Titel: Schnellbetrieb auf den Eisenbahnen der Gegenwart.
Autor: M. Richter
Fundstelle: Band 318, Jahrgang 1903, S. 807
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Schnellbetrieb auf den Eisenbahnen der Gegenwart. Von Ingenieur M. Richter, Bingen. (Fortsetzung von S. 199 d. Bd.) Schnellbetrieb auf den Eisenbahnen der Gegenwart. b) Verbundlokomotiven. An Hand der Darstellungen der Trieb Werksanordnungen und der dazu gehörigen Tabelle auf S. 350, 316, 1901, sei auch im folgenden die Einteilung der Verbundsysteme hauptsächlich auf Grund der Anzahl, Lage und Verteilung der Zylinder vorgenommen. Für den Schnellbetrieb haben diese Gesichtspunkte allein Bedeutung, während die Art der Anfahrvorrichtung bei ihrem rein konstruktiven Interesse nicht in Betracht kommen kann, sondern höchstens der Vollständigkeit wegen Erwähnung finden muss, um so mehr, als die Systeme der Anfahrvorrichtung, wie früher bereits erwähnt, zahllose sind. Es sollen unterschieden werden: die unsymmetrische Verbundmaschine mit zwei Zylindern, die symmetrische mit drei, und mit vier Zylindern, und zwar letztere in Tandemanordnung, in Vauclainscher Bauart (beide durch gewöhnliches „Zwillings“-Triebwerk ausgezeichnet), und mit „Vierlings“-Triebwerk nach de Glehn und v. Borries-Webb. A. Zweizylinder-Verbundlokomotiven. Die unsymmetrische Verbundmaschine, Kl. I der Tabelle, hat in den letzten 15 Jahren rasch an Verbreitung gewonnen, nachdem durch die Bemühungen von v. Borries und durch sein fortwährend verbessertes, ursprünglich ganz automatisches Anfahrventil, die Versuchslokomotiven der Hannoverschen Eisenbahndirektion sich erfolgreich bewährt hatten, so dass allmählich das Interesse für die Verbundmaschine allgemeiner Wurde, wozu besonders die Weltausstellung Paris 1889 das ihrige beitragen konnte. In dem ungeheuren Gebiet der deutsch-österreichischen Vereinsbahnen ist bis auf zu zählende Ausnahmen die unsymmetrische Verbundmaschine für Personen- und Güterzugdienst allgemein zur Anwendung gekommenund erfreut sich auch ausserhalb dieses Gebietes mancher Anerkennung; in England dagegen, wo Worsdell gleichzeitig mit v. Borries seine Versuche auf der Nordostbahn unternahm, sind diese ohne praktischen Erfolg geblieben und keine zweizylindrigen Verbundmaschinen mehr gebaut worden; in Nordamerika kommt die Bauart zwar vor, aber mehr im Güter- als im Personenzugsdienst, und ist überhaupt nur vereinzelt zur Anwendung gekommen, was mit ihren, teils tatsächlich vorhandenen, teils auch nur scheinbaren Uebelständen zusammenhängt. Die Vor- und Nachteile der unsymmetrischen Verbundmaschine sind kurz folgende: Mit der Zwillingsmaschine hat sie das einfache Triebwerk gemeinsam; sie ist daher möglichst billig in der Anlage und im Betrieb, da sie sehr selten Reparatur erfordert; ebenso teilt sie mit jener das geringste Dienstgewicht; nachteilig ist im Vergleich zu jener die Notwendigkeit eines mehr oder weniger verwickelten Anfahrventils von mehr oder weniger grosser Zuverlässigkeit, sowie die damit zusammenhängende, geringere Tauglichkeit beim Anfahren. Was die heutzutage, für die hohen Geschwindigkeiten erforderliche Ruhe des Ganges betrifft, so ist dieselbe natürlich unter gleichen Umständen, d.h. gleichem Ausgleich der hin- und hergehenden Massen und gleichem Radstand, so gross wie bei der Zwillingsmaschine. Die theoretischen, sehr eingehenden Untersuchungen von v. Borries („Neuere Fortschritte im Lokomotivbau“, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing., 1902) haben ergeben, dass weder ungleiche Arbeiten auf beiden Seiten, wie sie sich bei nicht zusammenpassenden Füllungen