Titel: Die elektrische Zugbeleuchtung in den Vereinigten Staaten.
Fundstelle: Band 320, Jahrgang 1905, S. 193
Download: XML
Die elektrische Zugbeleuchtung in den Vereinigten Staaten. Die elektrische Zugbeleuchtung in den Vereinigten Staaten. Die ersten Versuche, das elektrische Licht für Zugbeleuchtung zu benutzen,s. a. D. p. J. 1901, Bd. 316, S. 85 und 1904, Bd. 319, S. 4. fanden in den Vereinigten Staaten im Jahre 1882 und 1883 statt. Primärbatterien waren die Energiequellen. Diese bewährten sich jedoch durchaus nicht, und so versuchte es die Pennsylvania-Eisenbahn auf der Strecke New-York–Pittsburg mit Sekundärbatterien, indem sie acht Luxuswagen mit solchen ausrüstete. Diese Strecke (mit nur zwei auf den Endstationen errichteten Ladestellen) war jedoch zu lang. Auch steigerten sich die Ansprüche an die Beleuchtung, so dass sich die Eisenbahnverwaltung veranlasst sah, eine Dampfdynamo in dem Gepäckwagen aufzustellen. Dieses System ist, wie wir später sehen werden, noch heute in Verwendung. Um dieselbe Zeit (1888–1890) wurden auch auf verschiedenen Linien Versuche mit Dynamos, welche durch Gasmotor, Luftmotor oder durch die Wagenachse angetrieben wurden, gemacht. Der erste Achsenantrieb war von Moscowitz ausgearbeitet und glich dem Motorenantrieb in den heutigen Strassenbahnmotorwagen. Ein Vorgelegeantrieb ersetzte später diesen Stirnräderantrieb. Das kraftübertragende Medium zwischen Achse und Vorgelege war hier eine Kette und das zwischen Vorgelege und Dynamo konische Reibungsräder. Vier Jahre später wandte Moscowitz zum ersten Male einen Riemen an. In den letzten fünf Jahren namentlich sind die mannigfaltigsten Versuche mit neuen, in elektrischer und mechanischer Beziehung teilweise hochinteressanten Zugbeleuchtungssystemen gemacht worden. Heute sind nicht weniger als sechs verschiedene Systeme im Gebrauch, welche im folgenden beschrieben sind. 1. Das Batteriesystem. Dies älteste aller Zugbeleuchtungssysteme findet sich auf einer Reihe von Bahnen, deren Fahrstrecke kurz ist. Es werden meistens zwölf Zellen hintereinander geschaltet, so dass Glühlampen von 24 Volt Verwendung finden müssen. Die Kapazität der Batterien ist in der Regel 600 Amperestunden. Für Spezialwagen (Schlaf-, Speise- und Postwagen) verwendet man jedoch solche von 900 Amperestunden. Die Batteriekästen sind immer auf beiden Seiten unter dem Wagenkasten angehängt. Zwecks Auswechselns sind Handwagen wie der in Fig. 1 oder auf Schienen laufende Wagen im Gebrauch. Durch die nunmehr auf dem Markt erschienenen Edisonschen Nickeleisensammlers. D. p. J. 1904, Bd. 319, S. 476. wird dieses System wieder mehr in Anwendung kommen. 2. System unter Anwendung einer Dampf- oder Turbodynamo und Batterie. Ungefähr zehn Bahngesellschaften, namentlich in dem westlichen Teil der Vereinigten Staaten, haben dieses System im Gebrauch, um den Ansprüchen an eine reichlichere Beleuchtung seitens der Reisenden gerecht zu werden bezw. Reisende damit heranzulocken. Als Antriebsmotore dienen Dampfturbinen oder einfach wirkende Kompoundmaschinen, gebaut von der bekannten Westinghouse Machine Company in Pittsburg. Diese Maschinen regulieren ganz ausgezeichnet, brauchen fast keine Wartung; sie sind jedoch Dampffresser. Beide, direkt mit der Dynamo gekuppelt, sind in dem Gepäckraum aufgestellt und erhalten Dampf von dem Lokomotivkessel. Der Abdampf wird durch eine Rohrleitung unter dem Wagenkasten in die Atmosphäre geleitet, damit er sich nicht an den Fenstern niederschlägt. Textabbildung Bd. 320, S. 193 Fig. 1. In Fig. 2 ist ein Wagen mit einer in dem vorderen Teil aufgestellten Turbodynamo abgebildet. Die Aufnahme