Titel: | Mitteilungen über Indizierversuche an den neuen Stopfbüchsen „System Schwabe“. |
Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 477 |
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Mitteilungen über Indizierversuche an den neuen
Stopfbüchsen „System Schwabe“.
Mitteilungen über Indizierversuche an den neuen Stopfbüchsen
„System Schwabe“.
Die Dichtungsfrage, die nicht allein für den Maschinenbauer, sondern auch für
die Gasmotoren-, Pumpen-, Turbinen- und Pressenkonstrukteure von Bedeutung ist, ist
von solcher Wichtigkeit, dass es sich verlohnen dürfte, auf eine neue Lösung dieser
Frage etwas näher einzugehen.
Textabbildung Bd. 318, S. 477
Fig. 1.
Der Erfinder, der im folgenden genauer beschriebenen Dichtung, Herr SchwabeChef der
Maschinenbauabteilung der Firma Breitfeld, Danèk
& Co., Prag., ging von den Grundbedingungen aus, die
gestellt werden müssen, damit eine Dichtung unter allen erdenklichen Verhältnissen
dauernd befriedigend Wirkt. Der bisher nicht zu beseitigende Verschleiss, die
häufigen Betriebsstörungen Und die vielen anderen Uebelstände zeigen
deutlich,dass das Problem einer guten Abdichtung bis heute noch nicht
zufriedenstellend gelöst worden ist. Herr Schwabe
stellte zur Beseitigung der dem Maschinenbauer wohlbekannten Mängel zunächst 3
Grundbedingungen auf:
Abhilfe kann nur dadurch geschaffen werden, dass
1) der radiale Druck auf die Kolbenstange fast gänzlich
aufgehoben wird,
2) die aneinander reibenden Flächen Hochglanzpolitur bekommen
und
3) dass dieselben grösstmögliche Härte besitzen.
Die Bedingung 1 kann erfüllt werden, wenn man konzentrische Ringe in besonderen
Kammerringen lagert, sodass sie durch einen Druck der Brille von aussen nicht
beeinflusst werden können.
Die Bedingung 2 führt zur Verwendung von federnden, und zwar mehrteiligen
Ringen, denn nur durch solche ist man in der Lage, Hochglanzpolitur auf der
Kolbenstange zu erzeugen und dauernd zu erhalten.
Einteilige Ringe, auch wenn sie noch so genau auf die Stange aufgeschliffen sind,
arbeiten sich schon infolge ihres Eigengewichtes in kurzer Zeit oval, wodurch
Dichthalten unmöglich wird.
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Fig. 2.
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Fig. 3.
Der Bedingung 3 wird Rechnung getragen durch die Verwendung von Gusseisen, welches,
abgesehen von der Annehmlichkeit die Herstellung zu verbilligen, selbst bei den
höchsten Temperaturen grösste Betriebssicherheit gewährleistet. Um letztere noch
weiter zu erhöhen d.h. um die Stopfbüchse, im Falle einer Beschädigung der
Kolbenstange, wo die Metallpackung nicht mehr dicht halten kann, trotzdem
betriebssicher zu machen, hat der Erfinder eine Vereinigung der soeben erwähnten
Metallpackung mit einer Weichpackung ersonnen.
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Fig. 4.
Fig. 1 gibt die Aussenansicht, Fig. 2 einen Schnitt durch einekleinere
Ausführung, wie sie bei Kolbenstangendurchmessern bis etwa 50 mm zur Verwendung
gelangt. Bei grösseren Abmessungen werden die beiden Packungen durch eine
Einsatzbüchse getrennt, sodass (vergl. Fig. 3) die
Metallpackung für sich völlig abgeschlossen und von der Wartung des Maschinisten
unabhängig gemacht wird. Die Dreiteilung der Ringe, deren Segmente durch eine
Schlauchspiralfeder sanft an die Kolbenstange angedrückt werden, ist selbst bei den
grössten Ausführungen beibehalten und hat sich vorzüglich bewährt.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass bei den grössten Dampfdrücken und den höchsten
Ueberhitzertemperaturen die Packung vorzüglich arbeitet und infolge ihrer
Beweglichkeit selbst bei durchbiegender Kolbenstange ohne Weichpackung durchaus
dicht hält.
Die eigentümliche Bauart der Stopfbüchse gab ferner Gelegenheit, einen sehr
interessanten Versuch anzustellen, der über die Wirkung der Packung Aufschluss
gibt.
Bohrt man nämlich, wie Fig. 4 zeigt, parallel zur
Kolbenstangenrichtung einen Kanal, der durch Abzweigungen mit den Hohlräumen
zwischen den einzelnen Ringen in Verbindung steht, so kann man durch Einführung
eines eingeschliffenen Stahlrohres den Indikator mit jedem dieser Hohlräume für sich
in Verbindung bringen und so die Wirkungsweise eines jeden Dichtungsringes
verfolgen.
Während Fig. 5 die Aussenansicht der Vorrichtung gibt,
zeigt Fig 6 das Ergebnis und zwar eine interessante Reihenfolge von
Indikatordiagrammen, wie sie an der Packung einer Schmidtschen Heissdampfmaschine 510 H.-D-Cyl., 1050 N.-D.-Cyl., 1000 Hub
bei 9,5 Atm. Ueberdruck und 100 Umdrehungen i. d. Minute gewonnen wurden.
Die Vorrichtung bot gleichzeitig Gelegenheit, auch die Temperaturen hinter den
einzelnen Dichtungsringen zu messen und zwar wurden nach dem
1.
2.
3.
4.
5.
Dichtungsring
216°
204°
190°
172°
149° C.
beobachtet.
Aus dem Verlauf der Diagramme lässt sich ferner bis zu einem gewissen Grade ein
Schluss auf die Beschaffenheit der Kolbenstangen Oberfläche ziehen. Wäre z.B. irgend
wo eine schadhafte Stelle, über welche die Ringe hinweggleiten müssten, so würde
sich dies sofort in den Diagrammen durch eine kleine Drucksteigerung bemerkbar
machen. Unter den zahlreichen Werken, welche das neue System „Schwabe“ angenommen haben, mögen die Berliner
Elektrizitätswerke genannt sein, wo es bei einer 4000 PS-Maschine in Benutzung ist
und auch bei der im Bau befindlichen 7000 PS-Maschine an allen 4 Zylindernbei
260 mm Kolbenstangendurchmesser Verwendung finden wird.
Nach Mitteilungen aus Pola soll die Schwabesche Dichtung
selbst bei 16,5 Atm. und einer Maschinenleistung von 14000 PS an Bord eines
Kriegsschiffes sich vorzüglich bewährt haben.
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Fig. 5.
Versuche an Dampfturbinen und hydraulischen Maschinen sind noch nicht beendet,
während solche an Schwefligsäuremaschinen, sowie an grossen Gasmotoren recht gute
Ergebnisse geliefert haben.
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Fig. 6. Normales Diagramm; Diagram nach dem 1., 2., 3., 4., 5.
Dichtungsring.
Die Einführung dieser neuen Dichtung in die industriellen Kreise des In- und
Auslandes hat die Firma Dr. R. Proell, Ingenieurbureau
für Maschinenbau, Dresden, übernommen.