und Kolbendrücken häufig (vielleicht immer) einstellen, noch ungleiche Kolbengewichte einen Einfluss auf den Gang der Maschine haben, obwohl besonders der erste Punkt im Widerspruch zu der landläufigen, dem natürlichen Gefühl entspringenden Meinung steht, wonach ungleiche Arbeiten ein einseitiges Schlingern, „Hinken“, hervorbringen müssten; der Gegenbeweis ist einfach die gegenseitige Aufhebung von Kolbendruck und Zylinderdeckeldruck durch Vermittlung des Rahmens, wodurch es auch ganz allein erklärt wird, dass bei Beschädigung einer Maschinenseite ohne Störung nachweislich ohne weiteres mit dem anderen Zylinder allein weitergefahren werden kann. Besondere Nachteile zeigen sich also hierin nicht, wohl aber auch keine Vorteile; zu vermissen ist vor allem eine Möglichkeit, die Massen anders als durch rotierende Gegengewichte auszugleichen; und dieser Mangel ist der schwerwiegendste und trägt das meiste dazu bei, dass die unsymmetrische Verbundlokomotive, zumal die vierachsige, über kurz oder lang im Schnellverkehr ausgespielt hat. Jetzt, wo die Leistungsfähigkeit der Lokomotiven fortwährend sich steigert, wo also immer grössere Zylinder erforderlich werden, tritt auch dieser Uebelstand, die Ausgleichung der hin- und hergehenden Massen, welche sich unaufhörlich vergrössern, immer mehr hervor und verlangt dringend Abhilfe; man bedenke, was es heisst, wenn ein Niederdruckkolben von 80 cm Durchmesser 300 mal in der Minute sein Spiel machen soll! Konstruktiv ist endlich zu erwähnen, dass mit der Vergrösserung der Zylinder ihre Unterkunft am Rahmen immer schwieriger wird; ausserhalb der Rahmen schneiden sie das Normalprofil, innerhalb machen sie Rahmenkröpfungen nötig. Es ist unter solchen Umständen, wo Sparsamkeit in Wasser- und Kohlenverbrauch wirklich der einzige, aber mit einer Anzahl von Unbequemlichkeiten erkaufte Vorzug eines Systemes ist, die sichere Ueberholung desselben durch andere Systeme nur eine Zeitfrage, deren Lösung schon jetzt allenthalben im Gange ist, obwohl die unsymmetrische Verbundmaschine so wie so erst seit kurzer Zeit Bedeutung erlangt hat. Von Mustern dieses Systems seien nun erwähnt: Textabbildung Bd. 318, S. 808 Fig. 57. Preussische Staatsbahn. 1. Die Schnellzuglokomotive der preussischen Staatsbahn (Fig. 57) ist fast ohne geringste Abänderung, etwa seit dem Jahre 1889, in unzähligen Exemplaren von sämtlichen preussischen Lokomotivbaufirmen (auch von Grafenstaden) immer von neuem wieder gebaut worden und hat sich vor etwa 10 Jahren durch vorzügliche Leistungsfähigkeit, Sparsamkeit und elegantes Aeussere hervorgethan, während sie heute allerdings nichts mehr bedeutet; ihre Leistung ist massig, ihre Grösse sehr bescheiden im Vergleich zu den neueren Schöpfungen, auch des einheimischen Lokomotivbaues. Besonderes weist die Konstruktion nicht auf; sie ist möglichst einfach gehalten; zu erwähnen ist nur, dass der Hochdruckzylinder rechts, der Niederdruckzylinder links in der Fahrtrichtung liegt, der Verbinder in die Rauchkammer eingebaut ist und dass die älteren Lokomotiven das selbsttätige, die neueren das vom Führer willkürlich zu bedienende Anfahrventil besitzen. Der Tender ist meist dreiachsig, mit 12 cbm Wasserraum, die neueren Ausführungen sind solche mit zwei zweiachsigen Drehgestellen bei 16 cbm Fassung. Bemerkenswert ist auch das nach amerikanischem Muster (seit der Weltausstellung Chicago 1893) gebaute, sehr geräumige, helle Fahrerhaus. Das Drehgestell mit seitlicher Druckauflage ist genau in der Mitte gelagert und seitlich verschiebbar. Diese Lokomotive gehört zu den neueren Normalien der preussischen Staatsbahnen