Titel: Neuerungen an Fahrrädern.
Fundstelle: Band 318, Jahrgang 1903, S. 668
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Neuerungen an Fahrrädern. (Fortsetzung von S. 650 d. Bd.) Neuerungen an Fahrrädern. Bei den beschriebenen Viertaktmotoren wird das Schwungrad nur bei einem Hub (Explosionshub) angetrieben. Dieser muss also dem Schwungrad soviel lebendige Kraft erteilen, dass es während der nun folgenden drei Hube den Kolben in Bewegung hält. Anders bei den Zweitaktmotoren, welche nur zwei verschiedene Hube haben. Die Vorgänge in ihm sind im Vergleich mit denen im Viertaktmotor folgende: Bei der Bewegung des Kolbens von oben nach unten sind beim Zweitaktmotor sämtliche Hube Explosionshube, während beim Viertaktmotor Saug- und Explosionshub mit einander abwechseln. Die Bewegungen von unten nach oben sind für den Zweitaktmotor stets Kompressionshube und für den Viertaktmotor abwechselnd Kompressions- undAuspuffhub. Ferner sind beim Zweitaktmotor alle zweiten Hube und alle Umdrehungen einander gleich, während beim Viertaktmotor nur jeder vierte Hub und jede zweite Umdrehung identisch ist. Bei der gleichen Anzahl von Umdrehungen erfährt also der Zweitaktmotor gerade doppelt soviel Kraftimpulse (Explosionen) und Expansionsdauer, als der Viertaktmotor, woraus sich ergibt, dass der Zweitaktmotor bei denselben Zylinderabmessungen doppelt soviel Pferdestärken, als der Viertaktmotor leistet. Als Beispiel sei der von Heim & Co. in Bamberg gebaute ventillose Zweitaktmotor „Ixion“ genannt. Wie Fig. 70 zeigt, wird beim Aufwärtsgehen des Kolbens die Mischung durch den Kanal a in der hohlen Kurbelwelle in das Kurbelgehäuse d gezogen und beim Niedergehen des Kolbens zusammengepresst. Hat letzterer seinen niedrigsten Stand erreicht, so ist die Oeffnung b in der Wand des Zylinders c, die mit dem Kurbelgehäuse in Verbindung steht, frei. Die komprimierte Ladung strömt jetzt über dem Kolben in den Zylinder, wo sie mit dem nächsten Aufwärtsgang des Kolbens wieder zusammengepresst und in der bekannten Weise entzündet wird. Textabbildung Bd. 318, S. 669 Fig. 70. Zweitaktmotor „Ixion“ von Heim & Co. Kurz bevor die Einströmöffnung b frei wird, hat der abwärtsgehende Kolben die Auspufföffnung e, gegenüber von b, freigelegt, sodass die verbrannten Gase von der vorhergehenden Explosion entweichen können; wobei sie durch ihre eigene Expansion und durch die einströmende neue Ladung hinausgetrieben werden. Natürlich öffnet und schliesst sich der Kanal a beim Drehen der Kurbelwelle zur geeigneten Zeit. Die Schmierung geschieht selbsttätig. Das Oel kommt in zerstäubter Form in das Kurbelgehäuse und bewirkt dadurch, dass alle inneren Teile gleichmässig und genügend geölt werden. Der Motor hat 50 mm Kolbendurchmesser bei 50 mm Kolbenhub und entwickelt 1 ½ PS bei 1500 Umdrehungen i. d. Minute. Textabbildung Bd. 318, S. 669 Fig. 71. Antrieb des Ixion-Motors auf das Vorderrad. Die Kraftübertragung geschieht durch eine gummiüberzogene Reibungsrolle b1, welche einen Teil des Schwungrades p bildet, auf den Reifen des Vorderrades (Fig. 71). Der Motor ist am Vorderradgabelkopf auf einem Zapfen drehbar angeordnet, sodass die Reibungsrolle nach Belieben in oder ausser Berührung mit dem Radreifen gebracht werden kann. Der Benzinbehälter mit Vergaser usw. ist in dem üblichen Kasten am oberen Rahmenrohr aufgehängt. Der Motor wiegt nur 7,5 kg. Die Betriebskosten sind klein, da ein Liter Benzin für eine Wegstrecke von etwa 35 km ausreicht. Die Geschwindigkeit beträgt bis zu 35 km i. d. Stunde. Textabbildung Bd. 318, S. 669 Fig. 72. Antrieb auf das Hinterrad von Lemkuhl. Die Kraftübertragung kann natürlich auch auf das Hinterrad erfolgen, wobei dann z.B. nach D. R.