Titel: Ueber neue Luftleitersysteme für drahtlose Telegraphie, welche dazu dienen könnten, den Einfluss, den die Erde bei der drahtlosen Telegraphie ausübt, zu ergründen.
Autor: A. Koepsel
Fundstelle: Band 319, Jahrgang 1904, S. 546
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Ueber neue Luftleitersysteme für drahtlose Telegraphie, welche dazu dienen könnten, den Einfluss, den die Erde bei der drahtlosen Telegraphie ausübt, zu ergründen. Von Dr. A. Koepsel. Ueber neue Luftleitersysteme für drahtlose Telegraphie, welche dazu dienen könnten, den Einfluss, usw. In einem früheren AufsatzeD. p. J. 1903, 318, 331: Bemerkungen zu Marconis Ozeantelegraphie. habe ich Mitteilungen über ein Luftleitersystem für drahtlose Telegraphie in Aussicht gestellt, welches, wie das Marconische der mehrfachen Leiter, die Eigenschaft besitzt, die zur Resonanz nötige Länge zu verkürzen, ohne die grosse Kapazität desselben zu besitzen. Es muss wunderbar erscheinen, – wenn in der drahtlosen Telegrahie überhaupt noch etwas wunderbar erscheinen kann, – dass bisher Versuche mit einem solchen System, das doch sehr nahe liegt, noch nicht gemacht worden sind. Es handelt sich einfach darum, die Selbstinduktion bei konstanter Länge und Kapazität eines Leiter zu erhöhen, oder dieselbe auf Kosten der Kapazität zu vergrössern. Beides lässt sich sehr einfach erreichen. Erstere Aufgabe kann man durch zweckmässige Wahl des Materials, letztere durch geeignete Gestaltung des Luftleiters lösen. Betrachten wir zunächst den ersten Fall, so wird durch die Wahl eines magnetischen Materials statt eines unmagnetischen für den Luftleiter bei gleichbleibender Länge und unverändertem Querschnitt desselben seine Selbstinduktion steigen, während seine Kapazität unverändert bleibt. Diese Steigerung kann als eine Vergrösserung der Permeabilität des Materials aufgefasst werden, welche bei kurzen Wellenlängen kleine Werte besitzt, die sehr langsam wachsen, bei grossen Wellenlängen aber bedeutende Werte, die mit wachsender Wellenlänge sehr schnell zunehmen, so dass, wenn das Material für Wellen von z.B. 10 m Länge eine scheinbare Permeabilität besitzt, die von 1 wenig verschieden ist, diese Permeabilität bei 100 m Wellenlänge als 2 erscheint, bei 1000 m Wellenlänge vielleicht schon als 50 und bei 10000 m schon den Wert 500 oder darüber annehmen kann. Hieraus folgt, dass bei zunehmender Wellenlänge der Einfluss der Magnetisierung des Luftleiters auf die Verkürzung der Resonanzlänge ein immer bedeutenderer Werden wird, so dass es nicht ausgeschlossen erscheint, dass man relativ recht kurze Längen eines Eisendrahtes mit einem Schwingungskreis von sehr grosser Wellenlänge in Resonanz bringen kann. Ja noch mehr; es muss hiernach als höchstwahrscheinlich betrachtet werden, dass ein Draht aus magnetischem Material zwei Resonanzlängen besitzt, nämlicheine für relativ kurze und eine für sehr lange Wellen. Ob dies tatsächlich der Fall ist, hängt davon ab, wie sich die Permeabilität mit der Wellenlänge ändert, was durch Resonanzversuche leicht bestimmt werden könnte. Wäre z.B. für eine Wellenlänge von 560 m bei einer bestimmten Stromstärke im Luftdraht die mittlere scheinbare Permeabilität gleich 2, für eine Wellenlänge von 4000 m aber gleich 100, so müsste ein Eisendraht von 100 m Länge, sowohl mit einem Schwingungskreis von 560 m, als auch mit einem solchen von 4000 m Wellenlänge in Resonanz kommen. Da nun ausserdem aber die Permeabilität des Eisendrahtes von der in ihm herrschenden Stromstärke abhängig ist, diese aber eine Funktion der Kapazität des Schwingungskreises ist, so wird man dieselbe Drahtlänge noch mit vielen anderen Schwingungskreisen der verschiedensten Wellenlängen in Resonanz bringen können. Man würde also bei zweckmässiger Wahl der Kapazität des Schwingungskreises in der Lage sein von ein und demselben Sendedraht die verschiedensten Wellenlängen auszusenden. Versuche über die Permeabilität bezw. die Selbstinduktion von Eisendrähten unter dem Einflüsse schneller elektrischer Schwingungen dürften daher recht interessante und wertvolle