und bedient das ganze Netz derselben ohne Unterschied, sie läuft ohne Unterschied in Personen- und Schnellzügen aller Art zwischen Mannheim und Königsberg, Aachen und Breslau, Hof und Hamburg. Ihre höchste Leistung ist (bei 120 qm Heizfläche) etwa 850 PS; besonders die älteren Maschinen sind nicht imstande, diese Zahl zu überschreiten, da der Niederdruckzylinder infolge zu geringer Querschnitte im Anfahrventil stark gedrosselten Dampf erhält und zu wenig arbeitet. Die höchst zulässige Geschwindigkeit beträgt 100 km/Std. und wird bei einer ganzen Reihe von Schnellzügen neuerdings lange Zeit hindurch glänzend ausgehalten, was zur Vermeidung von Verspätungen, bezw. zum Einholen derselben, von grossem Werte ist, um so mehr, als das Anfahren etwas schleppend, zögernd stattfindet. Die Zuglast beträgt bis zu 45 Achsen hinter dem Tender. Die schnellste Fahrt in Preussen (und Deutschland) ist Hamburg-Wittenberge 159,2 km in 1 Std. 51 Min., 86 km/Std. Die längste Weitfahrt in Preussen ist Leipzig-Berlin (und umgekehrt) 172,7 km in 2 Std. 15 Min., 76,7 km/Std. Ausserdem wird eine ganze Reihe von Fahrten mit durchschnittlichen Geschwindigkeiten (im Fahrplan) bis zu 84 km/Std. ausgeführt, zum Teil mit schweren Zügen; hier zeichnen sich aus die Strecken Berlin-Hamburg, und Berlin-Halle. Für Personenzugsdienst, sowie schweren Schnellzugsdienst, besonders im Hügelland, ist dieselbe Maschine auch mit Triebrädern von 1750 mm Durchmesser, im übrigen aber genau gleich, ausgeführt. Beide Typen sind ausserdem teilweise noch nach dem Zwillingssystem gebaut, was im Personenzugdienst mit häufigem Anfahren von Vorteil ist. Diese Personenzuglokomotiven mit niederen Triebrädern haben eine Höchstgeschwindigkeit von 90 km/Std., was einer Umdrehungszahl von 275 i. d. Minute entspricht. Zum Vergleich sind auch die Abmessungen der letzteren in die Tabelle aufgenommen. Diese Bauart ist unverändert auch auf die Elsässer Bahnen, sowie mit geringen Abänderungen auf die Russischen Staatsbahnen übernommen worden. In gebirgigen Ländern hat sich ebenfalls diese Gattung Eingang verschafft, und die Verkleinerung der Triebräder von 1980 mm (Flachland) auf 1850, 1750, 1650 mm hat bei genügendem Adhäsionsgewicht von 30 bis 32 t ohne Kupplung einer dritten Achse die gewünschte Steigerung der Zugkraft erzielen lassen. Solche Lokomotiven sind deshalb normal geworden in Bayern, Sachsen, Elsass, auf der Jura-Simplon-Bahn und in Württemberg, wo der erwähnte geringste Raddurchmesser angewendet ist; die höchst zulässige Geschwindigkeit ist in allen diesen Fällen 90 km/Std. Von den Anfahrvorrichtungen ist zu berichten, dass im allgemeinen das v. Borriessche Ventil benutzt wird; in Bayern dagegen eine von der Steuerwelle aus selbsttätig bediente Einrichtung von Maffei, welche bei Ueberschreitung eines gewissen Füllungsgrades ausgelöst wird, sodass Frischdampf zum Niederdruckzylinder geht. In Württemberg ist nach Gölsdorfschem System kein Anfahrventil vorhanden, sondern das Gesicht des Niederdruckschiebers besitzt Bohrungen und Einkerbungen, durch welche, ebenfalls bei Ueberschreiten einer bestimmten Füllung, Frischdampf in den Niederdruckzylinder gelangt. Dadurch werden Füllungen bis zu 95 v. H. erreicht, und bei dem Wegfall sämtlicher Hähne, Stangen, Hebel und Federn anderer Muster ist ein Versagen durchaus unmöglich. Bei der grossen Ausdehnung des bayrischen Bahnnetzes kann hier auch die Schnellzuglokomotive der bayrischen Staatsbahn besprochen werden. Ihre Abmessungen sind denjenigen der entsprechenden Maschine der Jura-Simplon Bahn gegenübergestellt. Ihre Gesamtanordnung ist ziemlich ähnlich