Titel: Die Steuerungen der Ventildampfmaschinen.
Autor: Straube
Fundstelle: Band 320, Jahrgang 1905, S. 211
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Die Steuerungen der Ventildampfmaschinen. Von Prof. Straube in Karlsruhe. (Schluss von S. 207 d. Bd.) Die Steuerungen der Ventildampfmaschinen. Textabbildung Bd. 320, S. 211 Fig. 25. Steuerung von Crimmitschau. Eine ähnliche, von der Crimmitschauer Maschinenfabrik ausgeführte Steuerung (Fig. 25), welche sich noch vollkommen an das Vorbild der Klugschen Umsteuerung für Schiffsmaschinen anschliesst, gehört der zweiten Gruppe von Lenkersteuerungen mit entgegengesetzter Kraftrichtung in Exzenterstange und Ventilstange an. Während die erste Gruppe mit gleichgerichteter Kraftwirkung für den Winkel β zwischen der mittleren Exzenterstangenrichtung und der Exzenterstellung bei Voreintritt einen ziemlich grossen Wert (s. Schema Fig. 17) erfordert, wenn die Ventilerhebungsverhältnisse günstig werden sollen, so dass der Drehpunkt C der Führungsbahn nicht erheblich aus deren Mitte liegt (in der Fig. 17 ist der Winkel β = 67½ Grad = ¼ von 90 Grad angenommen), ist es bei dieser zweiten Gruppe mit entgegengesetzter Kraftrichtung nötig, den Winkel β klein zu wählen, so dass Punkt C nahezu an das Ende der Führungsbahn rückt, wie dies das allgemeine Schema dieser Steuerungen (Fig. 26) veranschaulicht, in welcher β = 22½ Grad = ¼ von 90 Grad angenommen ist. Zwar wird nach diesem Schema für die Normalfüllung nur etwa 1/13 des Exzenterhubs zur Ventilerhebung ausgenutzt, aber schliesslich ist dies nicht von so grosser Bedeutung. Der Ueberhub \frac{h_{\mbox{max.}}}{h_{\mbox{norm.}}} ergibt sich jedoch hier selbst bei gerader Führungsbahn schon recht günstig, nämlich = 2,5 und bei einer Krümmung der Führungsbahn, in dem Sinne wie oben bei Fig. 19 mit Bezug auf Fig. 17 näher bezeichnet, wird dies Verhältnis noch günstiger. Nur der Winkel φ, von dem der Verstellungsweg des Regulators abhängt, fällt wesentlich grösser aus, als bei den Lenkersteuerungen mit gleicher Kraftrichtung in Exzenter- und Ableitungsstange, und dies ist ein gewisser Uebelstand. Die Fig. 25 lässt nun erkennen, dass hier Exzenterstellung und Lage des Drehpunkts C der Führungsbahn durchaus dem allgemeinen Schema (Fig. 26) entsprechen, nur die Krümmung der Führungsbahn ist entgegengesetzt, wie sie sein sollte, um die bestmöglichsten Ventilerhebungsverhältnisse zu ergeben. Letztere; werden trotzdem bei Fig. 25 nicht gerade ungünstig sein, und durch die Anordnung des Lenkers n unterhalb der Exzenterstange statt oberhalb derselben ist erreicht, dass die Verstellung seines Stützpunkts sich bequem im Lagerbock der Steuerwelle unterbringen liess. Textabbildung Bd. 320, S. 212 Fig. 26. Schema der Lenkersteuerungen mit entgegengesetzter Kraftwirkung in Exzenter- und Ventilstange. Steuerungen von Bromley und Crimmitschau: Exzenterstange beim Ventilöffnen auf Druck beansprucht. Ventilstange beim Ventilöffnen auf Zug beansprucht; vom Ventilhebel, Ableitungsrichtung der Ventilstange. Textabbildung Bd. 320, S. 212 Fig. 27. Zum Regulator; Zum Einlassventil; Zum Auslassventil Die zweite zu dieser Gruppe gehörige Steuerung, die Bromleysteuerung (Fig. 27),s. D. p. J. 1901, 316, S. 150, Fig. 56. macht sich aber auch die vorteilhafteste Lage der Krümmung der Führungsbahn zu nutze und gibt ferner, ebenso wie die Königsteuerung (Fig. 22), zwecks Vereinfachung und symmetrischer Anordnung des Triebwerks die Unveränderlichkeit des Voreintritts auf, indem auch bei ihr Lenker n und Gegenlenker n' ungleich lang gemacht sind, so dass die Punkte C und D nicht mehr zusammenfallen und die Bahnen des Punktes V sich nicht mehr genau in demselben Punkte, dem Voreintrittspunkte, schneiden. Trotz dieser Abweichung ist die Uebereinstimmung der punktweise verzeichneten Bahnen des Ableitungspunktes V in Fig. 27 mit dem allgemeinen Steuerschema Fig. 26 auch hier augenfällig. Von dem Vorteil, welchen bei der Königsteuerung die Anlenkung der Einlassteuerung an den Exzenterbügel, der Auslassexzenterstange bietet, ist jedoch bei der Bromleysteuerung nicht Gebrauch gemacht. Im Gegenteil ist die Auslassteuerung an den