Titel: Die Kettenschaltgetriebe am mechanischen Webstuhle.
Autor: Siegm. Edelstein
Fundstelle: Band 319, Jahrgang 1904, S. 686
Download: XML
Die Kettenschaltgetriebe am mechanischen Webstuhle. Von Prof. Siegm. Edelstein. (Fortsetzung von S. 672 d. Bd.) Die Kettenschaltgetriebe am mechanischen Webstuhle. c) Neuerungen an Warenbaumregulatoren. Auch auf dem Gebiete der Warenbaumregulatoren zeigt sich die gleiche Erscheinung, wie sie bei den übrigen Kettenschaltwerken beobachtet wurde; man findet unter den neuen Vorschlägen wenig belangreiche Anordnungen, zumeist sind es geringfügige Details, die wohl ab und zu einen gewissen Wert beanspruchen können, ohne aber wesentliche Verbesserungen zu bieten. Einzelne derselben mögen nachstehend angeführt werden. Mit D. R. G. M. No. 134334 erscheint ein Warenbaumregulator mit zwangläufigem Antrieb geschützt, bei welchem die Expansionsklinke E (Fig. 99) an ein besonderes auf der Achse des Schaltrades aufsitzendes Sperrad S angelegt wird, zu dem Zwecke, um dieses mit einer grösseren Teilung ausstatten zu können, als sie das Schaltrad aufweist, und dadurch einen grösseren Betrag der Rücklassung des Regulators bei Schussfadenbruch zu erzielen. Textabbildung Bd. 319, S. 686 Fig. 99. Das D. R. P. No. 97310 hat zum Gegenstände einen zwangläufigen Warenbaumregulator mit Klemmbackenschaltung und Aenderung der Schussdichte durch Einstellung des Schalthubbetrages, wobei als Neuerung die Ersichtlichmachung der jeweiligen Mitnehmerstellung durch ein mittelst Transportbänder von der Verstellschraube betätigtes Zeigerwerk erfolgt. Textabbildung Bd. 319, S. 686 Fig. 100. Eine von der Jacquardmaschine zu betätigende Anordnung behufs Veränderung des Schalthubes der Regulatorklinke zum Zwecke einer abwechselnd dichtem und schütterem Schussanlage wird im D. R. P. No. 144023 unter Schutz gestellt. Die Fig. 100 zeigt eine Skizze dieses Getriebes. Von der Lade aus überträgt die Stange t die entsprechende Bewegung auf den Schwinghebel h1, der sie vermittelst des auf ihm aufgesetzten Bolzens b an den Regulatorschalthebel h2 weiter leitet. Die Uebertragungsstange t kann nun den Hebel h1 an zwei verschiedenen Punkten angreifen und wird somit, je nachdem ob sie weiter von dem Drehpunkte oder näher demselben anliegt, kleinere oder grössere Ausschläge dieses Hebels veranlassen und gleicherweise auch den Regulator weniger oder mehr schalten, daher grössere oder kleinere Schussdichte erzielen. Die Einstellung dieses Hebels h1 erfolgt nun von der Jacquardmaschine, indem diese entweder an der Schnur s anzieht, wodurch die durch eineFeder f stets nach aufwärts gedrängte Schubstange t nach abwärts, näher dem Drehpunkte des Hebels h1 geführt wird und in dieser Lage infolge Einfallens der federnden Rast p verbleibt, hingegen wieder im gewünschten Momente nach oben geht und eine dichtere Schussanlage herbeiführt, wenn durch eine besondere Platine der Jacquardmaschine die Rast p zurückgedrängt wird und diese sonach die Stange t frei gibt. Für Jacquardgewebe, bei denen ein besonderer Effekt dieses abwechselnde Herstellen dichter und offener Gewebestreifen notwendig macht, wird die von der Musterkarte selbst betätigte Anordnung gewiss von Vorteil sein. Eine eigenartige für Tüllwebstühle bestimmte Anordnung möge trotz ihres speziellen Anwendungsgebietes ebenfalls hier Erwähnung finden, da sie in ihrem Aufbaue nicht ohne Interesse ist. Textabbildung Bd. 319, S. 686 Fig. 101. Ein zwangläufiger, direkt wirkender Regulator erhält nach D. R. P. No. 146248 die durch