wie bei der vorigen; der Radstand des Drehgestelles etwas länger, der gesamte etwas kürzer; die Leistung ist annähernd dieselbe, die Zugkraft etwas grösser. Die vielteilige, aber in ihrer Wirkungsweise sehr durchsichtige Maffeische Anfahrvorrichtung wird vom Steuerhebel der Heusinger Steuerung aus betätigt (rechts, auf der Hochdruckseite liegend); sie ist genau beschrieben im Bericht über die Nürnberger Ausstellung 1896 von Brückmann (Zeitschrift d. Ver. deutscher Ing. 1897, S. 97 ff). Die Schnellzuglokomotive der Jura-Simplon Bahn, in Winterthur 1892-95 gebaut, bedient die ganze Jura-Linie von Basel bis Genf mit ihren teilweise sehr grossen und andauernden Steigungen und schweren Zügen. Zugkraft und Leistung, sowie Gesamtanordnung sind den vorigen ähnlich. Die Anfahrvorrichtung ist die ältere von v. Borries. Bemerkenswert ist die Steuerung nach amerikanischer Art: innenliegende Stephenson-Steuerung mit Zwischen welle zur Uebertragung auf die aussen liegenden Schieber. Die beste, fahrplanmässige Fahrt dieser Lokomotive (zum Schnellfahren ist bei der Bodenbeschaffenheit der Schweiz nicht viel Gelegenheit) ist: Lausanne-Genf 61 km in 55 Min., 66,5 km/Std. Uebrigens eignet sich die Maschine, wie die vorigen, auch zum richtigen Schnellfahren. So wurde schon die Strecke Nyon-Genf, 22 km, infolge einer Verspätung mit einem Zug von 240 t h. T. in 16 Min. zurückgelegt, was einem Durchschnitt von 82,5 km/Std. zwischen den Haltestellen entspricht. Bei der grossen Zuglast von rund 330 t im ganzen und der kurzen Strecke bedeutet dies eine sehr hohe Leistung; die Bauvorschrift für die Lokomotive war dagegen nur die Beförderung eines Zuges von 180 t h. T. mit 45 km/Std. auf der Steigung von 1 : 100, was heute meistens weit überholt ist. 2. Die Schnellzuglokomotive der österreichischen Staatsbahnen ist bedeutend grösser und stärker als diejenige der preussischen Bahnen. Bemerkenswert sind: der (schon seit 1893 so üblich) hochliegende Kessel, das Domverbinderohr zur Dampftrocknung, der grosse Radstand des bremsbaren Drehgestelles mit Zapfen hinter der Mitte zur Verminderung des führenden Spurkranzdruckes, die oben erwähnte Gölsdorfsche, höchst einfache Anfahrvorrichtung; die niedrige, lange Feuerbüchse mit schräger Hinterwand; die Sicherheitsventile System Pop. Textabbildung Bd. 318, S. 809 Fig. 58. Oesterreichische Staatsbahn. Die Lokomotive ist in 3 Serien nacheinander gebaut worden, deren letzte, vom Jahr 1902, die fortschrittlichste darstellt, Serie 2 (1900) ist durch die Skizze (Fig. 58a), Serie 3 durch die Photographie (Fig. 58b) dargestellt. Hinsichtlich der Hauptabmessungen ist ein Unterschied zwischen den drei Serien nicht zu bemerken; der höchst zulässige Druck einer Triebachse ist durchwegs 14,5 t; das Gesamtgewicht ist besonders dadurch etwas vermindert worden, dass der zweite Dom nebst Verbinderohr jetzt weggefallen ist; der Kessel ist so hoch gelegt worden (bei den neuesten 2,83 m über S. O.), dass nach amerikanischem Muster die Feuerbüchse über die Rahmen kam und um etwa 200 mm verbreitert werden konnte. Der dreiachsige Tender fasst 16,5 cbm Wasser und 6 t Kohlen und wiegt dienstbereit 38 t. Auf diese Art ist eine 2/4 gek. Lokomotive freiester Form entstanden, wie sie sonst ausserhalb von Amerika nicht zu finden ist. Die Aufgaben dieser Maschinengattung sind: \left{{\mbox{240 t h. T.}}\atop{\mbox{200 t}\ \ "\ \ "\ }}\right\}\mbox{auf 1 : 100}\left\{{{\mbox{mit 40 bis 45 km/Std.}}\atop{\ "\ \ 40\ \ "\ \ 55\ \ \ "\ \ \ \ \ \ }}\right 160\mbox{ t h. T.}\left\{{{\mbox{auf 1 : 100 mit 60 km/Std.