-P. 128783 von C. Lemkuhl in Wilhemshaven die Sattelstütze a (Fig. 72) als Träger des Motors, und zugleich zur Lagerung der Ein- undAusrückvorrichtung c dient. Letztere hat den Zweck, den Motor, der entweder mittels Reibungsscheibe unmittelbar auf den Reifen wirkt oder durch Riemenschnur mit dem Rade verbunden ist, zu heben und zu senken. Natürlich kann dieser Motor auch in der bekannten Weise in den Rahmen eingebaut werden. Die bisher genannten Einrichtungen zum Ansaugen der Luft leiden an dem Uebelstande, dass durch den Ansaugekopf ein unangenehmes Geräusch eintritt, und dass die Luft, da sie nahe am Erdboden entnommen wird, einen grossen Teil des von den Rädern aufgewirbelten Staubes mit sich reisst, und diesen mit dem Gemisch dem Motor zuführt. Diesem Mangel abzuhelfen bringen L. Baumann in Strassburg und Dr. G. Klingenberg in Charlottenburg das Luftzufuhrventil a (Fig. 73). mit dem Sattelstützrohr b in Verbindung. Die Luft in letzteres tritt durch die beiden Oeffnungen c und d an der Sattelstütze ein (D. R.-P. 113556). Textabbildung Bd. 318, S. 669 Fig. 73. Vorrichtung zum Ansaugen der Luft von Baumann u. Dr. Klingenberg. Auf eine neue Stellvorrichtung, welche zum grossen Teil in dem Rahmenrohre liegt, gleichzeitig eine Vorder- und Hinterradbremse bewegt und den Motor beeinflusst, hat R. Wesemann in Berlin das D. R.-P. 120166 erhalten. Bei dieser Vorrichtung sind, wie Fig. 74-77 zeigen, auf der Tretkurbelachse lose drehbare Winkelhebel angeordnet, die einerseits mit dem Bremsgestänge, andererseits durch Zugorgane mit der Bremse, dem Drosselhahn und dem Kompressionshahn oder Auspuffventil des Motors derart in Verbindung stehen, dass beim Anziehen des Bremshebels beide Bremsen angezogen, der Drosselhahn allmählich geschlossen und der Kompressionshahn resp. das Auspuffventil geöffnet wird. Die Lenkstangengriffe u1 und u4 sitzen fest an der Lenkstange und tragen an ihrem hinteren Ende mit Ränderung versehene Knöpfe 1 und 4, während ein dritter Knopf u2 seitlich an der Lenkstange angebracht ist. Die Knöpfe bilden die Muttern für Schraubenbolzen, durch welche beim Drehen der Knöpfe das mit ihnen verbundene Zugorgan angezogen oder nachgelassen wird. Von den Knöpfen 1 und 4 aus (Fig. 75) wird der Drosselhahn bedient. Hierzu führen die Zugorgane 1 und 4 durch die Lenkstangenarme über Leitröllchen q und t in das Innere des Steuerrohres b3, ferner über die Röllchen r und u zunächst zu den auf der Tretkurbelachse o drehbaren Hebeln 1 und 4 und von hier aus weiter zu dem Winkelhebel des Drosselhahns z, am Benzinbehälter x (Fig. 74). Zum Einstellen der Zündung führt vom Knopf u2 (Fig. 75 u. 76) das Zugorgan 2 über die Röllchen t und s nach dem ebenfalls auf der Achse o drehbaren einarmigen Hebel 2 und von dessen Verlängerung nach dem Unterbrecher v. Durch Anziehen des Bremshebels w wird die Bremsstange w1 abwärts geführt und gleichzeitig die Scheibe w3, die mit zwei seitlichen Zapfen auf dem gegabelten Arm des Winkelhebels c einwirkt. Von dem zweiten Arm dieses Hebels führt das Zugorgan 3 zu dem auf der Achse o drehbaren Hebel d. Der längere Arm d1 dieses Winkelhebels ist einerseits mit dem Hebel des Kompressionshahns y, resp. Auspuffventils, andererseits aber mit dem Hebel f der Bandbremse w4 verbunden. Beim leichten Anziehen des Bremshebels wird somit der Kompressionshahn resp. das Auspuffventil geöffnet, und gleichzeitig die hintere Bandbremse angezogen, während die vordere Reifenbremse w2 langsam niedergeht. Beim schärferen Anziehen treten beide Bremsen w2 und w4 in volle Wirkung und der Kompressionshahn resp. das Auspuffventil wird ganz geöffnet. Textabbildung Bd. 318, S. 670 Stellvorrichtung von Wesemann. Als Zugorgane können solche nach dem Bowdensysteme dienen. Dasselbe besteht aus einem biegsamen Kabel, das aus mehreren Stahldrahtlitzen hergestellt ist. Als Führung des Zugdrahtes dient ein biegsames, in der Längsrichtung so gut wie unelastisches Leitungsrohr, welches den Zugdraht mit geringem Spielraum umschliesst und im Gegensatz zu diesem auf Druck in der Längsrichtung beansprucht wird. Dieses Leitungsrohr ist aus einer eng anschliessend gewundenen Stahldrahtspirale gebildet und durch isolierende Zwischenlagen und darüber gleichfalls eng spiralig gewundenem Messingdraht von ovalem Querschnitt gegen Beschädigungen durch Rost usw. geschützt und völlig luft- und staubdicht