Titel: | Mitteilungen aus dem Eisenbahn-Sicherungswesen. |
Autor: | Hans Martens |
Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 677 |
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Mitteilungen aus dem
Eisenbahn-Sicherungswesen.
Von Regierungsbaumeister Hans
Martens.
(Fortsetzung von S. 653 d. Bd.)
Mitteilungen aus dem Eisenbahn-Sicherungswesen.
Der in Fig. 9 dargestellte Zeitverschluss, Bauart
Zimmermann und Buchloh, für einzelne Weichen und ganze Fahrstrassen mit selbsttätiger
Entriegelung, hat ebenfalls den Zweck, das Umstellen der Weichen während des
Befahrens zu verhindern. Die Sicherung wird in der Weise erreicht, dass die mit der
fraglichen Vorrichtung versehene Weiche von. jedem die Weiche spitz befahrenden
Radkranz noch vor dem Einlaufen in die Weiche selbst durch Herunterdrücken eines
Pedals in ihrer jeweiligen Lage festgelegt wird. Das Entriegeln geschieht
selbsttätig, jedoch allmählich und nach Verlauf einer gewissen Zeitdauer, die so
bemessen ist, dass vor dem Freiwerden der Weiche der nächstfolgende Radkranz die
Verriegelung neuerdings vornimmt und so fort bis zum vollendeten Durchlaufen eines
beliebig langen Wagenzuges. Die Dauer der Entriegelungszeit ist einstellbar und kann
bis auf etwa 60 Sekunden ausgedehnt werden. Für den gewöhnlichen Zweck der
Verrieglung einer einzelnen Weiche wird jedoch auch bei langsamster Fahrt eine
Zeitdauer von 15 Sekunden genügen, um die Verriegelung unter einem fahrenden Zuge zu
einer ununterbrochen anhaltenden zu machen. Die Verrieglung der Weiche wird derart
bewirkt, dass das heruntergedrückte Pedal durch Einwirken auf die
Weichenangriffsstange die Weichenzungen unmittelbar festlegt, oder aber es wird die
Anschlussleitung der Weichen an das entfernte Stellwerk durch das Pedal beeinflusst
und dadurch die Weiche mittelbar verriegelt.
Diese letztere Anordnung ist der Fig. 9 zu
Grundegelegt. Die Bewegung der Weichen ist mittels Weichenspitzenverschlusses
angenommen, dessen Bewegung entweder beide Weichenzungen oder doch die jeweilig
anliegende Zunge verschliesst.
Es genügt daher zur Verrieglung der Weiche durch den Zeitverschluss, wenn die
Anschlussleitung der Weiche in solcher Weise festgelegt wird, dass eine Bewegung der
Leitung im umstellenden Sinne über den Riegelgang des Spitzenverschlusses hinaus
verhindert wird.
Zu diesem Zwecke ist in die Gestängeleitung in Verbindung mit dem Winkelhebel p und einem Anschlussgestänge der Sperrhebel i mit Riegelkopf k
eingeschaltet. Beim Herunterdrücken des Pedals a hebt
sich der hintere Teil f des Hebels b, sodass ein Umstellen der Weiche nicht mehr möglich
ist, weil sich bei einem Versuch des Umstellens der Riegelkopf k gegen den hinteren Teil f des Hebels b stemmt. Der Riegelkopf k ist aufschneidbar eingerichtet, damit beim
Herunterdrücken des Pedals mit gleichzeitigem Umstellen der Weiche kein Bruch
herbeigeführt werden kann und nach vollständiger Umlegung der Weiche die gewünschte
Verriegelung doch eintritt.
Da der Hebel b gegenüber dem Pedal a erhebliches Uebergewicht besitzt, so würde das Pedal
sofort nach Verlassen jeden Radkranzes seine hochliegende, den Sperrhebel i freigebende Ruhelage wieder einnehmen. Um dies zu
verhindern, ist eine Verzögerungsvorrichtung, die den eigentlichen Zeitverschluss
darstellt, angeordnet. Sie besteht aus einem Luftkessel, der einerseits durch den
Gussmantel q und andrerseits durch die Lederplatte t luftdicht abgeschlossen ist. Der Mantel q trägt an seinem oberen Teil einen Ventilsitz, auf den
das Ventil d auf geschliffen ist. Ausserdem befindet
sich an dem Mantel q eine kleine Oeffnung e mit Regulierschraube. Der Hebel b ist durch die Verbindungsstücke r und s mit der
Lederplatte luftdicht verschraubt.
