Titel: | Die günstigsten Kurbelwinkel für stationäre Mehrkurbelmaschinen. |
Autor: | Reinhold Rüdenberg |
Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 456 |
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Die günstigsten Kurbelwinkel für stationäre
Mehrkurbelmaschinen.
Von Reinhold Rüdenberg,
Hannover.
(Schluss von S. 439 d. Bd.)
Die günstigsten Kurbelwinkel für stationäre
Mehrkurbelmaschinen.
Textabbildung Bd. 319, S. 456
Fig. 7.
Tabelle 2.
n =
1
2
3
4
5
A, B
+ 3,22 + 2,00
– 18,36 + 14,83
– 2,60 + 2,15
– 3,25 – 1,92
– 0,62 – 1,93
C, D
+ 2,70 + 5,68
– 17,60 + 7,48
– 2,48 + 0,63
– 3,15 – 2,85
– 0,20 – 1,68
E, F
+ 3,29 + 10,58
– 19,30 – 8,65
– 2,65 – 4,15
– 2,59 + 1,40
– 0,62 + 0,38
Die Drehkraft-Diagramme der drei Kurbeln sind in Fig.
7 gezeichnet. Sie entstammen einer stehenden dreifach-Expansionsmaschine
von 700 PS Leistung und sind unter vorläufiger Annahme von je 120° Kurbelversetzung
entworfen. Die harmonische Analyse liefert für die Werte der einzelnen
Schwingungsamplituden die Tabelle 2, aus der sich wieder nach demselben Schema wie
oben die an . bn . . . berechnen
lassen, die zur Aufzeichnung der Kurven f (α), g (β) h (β – α)
erforderlich sind (Fig. 8). Dieselben wurden mit 24
Ordinaten, die nach dem Rungeschen Verfahren bestimmt
wurden, aufgezeichnet. Sie zeigen eine regelmässigere Form als die des vorigen
Beispiels, weil auch die Tangentialdruckdiagramme einen gleichförmigeren Verlauf
nehmen. Immerhin sind ausser der zweiten auch noch andere Harmonische vertreten,
sodass man gut tut, diese nicht zu vernachlässigen. Aus Fig. 8 sehen wir nun, dass zu je vier Winkeln der Kurve f (α) je vier der – g (β) - Kurve zugeordnet sind. Im Koordinatensystem der
α und β giebt das also
16 Punkte. In dieser Weise kann man sich drei Kurvensysteme aufzeichnen, die den
drei Gleichungen 17 entsprechen, sie sind in Fig. 9
in verschiedener Weise hervorgehoben. Wie es verlangt werdenmuss, schneiden
sich stets alle drei Kurven in einem Punkte, und aus der Lage dieser Schnittpunkte
sind die besten Kurbelwinkel unmittelbar abzulesen.
Textabbildung Bd. 319, S. 456
Fig. 8.
Allen diesen Schnittpunkten, 24 an der Zahl, entsprechen aber nicht etwa lauter
Minima der Abweichungen, sondern, da sie ja nur die Bedingung des Verschwindens der
Differentialquotienten erfüllen, auch Maxima, und diese haben wir erst zu
eliminieren, was auch ohne die Bildung der höheren Ableitungen hier leicht möglich
ist. Wie der Vergleich der Tabelle 3 mit den Kurven Fig.
8 und 9 zeigt, werden die Gleichungen 17
erstens befriedigt (wenigstens näherungsweise), wenn f (α), g (β) und h (β – α) jedes für sich gleich Null ist. Dies tritt
für die angeführten Winkel ein, gleichzeitig ist. beigefügt, ob für den betreffenden
Winkel ein Maximum oder Minimum der Abweichungen eintritt. (Fallen oder Steigen der
Kurven Fig. 8). Die ersten drei Kolonnen sind aus
Fig. 8 abgelesen, die letzten vier aus α und β berechnet; sie
stimmen stets mit einem der Winkel der Kolonne 3 überein. Nun kann man aus der
Tabelle wohl zwei Winkel so aussuchen, dass sowohl α, β
und β – α einem Maximum entspricht, jedoch nie so, dass
alle drei einem Minimum entsprechen, sodass alle diese Werte für unsere Zwecke
unbrauchbar sind. Es ist dies auch ganz klar, denn wenn z.B. f (α) = 0 ist, so bedeutet dies, dass das
Hoch- und Mitteldruck-Diagramm, wenn man es unter dem Winkel α versetzt, möglichst günstig wird; kommt dann noch das
Niederdruck-Diagramm dazu, so werden natürlich bedeutende Ueberschussflächen
entstehen. In dem räumlichen Koordinatensystem m2, α, β entspricht
z.B. der Punkt α = 173°, β
= 328°, also (β – α) = 155° einem Berge, also
einem absoluten Maximum von m2; der Punkt α = 82°, β = 238°, (β –α) = 156° einem Sattel, also weder einem Maximum
noch einem Minimum.
Tabelle 3.
n
α
n
β
n
(β – α)n
Max.
Min.
Max.
Min.