das Anwachsen des Warenbaumdurchmessers notwendige Schaltungsänderung dadurch, dass auf der Achse w (Fig. 101), die das Schneckenrad s trägt, eine Reihe von entsprechend geteilten Schalträdern S aufsitzen, in welche je eine zugehörige Klinke k eingreifen kann, wenn sie nicht von der Auflagewelle a daran gehindert ist. Diese letztere trägt an ihrer Umfläche passend angeordnete Einschnitte, die so verteilt sind, dass sie bei einer ruckweisen langsamen Verdrehung der Welle a die Klinken nacheinander in die bezüglichen Schalträder eingreifen lassen, wodurch bei entsprechender Wahl der Räderdurchmesser eine gewisse Schaltabstufung erzielt wird. Die Klinken werden durch den Hebel h von dem Exzenter E angetrieben, die Verstellung der Auflaufwelle erfolgt durch das Schaltrad S1 und Uebertragungsräder z1 z2 von der Klinke k1 aus, welche in ein lose auf der Achse von S sitzendes Schaltrad S2 eingreift und nur dann gleichzeitig auch bei S1 in Arbeitseingriff gelangt, wenn eine besonders tiefe Zahnlücke in S2 dies gestattet. Ist nur eine solche längs des Umkreises von S2 vorhanden, so findet die effektive Weiterschaltung von S1 erst nach so vielen Klinkenhüben von k1 statt, als das Hilfsrad S2 Zähne besitzt. Nicht uninteressant, wenn auch kompliziert, ist die in den D. R. P. No. 108663 und 109199 niedergelegte Anordnung zur „Kontrolle und zum selbsttätigen Regulieren der Schussdichte auf Webstühlen“. Das von einer Warenaufwickelvorrichtung zum Abzug gebrachte Gewebe wird über eine Messwalze B (Fig. 102) geleitet und dreht diese in gleichem Maasse mit, wenn es vorgeschaltet wird. Auf der Achse dieser leicht drehbar gelagerten Walze sitzt das feste Kegelrad k1 und ein ebenso grosses aber lose aufgestecktes Kegelrad k2. Textabbildung Bd. 319, S. 687 Fig. 102. Textabbildung Bd. 319, S. 687 Fig. 103. Mit beiden steht das Differentialrad k3 im Eingriffe, das natürlicherweise seine Lage ändert, wenn bei der eingeleiteten und in entgegengesetzter Richtung stattfindenden Drehbewegung beider Räder k1k2 die Geschwindigkeiten eine Differenz aufweisen. Während nun k1 seinen Antrieb durch die Messwalze, also von dem Gewebe, entsprechend dessen Fortschreiten erhält, wird das Kegelrad k2 durch die Lade mittels des Anschlaghebels h, Klinke k, Schaltrad 5 und Vorgelege z1 z2 z3 z4 z5 bei jedem Ladenanschlage vorgeschaltet. Die Grösse dieser Schaltung lässt sich durch Auswechseln des Wechselrades z3 auf ein bestimmtes Maass einstellen, welches der jeweiligen normalen Gewebeschaltung entspricht, und es ist klar, dass wenn diese letztere nun Abweichungen zeigt, sich dies in einer Verstellung des Differentialrades k2 äussern wird. Diese Verstellung kann sowohl auf einer Skalenscheibe T ersichtlich gemacht, als auch je nach Umständen zur Einregulierung des Kettenschaltwerkes ausgewertet werden. In Fig. 103 ist ein Beispiel für diese Anordnung dargestellt. Der Doppelwendehaken m steht mit der Skalenscheibe T derart in Verbindung, dass er je nach Stellung derselben gar nicht oder mit seinem oberen oder mit dem unteren Klinkenzahn in das hiezu angeordnete Schaltrad eingreift und letzteres sonach in einem oder dem andern Sinne geschaltet wird, wenn der Doppelwendehaken durch die Ladenstelze hin und her schwingt, bezw. nur dann in Ruhestellung verharrt, wenn der Doppelschalthaken seine Mittelstellung einnimmt. Die Verdrehung der Schaltwelle wird nun beispielsweise durch die Transmissionskette r auf die Kettenbaumbremse derart übertragen, dass dortselbst das Belastungsgewicht auf seinem Hebel