Titel: Automobil-Eisenbahnwagen mit Benzin-Betrieb.
Autor: W. Pfitzner
Fundstelle: Band 319, Jahrgang 1904, S. 309
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Automobil-Eisenbahnwagen mit Benzin-Betrieb. Von Dipl.-Ing. W. Pfitzner, Assistent an der K. Techn. Hochschule, Dresden. (Schluss von S. 291 d. Bd.) Automobil-Eisenbahnwagen mit Benzin-Betrieb. Leider haben alle elektrischen Einrichtungen den Nachteil, dass sie verhältnismässig schwer und teuer sind. Beim Schienenfahrzeug mag ja immerhin das Gewicht erst in zweiter Linie kommen, auch dürfte es möglich sein, durch entsprechende Konstruktion noch an Gewicht zu sparen, der Preis ist aber jedenfalls ausschlaggebend und verbietet in der Regel die Verwendung dieser sonst so zweckmässigen Einrichtungen. Ausser acht zu lassen ist auch nicht der Umstand, dass der Wirkungsgrad dieser Uebertragung nicht die Höhe desjenigen der mechanischen erreichen kann. Es handelt sich meist um kleine Leistungen, etwa 40 PS, bei denen die elektrischenApparate nicht die günstigen Nutzleistungen haben, an die man gewöhnlich denkt. Es wird auch nicht zu vermeiden sein, zwischen Elektromotor und Treibachse noch eine Zahnradübersetzung einzuschalten, da man so langsam laufende Motoren aus Gewichtsrücksichten und anderen kaum herstellen kann. Man muss also mit den Verlusten in den beiden elektrischen Maschinen und einer Zahnradübersetzung rechnen, und man kann annehmen, dass dann mehr als 60–65 v. H. Nutzleistung nicht zu erzielen sind. Dagegen kann man bei der rein mechanischen Uebertragung, selbst wenn die Energie drei Räderpaare passieren muss, doch immer noch auf vielleicht 80 v. H. rechnen. Wenn auch diese Zahlen infolge der Deformationen und sonstigen Betriebseinwirkungen in Wirklichkeit noch mehr herabgedrückt werden, so bleibt doch immer noch ein Unterschied von etwa 15 v. H. zugunsten des mechanischen Antriebes. Bei den teuren Betriebsstoffen ist ein solcher Gewinn von Einfluss, obgleich man im allgemeinen hier nicht um einige Prozente grosse Annehmlichkeiten sich entgehen lassen soll. Zurzeit ist denn auch der mechanische Antrieb allein herrschend, und insbesondere bei den Modellen der Daimler-Motoren-Gesellschaft, Cannstatt, deren Liebenswürdigkeit wir die näheren Angaben über die neuesten Fahrzeuge dieser Art verdanken, ist sie von jeher angewendet worden. Die Aufstellung der einzelnen Maschinenteile hat sich mehrfach geändert, bis sie sich zu der sehr zweckmässigen Anordnung der beigefügten Zeichnungen entwickelt hat. Textabbildung Bd. 319, S. 310 Fig. 1. Automobil-Eisenbahnwagen von Daimler, 25 PS, 42 Personen. Textabbildung Bd. 319, S. 310 Fig. 2. Automobil-Eisenbahnwagen von Daimler, 30 PS, 56 Personen. Von den beiden neuesten Eisenbahnwagen dieser Art sind in Fig. 1 und 2 die äusseren Ansichten gegeben, auf den Schnittzeichnungen Fig. 3 bis 6 ist die innere Einrichtung des Wagens Fig. 2 dargestellt. Beide Wagen entsprechen in der äusseren Form den gewöhnlichen Durchgangs wagen. Der Eingang befindet sich an den Stirnwänden und ist zum Führerstand erweitert. Die Lage des Motors ist verschieden, in Fig. 1 befindet er sich ausserhalb der Achsen an dem einen Ende des Wagens unmittelbar unter dem Führerstande, beim neuesten Modell ist er zwischen den Achsen, zum Teil im Innern des Wagenkastens untergebracht. Die erstgenannte Aufstellung lässt zwar das Innere des Wagenkastens völlig unberührt, indessen gibt sie eine sehr zusammengedrängte Anordnung in dem kurzen Raum vom Wagenende bis zur Treibachse, und infolge der stark überhängenden