Titel: | Die Kraftstation II der Grossen Leipziger Strassenbahn. |
Autor: | Kurt Bräuer |
Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 138 |
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Die Kraftstation II der Grossen Leipziger
Strassenbahn.
Von Ingenieur Kurt Bräuer, Lehrer am
Technikum Mittweida.
Die Kraftstation II der Grossen Leipziger Strassenbahn.
Der gesamte Strassenbahnverkehr der Stadt Leipzig wird
von zwei Privatgesellschaften, der Grossen Leipziger
Strassenbahn und der Leipziger Elektrischen
Strassenbahn vermittelt. Der Betrieb ist ausschliesslich elektrisch;
dieStromverteilung erfolgt durch Oberleitung, die Betriebsspannung beträgt 550
Volt.
Die Grosse Leipziger Strassenbahn sah sich im Jahre 1899
infolge der stetig wachsenden Belastung der vorhandenen
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Fig. 1. Schnitt durch das Maschinenhaus
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Fig. 2. Grundriss der Maschinenanlage.
Kraftzentrale genötigt, eine zweite Kraftstation zur
Erzeugung des elektrischen Stromes für den Strassenbahnbetrieb in Leipzig-Lindenau
zu errichten. Die im Jahre 1895 im Zentrum der Stadt am Flossplatz erbaute Station
mit zwei Dampfdynamos von je 750 PS und zwei von je 400 PS ist ausgebaut und kann
örtlicher Verhältnisse wegen nicht mehr vergrössert werden.
Der Bau der neuen Station ist von der Union
Elektrizitätsgesellschaft in Berlin ausgeführt worden.
Die Baulichkeiten (Fig. 1 und 2) bestehen aus einem Gebäude zur Aufnahme von fünf Maschinensätzen, von
denen bei normalem Betrieb drei Stück gleichzeitig arbeiten, während die übrigen in
Reserve stehen, einem Kesselhause zur Aufnahme von fünf Gehre-Kesseln und einem Ueberhitzer. Ueber dem Kesselraume liegt ein
Kohlenbunker zur Aufnahme von 750 t Kohlen. An den Kesselraum schliessen sich
weitere Räumlichkeiten für die Wasserreinigungsapparate, den Ekonomiser und die
Kesselspeisevorrichtungen. Neben dem Maschinenhaus, an dessen einer Schmalseite, ist
ein zweistöckiges Akkumulatorenhaus zur Aufnahme einer Bufferbatterie angelegt.
Die Rauchgase werden nach Durchgang durch den Ekonomiser in einen gemauerten, 50 m
hohen Schornstein geleitet, der an der oberen Mündung 2,5 m lichten Durchmesser
hat.
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Dampfmaschine der Maschinenbau-Aktiengesellschaft vorm. Ph. Swidersky.
1. Der mechanische Teil.
Die Dampfmaschinen.
Die von der Maschinenbau-Aktiengesellschaft vorm. Ph.
Swidersky in Leipzig gelieferten Betriebsdampfmaschinen sind
Verbundmaschinen von 560 × 840 mm Zylinderdurchmesserund einem gemeinsamen
Hub von 600 mm. Jede Maschine leistet bei rund 10 Atm. absoluter
Dampfeintrittsspannung und 120. Umläufen in der Minute normal 320 PSe und maximal 450 PS. Die Dampfverteilung im
Hochdruckzylinder erfolgt durch Rider-Kolbenschiebersteuerung, im
Niederdruckzylinder durch einen Kolbenschieber mit Trickkanal (Fig. 3 bis 5).
Beide Zylinder haben heizbare Deckel und Böden, sowie Dampfmäntel. Die Böden sind
von oben in die Zylinder hineingesetzt und halten die unten mit einem
ringförmigen Ansatz versehenen Zylindereinsätze fest. Die Kurbeln sind
gegenläufig angeordnet, so dass die Aufnehmerspannung nur geringe Schwankungen
zeigt, was auch aus den Diagrammen (Fig. 6)
ersichtlich ist. Die Kurbelwellen sind durch Scheibenkupplungen mit den
Ankerwellen der zugehörigen Dynamomaschinen verbunden. Die Schwungräder der
Maschinen sind zur Abschwächung des Luftwiderstandes eingekapselt; sie geben den
Maschinen einen Ungleichförmigkeitsgrad von \delta=\frac{1}{200}. Alle Reibungsflächen
werden durch Zentralschmierungen mit Oel versehen aus Behältern, die auf den
Maschinen aufgestellt sind. Der schwere Fliehkraftregler ist mit Oelbremse und
Verstell Vorrichtung ausgerüstet. Letztere besteht in einer Hilfsfeder, deren
Angriffspunkt am Muffenhebel des Regulators mittels Handrad und Schraube
verändert werden kann. Es kann somit die Umlaufzahl während des Betriebes in
gewissen Grenzen verändert werden.