Resultate ergeben. Auf jeden Fall wird also durch Verwendung magnetischen Materials eine wesentliche Verkürzung der Resonanzlänge eines Luftleitersystems erzielt werden können, wodurch man in die Lage versetzt wird, mit bedeutend längeren Wellen arbeiten zu können, als dies bei den gewöhnlich zur Verfügung stehenden Höhen möglich ist. Dies bedeutet eine Vergrösserung der Energie, oder eine Verminderung der Dämpfung des Systems, oder beides zugleich. Wenden wir uns nun der zweiten Methode zu, eine Vergrösserung der Selbstinduktion auf Kosten der Kapazität zu erzielen, so gibt es auch hierfür ein sehr einfaches Mittel, welches darin besteht, dass der Luftdraht zu einer Spirale geformt wird. Seine Selbstinduktion wird hierdurch bedeutend vergrössert, seine Kapazität aber in demselben Maasse verkleinert und ein Draht von einigen Hundert Metern Länge lässt sich so auf einige Meter reduzieren. Steht daher eine Höhe von z.B. 50 m zur Verfügung, so ist es nicht schwer hierin einen Draht von einigen Tausend Metern unterzubringen und, da sich auf Spiralen die Wellen ebenso gut ausbilden, wie auf geraden Drähten, diese Spirale mit einem Schwingungskreis von viermal einigen Tausend Metern in Resonanz zu bringen. Es fragt sich nun, ob eine derartige Spirale noch die Eigenschaften besitzt, die den geraden Draht als Antenne für drahtlose Telegraphie auszeichnen. Hierüber könnten nur Fernversuche entscheiden. Erwiesen ist, dass eine Spirale nicht so gut strahlt als ein einfacher Draht. Wenigstens die Längeneinheit des Spiraldrahtes strahlt weniger als die Längeneinheit des geraden Drahtes. Ob aber die Längeneinheit der Spirale an sich weniger strahlt als die Längeneinheit des geraden Drahtes, darüber liegen wohl noch keine autentische Zahlen vor. Da nämlich die Kapazität der Längeneinheit der Spirale an sich nahe gleich der Kapazität der Längeneinheit eines geraden Zylinders ist, welcher denselben Durchmesser als die Spirale besitzt, so ist eigentlich nicht recht einzusehen, warum ein solcher Zylinder besser strahlen sollte, als die ihn ersetzende Spirale, es müsste dann die in der Spirale herrschende grössere Wellenlänge ins Feld geführt werden. Dagegen kann die bedeutend geringere Dämpfung der Spirale angeführt werden, welche durch Steigerung des Resonanzeffektes diesen Nachteil wett machen dürfte. Zugegeben aber, die Spirale strahlt so schlecht, dass dagegen alle ihre übrigen Vorzüge nicht aufkommen, so entsteht die weitere Frage! Muss denn der Luftleiter strahlen? Sind nicht vielmehr alle Effekte, die man bisher der sogenannten Strahlung zuschrieb auf eine andere Ursache zurückzuführen. Ich habe diese Idee bereits einmal in einem früheren AufsatzD. p. J. 1903, 318, 385. Spielt die Erde bei der drahtlosen Telegraphie eine wesentliche Rolle? zu begründen versucht und ich will hier nachholen, was ich damals übersehen habe, dass nämlich kurz vor mir kein Geringerer als Prof. LeckerPhysik, Zeitschrift. III. Jahrg., H. 13. Ueber drahtlose Telegraphie von E. Lecker. dieselbe Vermutung ausgesprochen hat. Diese Vermutung gipfelt in dem Satz, dass die Wirkungen bei der drahtlosen Telegraphie höchstwahrscheinlich weniger der Strahlung der Antenne als vielmehr in erster Linie der Fortpflanzung der Wellen über die gutleitende Erdoberfläche zuzuschreiben sind. Ich ging sogar noch einen Schritt weiter, indem ich die Vermutung aussprach, dass unter gewissen Umständen die Wellen nicht nur auf der Oberfläche fortgeleitet werden, sondern dass die ganze Erdoberfläche mitschwingt, so dass terrestrische Entfernungen überhaupt keine Rolle mehr spielen, Hieraus erklären sich zwanglos alle Misserfolge von Versuchen, die die Richtung der Wellen zum Zweck hatten, sowie die bis heute noch nicht überwundenen Schwierigkeiten, die sich der Abstimmung entgegenstellen. Hierdurch wird ferner erklärlich, warum die elektrischen Wellen anstandslos der Krümmung der Erde folgen, warum ein wagerechter Draht nur geringe Fernwirkung ergibt usw. Angenommen also, diese Vermutung sei richtig, so können wir nun mit grösserem Rechte die Frage