wurde auf dem Pennsylvaniabahnhofe in St. Louis gemacht. Wie ersichtlich, deutet nichts darauf hin, dass sich in diesem kombinierten Rauch- und Gepäckwagen eine elektrische Beleuchtungsanlage befindet, es sei denn, dem Beschauer fiele die dritte Schlauchleitung oder die Abdampfrohrleitung auf dem Dache auf. Der Turbogenerator ist in Fig. 3 abgebildet. Er ist in einem Abschlag aufgestellt, der durch ein Rouleau aus Wellblech abgeschlossen werden kann. Die Dampfturbine ist von der Curtistype und leistet 15 KW. Ein Manometer gestattet dem mit der Beaufsichtigung beauftragten Gepäckmeister den Dampfdruck abzulesen. Die mit 4000 Umdrehungen angetriebene Nebenschlussdynamo gibt normal 65 Volt. Strom- und Spannungsmesser sowie ein Nebenschlussregulator sind in dem Stromkreis eingebaut. Ein doppelpoliger Automat schützt die Maschine vor Ueberlastung. Die Turbine sitzt fliegend an dem Gestell der Dynamo. Um zu verhindern, dass das Schmieröl nach unerwünschten Stellen des Gepäckraumes fliesst, ist eine Holzleiste vor den Abschlag genagelt. Zwecks Verhütens des Eindringens von Oel in den Fussboden sind die Bretter mit Zinkblech benagelt. Jeder Wagen ist mit einer Batterie ausgerüstet. Drei Leitungen führen durch alle Wagen des Zuges, nämlich eine gemeinschaftliche und zwei Leitungen für Lampen und Batteriepole. Während des Tages decken die Batterien den Strombedarf, ebenfalls des Nachts, wenn die Lokomotive nicht am Zuge ist. Wir sehen somit, das System ist nicht selbsttätig und leidet an Betriebseinfachheit. Textabbildung Bd. 320, S. 194 Fig. 2. Textabbildung Bd. 320, S. 194 Fig. 3. 3. System der Consolidated Railway Electric Lighting and Equipment Company (Moscowitz). Das System dieser Gesellschaft ist aus dem ehemaligen Moscowitzsystem hervorgegangen. Es besteht aus einer durch Riemen angetriebenen Achsendynamo und aus einem Regulator; dieser befindet sich im Innern des Wagens. Die Befestigung der Dynamo D an dem Drehgestell des Wagens ist aus Fig. 4 zu ersehen. Ein Ausleger ist gegen den Rahmen geschraubt, an dem die Konsole der Maschine federnd aufgehängt ist. An dem unteren Teil der Dynamo sind zwei Ansätze angegossen, durch deren Löcher ein an der Konsole befestigter Bolzen gesteckt ist. Offenbar ist diese Konstruktion getroffen, um Gleiten des Riemens bei zu hoher Beanspruchung der Maschine zu erzielen. Textabbildung Bd. 320, S. 194 Fig. 4. Textabbildung Bd. 320, S. 194 Fig. 5. Der Nebenschlussregulator R (siehe das Schaltungsschema Fig. 5) hat die Spannung und damit die Leistung bei allen Geschwindigkeiten des Zuges konstant zu halten. Dies geschieht in der folgenden Weise: Der Motor M – auf dem Regulatorschaltbrette (s. Fig. 6) montiert – erhält von der Dynamo Strom und treibt durch eine Schnecke die Schneckenradwelle S dauernd an. Die mechanische Verbindung zwischen dieser und der Regulatorachse R ist durch die Skizze (Fig. 7) erklärt. Sie besteht aus dem Exzenter N, der die Haken P in hin- und hergehende Bewegung versetzt. Diese Haken werden durch das von der Spule 5 (Fig. 6) beeinflusste Sperrstück M während der Normalleistung der Dynamo am Eingreifen in die Zähne der Räder W und W gehindert. Steigert sich jedoch die Geschwindigkeit des Zuges und somit die Spannung und Leistung, so wird der Kern der erwähnten Hauptstromspule eingezogen und gestattet dem oberen Haken in die Zähne des Rades W zu greifen. Dies hat eine Drehung des Regulatorarmes im Sinne des Uhrzeigers und damit das Einschalten von Widerstand zur Folge. Fährt der Zug langsamer, so wird Widerstand ausgeschaltet und somit das Dynamofeld stärker erregt. Erst wenn die Normalleistung der