Titel: Explosionsmotoren mit Einführung verdampfender Flüssigkeiten.
Autor: K. Schreber
Fundstelle: Band 320, Jahrgang 1905, S. 58
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Explosionsmotoren mit Einführung verdampfender Flüssigkeiten. Von Dr. K. Schreber. (Fortsetzung von S. 36 d. Bd.) Explosionsmotoren mit Einführung verdampfender Flüssigkeiten. II. Thermodynamische Untersuchung einer Explosionsmaschine mit Einspritzung einer Kühlflüssigkeit während der mittleren Periode des Kompressionshubes. Um bei der thermodynamischen Untersuchung einer Explosionsmaschine mit innerer Kühlung während der Kompression ein festes Beispiel zu haben, sei derselben eine Spiritusmaschine zugrunde gelegt, wie sie soeben beschrieben worden ist. Die dabei sich ergebenden Resultate sind sofort zu übertragen auf Gasmaschinen mit Kühlung während der Kompression, während Zweitaktmaschinen mit Petroleumdestillaten und ähnlichen Brennstoffen eine geringe Aenderung bedingen, weil bei ihnen die Periode des Einspritzens noch einmal geteilt werden muss. Bezeichnet sei der Beginn des ersten Teiles der Kompression mit 1, der des zweiten mit 2, der des dritten mit 3, der der Explosion, welche unendlich schnell vor sich gehend angenommen wird, mit 4, der Beginn der Expansion mit 5 und deren Ende, also des Beginnes des Auspuffes, mit 6. Auch der Auspuff wird als unendlich schnell vor sich gehend gedacht. Der Ansauge- und Ausschubhub bei Viertaktmaschinen, sowie die Zeit der Auspufföffnung bei Zweitaktmaschinen wird in dieser theoretischen Untersuchung nicht berücksichtigt. Ferner mögen bezeichnen: v das Volumen zwischen Kolben und Zylinderdeckel, n die Zahl der in diesem Volumen enthaltenen Molen, p den Druck des Zylinderinhaltes in kg/qcm, T die Temperatur nach der Celsiusskala, gezählt um 273° kälter als der Schmelzpunkt des Eises. τ die Entropie, gezählt vom Zustand beim Schmelzpunkt des Eises. Textabbildung Bd. 320, S. 58 Fig. 1. Die den Eckpunkten der Diagramme (Fig. 1 und 2) entsprechenden Werte dieser Veränderlichen erhalten die zur Bezeichnung des Punktes bestimmten Zahlen als Index. Die Bedingungen des unendlich schnellen Verbrennens und unendlich schnellen Auspuffes ergeben somit die Gleichungen v4 =v5 und v6 = v1. Beim Beginn der Kompression (Punkt 1) sind im Zylindervolumen v1n1 Molen Luft enthalten, welche durch die Bewegungsenergie des Schwungrades komprimiert werden. Dadurch erwärmt sich die Luft, aber nur so wenig, dass wir die Molekelwärmen cp und cv bei konstantem Druck bezw. Volumen als unabhängig von der Temperatur ansehen dürfen. Nehmen wir, wie üblich, an, dass die Wandungen keinen Einfluss auf den Zylinderinhalt ausüben, dass also die Kompression adiabatisch verläuft, so gelten die bekannten Gleichungen: pv = n1BTpvk=p1v1kTvk–1 = T1vk–1 τ = τ1 7) Hierin ist k=\frac{c_p}{c_v} das Verhältnis der Molekelwärmen der Luft und B = cp – cv = 1,970 cal/kg° C. wie schon oben gesagt eine ganz allgemeine Konstante. Im Punkt 2 sind hierdurch die Werte p2T2v2τ2 erreicht. Während der Periode des Einspritzens wird nun einmal ein Teil der