aufstellen: Muss denn der Luftdraht strahlen? und als Antwort hinzufügen: Nein, er braucht nicht zu strahlen, und die drahtlose Telegraphie wird doch anstandslos vonstatten gehen. Wie ich in dem eben angeführten Aufsatze: „Spielt die Erde bei der drahtlosen Telegraphie eine wesentliche Rolle“, auseinandergesetzt habe, würde man mit einem Schwingungskreis von 10000 m Wellenlänge an dessen einer Seite ein Resonanzdraht von 2500 m Länge senkrecht in die Höhe geführt wird und dessen andere Seite durch einen Draht von 100 cm Selbstinduktion geerdet ist, die Erdkugel in Resonanz versetzen. Die praktische Schwierigkeitbesteht nun darin, einen Draht von 2500 m Länge, wenn nicht durch Ballons, senkrecht in die Höhe zu führen. Bei dem in Rede stehenden System besteht nun diese Schwierigkeit nicht, denn 2500 m Draht lassen sich gut in einer Spirale von 50 m Höhe unterbringen. Zwar wird das Verhältnis zwischen der Kapazität dieser Spirale und der Kapazität der Erde bedeutend kleiner sein als das zwischen der Kapazität eines geraden Drahtes von 2500 m Länge und der der Erde, welches Verhältnis für die Potentialschwankung der Erdkugel maassgebend ist; dafür wird aber das Potential an sich höher sein, und das System wird infolge der geringeren Dämpfung bessere Resonanzeffekte erreichen lassen, so dass, wenn man alle Vor- und Nachteile gegeneinander abwägt, mit der Spirale von 50 m Länge derselbe Effekt erzielt werden dürfte, wie mit dem Draht von 2500 m Länge. Zum Vorteile ersterer Einrichtung spricht hierbei, dass sie praktisch brauchbar, letztere indessen praktisch unbrauchbar wäre. Jedenfalls müsste aber mit einer Spirale von 50 m Länge (bei 2500 Drahtlänge) eine bedeutend bessere Wirkung erzielt werden, als mit einem Draht von 50 m Länge, was der Strahlungstheorie widersprechen würde. Versuche nach dieser Richtung hin, die mit einfache Mitteln ausführbar sind, dürften also autentischen Aufschluss darüber geben, ob Strahlung oder Erdleitung bei der drahtlosen Telegraphie tätig ist, und eine Bestätigung der letzteren Vermutung dürfte geeignet sein, die drahtlose Telegraphie in ganz andere Bahnen zu lenken, und Erfolge zu zeitigen, die zu erlangen man sich bisher vergeblich bemüht hat. Eine Anwendung der zuerst besprochenen Methode, bei welcher für den Luftleiter magnetisches Material gewählt wurde auf das Mehrleitersystem, wie es Marconi für seine Ozeantelegraphie benutzt, wäre ebenfalls geeignet, dieses System wesentlich zu verbessern: denn man müsste bei der Wahl magnetischen Materials mit viel weniger Drähten auskommen, oder man würde bei gleichbleibender Leiterzahl eine wesentliche Vergrösserung der Wellenlänge erzielen, was, wie gesagt, eine Vergrösserung der Energie oder Verkleinerung der Dämpfung gestatten würde. Ausserdem würde man aber dem Idealfall der wirklichen Erdresonanz bedeutend näher kommen. Unter der Voraussetzung des Vorhandenseins einer Erdleitung bezw. Erdresonanz würde es darauf ankommen, das der Erde entgegengesetzte Potential des Luftdrahtes von ihr möglichst fernzuhalten, damit sich die Wellen auf der Erdoberfläche möglichst ungestört ausbilden können. Aus diesem Grunde dürfte es vielleicht vorteilhafter sein, nur das obere Ende des Luftdrahtes als Spirale auszubilden, um so Störungen in der Aenderung des Erdpotentials durch den Luftdraht möglichst fernzuhalten. Ein positiver Erfolg nach dieser Seite hin würde eine weitere Stütze für die Theorie der Erdleitung und Beweis gegen die Strahlungstheorie sein und zeigen, wie verkehrt es ist, den Luftdraht durch unten eingefügte Spiralen zu verlängern. Aus diesem Grunde dürfte es sich auch empfehlen, das zur Verstärkung der Wirkung gebräuchliche Netz nicht am oberen Ende des Luftdrahtes anzubringen, sondern vielmehr am unteren oder in der Mitte. Ein Blick auf nebenstehende Figur (S. 547) zeigt dies deutlich. Dieselbe veranschaulicht die Spannungsverteilung auf dem Luftdrahte für drei Fälle. Kurve N1 zeigt dieselbe, wenn das Netz unten, Kurve N2, wenn es in der Mitte und Kurve N3, wenn es oben am Luftdraht sich befindet. (Der