Gewichte eine ungleichmässige Achsbelastung. Der Wagen dürfte etwas Neigung zum Schlingern haben. Demgegenüber gibt die neuere Anordnung genügende Freiheit in der Entwicklung des Triebwerkes, und alle Teile sind gut zugänglich. Namentlich die empfindlichsten Teile des Motors, Ventile und Zündung, die sich infolge der stehenden Bauart der Maschine zu oberst in dem Schutzkasten im Innern des Wagens befinden, können ohne weiteres nach Wegnahme dieses Schutzkastens sehr bequem bedient werden. Die genannte Hauptschwierigkeit des Antriebes der für gewöhnlich in den Achsbuchsführungen frei beweglichem Achse ist umgangen, indem die ganze Maschinen-Anlage auf einem fest mit den beiden Achsen verbundenen Unterrahmen gelagert ist. Daraus ergab sich die Notwendigkeit, die Federung des Wagenkastens erst zwischen diesem Unterrahmen und dem Wagenkasten selbst vorzunehmen, der demnach seinerseits noch mit einemzweiten, wenn auch leichten Rahmen zu versehen war, Der Wagenkasten ruht, wie es Fig. 3 und 4 andeuten, auf acht Doppelblattfedern, die sich zum Teil unmittelbar, zum Teil unter Vermittlung von seitlich herausgezogenen Konsolen auf die Hauptträger des Untergestelles stützen. Textabbildung Bd. 319, S. 311 Fig. 3. Längsschnitt. Textabbildung Bd. 319, S. 311 Fig. 4. Grundriss. Automobil-Eisenbahnwagen mit 30 PS Benzinmotor. Der Unterrahmen kann infolgedessen ganz allein nach den Bedürfnissen der Maschinenanlage ausgebildet werden. Er besteht in der Hauptsache nur aus zwei kräftigen Längsbalken in ⊏-Profil, die durch einige Diagonalverbände und auch durch die Maschinenteile selbst versteift werden. Er liegt zwischen den Rädern ähnlich den Lokomotivrahmen. Textabbildung Bd. 319, S. 312 Fig. 5. Querschnitt. Textabbildung Bd. 319, S. 312 Fig. 6. Vorderansicht. Die Maschinenanlage ist derart ausgebildet, dass der vierzylindrige Motor, die Reibungskupplung und das Zahnräder-Wechselgetriebe mit ihren Hauptachsen parallel zur Längsrichtung des Wagens liegen; am letzten Wellenende des Wechselgetriebes ist ein Kegelrad befestigt, das als Teil des Wendegetriebes eine parallel zur Treibachse liegende Vorgelegewelle antreibt, von der endlich unter Vermittlung noch eines Stirnräderpaares die Energie auf die Treibachse übertragen wird. Ueber Motor und Kupplung ist an dieser Stelle nichts besonderes mitzuteilen; es sind die vom Automobilbau übernommenen Konstruktionen.Wir hoffen, demnächst Näheres über die Fortschritte auf diesem Gebiete bringen zu können. Das Wechselgetriebe ist ebenfalls ein Automobilgetriebe, nur für den vorliegenden Zweck entsprechend stärker ausgebildet.Es besteht aus vier Zahnradpaaren, die abwechselnd durch seitliches Verschieben der Räder auf der oberen Welle (Fig. 3) zum Eingriff gebracht werden. Bei normaler Umdrehungszahl des Motors geben diese vier Uebersetzungen dem Wagen eine Geschwindigkeit von bezw. 7,5 13, 23, 32 km/St. Je zwei Uebersetzungen werden durch einen gemeinsamen Hebel, durch Verschieben nach rechts oder links, betätigt; ausserdem besteht noch eine aus Fig. 4 ersichtliche Hebelverbindung mit der Reibungskupplung, die den Zweck hat, die Kupplung beim Umschalten von einer Geschwindigkeit auf die andere selbsttätig auszuschalten. Die Verstellung der Räder geschieht von beiden Führerständen aus durch je zwei Hebel; zusammengehörige Leitungen führen nach einem gemeinsamen Doppelhebel, beim Verstellen dient immer die eine Zugleitung als Stütze für die Bewegung der anderen (vergl. Fig. 4). Zwischen den verschiedenen Hebeln sind selbstverständlich Verriegelungen vorgesehen, so