen. Die deutschen Versuche sind mit einem Erdkabel zwischen Berlin–Potsdam und auf einer Freileitung Berlin-Magdeburg angestellt worden. Das Kabel Berlin-Potsdam ist 32,5 km lang und enthält 28 Doppelleitungen von 1 mm starken Kupfer 1 eitern, welche mit Papier hohl umsponnen sind. Von den 28 Doppelleitungen wurden nur 14 mit Pupinschen Induktionsrollen versehen, während die andern 14 im ursprünglichen Zustand blieben und ein willkommenes Vergleichsobjekt bildeten. Da die Kabel durch die Versuche nicht beschädigt werden durften, mussten die Verbindungsstellen der Einzellängen des Kabels verwendet werden, und die Induktionsspulen an den Stellen, wo die Verbindungsmuffen lagen, eingeschaltet werden. Es wurde jede zweite Muffe verwendet und so alle 1300 m eine Induktionsrolle eingeschaltet. Jede Spule hatte 4,1 Ohm für die Hin- und Rückleitung, 0,062 Henry Selbstinduktion für den Kilometer, einschliesslich Spulen hatte das Kabel 23,5 Ohm für den Kilometer Widerstand und eine gegenseitige Kapazität von 0,037 Mikrofarad für den Kilometer. Als Dämpfungskoeffizient berechnet sich demnach β = 0,0106; für die ursprüngliche Kabelschleife war für einen Wechselstrom von 900 Perioden in der Sekunde die Selbstinduktion zu L = 0,003 Henry bestimmt worden, was einen Dämpfangskoeffizienten β = 0,06 liefert. Die Spuleneinschaltung hat somit die Selbstinduktion auf den 200 fachen Wert erhöht und den Dämpfungsfaktor auf den 6. Teil seines Wertes heruntergedrückt. Während man bei der nicht ausgerüsteten Schleife von 32,5 km Länge eine Uebertragung mittels einer Siemensschen Mikrophonstation, wie sie in der Reichspost verwendet werden, nur noch auf eine Entfernung von ½ m vom Empfangsapparat verstehen konnte, war die Uebertragung mittels der nach Pupin ausgerüsteten Linie noch in einer Entfernung von 10 m vom Empfangsapparat deutlich vernehmbar. Durch Hintereinanderschaltung von drei Schleifen konnte man eine Linie von 97,5 km Länge herstellen. In diesem Falle war die Uebertragung durch die mit Induktionsspulen versehene Linie noch sehr gut verständlich, die unbelastete Linie lieferte eine gerade noch verständliche Wiedergabe. Die Verwendung von 5 Schleifen, entsprechend 162,5 km Leitungslänge, ermöglichte mit Einschaltung der Induktionsspulen eine sehr deutliche Verständigung, während ohne die Spulen die Uebertragung überhaupt kaum mehr bemerkbar war. Die Wiedergabe auf 32,5 km unbelastete Kabellänge war ungefähr ebenso deutlich wie die Uebertragung durch die 5 fache mit Spulen belastete Länge (162,5 km); durch 13 mit Spulen versehene Schleifen (422,5 km) konnte man sich noch schwach verständigen. Eine Freileitung von 2 mm starkem Bronzedraht zwischen Berlin und Potsdam ergab ungefähr dieselben Lautstärke wie eine einzige ausgerüstete Kabelleitung von 1 mm Durchmesser bei gleicher Länge der beiden Leitungen. Textabbildung Bd. 318, S. 82 Fig. 1. Die Induktionsspulen waren nach Fig. 1 in einen eisernen Kasten eingebettet, welcher mit Isoliermaterial ausgegossen wurde, und die Zuleitungen wurdendurch eine Oeffnung im eisernen Kasten ausgeführt und an die Kabeladern in den Verbindungsmuffen angeschlossen. Textabbildung Bd. 318, S. 82 Fig. 2. Für den Versuch mit Freileitungen zwischen Berlin und Magdeburg stand eine Bronzefreileitung von 2 mm