abgeschlossen. Druckrohr und Zugdraht stellen ein elementares kinematisches Glied, gewissermassen ein biegsames Prismenpaar, dar, mit dessen Hilfe man der Notwendigkeit der Einfügung weiterer kinematischer Glieder enthoben ist, selbst wenn die Leitungen erhebliche Längen besitzen und infolge unbequemer Stellen die verschiedenartigsten Windungen erfahren. Man darf das Bowdensystem nicht mit dem Prinzip der biegsamen Welle verwechseln. Letztere stellt bekanntlich Uebertragungsmechanismen für Torsionskräfte dar – siehe dessen Anwendung an einer Bremse D. p. J. 1899, 313, 157, Fig. 123 und 124 – während das Bowdensystem als Element zur Uebertragung von Zugkräften, die bestimmte zwangläufige maschinelle Bewegungen veranlassen sollen, anzusehen ist. Die Bewegungen können hierbei in ihrer Richtung von jener der wirkenden Zugkraft in jedem nur denkbaren Sinne abweichen. Während man in England Motorfahrzeuge baut, wo sämtliche Vorrichtungen, wie Zündung, Gasdrosselung, Auspuff, Steuerung, Kupplung, Regulator und Bremse mittels dieses Systems betätigt werden, kennt man in Deutschlandzunächst nur die Anwendung desselben für die Betätigung der Hinterradbremse bei Fahrrädern. Die neuere Bauweise der Motordreiräder ist derjenigen des Kraftzweirades gefolgt. So bauen z.B. verschiedene englische Firmen nach Art des Geschäftsdreirades (Fig. 68, S. 649), auch bei Dreiräder den Motor in die Mitte des Rahmens ein. Durch diese Anordnung wird nicht nur das Gewicht des Fahrzeuges herabgemindert, sondern die Motorstösse werden nicht mehr so unmittelbar auf die Hinterräderachse, sondern auf ein elastisches Zwischenglied übertragen. Denselben Zweck sucht L. Loutzky in Berlin dadurch zu erreichen, dass er den Motor vor der Hinterräderachse anordnet. Textabbildung Bd. 318, S. 670 Fig. 78. Antrieb von Loutzky. Um nun bei Betriebsstörungen bequem zum Motor gelangen zu können, sind, wie Fig. 78 zeigt, die Gabelstreben a bei x drehbar befestigt. Sie lassen sich daher, nachdem sie bei b gelöst sind, hochheben, oder sie werden bei c gelöst und samt den Hinterrädern in die Höhe gehoben, bezw. nach Entfernen des Scharnierstiftes x ganz abgenommen. Der Motor muss in letzterem Falle natürlich in geeigneter Weise unterstützt werden, um nicht die Last auf die Gabelstreben e zu verlegen. (D. R.-P. 111959.) Textabbildung Bd. 318, S. 671 Fig. 79. Antrieb von Wesemann. Fig. 79 zeigt einen kettenlosen Antrieb für Motordreiräder von B. Wesemann in Berlin (D. E. – P. 116158). An Stelle der Kette tritt hier die Antriebswelle i, welche einerseits durch die Klemmkupplung k mit der Motorwelle h in Verbindung steht, andererseits vermittelst eines geschränkten Winkelrades m in das auf der Tretkurbelachse ositzende Rad n eingreift. Beim Treten in die Pedale wird die Welle i mit h gekuppelt, sodass der Motor die zu seiner Ingangsetzung nötigen Anfangsbewegungen erhält. Sobald der Motor selbständig läuft, – d.h. nicht mehr in die Pedale getreten wird –, werden die beiden Wellen i und h sofort entkuppelt und der Motor treibt durch das Kegelräderpaar r, r1 und das Stirnräderpaar s, s1 das Fahrrad in bekannter Weise weiter. Textabbildung Bd. 318, S. 671 Fig. 80. Antrieb von Couture. A. Couture in Na-linnes (Belgien) erzielt nach seinem D. R.-P. 136800 einen unmittelbaren Antrieb, ohne Kette oder Zwischenwelle, dadurch, dass er das hohle Schwungrad h (Fig. 80) als die eine Kurbelhälfte ausbildet, welche zugleich die Vorrichtung zur Herabminderung der Umlaufsgeschwindigkeit aufnimmt, sodass der Antrieb unmittelbar von der Pleuelstange f erfolgen kann. Hierzu sind auf einer Verlängerung des Kurbelzapfens g innerhalb des Schwungrades die starr miteinander verbundenen Zahnräder i und J befestigt, welche in die Räder k und l eingreifen. Der Zahnkranz l ist durch die Winkelplatte o mit dem Gehäuse a verschraubt, während der Kranz k das am Schwungrad gelegene Ende der auf dem Achsschenkel m sitzenden Büchse w bildet, deren äusseres Ende das Zahnrad p trägt, welches in das Triebrad eingreift. (Fortsetzung folgt.)