Titel: Eisenbahnachsen aus Presstahl.
Autor: Hs. Ms.
Fundstelle: Band 318, Jahrgang 1903, S. 379
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Eisenbahnachsen aus Presstahl. Eisenbahnachsen aus Presstahl. Durch das Vorgehen von Heinrich Ehrhardt in Düsseldorf ist die Ueberlegenheit des gepressten Stahls gegenüber dem auf andere Weise bearbeiteten zur Genüge bewiesen worden. Die nach diesem Pressverfahren hergestellten Werkstücke zeichnen sich durch grosse Festigkeit bei geringem Gewicht aus. In jüngster Zeit ist nun ein neues Pressverfahren zur Herstellung für Eisenbahnachsen von einem amerikanischen Ingenieur, Camille Mercader, erfunden und ausgebildet worden. Wir entnehmen seinem vor dem Iron and Steel Institute am 7. Mai 1903 gehaltenen Vortrage die folgenden MitteilungenAusführliche Angaben über die Einrichtungen des Presswerkes und über Untersuchungen der Achsen s. Engineering 1903, Bd. I., S. 650, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ingenieure 1903, S. 702, Glasers Annalen 1903, S. 137.: Ein rund gewalzter Block, der möglichst gleichmässig in allen Teilen auf 1000° C. erhitzt ist, wird in eine zweiteilige, wagerecht gelagerte Form gebracht, deren Backen innen die Gestalt der Achse zeigen, während der Block nur in der Mitte und an den Lager stellen auf etwa 100 mm Länge von vornherein an den Wandungen der Form anliegt und von dieser gehalten wird. Nach Schliessen der Form und Anpressen des unteren Teiles gegen den oberen durch hydraulischen Druck werden von beiden Enden gleichzeitig je ein zylindrischer Stempel in den weichen Stahl eingedrückt, so dass das hierdurch verdrängte Material den Hohlraum der Form vollständig ausfüllt. Die Stempel werden mit 50 t Druck eingeführt, der infolge Erkaltens des Blockes und Stauch Wirkung des Stempels schliesslich auf 150 t steigt, wobei noch ein Verdichten des Stahls eintreten soll. Die Lochstempel sind vorn zugespitzt und üben daher in keilförmiger Wirkung einen sehr grossen seitlichen Druck auf das Material aus. Die rohen Blöcke kommen aus dem etwa 90 Blöcke fassenden Rollofen, gelangen über elektrisch angetriebene Rollengänge zu einer Richtmaschine und von dieser auf einem zweiten Rollengange zu einer Ablege Vorrichtung, von wo sie auf geneigten Schienen in die untere Backe der hydraulischen Presse hineinrollen. Rollofen und Richtmaschine arbeiten so schnell, dass sie beide zwei Pressen bedienen können. Nach dem Einlegen des Blocks wird die zur Erleichterung des Herausnehmens mit Graphit bestrichene Form geschlossen und nunmehr werden die Stempel eingedrückt. Die Formstücke sind am besten aus Gusseisen hergestellt und werden mit Wasser gekühlt, so dass sie eine grosse Anzahl von Pressungen auszuhalten vermögen. Nach dem Pressvorgang wird die Form geöffnet, ein Drehkran nimmt die fertige Achse heraus und befördert sie auf das Kühlbett. Nach dem Abkühlen werden in die Löcher an beiden Enden Körnerstücke eingelegt, um nun die Lagerund Nabenstellen abdrehen zu können. Die Presse leistet 350-400 t Druck bei 100 Atm. Wasserpressung. Die zum Eintreiben der Stempel erforderliche Zeit darf 4-5 Sek. nicht überschreiten, um eine möglichst lange Lebensdauer der Stempel zu gewährleisten. Für die Herstellung einer Achse werden zwei Minuten gebraucht. In einer Stunde können 15 Achsen – das bedeutet 300 Achsen in zwei 10stündigen Arbeitsschichten – hergestellt werden. Beim Ausschmieden der Achsen unter dem Dampfhammer kann während derselben Zeit und mit derselben Anzahl Arbeiter nur ein Drittel dieser Leistung erzielt werden. Besondere Schwierigkeiten hat die Konstruktion der Lochstempel bereitet. Zuerst wurden wassergekühlte Stempel aus Werkzeugstahl mit auswechselbaren gusseisernen Spitzen verwendet. Obwohl sie die genügende Steifigkeit besassen und auch genügender Widerstand der gusseisernen Spitze gegen die Hitze vorhanden war, so dass Verschweissen