aus der Kompressionsarbeit entstehenden Wärme vom Gase an die eingespritzte Flüssigkeit abgegeben, und zweitens nimmt die Zahl der im Zylinder enthaltenen Molen zu. Die Gesetze, nach denen sich Druck und Temperatur ändern, werden sich deshalb von denen der gewöhnlichen Kompression wesentlich unterscheiden. Um sie aufzustellen, benutzen wir die Hauptsätze der Thermodynamik. Textabbildung Bd. 320, S. 58 Fig. 2. Der erste, das Gesetz von der Erhaltung der Energie lautet in seiner gewöhnlichen Form dQ = dU + pdv. Hierin ist, um noch einmal daran zu erinnern, dQ die von aussen dem Volumen zugeführte Wärme, dU die Aenderung der sogenannten inneren Energie, pdv die nach aussen abgegebene Arbeit. Andere Energieformen, als Wärme und mechanische Arbeit kommen ja während der Kompression nicht in Frage. Zählen wir die innere Energie U eines aus Gasen und überhitzten Dämpfen bestehenden Gemisches vom Schmelzpunkt des Eises, so ist: U = ngcv(T – T0,) + nw (qsq0 + rs + c'v [T – Ts]) Hierin bedeutet: ng und nw die Molenzahl von Gas und Dampf, T0 = 273 die Schmelztemperatur des Eises, Ts die Siedetemperatur der Flüssigkeit beim vorhandenen Druck, q und r die molekulare Flüssigkeits- und Verdampfungswärme bei der durch den Index angedeuteten Temperatur, cv und c'v die Molekelwärmen von Gas und Dampf bei konstantem Volumen. Führt man zur Abkürzung die Erzeugungswärme λs = qs – q0 + rs ein, so erhält man, weil sich die Zahl der Gasmolen während der Einspritzperiode nicht ändert; dU = (ngcv+ nnc'v) dT + (λs + c'v [T – Ts]) dnn. Da sich c'v für die hier in Betracht kommenden Dämpfe Alkohol und Wasser nur wenig von cv unterscheidet und nw stets nur klein ist im Vergleich mit ng – es soll ja wie oben nachgewiesen, so klein als möglich sein –; so darf man setzen ngcv + nwc'v = n . cv wo n die Gesamtzahl der Molen ist. Bei der zahlenmässigen Durchführung der Rechnung darf man cv entsprechend dieser Gleichung etwas grösser einsetzen, als der Beobachtung für Luft entspricht. Ferner ist die Ueberhitzung während der Einspritzperiode nur gering, also (T – Ts) nur klein, während λs einen sehr grossen Wert hat; wir dürfen deshalb cv (T – Ts) neben λs vernachlässigen. Schliesslich ist wegen der Konstanz von ng dnw = d (nw + ng) = dn Mit diesen Vereinfachungen erhält man dU = ncv dT + λsdn. Die Grössen cv und λs dieser Gleichung betrachten wir als konstant, trotzdem sich cv entsprechend der oben gegebenen Abkürzung mit n und beide mit T ändern. Die Aenderungen sind aber für den Bereich dieses Teiles der Kompression so gering, dass wir von ihnen absehen dürfen. Ein Blick auf der Strecke 2 3 des Tτ-Diagrammes (Fig. 1) zeigt die Berechtigung. Setzen wir den gefundenen Wert von d U in die Energiegleichung ein und eliminieren gleichzeitig mit Hilfe der Gasgleichung pv = nBT, welche auch hier ihre Gültigkeit behält, weil der Dampf überhitzt ist, den Druck, so erhalten wir d\,Q=n\,c_v\,d\,T+\lambda_s\,d\,n+n\,B\,T\,\frac{d\,v}{v} Wärmeaustausch zwischen Wandungen und Zylinderinhalt soll natürlich auch für diesen Teil der Kompression ausgeschlossen sein, so