dass man immer nur eine einzige Uebersetzung einschalten kann. Die Wirkungsweise des Kegelräder-Wendegetriebes ist aus Fig. 4 ohne weiteres zu ersehen. Die beiden grossen Kegelräder laufen zunächst leer auf der Vorgelegewelle, mit Hilfe von Spiralbandkupplungen wird das eine oder andere an die Welle angekuppelt, je nachdem der Wagen vorwärts oder rückwärts laufen soll. Sämtliche Zahnräder sind in einem gemeinschaftlichen Blechkasten eingeschlossen. Die Hebelleitungen von den Führerständen nach den einzelnen Kupplungen usw. sind in dem Zwischenraum zwischen Wagenkasten und Untergestell sehr bequem untergebracht. Hilfsvorrichtungen, wie Wasserkühlung für den Motor, Sandstreuer an den Treibrädern usw. finden seitlich Platz. An Bremsvorrichtungen sind zwei vorhanden, eine gewöhnliche Klotzbremse, einseitig am Umfang der Räder wirkend, eine zweite Bremse auf der Vorgelegewelle der Treibachse sitzend, deren Hebelverbindung nach den Führerständen aus Fig. 4 ersichtlich ist. Die Bedienung des Fahrzeuges geschieht, nachdem der Motor im Innern des Wagens mit der angedeuteten Handkurbel (Fig. 3) in Gang gesetzt ist, lediglich vom Führerstande aus, also mit den Hebeln für Vor- und Rückwärtsfahrt, Zahnradeinschaltung, Reibungskupplung, zwei Bemsen, Sandstreuer und Signalglocke, wie man sieht, immerhin noch mit einer grossen Reihe von Handgriffen. Auf nähere Einzelheiten der Konstruktion hier einzugehen, würde zu weit führen; die allgemeinen Angaben über den konstruktiven Aufbau sollen nur einen Einblick geben, in welcher Weise die Aufgabe gelöst ist. Die Lösung selbst stellt das Ergebnis jahrelanger Arbeiten vor, sie ist als durchaus zweckmässig für den Bau grösserer Automobil-Eisenbahnwagen mit Explosionsmotoren anzusehen. Die einfache, klare Anordnung aller Maschinen und Nebenapparate fällt angenehm auf, namentlich älteren Konstruktionen gegenüber, wie den ersten Gasbahnwagen.D. p. J. 1900, 315, 61. Die Verwendung der schnellaufenden Explosionsmotoren hat diese Fahrzeuge lebensfähig gemacht, und die Uebertragung der im Automobilbau erworbenen Konstruktionsgrundsätze hat sie auf eine hohe Stufe der Vollendung und der Betriebssicherheit zu bringen vermocht. Die Leistung der Fahrzeuge hat sich seit Beginn der Versuche ständig vermehrt, sowohl hinsichtlich Platzzahl als auch hinsichtlich der Motorstärke. Von den im ganzen fünf an die Württembergischen Staatsbahnen gelieferten Wagen hatte der erste 5,5 PS Motorleistung und Platz für 18 Personen bei einem Leergewicht von 3500 kg. Der Wagen besass nur zwei Geschwindigkeitsstufen, 7,5 und 15 km, und konnte mit voller Besetzung und bei günstigen Gleisverhältnissen auf einer Steigung 1 : 122 noch 12 km/St. Geschwindigkeit erreichen. Bei ungünstigen Betriebsverhältnissen, Schnee und starkem Gegenwind versagte er. Ein zweiter Wagen wurde mit einem 10 PS Benzinmotor ausgerüstet; er wog 10000 kg und bot Platz für im ganzen 40 Personen. Die beabsichtigte Geschwindigkeit von 25 km/St. konnte er nicht erreichen, da in den Uebertragungsmechanismen zu grosse Arbeitsverluste auftraten; auch liessen die Schaltvorrichtungen sowie die damals bei den Motoren noch verwendete Glührohrzündung mancherlei zu wünschen übrig. Der dritte Versuchswagen lieferte dagegen sehr zufriedenstellende Resultate. Er war etwas leichter als der zweite (8500 kg), sein Motor leistete dagegen 14 PS. Platz war für 32 Personen vorgesehen. Er kam bequem bis zur verlangten Geschwindigkeit von 25 km/St., auf Steigungen von 8 a. T. fuhr er noch mit 15 km/St. Er konnte in den regelmässigen