Durchmesser und etwa 150 km Länge und eine 3 mm starke Bronzeleitung von 180 km Länge zur Verfügung. Die erstere Linie wurde mit Induktionsspulen ausgerüstet, indem alle 4 km eine Spule von etwa 6 Ohm Widerstand und etwa 0,008 Henry Selbstinduktion eingeschaltet wurde. Fig. 2 zeigt wie die Spulen auf Doppelisolatoren angebracht waren. Trotzdem die ausgerüstete Linie nur weniger als den halben Querschnitt hatte, wie die Vergleichsleitung ohne Spule, war die Lautübertragung auf ersterer viel kräftiger als auf der zweiten. Textabbildung Bd. 318, S. 82 Fig. 3. 3. Um unmittelbare Messungen vorzunehmen, wurde die Kabelleitung zwischen Berlin, und Potsdam mit Wechselstrom von 400 bezw. 900 Perioden in der Sekunde beschickt und sowohl an der Anfangs- wie Endstation die Stromstärke mit Hilfe eines empfindlichen Wechselstrommessers festgestellt. Der Empfangsapparat erhielt die gleiche Selbstinduktion (0,4 Henry) und den gleichen Widerstand (400 Ohm), den eine Mikrophonstation besitzt. Das Ergebnis der Messungen ist in Fig. 3 dargestellt, wo als Abcissen die Kabellängen, verändert durch Hintereinanderschaltung von einzelnen Adern, und als Ordinaten die an den Enden beobachteten Stromstärken aufgetragen sind. An der Aufgabestation betrug die Stromstärke bei allen Versuchen 3,38 Milliampères. Wie man aus Fig. 3 ersieht, beträgt bei 32,5 km Kabellänge der Endstrom des Pupinschen Kabels 1,2 Milliampère, derjenige des reinen Kabels nur 0,17 Milliampère, so dass beim Pupinschen Kabel eine 7 mal kräftigere Uebertragung erfolgte. Bei einer Länge von 97 km war der Endstrom im Pupinschen Kabel 48 mal so gross als im einfachen Kabel. In der Fig. 4 sind die Ergebnisse von Messungen mit 400 Perioden in der Sekunde wiedergegeben. Hier ist der Unterschied zwischen der Uebertragung durch das belastete und unbelastete Kabel nicht so gross wie bei der höheren Periodenzahl. Beachtenswert ist, dass die Stromstärke der Endstation bei Verwendung des Pupinschen Kabels sich viel weniger mit der Periodenzahl verändert, als bei dem reinen Kabel (vergl. D. P. J. 1902, 317, S. 70, Gleichung 7); d.h. es werden die einzelnen Obertöne beim Pupinschen Kabel richtiger übertragen als beim einfachen Kabel. Die Messungen auf der Freileitung Berlin-Magdeburg, welche mit den gleichen Apparaten, wie die eben angeführten Kabelversuche ausgeführt wurden, ergaben bei Wechselstrom von 900 Perioden in der Sekunde und einer Anfangsstromstärke von 3,38 Milliampère auf der: 150 km langen, 2 mm-Leitung ohne Spulen 0,53 Millampère Endstrom 150 km langen, 2 mm-Leitung mit Spulen 2,20 Milliampère Endstrom 180 km langen, 3 mm-Leitung ohne Spulen 0,84 Milliampère Endstrom Die Isolation betrug ungefähr 25 Megohm f. d. km. Durch Einschalten der Selbstinduktionsspulen auf der 2 mm-Leitung wurde demnach der Endstrom auf den 4 fachen Betrag gesteigert. Der Einfluss der Isolation ist auf der nach Pupin ausgerüsteten Freileitung von 2 mm grösser als auf der 3 mm Leitung, allein selbst bei einem Isolationswiderstande von nur 1 Megohm f. d. km war die Leitung mit Selbstinduktionsspulen der einfachen 3 mm-Leitung noch überlegen. Man wird also mit einer Pupinschen Leitimg mit gleichem Kupfergewicht auf die 4 fache Entfernung telephonieren können, wie mit einer einfachen Freileitung. 