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Fig. 4.
Bei den Abnahmeversuchen wurden acht Sätze Indikatordiagramme genommen, vier mit
gesättigtem und vier mit überhitztem Dampfe.
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Fig. 6a.Arbeitsdiagramm bei Verwendung von überhitztem Dampf.
In Fig. 6 ist je ein Satz Diagramme
zusammengelegt. Die Diagramme weisen eine gute Völligkeit auf, besonders als mit
überhitztem Dampf gearbeitet wurde.
Eine Bearbeitung der Diagramme nach dem vom VerfasserD. p. J. 1901 S. 501
angegebenen Verfahren ergab, dass die Expansionslinien Exponentialkurven sind,
deren veränderlicher Exponent für gesättigten Dampf einen mittleren Wert von
0,94 und für überhitzten Dampf einen solchen von 1,05 hat. Infolge der
Eintrittskondensation tritt während der Expansion des gesättigten Dampfes unter
Mitwirkung der geheizten Wandungen ein kräftiges Verdampfen des Kondensats ein,
so dass die Expansionslinie über die Isotherme steigt. Die Expansionslinie des
überhitzten Dampfes liegt dagegen etwas unter der Isotherme.
Bei den Abnahmeversuchen wurde 1 Tag mit gesättigtem Dampf und 1 Tag mit
überhitztem Dampf gearbeitet. Die Ueberhitzung betrug 71° C. am Ueberhitzer und
noch 50° C. an der Maschine. Die Versuche fanden allerdings unter ungleichen
Verhältnissen statt; bei dem Versuch mit gesättigtem Dampf waren die Kessel
stark überlastet, infolgedessen ergab sich bei Anwendung von überhitztem Dampf
(unter normalen Verhältnissen) eine abnorm grosse Dampfersparnis. Die Versuche
haben aber dargethan, dass unter normalen Verhältnissen die Ueberhitzung des
Dampfes eine Ersparnis von mindestens 10 v. H. bedingt.
Sämtliche Maschinen sind an eine Zentralkondensation angeschlossen.
Die Kondensations- und Rückkühlanlage.
Zur Kondensation des Abdampfes sämtlicher Maschinen dienen zwei im Keller des
Maschinenhauses aufgestellte Strahlkondensatoren w,
System Worthington, in Verbundkonstruktion, jeder
verbunden mit je einer Luft- und Wasserpumpe. Beide Kondensatoren sind imstande
stündlich 12000 kg Dampf niederzuschlagen. Da die Beschaffung einer genügenden
Frischwassermenge für die Kondensation infolge Wassermangels unmöglich ist, so
ist eine Rückkühlanlage aufgestellt worden. Diese besteht aus einem runden, ganz
in Schmiedeeisen ausgeführten Kaminkühler mit natürlichem Luftzuge. Die beiden
Luftpumpen giessen das ölhaltige Kondenswasser der Betriebsmaschinen in ein
gemauertes, an der Aussenseite des Maschinenhauses befindliches Bassin, in dem
auch die Abscheidung des mitgeführten Zylinderöls erfolgt.
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Fig. 6b.Arbeitsdiagramm bei Verwendung von gesättigtem Dampf.
Der Abdampf der Kondensatoren, sowie der Rohwasserpumpen l (vergl. Grundrissplan) kann entweder durch einen Schaffstädt-Vorwärmer y geleitet werden, wo er zur Vorwärmung des von den Roh wasserpumpen
geförderten Speisewassers dient, oder man kann ihn durch Umschalten eines
Wechselventils ins Freie leiten. In beiden Fällen geht das Ölhaltige
Kondenswasser in den Oelabscheider. Die an die Kondensation angeschlossenen
Wasserpumpen entnehmen das fast ganz von Oel befreite Wasser diesem Bassin und
drücken es auf die Höhe des Kühlers, etwa 7 m über Terrainhöhe. Das durch den
entstehenden Luftzug abgekühlte Wasser sammelt sich in dem runden, im Fundament
des Kühlers befindlichen Bassin, aus dem es die Kondensatoren wieder entnehmen.
