Titel: | Geräuschlos arbeitendes Kettengetriebe. |
Autor: | F. Mbg. |
Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 442 |
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Geräuschlos arbeitendes Kettengetriebe.Transactions of the American Society of Mechanical
Engineers Vol. XXIII, p. 373.
Geräuschlos arbeitendes Kettengetriebe.
Die Vorteile der Kettengetriebe für Kraftübertragungszwecke sind so allgemein
bekannt, dass wir an dieser Stelle hierauf nicht näher einzugehen brauchen. Trotzdem
ist ihre Anwendung verhältnismässig selten, zumal bei uns in Deutschland. Der Grund
für diese Erscheinung liegt in den folgendendrei grossen Nachteilen, welche
jedes Kettengetriebe bislang aufzuweisen hatte:
1. Es verursacht beim Arbeiten ein heftiges Geräusch;
2. nur geringe Geschwindigkeiten dürfen benutzt werden;
3. im Betriebe tritt eine mehr oder minder grosse Abnutzung ein.
Diese drei unangenehmen Eigenschaften aller bislang bekannten Kettengetriebe haben
sämtlich ihren Grund in der teils durch Dehnung des Materials, teils durch
Abnutzung hervorgerufenen Verlängerung der einzelnen Kettenglieder.
Textabbildung Bd. 318, S. 442
Fig. 1.
Textabbildung Bd. 318, S. 442
Fig. 2.
Textabbildung Bd. 318, S. 442
Fig. 3.
Textabbildung Bd. 318, S. 442
Fig. 4.
Das wird sofort klar bei einem Blick auf Fig. 1. Nehmen wir an, die hier dargestellte Kette und
Rad seien für einander passend gearbeitet und es handle sich um das durch die Kette
getriebene Rad. Schon unmittelbar nach dem Arbeitsbeginn werden, da an der Kette
selbst eine ziehende Kraft vorhanden ist, Verlängerungen der Kettenglieder
eintreten. Es liegt jetzt nur noch der auf Zahn a
folgende Kettenbolzen an; beim Drehen des Rades muss dieser an dem Zahne a entlang gleiten, wodurch ein schnarrendes Geräusch
hervorgerufen wird. Schliesslich gleitet er vollkommen von dem Zahne herab, und in
dem Augenblicke, wo der Zusammenhang zwischen beiden gelöst ist, dreht sich das Rad
unter dem Einfluss der Last rückwärts und es trifft der folgende Kettenbolzen mit
hörbarem Schlag gegen den Zahn b. Durch jene
Gleitbewegung sowohl, wie durch den Schlag tritt Abnutzung, sei es des Rades, sei es
der Kette ein und der im Anfang geringe Unterschied zwischen der Länge der
Kettenglieder und der Teilung des Rades vergrössert sich mehr und mehr. Die
Schnelligkeit der Abnutzung hängt naturgemäss von der Häufigkeit und Heftigkeit der
schädlichen Bewegungen ab, und es bleibt daher nichts übrig, um die Lebensdauer der
Kraftübertragung nicht zu sehr abzukürzen, als die Geschwindigkeit der Kette gering
zu halten. Das Gesagte gilt allgemein für alle Kettenübertragungen der bislang
benutzten Form, wobei natürlich eine besonders gute Ausführung und bestes Material
die erwähnten Fehler vermindern kann. Dagegen ist es auf diese Weise nie möglich,
den Fehler ganz zu beseitigen, das gelingt nur durch eine Aenderung der Konstruktion
selbst und ist in vollkommener Weise erreicht durch Renold in Manchester. In welcher Weise er die nach ihm benannte Kette
ausgebildet hat, zeigen Fig. 2-4, die ohne jede Erklärung verständlich sein dürften.
Wie diese Kette aber arbeitet, und warum alle die oben gekennzeichneten Fehler bei
ihr nicht vorhanden sind, lehrt Fig. 5. Hier kommen
nicht die Kettenbolzen an die Zähne des Rades und dieses selbst zu liegen, sondern
die eigentümlich gestalteten Laschen legen sich gegen die Zähne, ohne je den
eigentlichen Raddurchmesser zu berühren. Tritt jetzt aus irgend einem Grunde ein
Unterschied in der Länge des Kettengliedes und der Teilung des Rades ein, so bleiben
trotzdem noch ebenso viel Zähne wie vorher mit der Kette in Berührung; diese drückt
sich nur weiter nach aussen. Beim Arbeiten der Kettenübertragung tritt infolgedessen
niemals ein Stoss des Rades gegen die Kette, noch ein Gleiten der Lasche auf dem
Zahne ein; denn in dem Augenblicke, wo eine solche Lasche ausser Berührung mit dem
Zahne kommt, übernimmt die nächstfolgende, welche ja schon vorher fest anlag, ihre
Rolle. Dadurch sind aber mit einem Schlage die genannten drei Uebelstände
aufgehoben, und die Erfahrung hat auch bewiesen: die Renoldketten arbeiten fast geräuschlos,sie sind bei hohen
Geschwindigkeiten brauchbar und ihre Abnutzung ist ausserordentlich gering. Sodann
zeigen sie noch einen weiteren, grossen Vorteil: da immer eine ganze Reihe Zähne
gleichzeitig arbeitet, ganz gleichgiltig, ob die genaue Uebereinstimmung zwischen
der Länge der Kettenglieder und Radteilung noch vorhanden ist oder nicht, so vermag
eine solche Kette auch eine viel grössere Last zu tragen; und aus dem gleichen
Grunde ist ferner die Anwendung mehrerer Ketten nebeneinander auf demselben Rade
möglich, was bei den bisherigen Konstruktionen keinen Sinn hatte, da dann doch stets
nur eine von den Ketten arbeitete. Da nun ausserdem die Auflagerflächen bei der Renoldkette beträchtlich grösser, als bei der alten
Konstruktion sind, so ist durch alle diese Umstände die Uebertragung viel
bedeutenderer Kräfte wie früher ermöglicht.
