Titel: | Elektrische Gruben- und Tages-Lokomotiven. |
Autor: | M. Buhle |
Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 156 |
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Elektrische Gruben- und
Tages-Lokomotiven.
Von M. Buhle, Professor in
Dresden.
Elektrische Gruben- und Tages-Lokomotiven.
Waren in dem Aufsatz „Neuere Dampflokomotiven“ Seite 123 dieses Bandes
vornehmlich Dampf-Betriebsmittel von grössten Abmessungen beschrieben, so soll im folgenden
im Gegensatz dazu einiges über kleine und kleinste elektrisch betriebene Lokomotiven berichtet
werden.
Textabbildung Bd. 319, S. 156
Fig. 1. Grubenlokomotive von Lahmeyer. (Aeussere Ansicht.)
Textabbildung Bd. 319, S. 156
Fig. 2. Grubenlokomotive von Lahmeyer. (Innere Ansicht)
Unter den vielfachen Anwendungen der elektrischen Kraftübertragung nehmen die
elektrischen Bahnen eine hervorragende Stelle ein. Ihre starke Ausbreitung und die
Gründe für diese kräftige Entwicklung sind zu bekannt, als dass hier näher darauf
eingegangen werden müsste. Die gleichen Vorzüge des elektrischen
Zugbetriebes,welche den Strassenbahnen zu so grosser Ausdehnung verholfen
haben, sind nun auch massgebend für die immer mehr zutage tretende Bevorzugung
elektrischer Transportbahnen im Fabrikbetriebe und ganz besonders im Berg- und
Hüttenwesen. Hier tritt hauptsächlich die Leichtigkeit, mit welcher sich der
elektrische Antrieb den verschiedensten örtlichen Verhältnissen anpassen lässt, in
den Vordergrund und schafft zusammen mit der bequemen Energiezuführung und Regelung
in der elektrischen Lokomotive ein Hilfsmittel für den Transport von Gut jeglicher
Art, wie es einfacher und billiger kaum gedacht werden kann.
Textabbildung Bd. 319, S. 156
Fig. 3. Neunpferdiger Bahn-Elektromotor.
Textabbildung Bd. 319, S. 156
Fig. 4. Bahn-Kontroller.
In Fig. 1–5 ist eine
von der Elektrizitäts-Aktien-Gesellschaft vorm. W. Lahmeyer
& Co., Frankfurt a. M., mehrfach für die Steinkohlengewerkschaft „Charlotte“ in Czernitz ausgeführte
Grubenlokomotive veranschaulicht. Diese Lokomotiven sind für eine Spurweite von nur
420 mm und für eine mittlere Zugkraft am Haken von 180 kg gebaut und imstande, eine
Bruttolast von 15 (höchstens 21) beladenen Kohlenwagen (gleich einem Gewicht von 15
bezw. 21 t) bei einer sekundlichen Geschwindigkeit von 3 m zu ziehen. Der
kleinste Radius auf der Strecke beträgt 8 m, die grösste Steigung 6 v. T. Das
Gehäuse der Lokomotive besteht aus Gusseisen und besitzt eine Höhe von rund 1130 mm
bis zur Abdeckplatte und eine Gesamtlänge (über den Puffern gemessen) von 2435
mm.
Textabbildung Bd. 319, S. 157
Fig. 5. Grubenlokomotive von Lahmeyer. (Längsschnitt).
Textabbildung Bd. 319, S. 157
Fig. 6. Gruben- und Tageslokomotive von Lahmeyer. (Aeussere Ansicht)
Das Gesamtgewicht beträgt etwa 3 t, der Radstand 702 mm. Betrieben wird die
Lokomotive von einem Gleichstrommotor (Fig. 3) für 9
PS bei 650 Minutenumdrehungen und 350 Volt; derselbe arbeitet mit Vorgelege und
Zwischenvorgelege auf beide Laufradachsen. Die Aufhängung des Motors ist besonders
kräftig gehalten, um starken Stössen Widerstand leisten zu können. Die Lager des
Motors sind reichlich bemessen und mit ausgiebiger Schmierung versehen, deren
Anordnung ein Eindringen von Fett und Oel in den Motor selbst ausschliesst.Der
ganze Motor ist von einem staub- und wasserdichten Gehäuse umschlossen, welches
gleichzeitig einen wirksamen Schutz gegen mechanische Beschädigungen bietet.
Der Führersitz ist an dem einen Ende der Lokomotive seitlich derart angeordnet, dass
Bremse und Kontrollerkurbel bequem bedient werden können (Fig. 1). Die Bremse ist als Differentialbremse mit Bronzebelag ausgeführt
und wirkt auf die letzte Zwischenvorgelegewelle. Die Bauart der benutzten Kontroller
zeigt Fig. 4; sie bestehen aus einer Anlasswalze mit
magnetischer Funkenlöschung und einer Umschaltewalze zur Umkehrung der Drehrichtung
des Motors. Beide Walzen sind derart gegeneinander gesperrt, dass ein Umschalten nur
in der Nullstellung möglich ist.
Die Fahrdrahthöhe beträgt 1700 mm. Durch selbsttätig umlegbare
Bügelstromabnehmer, welche für die geringe Fahrdrahthöhe besonders konstruiert sind,
wird der Betriebsstrom den Leitungen entnommen.
Ein Schnitt durch die Lokomotive im ungefähren Masstabe von 1 : 20 ist in Fig. 5 veranschaulicht.
