Titel: Die Drahtseilbahnen.
Autor: Stephan
Fundstelle: Band 319, Jahrgang 1904, S. 725
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Die Drahtseilbahnen. Von Regierungsbaumeister Stephan. (Schluss von S. 709 d. Bd.) Die Drahtseilbahnen. Textabbildung Bd. 319, S. 725 Fig. 53. Hölzerne Schutzbrücke. Textabbildung Bd. 319, S. 725 Fig. 54. Eiserne Schutzbrücke. Bei der Ueberschreitung von Strassen, Eisenbahnen und dergl. sind Vorkehrungen zu treffen, dass ein herabfallendes Stück des Wageninhaltes nicht auf die betreffenden Verkehrswege fällt. Ueber Strassen oder Eisenbahnstrecken errichtet man hölzerne oder eiserne Schutzbrücken, von denen Fig. 53 und 54 nach Ausführungen von J. Pohlig, sowie Fig. 55 ein deutliches Bild geben. Müssen Bahnhofsanlagen bezw. Fabrikhöfe überschritten werden oder wird eine Strasse unter einem sehr spitzen Winkel geschnitten, so ist unter der Bahn ein Schutznetz auszuspannen, dessen Durchhang ziemlich gering, meist 5 v. H. der Länge angenommen wird. Es wird getragen von zwei Spiralseilen von 20–25 mm Durchmesser, die alle 5 bis 7 m durch eine Versteifung aus ⊥-Eisen auf die richtige Entfernung von etwa 4 m auseinandergehalten und hinter den Tragstützen in festen Fundamenten verankert werden (Fig. 56). Darüber wird entweder ein Netz von etwa 40 mm Maschenweite angeordnet oder, wenn besonders strenge Anforderungen gestellt werden, ein weiteres von 80–100 mm Maschenweite und ein enges mit Maschen von etwa 20 mm Weite. Bisweilen wird anstelle desNetzes auch eine Hängebrücke ausgeführt, wie Fig. 39 (S. 696 und 697) zeigt. Textabbildung Bd. 319, S. 725 Fig. 55. Hölzerne Schutzbrücke mit Unterstützung der Laufseile. Bei verhältnismässig kurzen Bahnstrecken, auf denen nur geringe Mengen in grossen Einzellasten zu fördern sind, wird bisweilen eine Vereinfachung vorgenommen, indem man nur ein Laufseil ausspannt, auf dem dann ein Wagen – seltener eine Reihe von Wagen in kurzen Abständen – von dem Zugseil nach der einen Richtung befördert wird, worauf die Bewegung des Seiles zur Rückführung des Wagens umgekehrt wird. Der Antrieb erfolgt häufig durch eine Handwinde. Gewöhnlich ist die Bahn so stark geneigt, dass die Abwärtsbewegung selbsttätig vor sich geht; in der oberen Station sind demgemäss zwei Bandbremsen auf der Achse der Seilscheibe anzubringen. Wird zur Aufwärtsbewegung Maschinenkraft benutzt, so ist die Wagengeschwindigkeit meist v1 = 1,5 bis 2,5 m/Sek., während beim selbsttätigen Abwärtsfahren eine mittlere Geschwindigkeit von v2 = 4 bis 6 m/Sek. je nach der in einer Stunde zu fördernden Menge innegehalten wird. Die Leistungsfähigkeit der Anlage berechnet sich dann aus der in einem Wagen oder Zuge geförderten Menge P kg mit Berücksichtigung der Be- und Entladezeit zu Q\,\sim\,(0,7\mbox{ bis }0,8)\,\cdot\,\frac{3,6\,P}{L\,\left(\frac{1}{v_1}+\frac{1}{v_2}\right)} t/St. . . 33) Die Konstruktion schliesst sich im allgemeinen der normalen vollkommen an. Die Stärke des Tragseiles und die Grösse der Einzellast wird ebenso wie bei dem folgenden System gewählt. Eine andere für die selbsttätige Förderung talabwärts häufig angewendete Abänderung des deutschen Systems ist die selbsttätige Seilbahn mit hin- und hergehendem Betrieb: Mit dem endlosen Zugseil sind nur zwei Wagen fest verbunden und zwar so, dass der eine sich an der Beladestelle befindet, wenn der andere am Entladepunkt steht; der heruntergehende volle Wagen zieht dann den leeren wie bei einer Bremsberganlage wieder hinauf. Da auf beiden Laufseilen dieselbe Last verkehrt, so müssen sie gleiche Stärke erhalten, die allerdings wegen der weniger häufigen Wagenfolge kleiner gewählt werden kann als bei Bahnen mit kontinuierlichem Betrieb. Für eine Nutzlast von 500 kg nimmt man gewöhnlich Spiralseile von 25 mm Durchmesser und für eine Last von 700 kg Seile von 28 oder 30 mm Durchmesser, je nach der Häufigkeit der Beanspruchung bei einer Zugfestigkeit von 145 kg/qmm. Da man mit Rücksicht auf die Schonung der Seile nur