Exzenterbügel der Einlassexzenterstange angelenkt. Daraus ergibt sich zunächst als Folge der Exzenterreibung vermehrter Rückdruck auf den Regulator und ausserdem eine gewisse Veränderlichkeit der Auslassteuerung, wie auch aus Fig. 27 zu ersehen. Letztere ist übrigens in dem Sinne, dass mit abnehmender Füllung die Kompression wächst, bei Verbundmaschinen geradezu erwünscht. Sowohl in der Steuerung Fig. 25 als auch in Fig. 27 ist bei der Ventileröffnung die Exzenterstange auf Druck, die Ventilstange auf Zug beansprucht. Es könnte aber auch umgekehrt gemacht sein. Nur würde dann mit Rücksicht auf die Erzeugung möglichst günstiger Ventilerhebungsverhältnisse der Drehpunkt des Lenkers n nicht über, sondern unterhalb der Exzenterstange anzuordnen sein. Man erhielte das allgemeine Steuerschema einer solchen Steuerung, wenn man die Fig. 26 umdreht und Führungsbahn und Exzenterkreis wieder links von der Ellipsenschaar anordnet. An den Bewegungsverhältnissen der Steuerung würde sich dabei nicht das mindeste ändern. Bei den bisher betrachteten Lenkersteuerungen ist die Ableitungsrichtung der Ventilstange mehr oder weniger gegen die mittlere Richtung der Exzenterstange geneigt, und es erübrigt noch den besonderen Fall zu untersuchen, dass die Ableitungsrichtung der Ventilstange senkrecht auf der mittleren Exzenterstangenrichtung steht (Fig. 28). Exzenterstange samt Führungsbahn und Exzenterkreis sind darin fortgelassen, da ja die Verhältnisse der Steuerung, welche übrigens an sich keine Besonderheiten aufweisen, aus der Ellipsenschaar allein klar hervorgehen. Man sieht jedoch auf den ersten Blick, dass bei einer Steuerung nach diesem Schema auch gar keine Exzenterstange mehr nötig ist, wenn der Ventilstange eine Führung gegeben und sie durch eine die Führungsbahn ersetzende, um den Winkel φ drehbare Kurbelschleife mittels einer das Exzenter vertretenden Kurbel r angetrieben wird, deren Wellenmittelpunkt nunmehr in O selbst liegt. Dies ist aber das Triebwerk der Elsnersteuerung (Fig. 8). Textabbildung Bd. 320, S. 213 Fig. 28. Vom Ventilhebel, Ableitungsrichtung der Ventilstange. Natürlich stellen die Ellipsen nunmehr nicht mehr die Bahn des Punktes V dar, denn diese ist mit dem Exzenterkreis identisch geworden, sondern sie dienen wie die Schieberellipsen jetzt nur. zur Veranschaulichung des Bewegungsgesetzes der Ventilstange. Die Fig. 28 ist genau in denselben Verhältnissen gezeichnet, wie sie in Fig. 8 sich für die Elsnersteuerung ergaben, demzufolge sind auch die Ventilerhebungsverhältnisse genau wie dort, worauf in der Figur noch besonders hingewiesen ist. Der Wert r cos β ist jetzt die Entfernung l, in welcher bei Eisner die Ventilstangenrichtung neben dem Wellenmittelpunkt vorbeigeführt werden muss. (In Fig. 8 mit e bezeichnet) Bei den gewählten Verhältnissen ist l (bezw. e) =r\,\mbox{cos}\,\beta=\frac{r}{2} und also β = 60 Grad, was auch in Fig. 8 zutrifft. Es bildet demnach in der Tat, wie schon oben behauptet wurde, die Elsnersteuerung den Uebergang von den Steuerungen mit veränderlicher Ableitungsrichtung zu denen mit veränderlichem Exzenterantrieb insbesondere zu den Lenkersteuerungen. Die zwangläufigen Steuerungen; wären demnach ihrer Verwandtschaft nach folgendermassen aneinander, zu reihen: 1. Steuerungen mit direkt verstellbarem Exzenter (Aussteuerung). 2. Steuerungen mit zwei Exzenterbewegungen, in Anlehnung an die älteren Umsteuerungen mit zwei Exzenterrf (ältere Collmannsteuerung): 3. Lenkersteuerungen, in Anlehnung an die neueren einfacheren Umsteuerungen Klugscher Art mit einem Exzenter (Radovanovisc- und Königsteuerung). 4.Elsnersteuerung als Uebergang zu Steuerungen mit veränderlicher Ableitungsrichtung (Widnman- und Hunge, Steuerung). Diese Reihenfolge entspricht auch ungefähr der historischen Entwicklung, nur dass die erste Gruppe darnach an die letzte Stelle rücken müsste. Wenn in den obigen Betrachtungen eine nahezu umgekehrte Reihenfolge beobachtet worden ist, so war der Grund hierfür der, dass für die Erklärung der einzelnen Erscheinungen der Uebergang vom Leichteren zum Schwereren geeigneter erschien, als der von der Praxis eingeschlagene entgegengesetzte Weg.