Während dieser Abkühlung wird der Rest des Oels abgeschieden und kann, auf der
Oberfläche des Wassers schwimmend, abgeschöpft werden. Die Rohrleitung der
Kondensations- und Rückkühlanlage ist in Fig. 1
und 2 dargestellt. Im Falle einer Betriebsstörung
dieser Anlage können sämtliche Maschinen auch mit Auspuff arbeiten. Die Bedienung des
hierzu nötigen Wechselventils erfolgt durch Handrad vom Maschinenraum oder der
Kondensatorgrube aus.
Zeichenerklärung zu Fig. 1 und
2.
1: Kohlenbunker für 750 t.
2: Brunnen.
3: Kohlengeleis.
4: Ablaufrohre vom Bunker nach
den Kesselfeuerungen.
5: Schlauchanschlüsse der
Leipziger Feuerwehr.
6: Ausblasrohr für alle
Kessel.
7: Ausblasleitung für den
Oberkessel.
8: Abwasserpumpe.
9: Automatische
Kondenswasser-Rückleitung zu den Dampfsammlern.
10: Speiseleitung für den
Kessel.
11: Kessel-Ausblasebassin.
a: Sammelleitung für
gesättigten Dampf.
b: Ueberhitzer.
c0: Brunnenwasser in das
Brunnenwasserbassin.
c1: Leitung für reines Kondenswasser zu
den Rückdruckapparaten (siehe Fig. 24).
c2: Saugleitung der Wasserpumpen vom
Brunnenwasserbassin.
c3: Abflussleitung für reines
Kondenswasser nach dem Brunnenwasserbassin (siehe auch Fig. 24).
c4: Ueberlaufrohr für das
Brunnenwasserbassin.
c5: Brunnenwasserbassin.
d: Kaltes Speisewasser direkt
von den Speisepumpen d2 und Injektoren g.
d1: Heises Speisewasser aus dem
Economiser p.
d2: Speisepumpen.
d3: Speisewasserreiniger.
e: Frischdampf zu den
Speisepumpen und Injektoren.
el: Abdampf von den Speisepumpen.
e2: Sammelleitung für den Abdampf der
Hauptmaschinen.
e3: Frischdampfleitung zu den
Kondensatoren und Rohwasserpumpen.
e4: Abdampf von den Kondensatoren und
Rohwasserpumpen.
f: Druckleitung der
Speisepumpen.
f1: Saugleitung vom Reinwasserbassin.
g: Injektoren.
g1: Saugleitung der Injektoren vom
Reinwasserbassin.
h: Schaffstaedt-Vorwärmer für
Abdampf der Speisepumpen.
i: Leitung für gereinigtes
Wasser von den Wasserreinigern zum Reinwasserbassin.
k: Hochbehälter (wird von den
Rohwasserpumpen l gespeist).
l: Rohwasserpumpen.
l1: Mündung der Druckleitung t der Rohwasserpumpen in den Hochbehälter k.
m: Ablaufleitung zum Entleeren
des Economisers.
n: Zur Kanalisation.
o: Sicherheitsventile des
Economisers.
p: Economiser.
q: Ringförmige
Hauptdampfleitung.
q1: Frischdampfleitungen zu den
Hauptmaschinen.
q2: Abdampfleitungen von den
Hauptmaschinen.
r: Sammeltöpfe für reines
Kondenswasser (siehe auch Fig. 24).
r1: Sammelgrube.
s: Kompressoren für die
Wasserhebung.
t: Druckleitung der
Rohwasserpumpen nach dem Hochbehälter.
u: Abdampfleitung der
Rohwasserpumpen und des Kondensators, entweder durch den Vorwärmer y, oder in das Auspuffrohr e4.
v: Druckleitung der
Zirkulationswasserpumpen nach dem Kühlturm.
vl: Leitung des Einspritzwassers für den
Kondensater vom Bassin des Kühlturms zur Luftpumpe.
v2: Saugleitung der
Zirkulationswasserpumpen vom Brunnenwasserbassin.
w: Kondensatoren.
x: Sammelrohr für das im
Vorwärmer y und der Auspuffleitung e4 abgeschiedene
Oel.
x1: Ausgussleitung der Luftpumpen in den Oelabscheider.
y: Schaffstaedt-Vorwärmer.
z: Zusatzdynamo.
z1: Akkumulatoren.
(Fortsetzung folgt.)