dass dQ = 0, also O=c_v\,d\,T+\lambda_s\,\frac{d\,n}{n}+B\,T\,\frac{d\,v}{v} Das Energieprinzip liefert nun zwischen den drei Veränderlichen nvT keine weitere Gleichung, wir dürfen deshalb eine solche willkürlich aufstellen und müssen dann beim Bau der Maschine die Konstruktion danach einrichten. Da sich nun v unmittelbar durch Angabe der Kolbenstellung messen lässt, also v leicht als Urvariabele angesehen werden kann und andererseits für T die Bedingung sich ergeben hat, dass es stets etwas heisser sein soll als der Siedepunkt der Flüssigkeit, dieser aber mit abnehmendem Volumen, d.h. wachsendem Druck zunimmt, so setze ich T=a+\frac{b}{v} . . . . . . 8 a) wo a und b von der Konstruktion abhängige Konstanten sind. Das ergibt O=\frac{dn}{n}+\frac{B\,a}{\lambda_s}\,\frac{d\,v}{v}-\frac{(c_v-B)}{\lambda_s}\,\frac{d\,v}{v^2}=\frac{d\,n}{n}+\alpha\,\frac{d\,v}{v}-\beta\,\frac{d\,v}{v^2} wenn man die Abkürzungen \frac{B\,a}{\lambda_s}=\alpha und \frac{(c_v-B)\,b}{\lambda_s}=\beta einführt. Durch Integration erhält man hieraus: n\,v^{\alpha}\,e^{\frac{\beta}{v}}=\mbox{konst.}=n_2\,{v_2}^{\alpha}\,e^{\frac{\beta}{v_2}} . . . 8 b) Würde man an Stelle der Bedingung 8 a die Bedingung gestellt haben, dass die Temperatur konstant bleiben soll, so würde man statt 8 b erhalten haben n\,v^{\alpha}=n_2\,{v_2}^{\alpha} Mit Hilfe der Gleichungen 8 a und 8 b und der Gasgleichung kann man die Strecke \overline{2\,3} des pv-Diagrammes (Fig. 2) berechnen, indem man die für ein bestimmtes v aus 8 a und 8 b sich ergebenden Werte von T und n gleichzeitig mit v in die Gasgleichung einsetzt. Um die Strecke \overline{2\,3} im Temperaturentropiediagramm aufzeichnen zu können, braucht man noch die Aenderung der Entropie während dieses Teiles der Kompression. Da der Zylinderinhalt heisser sein soll als der Siedepunkt der eingespritzten Flüssigkeit, damit das Verdampfen sofort von statten geht, so findet hier ein Wärmeübergang bei endlichem Temperaturunterschied statt, welcher eine Zunahme der Entropie mit sich bringt. Ich berechne dieselbe nach der von mir in meinen Untersuchungen über den „Arbeitswert der Heizgase“s. D. p. J. 1904, 319, S. 113. benutzten graphischen Methode. Textabbildung Bd. 320, S. 59 Fig. 3. Es sei in Fig. 3 [ABCDda) die Erzeugungswärme einer Mole überhitzten Wasserdampfes im Tτ-Diagramm. \overline{A\,a} ist die Temperatur, mit welcher die Mole in den Zylinder eintritt, die atmosphärische Temperatur T0; \overline{B\,b}=\overline{C\,c} ist die Siedetemperatur Ts bei dem vorhandenen Druck; \overline{D\,d} ist die Temperatur T des Zylinderinhaltes, bis auf welche die Mole überhitzt wird. Diese Erzeugungswärme wird dem Zylinder-Inhalt entzogen; ist also B'\,b'=\overline{A'\,a'}=T, so ist [B'A'a'b'] = [ABCDda] Während somit die Entropie einer Mole eingespritzten Wassers um \overline{a\,d} zunimmt, nimmt die Entropie des schon im Zylinder vorhandenen Inhalt um \overline{b'\,a'} ab. Da die eingespritzte Mole, sobald sie verdampft ist, auch zum Zylinderinhalt gehört, so nimmt dessen Entropie durch die Verdampfung einer Mole zu um \overline{a\,d}-\overline{b'\,a'}. Bezeichnen wir nun mit Δτ die Aenderung der Entropie auf der Strecke \overline{2\,3} während nw Molen eingespritzt werden, so ist die Entropieänderung infolge des Einspritzens einer Mole \frac{\delta\,\Delta\,\tau}{\delta\,n} und wir erhalten \frac{\delta\,\Delta\,\tau}{\delta\,n}=\overline{a\,d}-\overline{b'\,a'} Die Erzeugungswärme einer Mole überhitzten Dampfes können wir schreiben [ABCDda] = q s – q 0 + r + c' v (T – T s ) und wir erhalten wegen der Gleichheit der Flächen \overline{b'\,a'}=\frac{[B'\,A'\,a'\,b']}{T}=\frac{q_s-q_0+r+c_v\,(T-T_s)}{T} Andererseits ist \overline{a\,d}=\tau_s-\tau_0+\frac{r}{T_s}+c'_v\,lg\,\frac{T}{T_s} wenn τs und τ0 die in den Tabellenwerken enthaltenen Entropiewerte der eingespritzten Mole bei den Temperaturen Ts und T0 sind. Im Ganzen ist also \frac{\delta\,\Delta\,\tau}{\delta\,n}=\left[\tau_s-\tau_0+\frac{r}{T_s}+c'_v\,lg\,\frac{T}{T_s}\right]-\left[\frac{q_s-q_0+r+c'_v\,(T-T_s)}{T}\right] und daraus \Delta_{\tau}=\int_2^3\,\left\{\tau_s-\tau_0+\frac{r}{T_s}+c'_v\,lg\,\frac{T}{T_s}-\frac{q_s-q_0+r+c'_v\,(T-T_s)}{T}\right\}\,d\,n Um dieses Integral lösen zu können, müsste man zunächst mit Hilfe der Dampfdruckkurve der eingespritzten Flüssigkeit die Siedetemperatur Ts auf den Druck im Zylinder; dann mit Hilfe der Gasgleichung den Druck auf Volumen, Temperatur und Molenzahl in Zylinder und schliesslich mit Hilfe der oben aufgestellten Gleichungen 8 a und 8 b Volumen und Temperatur noch auf die Molenzahl zurückführen, damit alles unter dem Integralzeichen als Funktion von n erscheint. Da aber die Dampfdruckkurve nicht einmal für reine Flüssigkeiten, viel weniger für das hierzu benutzende Gemisch aus Alkohol und Wasser in analytischer Form vorliegt und selbst wenn man eine angenäherte empirische Formel einsetzen wollte, die weiteren Rechnungen doch zu sehr verwickelten Formeln führen würden und da andererseits die durch dieses Integral gegebene Entropieänderung nur klein ist in Vergleich mit den übrigen im Prozess vorkommenden Entropiewerten, so ist es hinreichend, wenn man für T und Ts Mittelwerte einsetzt und dann integriert. Bezeichnen wir diesen Mittelwert der Funktion unter dem Integralzeichen mit F (T1 Ts), so ist also Δτ = F (T1 Ts) nw . . . 8 c) wo nw die Zahl der eingespritzten Molen ist. Wird, wie es beim Betrieb in Gasmaschinen der Fall ist, reines Wasser eingespritzt, so sind in F (T1 Ts) die dem Wasser entsprechenden Werte einzusetzen, welche auch der Fig. 3 zu gründe gelegt sind. Spritzt man Spiritus oder irgend eine andere Flüssigkeit ein, so sind natürlich die dieser entsprechenden Zahlenwerte in F (T1 Ts) einzutragen. Damit der Spiritus überhaupt in den Zylinder gelangt, muss in der Spirituspumpe ein grösserer Druck vorhanden sein als im Zylinder. Dieser Druckdifferenz entspricht ebenfalls eine Entropie Vermehrung, welche aber wegen des grossen Wertes des Arbeitsäquivalentes der Wärmeeinheit und des kleinen Wertes des Spiritusvolumens so klein ist, dass sie neben den anderen Entropieänderungen garnicht in betracht kommt. (Fortsetzung folgt.)