Textabbildung Bd. 318, S. 678
Fig. 9.
Wird nun beim Ueberfahren der Weiche das Pedal a durch
den Radkranz heruntergedrückt, so wird die Lederplatte t durch den Hebel b gehoben, die hierdurch im
Luftkessel komprimierte Luft hebt das Ventil d, sodass
die überschüssige Luft entweicht. Sofort hiernach wird der Luftkessel durch das
Ventil d wieder verschlossen, sodass der Hebel b seine Grundstellung nur nach Massgabe der durch die
regelbare Oeffnung e einströmenden Luft mehr oder
weniger schnell wieder einnehmen kann. Die Stellschraube ist mit einer konischen
Nute versehen, mittels der der Luftzutritt durch Verschrauben geregelt werden
kann.
Textabbildung Bd. 318, S. 678
Fig. 10.
Zum Schutze gegen äussere Einflüsse ist der Zeitverschluss mit einer schmiedeeisernen
Haube versehen.
Die Firma August Harwig in Köslin hat eine eigenartige
Konstruktion zur Herstellung von Signalabhängigkeiten durch die Besetzung von
Gleisstrecken mit Fahrzeugen ausgearbeitet. Eine der beiden Fahrschienen selbst wird
auf eine genügende Länge insoweit beweglich gelagert, dass sie unter dem Drucke
eines auf ihr befindlichen Fahrzeuges eine von der normalen Lage abweichende
einnimmt, und dadurch einen oder mehrere, fest mit ihr verbundene Ausleger oder
dergl. zu einem bestimmten und begrenzten Ausschlage bringt.
Die Beweglichkeit der Fahrschiene kann auf verschiedene Weise hergestellt werden und
hängt lediglich von dem Oberbau und dem beabsichtigten Sonderzweck ab. Im folgenden
ist eine Anordnung für den Oberbau der Preussischen Staatsbahnendargestellt. In
Fig. 10 liegen die Schwellen H fest und die Schiene S
ist auf ihnen mittels der gewöhnlichen Hakenplatte P
gelagert. Die Schiene soll um die äussere Kante K ihres
Fusses unter dem Drucke eines Fahrzeuges aus der senkrechten Lage, in die Neigung 1
: 20, nach der Gleismitte zu gekippt werden und nach Aufhören des Raddrucks
selbsttätig in die ursprüngliche Lage zurückkehren. Zu diesem Zweck wird der
Gleisabschnitt an den Enden zwangsweise in die senkrechte Lage gepresst, indem hier
Hakenplatten verwendet werden, deren Auflagefläche nicht 1: 20 geneigt, sondern
nahezu wagerecht ist; auf diese Fläche wird der Schienenfuss gewaltsam mittels
normaler Klemmplatten P1 gepresst. Die wagerechten Hakenplatten suchen also den Gleisabschnitt
immer in seiner ganzen Länge senkrecht zu spannen; in diesem Bestreben lässt auch
die Stossverbindung zwischen zwei Schienen erfahrungsgemäss keine Unterbrechung
eintreten. Nach Bedarf kann auch die Herbeiführung der senkrechten Stellung durch
Anbringung von Zugfedern F an den Auslegern A geschehen.
Auf den Zwischenschwellen liegen in einer Gleislänge von 12 bis 20 m Hakenplatten P von normaler, 1 : 20 geneigter Auflagefläche. Die
Klemmplatten P1 sind
aber in ihrer Druckfläche soweit abgehobelt, dass sie der Schiene gestatten, sich
nahezu senkrecht einzustellen. Betriebstechnische Bedenken liegen gegen diese
Anordnung nicht vor, da nach genauen Untersuchungen über das Verhalten des
Schienengestänges, selbst in massigen Kurven, ein Hinausdrücken der Aussenschiene,
also ein Kippen der Schiene um ihre Fusskante K, nach
aussen nicht stattfindet, weil auch hier die Belastung immer in einer mittleren
senkrechten Ebene stattfindet, die etwa 22 mm auf der Innenseite von der senkrechten
Schienenmitte liegt.
Um ein Eintreten von Fremdkörpern, wie Kies, in die keilförmige Lücke zwischen
Schienenfuss und Hakenplatte zu verhindern, sind am Schienenfuss, die Lücke seitlich
abschliessende Blechstreifen befestigt.