dieser mit dem Block nicht eintrat, so konnte doch die Spitze des Stempels wegen seiner geringen Abmessungen nicht kräftiggenug befestigt werden, so dass sie abbrach und im Block stecken blieb, so dass dadurch der Stempel für den nächsten Arbeitsgang unbrauchbar wurde. Darauf gelangten volle Stahlgusstempel zur Verwendung. Ihre Spitze verschweisste aber unter dem grossen Druck mit dem Block, so dass der Stempel nur unter grosser Kraftanstrengung zurückgezogen werden konnte. Das Verschweissen versuchte man dann durch Einstreuen von Kohle zu verhindern; die bei der Verbrennung der Kohle entstehenden Gase bildeten eine Trennungsschicht zwischen Stempelspitze und Block. Jedoch wurde durch ungleichmässiges Verteilen der Kohle um den Stempel dieser abgelenkt und zerbrach infolgedessen. Darauf wurden vollgegossene Stempel aus Holzkohleneisen versucht. Diese erwiesen sich aber als gänzlich unbrauchbar, da sie bei nur wenig erkaltetem Block sich umbogen und abbrachen. Schliesslich verwendete man auf Grund Ehrhardtscher Erfahrungen Stempel aus Bessemerstahl und erzielte gute Ergebnisse. Um die Brauchbarkeit des Stempels trotz Verschweissens der Spitze mit dem Block zu erhalten, wurden diese Stempel mit im Gesenk geschmiedeten Kappen aus Stahl, deren Durchmesser etwas grösser ist als der des Stempels, versehen. Durch die Verschiedenheit der Durchmesser von Kappe und Stempel wurde die zum Einpressen nötige Kraft sehr vermindert, da die Reibung zwischen Lochwand und ganzer Stempellänge fortfällt. Die sogen. „verlorene“ Kappe schweisst mit dem Block zusammen, der Stempel kann leicht zurückgezogen werden, um für den neuen Arbeitsgang mit einer neuen Kappe versehen zu werden. Um die Stempel vor zu starker Erhitzung zu bewahren, werden die Kappen inwendig mit Graphit bestrichen. Diese Art der Stempel scheint sich bisher bestens zu bewähren. Der Erfinder hat weitere Versuche angestellt, die sich auf das nachträgliche Härten der fertigen Achsen in einem Oelbade erstrecken; auch diese sind sehr zufriedenstellend ausgefallen und scheinen von Bedeutung zu sein. Unter Eisenbahnwagen sind die Durchbiegungen der hohlen Presstahlachsen untersucht worden und haben im Vergleich zu den gewöhnlichen vollen Achsen geringere Werte ergeben, was von Einfluss auf die Lebensdauer der Achsen sein wird und als ein Beitrag zur Erhöhung der Betriebssicherheit anzusehen ist. Ein bedeutender Vorteil liegt bei den gepressten Achsen in dem Unversehrtbleiben der äusseren stark verdichteten Haut, da sie nach dem Pressen so genau im Durchmesser sind, dass sie nur an den Lager- und Nabenstellen abgedreht zu werden brauchen. Dadurch erhöht sich ihre Festigkeit den vollen Achsen gegenüber, da bei den letzteren die durch das Schmieden verdichtete Aussenhaut durchweg wieder durch das Nachdrehen der ganzen Achse verloren geht. Versuche in Amerika haben unzweifelhaft bewiesen, dass geschmiedete Achsen durch Abdrehen in ihrer Festigkeit verringert werden. Die Höhlung der Achse zu beiden Seiten – die Achse hat in der Mitte etwa auf ein Viertel der ganzen Länge vollen Querschnitt soll als Oelbehälter benützt werden, indem die Oeffnung durch einen Deckel mit Füllöffnung versehen wird; durch Zentrifugal Wirkung soll das Oel durch eine feine Bohrung auf den Achsschenkel gelangen. Die Lagerflächen lassen sich wegen der Dichte des Materials sehr blank polieren, so dass die Reibungsarbeit im Betrieb sehr gering ausfallen wird. Abgesehen von der schon erwähnten hohen Leistungsfähigkeit des Verfahrens ist in anbetracht der Wirtschaftlichkeit noch folgendes hinzuzufügen: dass ein Zentrieren, Abstechen an den Enden, Abdrehen auf der ganzen Länge wegfällt. Dem gegenüber ist aber zu berücksichtigen, dass die Presse zu anderen Arbeiten nicht verwendbar ist, so dass also das Verfahren nur auf einem Werk mit Grossbetrieb eine wirtschaftliche Herstellungsweise darstellt. Hs. Ms.