Dienst aufgenommen werden, den er seit 1896 mit ganz geringen Unterbrechungen versieht. Seine Bedienung liegt nur in der Hand eines Führers, Fahrkartenkontrolle usw. geschieht von den Stationen. Die durchschnittliche tägliche Leistung beträgt etwa 90 km, die Benutzung des Fahrzeuges ist oft über 1000 Personen im Monat auf der 21 km langen Dienststrecke. Der vierte und fünfte Wagen, die in Fig. 1 und 2 dargestellten, wurden mit wesentlich stärkeren Motoren versehen, so dass Fassungsvermögen und Geschwindigkeit gesteigert werden konnten. Die Motorenleistung beträgt bei Wagen (Fig. 1) 25 PS, bei dem Wagen (Fig. 2) 30 PS, die Platzzahl 42 und 56. Als Höchstgeschwindigkeit wird bei voller Besetzung 40–50 km/St. angegeben, das Gewicht beträgt leer 12500 kg bei dem kleineren Wagen. Ueber den Benzinverbrauch und die sonstigen Kosten hat die Verwaltung seit Beginn der Versuche Aufzeichnungen gemacht, die im allgemeinen günstige Werte aufweisen. Der Durchschnittsverbrauch an Benzin für den Kilometer schwankt zwischen 11,42 und 7,03 Pf., hält sich in den letzten Jahren jedoch in der Nähe der unteren Grenze. Die Ausgaben für Schmieröl betragen zwischen 0,43 und 1,04 Pf. auf den Kilometer. Rechnet man dazu noch an Bedienung des Wagens etwa 6 Pf.f. d. km, dann stellen sich die unmittelbaren Betriebsausgaben auf im ganzen etwa 15 Pf. f. d. km, wie bereits früher erwähnt Wie hoch die Amortisation und der Betrag für Reparaturen anzusetzen ist, kann nicht genau festgestellt werden, die Lebensdauer der Fahrzeuge scheint jedoch länger zu sein als man anzunehmen geneigt ist. Die leistungsfähigen der Wagen sind noch sämtlich in Betrieb, bei einer jährlichen Kilometerzahl von durchschnittlich 50000. Die Ergebnisse von zwei Probefahrten, die mit dem Wagen No. 4 zwischen Cannstatt–Geislingen und Cannstatt–Ulm stattgefunden haben, seien noch genannt: Benzinverbrauch 285 g bezw. 292 g f. d. km, mittlere Fahrgeschwindigkeit 31,6 bezw. 28,2 km/St. Das Wagengewicht betrug hierbei mit voller Besetzung 15700 kg, es würde also der Benzinverbrauch f. d. t km sich etwa auf 18,5 g belaufen, oder bei einem Preis von 0,32 M. f. d. kg, auf etwa 0,59 Pfg. Diese Werte sind ganz erheblich niedriger als die Transportkosten bei Strassenfahrzeugen mit Benzinbetrieb, wie es die glatte Fahrbahn erwarten lässt. Auch daraus lässt sich auf eine gute Rentabilität schon schliessen. Es ist zu erwarten, dass die Automobil-Eisenbahnwagen mehr und mehr an Verbreitung gewinnen werden, verschiedene Bahnverwaltungen des Auslandes, Oesterreich, Ungarn, die Schweiz haben bereits Probewagen erhalten, auch die Sächsischen Staatseisenbahnen werden in Kurzem ausgedehnte Versuche in dieser Richtung aufnehmen. Die vielfach geäusserte Ansicht, dass die Fahrt in solchen Wagen wegen des Geruches und der Erschütterungen des Motors wenig angenehm wäre, dürfte bei den neueren Ausführungen nicht mehr berechtigt sein. Während der Fahrt ist von diesen Uebelständen jedenfalls nichts zu spüren, und bei Stillstand des Wagens sind die Erschütterungen von dem leerlaufenden Motor her durch die gefederte Aufstellung des Wagenkastens sehr gedämpft und kaum zu spüren. Die Umkleidung des Motors im Wageninnern ist ebenfalls leicht so zu halten, dass störende Gerüche von Oel oder Benzin nicht eindringen können. Für die Annehmlichkeiten der Reise ist bei den neueren Modellen in jeder Weise gesorgt, sogar Lüftung und Heizung ist mit Hilfe eines Ventilators eingerichtet, der nach Bedarf die an dem Wasserkühlapparat vorgewärmte Luft in das Innere des Wagens schickt.