Am Fusse der Schiene S wird mittels Klemmplatten ein
Ausleger A unverrückbar befestigt. Wenn die Schiene
unter dem Druck eines Fahrzeuges nach innen kippt, so wird das äussere Ende des
Auslegers A um Kante K
nach oben gehoben. Je nach der Länge des Auslegers wird der Ausschlag ein grösserer
oder geringerer; er wird aber immer begrenzt, daher gleichmässig sein, weil das
Kippen ebenfalls genau begrenzt ist. Durch geeignete Einrichtungen kann der
Ausschlag mittels des Auslegers unmittelbar oder durch Einwirkung auf eine
festgelagerte, drehbare Welle IT für den beabsichtigten Zweck nutzbar gemacht
werden. Die Einschaltung einer Zwischenwelle W wird nur
dann notwendig sein, wenn die Länge des für die Besetzung mit Fahrzeugen
empfindlichen Gleisabschnittes mehr als 12 bis 15 m beträgt, weil dann das
Niederkippen der Schiene an einem Ende sich kaum vollständig bis zum Ausleger
fortpflanzen wird.
Durch die Bewegung des Auslegers kann die Sperrung von einzelnen Weichen, die
Auslösung von Signalen, die Sperrung ganzer Blockstrecken durch Oeffnen oder
Schliessen elektrischer Ströme bewirkt werden.
Textabbildung Bd. 318, S. 679
Fig. 11.
Ein wegen seiner konstruktiven Einzelheiten beachtenswerter Taster mit Zeitverschluss
ist das Kugelpedal (Fig. 11) von Müller und May, Rauschwalde-Görlitz. Um alle seitlich
auftreffenden Stösse des auffahrenden Rades möglichst vorteilhaft aufzunehmen, trägt
das Pedal eine lose, gehärtete Stahlkugel, die auf der einen Seite gegen den
Schienenkopf anliegt und im übrigen so gehalten ist, dass sie sich nur nach unten
bewegen kann. Die Bewegung des Pedals wird nicht unmittelbar auf den senkrecht zur
Schiene verschiebbar angeordneten Verschlussbolzen übertragen, sondern mittels einer
Feder, sodass auch ein Herunterdrücken des Pedals möglich ist, wenn während einer
Bewegung des Riegelschiebers der Verschlussbolzen nicht in ihn eintreten kann;
dadurch wird ein Bruch der Teile vermieden. Die Vorrichtung bietet sonst nichts
Ungewöhnliches.
Um nur Kontaktschluss durch den fahrenden Zug zu erzeugen, sind mehrere
Kontaktvorrichtungen in Gebrauch, von denen im folgenden nur eine wegen ihres
interessanten Grundgedankens besprochen sein möge.
Der Schienendurchbiegungskontakt, Bauart Jüdel,
Braunschweig, stellt Stromschluss zwischen zwei Kontakten her infolge der
Durchbiegung der Schiene, zwischen zwei Querschnitten, die nicht in demselben
Schwellenfelde liegen, sondern durch ein solches getrennt sind. Diese grössere
Stützlänge erhöht die ausnutzbare Durchbiegung und wird durch eine einfache
Uebersetzung noch gesteigert.
In Fig. 12 bildet den Kontakthauptträger das
Flacheisen F, das bei X
und Y durch Krampen und Bolzen an die Fahrschiene
festgeklemmt ist, während es mit dem rechten Ende, das den um den Bolzen Z schwingenden UebersetzungshebelU trägt, frei schwebt. Dieser Hebel U drückt mit seinem linken Ende unter den drehbar
gelagerten, eigentlichen Kontakthebel K und stützt sich
gegen die Einstellschraube R, die bei C mit der Schiene fest verbunden ist. Wird nun die
Schiene bei Y belastet, so weicht Punkt Y nach unten,
X nach oben aus, wodurch Z nach unten geht. Der Druckpunkt B bewegt
sich nach oben, der Hebel U hebt das rechte Ende des
hohlen, mit Quecksilber gefüllten Kontakthebels K
dessen Eigengewicht entgegen nach oben, wodurch das Quecksilber den isolierten
Kontaktstift S mit dem Gusskörper der Vorrichtung in
Verbindung bringt. Der Stift S ist mit der in der Nähe
der Kabeleinführung G sitzenden, isolierten
Anschlussklemme H durch eine elastische Schnur leitend
verbunden.
Textabbildung Bd. 318, S. 679
Fig. 12.
Die Vorrichtung kann in Arbeits- oder Ruhestrom geschaltet werden.
Gegen Witterungseinflüsse ist eine Blechkappe angeordnet.
(Schluss folgt.)