entsprechend verstellt wird. Ist der Warenbaumregulator kraftschlüssig, die Kettenablassvorrichtung eine passive und arbeitet das Getriebe mit anschliessender Schussanlage, dann ist es allerdings möglich, in dieser Art durch Einstellung bezw. Regulierung der Kettenspannung dieSchussdichte zu verändern, allein das in der Fig. 103 nach der Patentzeichnung wiedergegebene Uebertragungsgetriebe dürfte einen wesentlichen Mangel in dem Umstände ergeben, dass es nach etwaiger Verstellung des Transportrades T, bei welcher es einen der beiden unteren Schalthaken in Arbeitseingriff bringt, wohl eine entsprechende Aenderung der Schussdichte erreicht, aber bei Einstellung derselben nicht wieder auf die Mittelstellung zurückkommt. Die Folge wird sein, dass der Impuls zur weiteren Veränderung in gleichem Sinne weiter bestehen bleibt, bis die relative Bewegung des Kegelrades ks nach der andern Seite beginnt und wiederum die richtige Stellung überschreitet. Es würde sich also ein fortwährendes Hin- und Herschwingen des Triebwerkes um die Gleichgewichtslage ergeben, dem durch eine zweckmässigere Auswertung der Verstellung der Skalenscheibe begegnet werden müsste. Bei Anwendung einer zwangläufigen Warenaufwickel-vorrichtung wäre natürlich auf die Schaltung dieser selbst einzuwirken. III. Technologische Bewertung der Schaltwerkkombinationen. Es ist schon mehrfach darauf hingewiesen worden, dass die technologische Einflussnahme der einzelnen Schaltwerke nur in wenigen Fällen eine absolute ist, zumeist ist der schliessliche Charakter, den das Schaltgetriebe aufweist, nur durch das gegenseitige Verhältnis der beiden auf die Kette zur Wirkung kommenden Teilgetriebe, der Kettenablassvorrichtung und der Warenaufwickelvorrichtung, einwandfrei zu erschliessen. Für die praktische Beurteilung des Gesamtschaltgetriebes, insbesondere seiner Einflussnahme auf die Kettenspannung, Schussanlage, Schussdichte und Regelung derselben, erscheint es daher notwendig, stets die beiden zur Anwendung kommenden Teilgetriebe gleichzeitig ins Auge zu fassen, und es wird daher zwecks Aufstellung allgemeiner Grundsätze erforderlich, alle jene Kombinationen in Betracht zu ziehen, die sich durch die Variation der einzelnen Kettenablassvorrichtungen einerseits mit den Warenaufwickelvorrichtungen andererseits ergeben. Die Kettenabwickelung kann nach früherem durch drei verschiedene Anordnungen bewerkstelligt werden: durch die Anwendung einer passiven Kettenablassvorrichtung, eines positiven oder endlich eines negativen Kettenbaumregulators; und ebenso sind es drei wesentliche Typen des Warenbaumregulators, die die Warenaufwickelung vornehmen können, der zwangläufige Regulator mit stetiger oder intermittierender Aufwickelung und der kraftschlüssige Warenbaumregulator. Durch die Kombination dieser Typen ergeben sich neun verschiedene Anordnungen, von denen allerdings nicht alle praktische Brauchbarkeit besitzen. Es ergibt sich folgende Zusammenstellung: A.Kettenablass durch eine passive Ablassvorrichtung (Bremse). Warenaufwickelung: 1. durch einen stetig wirkenden zwangläufigen Warenbaumregulator; 2. durch einen intermittierend wirkenden zwangläufigen Warenbaumregulator (Kompensationsregulator); 3. durch einen kraftschlüssigen Warenbaumregulator. B.Kettenablass durch eine aktive stetig wirkende Vorrichtung (positiver Kettenbaumregulator).Warenaufwickelung:4. durch einen stetig wirkenden zwangläufigen Warenbaumregulator;5. durch einen intermittierend wirkenden zwangläufigen Warenbaumregulator (Kompensationsregulator);6. durch einen kraftschlüssigen Warenbaumregulator. C.Kettenablass durch eine aktive intermittierend wirkende Vorrichtung (negativer Kettenbaumregulator).Warenaufwickelung:7. durch einen stetig wirkenden zwangläufigen Warenbaumregulator;8. durch einen intermittierend wirkenden zwangläufigen Warenbaumregulator (Kompensationsregulator);9. durch einen kraftschlüssigen Warenbaumregulator. Bei jeder dieser Gruppen wird sich die Untersuchung darauf beziehen müssen, festzustellen. welche Schussanlage erzielt wird, durch welche Umstände die grössere oder geringere Schussdichte herbeizuführen ist, von welchem Momente die Kettenspannung abhängt und welche besonderen sonstigen, für die praktische Verwertung zu berücksichtigenden Verhältnisse etwa eintreten. In diesem Sinne lassen sich die folgenden Feststellungen erschliessen: a) Uebersicht über die Schaltwerkkombinationen. 1. Kettenablass passiv, Warenaufwickelvorrichtung stetig und zwangläufig. Ersichtlicherweise besorgt bei dieser Anordnung der Warenbaumregulator die tatsächliche Fortschaltung der Kette und da er stetig wirkt, so wird die gleichstufige Schussanlage erzielt werden. Die Grösse der Schussdichte kann durch Veränderung der Warenbaumschaltung, also durch Auswechselung des Wechselrades oder Umänderung des Klinkenhubes eingestellt bezw. rechnerisch ermittelt werden. Die Kettenspannung wird durch die Grösse des Bremswiderstandes bestimmt, sie muss innerhalb praktisch zulässiger Grenzen gehalten sein, um die gewünschte Schussdichte nicht durch Vorarbeiten der Ware zu vermindern,hat aber sonst auf die Schussdichte keinen direkten Einfluss, wenn auch berücksichtigt werden muss, dass das die Schussdichte um einen kleinen Prozentsatz erhöhende Einlaufen der Ware nach ihrem Entspannen, bei Anwendung grösserer Kettenspannung etwas erheblicher ausfallen kann. Diese Einflussnahme zeigt sich bei betriebsfähiger Anordnung als nicht belangreich, und wird in der Erhöhung der praktischen Hauptzahl genügend berücksichtigt. Diese Schaltgetriebekombination eignet sich daher für Gewebe, welche durch den hervortretenden Bindungseffekt eine gleichstufige Schussanlage bedingen und mit nicht zu grossen Kettenspannungen bei spielendem Kettenbaume und dadurch richt zu hartem Ladenanschlage hergestellt werden sollen. Insbesondere für gemusterte Schaft- und Jaquardgewebe aus Baumwolle und Leinen, ferner dort, wo gleichmässiger Schuss eingetragen werden soll und eine Ueber- oder Unterordnung der Schussfäden nicht erforderlich ist, wird sie am Platze sein. Infolge der Sicherheit, mit welcher eine bestimmte Schussdichte erzielt wird, kommt sie ferner für einfache Stapelartikel, glatte, nach der Schussdichte kalkulierte und lieferbare Baumwoll-, Leinen- und leichtere Jutegewebe in Verwendung. Sie stellt den einfachsten Apparat des Kettenschaltwerkes vor, wenn als Kettenablass eine Seilbremse angenommen wird und die Warenaufwickelung durch den Wechselradregulator erfolgt. In dieser Zusammenstellung verwendet man sie bei schmalen englischen Baumwollstühlen; bei schwereren Baumwollstühlen wird eine Kettenbremse, bei Jutestühlen mitunter eine Bandbremse benützt. Zur Herstellung von Teppichen, Möbelstoffen dienen häufig Bandbremsen zum Kettenablass und der Schneckenradregulator zur Warenaufwickelung. Bei Seidenstühlen pflegt man der geringeren Kettenspannung und des grösseren Spielvermögens wegen Gegengewichtsbremsen und für die Warenaufwickelung direkt wirkende Regulatoren mit Klemmbackenschaltung anzuordnen. (Schluss folgt.)