Dass ein gutes Arbeiten der Kette nur stattfinden wird bei sehr sauberer Ausführung
der einzelnen Teile, braucht kaum erwähnt zu werden; hinweisen wollen wir nur
darauf, dass ein sehr wichtiger Punkt die richtige Gestaltung der Zähne ist. Sie
werden in der Renoldschen Fabrik mit besonderen Fräsern
hergestellt und erhalten grade Stirnflächen, um eine recht grosse Auflagerfläche zu
bieten. Bei bestimmter Teilung wächst der Winkel zwischen den beiden Stirnflächen
mit dem Durchmesser des Kettenrades oder, anders ausgedrückt, mit der Anzahl der
Zähne. Diese wählt Renold zwischen 18 und 120, da bei
den von ihm erprobten Abmessungen die Zahnflanken bei der unteren Grenze parallel
werden, bei der oberen aber ein so grosser Winkel entsteht, dass bei nicht ganz
gleichmässiger Last ein Herausspringen der Kette aus dem Rade befürchtet werden
muss. Um dieses überhaupt nach Möglichkeit zu vermeiden, gibt man stets einem der
beiden Kettenräder seitliche Wangen und zwar, da die Erfahrung dies als richtiger
gezeigt hat, dem getriebenen Rade. Die Entfernung der Mittelpunkte der beiden
Wellen, der getriebenen und der treibenden, kann in weiten Grenzen schwanken; muss
sie einerseits selbstverständlich mindestens so gross sein, dass eine Berührung der
beiden Kettenräder nicht stattfindet, so kann sie andererseits jede gewünschte und
noch wirtschaftlich erscheinende Grösse annehmen; nur sollte in Entfernungen von 3
zu 4 Meter immer eine Leitrolle zur Unterstützung, wenigstens bei wagerechtem Trieb,
angeordnet werden. Der Kettentrieb kann im übrigen wagerecht, geneigt oder senkrecht
angenommen werden; nur achte man im letzteren Falle darauf, dass das grössere Rad
oben zu liegen kommt, da sonst durch das Kettengewicht die einzelnen Glieder zu sehr
in das Rad hineingedrückt werden und der Wirkungsgrad der Uebertragung leidet. Auch
sollte bei dieser Anordnung für eine Spannrolle auf der schlaffen Kettenseite
gesorgt werden, um ein Abfallen der Kette von dem unteren Rad zu vermeiden.
Textabbildung Bd. 318, S. 442
Fig. 5.
Die Kettengeschwindigkeit wird nur dadurch begrenzt, dass die Schmierung desto
schwieriger wird, je rascher die Kette läuft. Bei einer Geschwindigkeit von
etwas über 400 m in der Minute beginnt das Oel infolge der Zentrifugalkraft
abzufliegen; diese Zahl sollte also stets unterschritten werden. Oder man schliesse
die ganze Uebertragung in ein Gehäuse in und fülle dieses ganz mit Oel. Dann kann,
wie die Erfahrung gezeigt hat, die Geschwindigkeit ohne Bedenken auf 800 m und mehr
gesteigert werden. In dieser Weise wurde z.B. die Uebertragung vom Motor auf die
Wagenachse bei der einschienigen Eisenbahn auf der Brüsseler Ausstellung ausgeführt,
wo es sich um 75 Pferdestärken handelte.
Die geschilderte Kettenübertragung findet man in England sehr häufig, und vereinzelt
auch in Amerika, während sie bei uns noch wenig Verbreitung gefunden hat. Es ist
aber doch zu bedenken, ob wir nicht von unserem Vorurteile gegen Kettenübertragungen
zurückkommen sollten, wenn man sieht, in wie verschiedenen Fällen der Engländer
davon in der beschriebenen Form Gebrauch macht. Dort dient sie zum Antrieb von
Werkzeugmaschinen, hier von Bootswellen und Achsen von Motorwagen, hier wieder von
Dampfmaschinenregulatoren.Als besonders bemerkenswert nennt unsere Quelle die
Tatsache, dass in der neuen Fabrik der Natural Food
Company an den Niagarafällen der Antrieb mittels einer solchen Kette
ausgeführt ist, wo starke plötzliche Entlastungen und Belastungen von 1 bis auf 40
Pferdestärken vorkommen, ohne dass sich Schwierigkeiten gezeigt hätten.
So können tatsächlich mit dieser geräuschlos arbeitenden Kettenübertragung alle
Vorteile der Ketten im allgemeinen ausgenutzt werden, einerseits gegenüber dem
Riemen, wie unabänderliches Uebersetzungsverhältnis, Fortfall eines grossen Teiles
des Reibungsverlustes, Möglichkeit der Anwendung bei kurzen Wellenentfernungen, in
heissen oder dampferfüllten Räumen, andererseits gegenüber dem Zahnrade, wie fast
geräuschloser Gang, Unabhängigkeit von der Wellen entfernung, geringerer
Reibungsverlust und grössere Lebensdauer. Und dabei brauchen die sonst bei
Kettenübertragungen störend auftretenden Umstände, die wir eingangs namhaft machten,
nicht mit in den Kauf genommen zu werden.
F.
Mbg.