}}\atop{\ \ \ "\ \ 1\,:\,333\ \ "\ \ \ 90\ \ \ "\ \ \ \ \ \ \ \ }}\right Ihrem Aussehen nach hat man hier eine Flachlandlokomotive vor sich, wofür besonders die hohen Triebräder sprechen (2140 mm), jedoch zeigen diese Bedingungen, dass sie fast ausschliesslich für dauernde, massige Steigungen bestimmtist. Die Leistungen sind kurz so zu schätzen (Lokomotivgewicht mit Tender zu 90 t angenommen): \underset{Belastung:}{Grosste}\left\{{{W=330\,(2,4+\frac{45^2}{1300}+10)=330\cdot 14=4600\mbox{ kg}}\atop{N=4600\cdot \frac{45}{270}=770\mbox{ PS.}\ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ }}\right \underset{Belastung:}{Kleinste}\left\{{{W=250\,(2,4+\frac{90^2}{1300}+3)=250\cdot 11 6=2900\mbox{ kg}}\atop{N=2900\cdot \frac{90}{270}=970\mbox{ PS.}\ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ }}\right Bei 138 qm hat man also \frac{N}{H}=\frac{770}{138}=5,6 bezw. =\frac{970}{138}=7,1\mbox{ PS/qm} was die richtigen Werte für die entsprechenden Tourenzahlen sind. Textabbildung Bd. 318, S. 809 Fig. 58b.Oesterreichische Staatsbahn. Für die gute Einstellung in Kurven spricht der Umstand, dass Kurven von bis 375 m Radius anstandslos mit 80 km/Std. durchfahren werden. Die Lokomotive war 1900 in Paris ausgestellt. Trotz dieser äusserst leistungsfähigen Lokomotive weist der österreichische Fahrplan als höchste Reisegeschwindigkeit nur 73 km/Std. auf, bleibt also um 13 km/Std. noch hinter Deutschland zurück. 3. Die Schnellzuglokomotive der Schweizer Nordostbahn, gebaut in Winterthur, seit 1899 16 Stück, war ebenfalls 1900 in Paris ausgestellt! Sie bedient das ganze im Profil sehr Wechsel volle Netz dieser Bahn, welches dauernde Steigungen bis 1:80 in Menge besitzt, und ist bestimmt, Züge von 240 t Gewicht h. T. auf der Steigung 1 : 100 mit 45-50 km/Std. Dauergeschwindigkeit zu befördern. Diese Bedingung ist dieselbe, wie bei der vorigen Lokomotive der österreichischen Staatsbahnen, wird aber hier durch einen viel kleineren Kessel erfüllt, weil die Triebräder bedeutend geringeren Durchmesser haben und deshalb durch ihre höhere Tourenzahl bei gleicher Geschwindigkeit die Wirkung des Blasrohres auf die Kesselleistung verstärken. Dementsprechend ist das Dienstgewicht der Maschine geringer (um etwa 6 t), und der kommerzielle Wirkungsgrad der Lokomotive, bei gleichen Bedingungen, ein höherer. Immerhin ist dadurch die Beanspruchung des Kessels sehr stark geworden und geht weit über die normale hinaus; da die innere Kesselheizfläche etwa 115 qm (äussere 128,5 qm) ist, so ist bei der erwähnten Bedingung \frac{N}{H}=\frac{770}{115}=6,7\mbox{ PS/qm} dabei ist aber die Tourenzahl n=5310\,\frac{V}{D}=5310\,\frac{45}{1830}=130\mbox{ i. d. M.} normal wäre daher \frac{N}{H}=0,46\,\sqrt{130}=5,2\,PS/qm zu erwarten. Der Faktor a der Wurzel beträgt daher nicht 0,46, sondern nicht weniger als 0,59 und gleicht deshalb demjenigen der Heissdampflokomotive! Dies ist um so erstaunlicher, als die Lokomotive keinen Dampfdom und keine Wasserabscheidung besitzt, geschweige denn einen Ueberhitzer! Es ist dies somit eine ganz vorzügliche Konstruktion, wozu die hervorragend schöne und elegante Formgebung und Ausführung im Einklang steht. In Paris wurde dies auch einstimmig von den ausländischen (auch amerikanischen) Fachleuten anerkannt. Die Besonderheiten der Lokomotive (Fig. 59) sind: innere, schwach geneigte Zylinder mit seitlich darüber liegenden Schieberkästen, welche den Rauchkammersattel in die Mitte nehmen; Exzentergegenkurbel ausserhalb, also äussere Exzenterstangen mit Uebertragung auf die innen liegenden Coulissen: Rahmen vor den Triebrädern gekröpft um die Zylinder aufnehmen zu können. Anfahrventil selbsttätig: ein