Maschine wieder erreicht ist, werden die Haken an der Drehung des Regulatorarmes gehindert. Textabbildung Bd. 320, S. 195 Fig. 6. Bei langsamer Fahrt ist die Maschine vom Stromkreis abgeschaltet. Mit zunehmender Geschwindigkeit schaltet der Nebenschlussmagnet C (Fig. 5) die Dynamo parallel zu der Batterie, wie dies aus dem Schaltungsschema hervorgeht; nimmt die Geschwindigkeit noch mehr zu, so beginnt die soeben beschriebene Feldregulierung. Bekanntlich haben die Sammlerzellen die Eigenschaft, dass die Spannung sofort nach Beginn der Ladung steigt, und es wird somit notwendig, den Lampen einen Widerstand vorzuschalten. Die Kontakte für letzteren sind auf der linken unteren Ecke des Regulatorbrettes gesetzt. Die Hebelstange ist derart mit der Regulatorachse verbunden, dass der Kontakthebel Widerstand einschaltet, wenn der Regulatorarm Feldwiderstand vorzuschalten beginnt. Mit zunehmender Drehung der Achse wird noch weiterer Ballastwiderstand vorgeschaltet. Textabbildung Bd. 320, S. 195 Fig. 7. Während des Tages ist der Lampenschalter F offen und es sind so alle Windungen der Regulatorspule s (Fig. 6) von dem Ladestrom durchflössen. Durch Schliessen desselben wird jedoch ein Teil der Windungen kurzgeschlossen, was eine höhere Leistung der Dynamo nach sich zieht. Offenbar muss die Wirkung der kurzgeschlossenen Windungen durch eine höhere Amperezahl ersetzt werden. Da die Wagen meistens auf derselben Strecke laufen, so kann der Regulator so eingestellt werden, dass die Batterie jeden Tag gerade voll geladen wird. Die Umkehr der Stromrichtung in dem Maschinenstromkreis wird durch den Automaten D verhindert. Die Dynamo wird durchschnittlich mit 1–2 KW. beansprucht und wiegt 2500 kg. Ueber ihre Konstruktion ist noch einiges zu sagen. Feld, Kommutator und der an der Kommutatorseite angebrachte Umschalter sind durch einen Eisenmantel staubdicht eingeschlossen. Die Polstücke sind aus mehreren Blechen zusammengesetzt, damit sich die Maschine schnell erregt. Der Umschalter sorgt dafür, dass die Dynamo bei der Umkehr der Fahrtrichtung in Parallele mit der Batterie geschaltet bleibt. Zu diesem Zwecke ist das Ende der Welle mit Schneckengewinde versehen. Ein Schneckenrad wird hierdurch angetrieben, dessen Welle mit zwei Nuten versehen ist und die durch eine dritte Nute miteinander in Verbindung stehen. Ein Daumen, der mit der Achse des Umschalters in fester Verbindung steht, ragt in eine der Nuten. Bewegt sich der Anker in einer gewissen Richtung, so wird der Daumen nicht verschoben; kehrt die Richtung indessen um, so wird er durch die Verbindungsnute in die benachbarte Nute geschoben. Dadurch wird die Drehung des Umschalterarmes veranlasst. Eine zweite Umkehr der Drehrichtung bringt den Daumen wieder in die erste Nute zurück. Die Flanschenriemenscheibe ist mit zahlreichen Löchern versehen, damit sich der Staub leicht von der Lauffläche absondern kann. 4. Das Gouldsche System. Seitens der Gould Car Lighting Company ist ein Wagenbeleuchtungssystem ausgebildet und auf einigen Eisenbahnstrecken des Ostens eingebaut worden, deren Schaltungsschema in Fig. 8 wiedergegeben ist. Textabbildung Bd. 320, S. 195 Fig. 8. Die Welle der Dynamo D trägt auf ihrem freien Ende eine zweite kleinere Maschine mit Batterieerregung. Der von dieser gelieferte Strom wird für die Felderregung eines ungefähr ¼pferdigen Motors M verwandt, dessen Ankerstrom der Batterie entnommen wird. Dieser Ankerstrom dient zur gleichen Zeit zur Felderregung der mit dem Motor direkt gekuppelten Erregerdynamo E. Eine zweite Feldwicklung der letzteren ist an die Batterie angeschlossen. Der erzeugte Strom der