sehr ungern über Raddrücke von 500 kg geht, denen eine Nutzlast von etwa 750 kg entsprechen würde, so sind bei grösseren Lasten entweder zwei Wagen durch eine Kuppelstange miteinander zu verbinden oder man nimmt vier- oder gar fünfrädrige Wagen wie Fig. 57 nach einer Konstruktion von Bullivant & Co. einen darstellt. Die betreffende Anlage diente zum Transport der Baumaterialien und Arbeiter für die Errichtung eines Leuchtturmes und hatte, da besonders schwere Lasten zu fördern waren, ein Seil von 48,5 mm Durchmesser, auf dem die Hausteine heruntergelassen wurden, während das zweite Seil, auf dem die anderen leichteren Materialien und die Arbeiter zu und von der Baustelle befördert wurden, 44,5 mm Stärke besass. Dabei betrug der grösste Raddruck über 1 t. Da Bahnen dieser Art meist auf abschüssigem Gelände errichtet werden, so kommen sehr grosse freie Spannweiten vor, bei einer Ausführung der Firma A. Bleichert & Co. eine solche von 1250 m. Das Zugseil, welches mit einer viel geringeren Kraft angespannt wird als die Tragseile, hängt dabei, wenn die Wagen in den Endstationen stehen, sehr weit durch, so dass es bisweilen in der Mitte durch eine an dem Tragseil aufgehängte Rolle unterstützt, werden muss. Die Seilscheibe in der Beladestation ist mit einer doppelten Bremsvorrichtung zu versehen, um die Geschwindigkeit der Wagen zu regulieren, die im allgemeinen nur etwa 4 bis 6 m/Sek. betragen soll,allerdings bei einigen englischen Ausführungen auf 8 bis 10 m/Sek. gesteigert worden ist. Textabbildung Bd. 319, S. 726 Fig. 56. Schutznetz nach Ausführung von Th. Otto & Comp. Textabbildung Bd. 319, S. 726 Fig. 57. Seilbahnwagen von Bullivant & Co., für schwere Lasten. Die stündliche Leistungsfähigkeit einer solchen Anlage ergibt sich mit Einrechnung des für die Beladung erforderlichen Zeitverlustes zu Q=0,9\,\frac{P\,\cdot\,v}{L}\,\cdot\,3,6 kg/St . . . . . 34) worin P die bei einer Förderung bewegte Nutzlast in kg, v die mittlere Fahrtgeschwindigkeit und L die Länge der Bahn in km bezeichnet. Um bei grösseren Längen die Textabbildung Bd. 319, S. 727 Fig. 58. Stationen einer Bahn mit hin- und hergehendem Betrieb. Leistungsfähigkeit nahezu zu verdoppeln, ohne die Geschwindigkeit über das übliche Mass zu erhöhen, kann die Bahn durch eine Zwischenstation in zwei Teile zerlegt werden. Gewöhnlich erfolgt die Beladung der Wagen aus Füllrümpfen, die ein sehr schnelles Beladen ermöglichen, und die obere Bahnanlage entleert den Inhalt ihrer Wagen ebenfalls wieder in Füllrümpfe, aus denen die Wagen der unteren Bahn gespeist werden. Die Entladung geschieht sehr oft auf einem freien Stapel durch Anschlagen eines Hebels, der die Arretiervorrichtung des Wagenkastens auslöst, gegen eine einfache, am Tragseile aufgehängte und bisweilen dort verschiebbare Entladevorrichtung. Die Konstruktion der Stationen, welche sich, wie Fig. 58 nach einer Ausführung von Ceretti & Tanfani zeigt, sehr kurz bauen, ist damit festgelegt. Um die Stationslänge so kurz wie möglich zu halten, ist hier die Umführungsseilscheibe für das Zugseil, an der das Spanngewicht hängt, in einer senkrechten Ebene angeordnet worden. Textabbildung Bd. 319, S. 728 Fig. 59. Textabbildung Bd. 319, S. 728 Fig. 60. Antriebswinde für den „Blondin“. Die durch Bremsung zu vernichtende Leistung berechnet sich ebenso wie bei den Bahnen mit kontinuierlichem Betrieb. Allerdings wird die Zugseilspannung durch die Beschleunigungskräfte vermehrt, doch können diese ohne erheblichen Fehler vernachlässigt werden, solange die Geschwindigkeit die angegebenen Grenzen nicht übersteigt. Der Sicherheit halber wählt man bei Anlagen dieser Art den Sicherheitsfaktor \frakfamily{S} etwas grösser, meist zu \frakfamily{S}=12. Falls einmal beide Bremsen versagen sollten, würden die Wagen sich ohne Kontrolle mit steigender Geschwindigkeit bewegen und evtl. eine Zerstörung der Stationen bewirken. Um dies zu verhüten, hat Biver eine Anordnung nach Fig. 59vorgeschlagen.Babu, Annales des mines 