Wechselkolbenschieber, welcher durch einen davor liegenden Dampfkolben verschoben wird, sobald sich durch Auslage des Steuerhebels über 70 v. H. Füllung im kleinen Zylinder zwangläufig ein kleines Dampfventil (unter der hinteren Schieberstopfbüchse rechts) öffnet. Textabbildung Bd. 318, S. 810 Fig. 59. Schweizer Nordostbahn. Textabbildung Bd. 318, S. 810 Fig. 60. Kansei – Bahn. Der Kessel besitzt, wie schon erwähnt, in Analogie zu sämtlichen Lokomotiven der Nordostbahn, keinen Dampfdom, sondern ein Sammelrohr mit Schlitzen nach oben, welches in der Rauchkammer in den Regulatorkopf mit wagerechtem Schieber übergeht. Es sind zwei doppelte Ramsbottomsche Federventile vorhanden, eines vor dem gut (nach preussischem Muster) beschaffenen Führerstand, das andere über dem Mannloch. Die Feuerbüchse besitzt ein kurzes Feuergewölbe. – Der Tender ist dreiachsig und fasst 12 cbm Wasser und 4 t Kohlen bei 28,7 t Dienstgewicht. Die Westinghousebremse wirkt auf die Trieb- und Tenderräder. Seit der Einführung dieser Maschinengattung sind die Fahrzeiten einer ganzen Reihe von Zügen auch unter den schwierigsten Verhältnissen bedeutend verkürzt worden; besonders fühlbar ist dies auf der Strecke Basel-Zürich, 90 km (Bötzbergbahn), welche nun mit mehrfachem Anhalten in 1 Std. 45 Min., ohne Anhalten in 1 Std. 37 Min. durchfahren wird, gegen 2 Std. 10 Min. noch im Jahre 1899. 4. Die Schnellzuglokomotive der Kansei-Bahn, Japan, (Fig. 60), gebaut 1900 von den Pittsburgh Locomotive Works,soll hier ebenfalls betrachtet werden als Muster einer amerikanischen, unsymmetrischen Verbundmaschine, welche nur vereinzelt zu finden ist. Bis auf wenige Ausnahmen, welche hauptsächlich dem Güterzugdienst angehören, ist die amerikanische Verbundmaschine nach Tandem- oder nach Vauclainscher Bauart, also vierzylindrig symmetrisch konstruiert. Das hier erwähnte Muster ist für eine Bahn bestimmt, welche, wie in Japan, Südafrika und Australien ausschliesslich üblich, nur 1067 mm (3' 6'' engl.) Spurweite, dabei aber durchaus Hauptbahn-Material und –Betrieb in etwas verkleinertem Masstabe besitzt. Die grösste Masse der Lokomotiven aller dieser Bahnen stammt aus Amerika, und so zeigt auch diese hier rein amerikanische Bauart. Abweichend davon sind nur: die europäischen Puffer mit Wegfall des „cow-catcher“, sowie der dreiachsige Tender (9,2 cbm Wasser und 3 t Kohlen) mit hinterem Drehgestell. Die Abmessungen sind verhältnismässig sehr gross, woraus sich auch die Art des Betriebes schliessen lässt; als höchste Geschwindigkeit wird man vielleicht 80 km/Std. als höchste Leistung 600 PS oder so annehmen können. Das Streckenprofil ist sehr wechselvoll, die Reisegeschwindigkeit daher nur gering, beim schnellsten Zug 48 km/Std. Dabei führt z.B. der „Tokio-Express“ 6 lange Durchgangs wagen nach amerikanischer Art. Die hier angewendete Anfahrvorrichtung ist derjenigen bei der Lokomotive der Schweizer Nordostbahn ähnlich; ein Wechselschieber ist in die Ausströmung des Hochdruckzylinders eingebaut und wird entweder zwangläufig durch einen Dampfzylinder, welcher durch den Steuerhebel geöffnet wird, oder auch beliebig von Hand verstellt; erstere Einstellung ist beim gewöhnlichen Ingangbringen eines Zuges, letztere bei aussergewöhnlichen Fällen (z. Z. kurzen Steigungen), oder beim Verschiebedienst üblich, so dass die Lokomotive ganz nach Belieben als selbsttätig anfahrende Verbund- oder als Zwillingsmaschine dienen kann. Andere Beispiele der unsymmetrischen Anordnung können, soweit es sich um Personenzuglokomotiven handelt, kaum aufgezählt werden; die bemerkenswerten sind hier erledigt. (Fortsetzung folgt.)