Einfachheit halber ist keine sinusförmige Verteilung angenommen, doch ist bei sinusförmiger Verteilung das Resultat kein wesentlich anderes.) Wie man sieht, liegt irgend eine Spannung, z.B. A B oder C D in der Kurve N3 immer viel tiefer als in N1 oder N2 und gerade bei den hohen Spannungen, welche am schädlichsten auf die Ausbildung der Wellen in der Erde wirken müssen, tritt dieser Unterschied am deutlichsten hervor. Textabbildung Bd. 319, S. 547 Andererseits muss allerdings beachtet werden, dass, je tiefer das Netz angebracht wird, um so grösser wird seine Kapazität gegen Erde, und daher auch seine Rückwirkung auf die Erde; auch wird in der Nähe des Knotenpunktes die beabsichtigte Wirkung der Kapazitätsvergrösserung des Luftleiters eine niedrige sein. Immerhin dürfte es eine Lage für das Netz geben, für welche der Effekt ein Maximum wird und dass dies nicht die höchste Lage ist, scheint mir aus der Betrachtung der Spannungskurven N2 und N3 hervorzugehen, was bei Annahme sinusförmiger Verteilung noch wahrscheinlicher wird. Die Wirkung des Netzes muss demnach eine zweifache sein: 1. erhöht das Netz das Verhältnis der Kapazität des Luftleiters zu der der Erde, was, wie ich früher erörtert habeD. p. J. 1903, 318, 385. vorteilhaft ist, weil dadurch die Potentialschwankung in der Erde vergrössert wird; 2. aber kann das Netz dazu dienen, die mittlere Spannungsamplitude in die Höhe zu rücken, was unter Annahme einer Erdresonanz ebenfalls vorteilhaft sein muss. Beide Forderungen stehen aber in Widerspruch zu einander, denn je höher man das Netz rückt, desto wirkungsvoller ist zwar seine Kapazität, desto tiefer drückt es aber die mittlere Spannungsamplitude; man wird ihm daher einen Platz anweisen müssen, wo es bei einer noch guten Kapazitätswirkung und niedriger Rückwirkung auf die Erde die mittlere Spannungsamplitude möglichst hoch verlegt. So wird man die Fernwirkung durch blosse Verlegung des Netzes wahrscheinlich nicht unbeträchtlich zu steigern in der Lage sein. Am vorteilhaftesten würde hiernach vielleicht eine Kombination der ersten Methode mit der zweiten sein und zwar so, dass der untere Teil des Luftleiters aus einem geraden Draht aus unmagnetischem Material, der obere aus einer Spirale oder aus magnetischem Material bestehen würde. Dazwischen könnte evtl. an passender Stelle ein Netz eingefügt werden. In diesem Falle würde die mittlere Amplitude der Spannung möglichst hoch zu liegen kommen und eine Einwirkung des der Erde nahen, geraden Drahtes würde erstens wegen seiner geringen Kapazität gegen Erde und zweitens wegen seines niedrigen Potentials nicht zu befürchten sein. Wie hieraus ersichtlich ist, lassen die angeführten Luftleitersysteme nicht nur eine Vergrösserung der Senderenergie und Verminderung der Dämpfung zu, sondern sie können auch dazu dienen, mit relativ einfachen Mitteln der Frage näher zu treten, ob die bei der drahtlosen Telegraphie benutzten Wirkungen elektrischer Wellen der Strahlung durch die Luft oder der Leitung längs der Erdoberfläche bezw. direkter Erdresonanz zuzuschreiben sind. Ein Erfolg derselben würde die ausgesprochene Vermutung, dass die Erde bei der drahtlosen Telegraphie eine wesentliche Rolle spielt, zur Gewissheit machen. Ob eine Neigung zu derartigen Versuchen, die vorläufig wenigstens keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Nutzen versprechen und die im Laboratorium nicht ausführbar sind, in den Kreisen der Gesellschaften für drahtlose Telegraphie vorhanden ist, muss zweifelhaft erscheinen, heute, wo die schnellste Uebermittlung von Rennresultaten neben unerquicklichen Prioritätsstreitigkeiten als die vornehmste und wichtigste Aufgabe der drahtlosen Telegraphie erscheint und doch dürfte ein Eindringen in das Wesen der Erscheinungen der drahtlosen Telegraphie von grosser reformatorischer Bedeutung sein, manches erstrebenswerte Ziel der Verwirklichung näher rücken, aber auch manches andere als eine Utopie erscheinen lassen, mit dessen Verwirklichung man sich wie mit dem perpetuum mobile vergeblich abmüht und immer vergeblich abmühen wird.