1894, S. 628. Das Seil läuft hier bei fester Bremse um, ohne dass die Wagen sich bewegen, die erst bei gelöster Bremse herunter- bezw. hinaufgehen können. Abgesehen davon, dass die Anordnung der Umführungsscheiben an den Wagen bei der erforderlichen Grösse gewisse Schwierigkeiten bieten würde, da mindestens die Entfernung der Laufseile von einander wesentlich grösser genommen werden müsste als sonst, besteht ein zweiter Uebelstand, der bei allen Konstruktionen auftritt, wo das Zugseil nicht über eine feste Endscheibe geht. Der herabgehende volle Wagen gibt dem Zugseil eine gewisse Spannung und damit einen bestimmten, ihr entsprechenden Durchhang. Wird jetzt der Wagen entladen, so verringert sich das die Spannung hervorbringende Gewicht, also auch die Seilspannung selbst, so dass sich der Durchhang plötzlich vergrössert. Da die Seillänge dieselbe geblieben ist, so wird der Wagen während der Entleerung durch das Zugseil zurückgerissen. Textabbildung Bd. 319, S. 728 Fig. 61. Laufkatze des „Blondin“. Durch Verschiebung der Entladeanschläge auf der Strecke kann die Entleerung eines gefüllten Wagenkastens an jeder beliebigen Stelle erfolgen. Um jedoch Einzellasten an beliebiger Stelle aufzuheben und zu senken, wird eine von ihren amerikanischen Erfindern „Blondin“ genannte Abänderung der Bahn mit einem Tragseil benutzt, die sich für Steinbrüche, grössere Ingenieurbauten und dergl. sehr bewährt hat und jetzt auch anfängt, die schweren und kostspieligen Entladebühnen für Stapelplätze von Kohlen und Erz zu verdrängen. Auf einem über zwei Stützen geleiteten Tragseil, das an den Enden verankert ist, und durch eine federnde Spannvorrichtung gespannt gehalten wird, bewegt das endlose Zugseil eine Laufkatze, während ein zweites, das Hubseil, das Heben und Senken des an der Katze hängenden Flaschenzuges bewirkt. Beide Seile werden durch eine gemeinsame Winde angetrieben, deren gewöhnliche Konstruktion mit Dampfbetrieb durch Fig. 60 erläutert wird. Die Winde besitzt eine Trommel c für das Hubseil und eine Seilscheibe b mit breiter Rille, über die das Zugseil in ein oder zwei! Windungen läuft. Die Rillenscheibe ist durch eine Reibungskupplung mit der Trommelwelle verbunden, so dass sie während der Bewegung der Trommelwelle aus- und eingerückt werden kann. Mit Hilfe der Bandbremsen a kann jedes Seil für sich an beliebiger Stelle festgehalten werden. Die in Fig. 61 nach Angaben von Ceretti & Tanfani dargestellte Laufkatze hat drei Laufräder, zwei auf einer Achse sitzende Flaschenzugrollen für das Hubseil und ferner zwei Führungsrollen für das freie Trum des Zugseiles. Ausserdem ist noch ein Knotenseil über dem anderen ausgespannt, das Gusstahlknoten von verschiedenem Durchmesser trägt, die beim Rückgang der Katze eiserne Unterstützungen mit Rollen festhalten sollen, die beim Hingang auf einem auskragenden Arm der Katze mitgenommen werden und den Zweck haben, Hub- und Zugseil zu stützen, die wegen ihrer geringen Spannung einen grossen Durchhang haben würden. Das Tragseil hat je nach der grössten vorkommendenEinzellast eine Stärke von 30 mm für etwa 350 kg maximaler Nutzlast bis 40 mm bei etwa 1500 kg; meist wird es in verschlossener Konstruktion ausgeführt, doch werden bisweilen auch Spiralseile verwendet. Die Hubgeschwindigkeit beträgt bei kleinen Lasten bis zu 500 kg etwa 1 bis ¾ m/Sek. und die Fahrtgeschwindigkeit je nach der Länge der Anlage 2,5 bis 1,5 m/Sek. Bei grösseren Lasten werden gewöhnlich Hubgeschwindigkeiten von ⅓ m/Sek. und Fahrtgeschwindigkeiten von 1 m/Sek. gewählt. Mit der Spannweite ist man bereits bis auf 350 m gegangen. Textabbildung Bd. 319, S. 729 Fig. 62. Seitlich verschiebbarer „Blondin“ für einen Stapelplatz. Eine Anwendung der gleichen Vorrichtung für einen grossen Stapelplatz zeigt Fig. 62. Die Anordnung, welche hier senkrecht zur Bildebene verschiebbar ist, fällt wesentlich billiger aus als die bisher meist in solchen Fällen benutzten eisernen Brücken und ist ebenso betriebssicher.