Textabbildung Bd. 319, S. 158
Fig. 7. Gruben- und Tageslokomotive von Lahmeyer. (Längsschnitt).
Textabbildung Bd. 319, S. 158
Fig. 8. Zug über Tag.
In den Abbildungen 6 und 7 ist eine Lokomotive wiedergegeben, welche für Betriebe
über und unter Tag bestimmt ist. Mehrere davon wurden an Ch.
u. J. Collart, Bergbau und Hüttenbetrieb in Esch-Höhl (Luxemburg) geliefert
und für eine grösste Zugkraft von 1000 kg am Haken bemessen. Auf einer Steigung bis
zu 40 v. T. sind die Lokomotiven imstande, 8 Hunde, die beladen etwa 19 t wiegen,
mit einer Geschwindigkeit von etwa 2,5 m/Sek. zu befördern. In Fig. 8 sind zwei Züge auf der Strecke über Tag
sichtbar, während Fig. 9 einenZug im Stollen
erkennen lässt. Wie aus diesen Abbildungen hervorgeht, schwankt die Fahrdrahthöhe
auf den verschiedenen Arbeitsstrecken beträchtlich und zwar zwischen 2500 und 3500
mm. Aus diesem Grunde sind Parallelogramm-Stromabnehmer zur Anwendung gekommen.
Textabbildung Bd. 319, S. 158
Fig. 9. Zug unter Tag.
Diese sind an einem Gerüst aus Winkeleisen auf dem Dach des
Führerstandes angebracht und so eingerichtet dass ihre Walze an den Fahrdraht in der
tiefsten wie in der höchsten Lage gleich stark angedrückt wird, so dass eine
äusserste Schonung der schleifenden Teile gewährleistet ist. Die Lokomotiven haben
eine Länge von 3420 mm, über den Puffern gemessen, und eine Höhe von 1600 mm; der
Radstand beträgt 1000, die Spurweite des Gleises 700 mm. Das Gestell der Lokomotiven
besteht aus Gusseisen, die nach vorn und hinten schräg abfallende Abdeckung des
Triebwerkes und das Führerhaus sind in Eisenblechkonstruktion ausgeführt. Die
Lokomotiven sind mit je zwei zwölfpferdigen Gleichstrommotoren ausgerüstet, die
mittels einfacher Uebersetzung auf die Triebachsen arbeiten. Wie die im Masstab von
ungefähr 1 : 20 ausgeführte Schnittzeichnung (Fig.
7) erkennen lässt, ruhen die Motoren einerseits mit ihren Vorgelegelagern auf
der Laufachse, um die sie pendeln können, andrerseits mit einer Nase zwischen
kräftigen Spiralfedern, die auf einem Bolzen befestigt sind. Die Steuerung der
beiden Motoren wird durch einen Wendekontroller bewirkt, der in ähnlicher Weise
ausgebildet ist, wie der in Fig. 4 dargestellte
Apparat. Zu beiden Seiten des Führersitzes ist je ein Bremshebel für die Handbremse
angeordnet, die auf beide Achsen der Lokomotive wirkt. Ausser dieser mechanischen
Bremsvorrichtung ist auch eine elektrische Kurzschlussbremsung vorgesehen, so dass
eine durchaus zuverlässige Bremswirkung und sicheres Manövrieren mit den Lokomotiven
gewährleistet ist.
Textabbildung Bd. 319, S. 159
Fig. 10. Tageslokomotive von Lahmerer.
Ausschliesslich als Tageslokomotiven werden die in Fig.
10 dargestellten Lokomotiven benutzt, welche die Elektrizitäts-A.-G. vorm. W. Lahmeyer & Co., Frankfurt a. M., an die
Nordhäuser Elektr. Gesellschaft H, Unverzagt u. Co.
für die Hesselbühler Basaltwerke geliefert hat.Die
Lokomotiven sind in erster Linie für die Beförderung von Materialwagen bestimmt. Der
Kasten des Führerstandes ist aber derartig erweitert, dass auch noch einige Personen
mitfahren können. Zu diesem Zweck sind an der Stirnseite des Wagenkastens
aufklappbare Sitze für zusammen 6 Personen angebracht. Bei einer stetigen Steigung
von 1 : 40 und einer grössten Bruttolast von 9 t fahren die beiden Lokomotiven mit
einer sekundlichen Geschwindigkeit von etwa 2,7 m. Die Zugkraft am Haken beträgt
normal etwa 160 kg und kann bis zu etwa 320 kg gesteigert werden. Dabei wiegt die
Lokomotive etwa 4 t. Die Gleisanlage hat 600 mm Spurweite und einen geringsten
Krümmungsradius von rund 12 m; der Radstand der Lokomotiven ist 950 mm, die
angebrachte Hebelbremse wirkt auf alle Räder. Der Rahmen und das Oberteil der
Lokomotive sind in Eisenblech ausgeführt, die Gesamtlänge, über den Puffern
gemessen, beträgt 3110 mm, die Höhe 2600 mm, für den Antrieb sind 1 zwei
Gleichstrommotoren für normal je 8 PS, maximal 12 PS eingebaut, die bei 440 Volt mit
750 Minutenumdrehungen durch einfaches Rädervorgelege auf die beiden Achsen der
Lokomotive arbeiten, für die Stromzuführung sind Bügelstromabnehmer zur Anwendung
gekommen; der Fahrdraht liegt 5 m über dem Geleise.