4. Einfluss des Spulenabstandes. Durch unmittelbare Versuche wurde schliesslich noch festgestellt, welchen Einfluss der Spulenabstand auf die Uebertragung ausübt, denn wie schon erwähnt (s. D. P. J. 1902, 317, S. 72, Fig. 7 und 8) ist die günstige Wirkung der Selbstinduktionsspulen nur dann vorhanden, wenn sie in einem Abstande angebracht werden, welcher nur ein Bruchteil der Wellenlänge ist. Als Versuchsobjekt diente ein gewöhnliches Papierkabel mit 0,8 mmstarker Kupferseele von 28 km Länge. Der verwandte Wechselsstrom hatte 980, 600 und 400 Perioden in der Sekunde. Entsprechend der Selbstinduktion L = 0,075 Henry für den Kilometer und der gegenseitigen Kapazität, C = 0,04 Mikrofarad für den Kilometer ergab sich die Wellenlänge zu λ980 = 12,9 λ600 = 21,0 λ400 = 31,5km. Textabbildung Bd. 318, S. 83 Fig. 4. Die Induktionsspulen hatten je 0,11 Henry; im ganzen waren 20 solche Spulen eingeschaltet und zwar unter Konstanterhaltung der Gesamtinduktion in Abständen, die von 1,4 bis 10 km wechselten. Der effektive Anfangsstrom betrug 3,00 Milliampère. Textabbildung Bd. 318, S. 83 Fig. 5. Textabbildung Bd. 318, S. 83 Fig. 6. In Fig. 5 ist der am Ende der 28 km langen Schleifen austretende Strom für die verschiedenen Periodenzahlen als Funktion des Spulenabstandes dargestellt. Der Widerstand des Empfangsapparates betrug 370 Ohm, die Selbstinduktion 0,15 Henry. Man sieht, dass, wie bereits früher von Pupin aus der Theorie geschlossen worden ist, die Induktionsspulen erst günstig wirken, wenn sie in einem Abstande angebracht werden, welcher etwa 1/71/12 Via der Wellenlänge beträgt und dass ihr Einfluss eher schädlich als nützlich wirkt, wenn ihr Abstand nur ½-⅓ der Wellenlänge beträgt. In Fig. 6 ist die Endstromstärke als Funktion der innerhalb einer Wellenlänge angebrachten Anzahl Spulen dargestellt. Es zeigt daher diese Figur das vorige Ergebnis, nur in etwas anderer Form. Sehr befriedigend ist die Uebereinstimmung der Versuchsergebnisse mit der BerechnungSoweit die Berechnung nicht in dem l. c. Aufsatz von K. T. Fischer D. p. J. angegeben ist, muss auf die Originalarbeit von Pupin bezw. den Aufsatz von F. Dolezalek und A. Ebeling, welche die Pupinsche Berechnung zum Teil wiedergeben, verwiesen werden., welche angenähert durchgeführt werden kann unter der Annahme, dass der Empfangsapparat eine verschwindend kleine Impedanz besitzt; denn es wird sich darum handeln, voraus zu berechnen, welche Endwirkung an einem längeren Kabel, dessen KonstantenL, R und C man kennt, zu erwarten sind, wenn man der Frage näher tritt, ob durch die Pupinsche Neuerung etwa eine transatlantische Telephonie in den Bereich der Möglichkeit gerückt ist. Das ist nun thatsächlich der Fall, was die elektrischen Bedingungen anbelangt; allein die Herstellung und Verlegung eines Seekabels mit Spulen begegnet sehr erheblichen technischen Schwierigkeiten, wenn es in grosse Tiefen zu verlegen ist. In der Nord- und Ostsee, in welcher nur verhältnismässig kleine Tiefen auftreten, lässt sich die Verlegung ohne weiteres ausführen und eine unmittelbare Telephonverbindung zwischen Berlin-London oder Berlin-Kopenhagen-Stockholm ohne Schwierigkeit herstellen. Die Firma Siemens & Halske hat sich daher auch entschlossen, die europäischen Patente Pupins zu erwerben. Karl T. Fischer,München.