βn – αn
βn + 1 – αn
βn + 2 – αn
βn + 3 – αn
1
Min.
82°
58°
68°
336°
66°
156°
246°
2
Max.
173°
148°
156°
335°
65°
155°
245°
3
Min.
260°
238°
245°
338°
68°
158°
248°
4
Max.
353°
328°
336°
335°
65°
155°
245°
Von den 24 Schnitt-Punkten der Fig. 9 haben wir also
alle die zu streichen, die den Winkeln der Tabelle 3 entsprechen, das sind 16
Punkte. Es bleiben uns noch 8 Punkte, sie sind in Fig.
9 besonders hervorgehoben, die die Gleichungen 17 ebenfalls befriedigen
und diese entsprechen tatsächlich alle einem Minimum von m2. Sie sind in Tabelle 4 zusammengestellt.
Tabelle 4.
Punkt
α
β
I
48°
84°
II
51°
262°
III
118°
34°
IV
113°
215°
V
232°
82°
VI
229°
264°
VII
291°
37°
VIII
296°
210°
Genau wie bei der Zweikurbelmaschine bewirken auch hier nicht alle diese
Winkelkombinationen ein gleich gutes resultierendes Tangentialdruck-Diagramm. Nach
dem, was oben über den Einfluss der ersten Harmonischen gesagt ist, wird man hier
die Winkel als die günstigsten ansehen dürfen, die 120° und 240° am nächsten liegen,
also Punkt IV oder V. (Diese Punkte sind auch in Fig.
8 angemerkt.) Welches am besten ist, lässt sich nur durch die Zeichnung
bestimmen. Die Auswahl der richtigen Punkte aus Fig.
9 ist also garnicht so schwer, als es bei dem komplizierten Bau derselben
wohl zuerst scheinen möchte. Man erhält nur zwei Winkel als günstigste, die den
beiden möglichen Anordnungen der Kurbeln: I–II–III oder I–III–II entsprechen, man
kann also dies eventuell noch nach anderen Gesichtspunkten wählen. In Fig. 10 sind nun die ausgeglichenen Diagramme im
Vergleich zu den nicht ausgeglichenen, deren Kurbeln unter 120° stehen, angeführt.
Man erkennt leicht den gewaltigen Unterschied, der wohl zu Gunsten einer
allgemeineren Anwendung spricht. Das Diagramm, das dem Punkte VII in Fig. 9 oder Tabelle 4 entspricht, stellt die Fig. 11 dar. Denselben Typus zeigen auch die anderen
Punkte der Tabelle 4; die erste Harmonische ist hier viel stärker, wie wir es uns
schon durch Ueberlegung sagten.
Textabbildung Bd. 319, S. 457
Fig. 9.
Würde eine Zweikurbelmaschine vorliegen, die nur das Hochdruck- und
Niederdruck-Diagramm II und III der Fig. 7 aufwiese,
so würde uns die Kurve für h (β – α)
Fig. 8 die günstigsten Kurbelwinkel zu 68° bezw. 245°
liefern. Um auch an diesen regelmässigeren Diagrammen den Vorteil des Ausgleichs bei
nur 2 Kurbeln zu zeigen, sind die vier entsprechenden Diagramme in Fig. 12 entworfen. Auch hier zeigt sich eine sehr
wesentliche Verbesserung, obgleich die erste Harmonische in etwas grösserer Stärke
vorhanden ist.
Textabbildung Bd. 319, S. 458
Fig. 10.
Textabbildung Bd. 319, S. 458
Fig. 11.
Es seien nun noch einige Worte über die Brauchbarkeit unseres Ausgleichgesetzes
gesagt, auf dem die vorstehenden Rechnungen basieren, und das, wie wir sehen, zu
bemerkenswerten Resultaten führt. Bei Betriebsdampfmaschinen, die zum Antriebe
irgend welcher Arbeitsmaschinen dienen, denen die Arbeit durch Riemen oder Seile
zugeführt wird, darf man völlige Konstanz des zu überwindenden Momentes
voraussetzen, da kleine Schwankungen durch das elastische Uebertragungsmittel und
durch die Riemenschlüpfung ausgeglichen werden. Hier ist also die Belastungslinie
eine Gerade und das oben erwähnte strenge Ausgleichsgesetz (das der überschiessenden
Flächen) wäre besser anzuwenden, wenn es eben nicht auf unlösbare mathematische
Schwierigkeiten führte. Immerhin gibt auch unser Gesetz sehr brauchbare Werte. Ganz
anders liegen aber die Verhältnisse, sobald man an direkten Antrieb elektrischer
Generatoren, insbesondere vonparallel arbeitenden Wechselstromgeneratoren
denkt. Hier würde die Rechnung mit einer geradlinigen Widerstandslinie zu völlig
falschen Resultaten führen, da die momentane Belastung sowohl stark von der Form des
Drehkraftdiagrammes selbst, als auch von anderen, äusseren Einflüssen, nämlich von
der Belastungsart des elektrischen Generators, abhängt. Der gewöhnliche Begriff des
Un-gleichförmigkeitsgrades verliert bei diesen Maschinensätzen seine ganze
Bedeutung, da er sich auf anderen Grundlagen, als den hier vorhandenen, aufbaut.