Erregermaschine durchfliesst die starke Wicklung eines Automaten A und die Feldwicklung der vierpoligen Lichtdynamo D. Ein kombinierter Einschalte- und Rückstromautomat B schaltet die Maschine parallel zu der Batterie oder schaltet sie aus. Um stets eine gleichbleibende Lampenspannung zu erhalten, sind fünf Gegenzellen zur Regulierung verwandt. Diese Zellen werden durch einen auf den Motorgenerator montierten Zellenschalter in den Lampenstromkreis eingeschaltet (s. Fig. 9). Der Schlitten S befindet sich auf der äussersten Rechten. Er wird durch einen an der Lampenspannung angeschlossenen Magnet auf folgende indirekte Weise verschoben: Das linke Ende der Regulatorwelle ist mit Schnecke und Schneckenrad versehen. An letzterem befindet sich ein Kurbelzapfen, der eine Hakenstange unter Vermittlung von zwei Hebeln in hin- und hergehende Bewegung versetzt. Der Schlitten verschiebt sich auf dieser nach der einen oder andern Seite, je nachdem eine der beiden seitlichen Klinken eingerückt wird. So wird das Einrücken der diesseitigen Sperrklinke den Schlitten nach rechts bewegen, da, wie auf dem Bilde zu bemerken ist, die Zähne nach rechts zeigen; auf der andern Stangenseite sind die Zähne nach links gerichtet und die Schlittenbewegung findet nach links statt. Die Klinken werden durch die Magnete S und S' (Fig. 8) eingerückt. Diese werden unter Vermittlung eines Kontaktvoltmeter V erregt und zwar der eine bei zu niedriger, der andere bei zu hoher Lampenspannung. Textabbildung Bd. 320, S. 196 Fig. 9. Es bleibt noch zu erwähnen, dass die Feldeisen der beiden direkt gekuppelten Regulatormaschinen aus Stahlblechen zusammengesetzt sind, um eine gute Regulierfähigkeit zu erzielen. Die aufeinanderfolgende Tätigkeit der einzelnen Teile dieses Systems ist wie folgt: Bei der Anfahrt des Zuges wird die Dynamo D eine Spannung proportional der Geschwindigkeit erzeugen und das Feld des Motors M erregen. Ist die Zuggeschwindigkeit ungefähr 25 km i. d. Stunde, so schaltet die Spannungsspule des Schalters A den Motoranker an die Klemmen der Batterie. Der Regulator wird so in Betrieb gesetzt. Ferner wird das Feld der Dynamo E erregt und das Kontaktvoltmeter wird angeschlossen. Die Lichtdynamo D ist nun auch erregt und wenn ihre Spannung gleich der Spannung der Batterie ist, so wird sie durch den Schalter B parallel zu der Batterie geschaltet. Infolge der nun stattfindenden Ladung und des Steigens der Zellenspannung wird der Zellenschalter Gegenzellen zuschalten, um die Lampen vor Ueberspannung zu beschützen. Bei einer Umkehr der Fahrt des Zuges findet offenbar eine Umkehr der Pole der Dynamo d und damit ein Wechsel in der Stromrichtung in den Feldspulen der Dynamo D ein. Da sich die Drehrichtung und die Pole ändern, so bleiben die Pole der Lichtmaschine dieselben.. Textabbildung Bd. 320, S. 196 Fig. 10. Die Abbildung (Fig. 10) zeigt die beiden Dynamos D und d, wie der Besucher sie auf der Weltausstellung; in St. Louis zu besichtigen Gelegenheit hatte. Der Antrieb erfolgt durch eine Kette. Der vordere Deckel ist abgenommen worden, um eine Besichtigung zu gestatten. Ebenso ist der Deckel des in der Mitte (zwecks Nachsehens der Bürsten) angeordneten Loches abgenommen. Die beiden Lagerschilder sind gegen das Feld der Lichtdynamo geschraubt; gegen das vordere derselben ist wieder das Feld der Hilfsdynamo d gesetzt. Die ganze, einem alten Geschütz ähnelnde Anordnung kann durch Bolzen von dem Untergestell des Wagens entfernt oder demselben genähert werden, so dass die Spannung der Kette verändert werden kann. Das Gouldsche System wird für eine Spannung vom 32 Volt gebaut. (Schluss folgt.)