Eine bestimmte „Ungleichförmigkeit“ ist noch gar keine Gewähr für gutes
Arbeiten der Maschinen, sondern es kommt hier alles darauf an, jede Art von
Schwingungen zu vermeiden, die zu unangenehmen Nebenerscheinungen führen. Dies ist
ja aber gerade die Quintessenz unseres Ausgleichsgesetzes, wir machen die Summe
aller Schwingungen möglichst klein. Ich glaube daher, dass die hergeleiteten Formeln
für die allgemeine Anwendung wohl brauchbar sind, für die zuletzt erwähnten Fälle
scheinen sie mir sogar im Prinzip richtiger zu sein, als etwaige graphische
Aufsuchung der kleinsten Ueberschussfläche.
Bei jeder Aenderung der Belastung ändert sich nun das Tangentialdruckdiagramm und man
könnte denken, dass die Winkel, die bei Vollast die günstigsten waren, bei kleineren
Füllungen der Dampfzylinder ihren Namen zu Unrecht besässen. In gewissem Grade
trifft dies natürlich auch zu, insofern als es dann andere Winkel gibt, die das
resultierende Diagramm noch etwas gleichmässiger machen. Bedenkt man aber, dass die
Eigenschaft des möglichsten Ausgleichs aller Schwankungen für die unsymmetrischen
Winkel gerade darin liegt, dass beim Hochdruckdiagramm der Buckel mehr nach hinten,
beim Niederdruckdiagramm im allgemeinen nach vorn verschoben ist, und dass dieser
Unterschied bei Entlastung einer Maschine nur noch stärker wird, so darf man
annehmen, dass auch bei jeder anderen Last eine ausgeglichene Maschine ein besseres
Drehkraftdiagramm besitzt, als eine nicht ausgeglichene.
Sämtliche Formeln und Betrachtungen, die hier für Dampfmaschinen angestellt
sind, lassen sich natürlich auch sinngemäss auf Gasmaschinen übertragen. Bei
Zweitaktmaschinen bleiben sämtliche Formeln ungeändert, bei Viertaktmaschinen hat
man nur darauf zu achten, dass bei der Analyse der Tangentialdruckdiagramme die
Periode 2 π über einen ganzen Viertakt auszudehnen ist,
und dass daher die Kurbelwinkel im halben Maasstabe der wirklich auszuführenden aus
der Rechnung hervorgehen. Die Analyse wird man der Genauigkeit wegen auch besser mit
mehr als zwölf Ordinaten ausführen.
Textabbildung Bd. 319, S. 459
Fig. 12.
Tabelle 5.
Fig. No.
Anzahl derKurbeln
Reihenfolgeder Kurbeln
Nicht ausgeglichen
Ausgeglichen
Ersparnis inv. H.
Verbesserungin v. H.
α
β
f qcm
α
β
f qcm
5
2
I–II
90°
–
20,9
53°
–
14,4
31
45
II–I
270°
–
17,1
222°
–
13,5
21
27
II–III
90°
–
13,9
68°
–
12,2
12
14
12
2
III–II
270°
–
13,4
245°
–
9,3
31
44
I–II–III
120°
240°
12,6
113°
215°
7,7
39
64
I–III–II
240°
120°
11,3
232°
82°
5,0
56
126
Ich möchte noch darauf hinweisen, dass die in unseren Rechnungen benutzte Abweichung
der momentanen Drehkraft von der mittleren natürlich ganz verschieden ist von der
den Wechselstrom-Elektrotechnikern geläufigen Abweichung des Schwungrades aus seiner
mittleren Lage, der sog. Winkelabweichung, und damit nicht verwechselt Werden darf.
Natürlich wird, unter sonst gleichen Bedingungen, durch unser Ausgleichsgesetz auch
die Winkelabweichungkleiner, begrifflich ist aber ein strenger Unterschied zu
ziehen.
Fassen wir die Ergebnisse unserer Rechnungen zusammen (Tabelle 5), so sehen wir, dass
es möglich ist, bei Anwendung der günstigsten Kurbelwinkel eine erhebliche
Verminderung des Schwungradgewichtes vorzunehmen, wenn man denselben
Ungleichförmigkeitsgrad erreichen will und zwar für die hier berechneten Beispiele
bei Zweikurbelmaschinen um 15–30 v. H., bei Dreikurbelmaschinen um 40–55 v. H. Oder
umgekehrt, bei derselben Grosse des Schwungrades verbessert sich der
Gleichförmigkeitsgrad um 15–40 v. H. bei zwei, um 60–125 v. H. bei drei Kurbeln.
Dies sind aber so erhebliche Unterschiede, dass sich die Anwendung wohl in vielen
Fällen lohnen dürfte. Die Untersuchung macht zwar, besonders bei drei Kurbeln, etwas
Mühe, ist aber doch bedeutend bequemer und nicht so zeitraubend wie graphisches
Probieren.