Titel: Der heutige Stand der Motorfahrräder.
Fundstelle: Band 320, Jahrgang 1905, S. 297
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Der heutige Stand der Motorfahrräder. (Fortsetzung von S. 280 d. Bd.) Der heutige Stand der Motorfahrräder. c) Mehrsitzige Fahrzeuge. Textabbildung Bd. 320, S. 297 Fig. 22. Neckarsulmer Motorzweirad mit abnehmbarem Vorsteckwagen. Textabbildung Bd. 320, S. 297 Fig. 24. Motordreirad „Cyklontte“ der Cyklon Maschinenfabrik m. b. H. Um nun die erwähnten einsitzigen Fahrzeuge in zweisitzige umzuwandeln, kommen Vorsteck- oder Seitenwagen in Anwendung, welche mit Leichtigkeit an dem Fahrzeug befestigt und wieder abgenommen werden können. Wie Fig. 22 an einem N. S.U. Motorzweirad zeigt, wird der Vorsteckwagen, nachdem das Vorderrad samt der Bremse aus dem Motorfahrrad (Fig. 8) herausgenommen ist, vermittels zweier Streben an die Hinterachse und mittels zweier Bänder mit vier Muttern mit dem Steuerrohr in sicherster Weise verbunden. Der Sitz ruht auf zwei langen elastischen Federn, welche die beim Fahren auftretenden Stösse abfangen. Bei Anwendung des Seitenwagens (Fig. 23) bleibt das Motorrad unverändert. Ersterer wird auf die einfachste Art an dem vom Steuerrohr ausgehenden Rahmenrohr mittels vier Bolzen mit Muttern befestigt, ebenso am Sattelklemmstück sowie an der Hinterachse. Diese Befestigungsarten gewährleisten sicheres Fahren selbst auf schlüpfrigen Wegen. Textabbildung Bd. 320, S. 298 Fig. 23. Neckarsulmer Motorzweirad, mit abnehmbarem Seitenwagen. Zweckentsprechender für zwei Personen ist jedoch das von der Cyklon-Maschinenfabrik m. b. H. in Berlin gebaute Fahrzeug „Cyklonette“ (Fig. 24). Um es möglichst leicht zu gestalten, ist die Form des Dreirades mit 110 cm Spur gewählt, bei dem der Motor seine Kraft mittels Riemen und Kette auf das Vorderrad überträgt, wodurch das Differentialgetriebe fortfällt. Der lange Rahmen ist aus nahtlosen Stahlrohren hergestellt. Der Sitz ist ähnlich wie bei Droschken abgefedert, so dass Stösse sich kaum bemerkbar machen. Der 3½ PS.-Motor, der später noch beschrieben wird, ruht federnd an der verstärkten Vorderradgabel und wird mittels Lasche am Steuerrohr festgehalten. Um gleichmässigen Antrieb zu erhalten, sind zu beiden Seiten des Motors aussenliegende Schwungräder angebracht. Die zur Kühlung des Motors nötige Luftzirkulation wird durch einen Ventilator, der mittels des einen Schwungrades angetrieben wird, verstärkt. Der Oberflächenvergaser mit seinem für 80 km Fahrt reichenden Benzinbehälter befindet sich hinter dem Motor und ist mit demselben mittels Knierohr und Gummischlauch verbunden. Im vorderen Teil des Wagenkastens ist noch ein Reservebehälter untergebracht, der einen Benzinvorrat für weitere 150 km Fahrt aufnimmt. Von diesem Behälter wird das Benzin nach Bedarf mittels Pumpe in den Behälter des Vergasers gedrückt. Die Lenkung geschieht durch einen einarmigen Hebel, an dem zugleich alle Regulierungsvorrichtungen des Motors angebracht sind. Das Gesamtgewicht beträgt etwa 130 kg und können in der Ebene 28–32 km i. d. Stunde zurückgelegt werden. Steigungen von etwa 8 v. H. nimmt der Motor noch mit einer Person, mit zwei dagegen noch solche von etwa 6 v. H. Die Betriebskosten sind gering, da 1 l Benzin für 18–22 km ausreicht. Textabbildung Bd. 320, S. 298 Fig. 25. Antrieb mittels Stufenscheiben der Phänomen-Fahrradwerke G. Hiller. Bei dieser Anordnung ist der Motor nicht nur in staubfreier Lage, sondern auch durch die unbehinderte Luftzirkulation gut gekühlt, ausserdem soll ein gezogenes Fahrzeug gegenüber dem gleichsam geschobenen 25 v. H. Kraftersparnis haben. Für gebirgige Gegenden versehen die Phänomen-Fahrradwerke Gustav Hiller in Zittau ihre Motorfahrräder mit Stufenscheiben (Fig. 25). Die Scheiben sind so berechnet, dass beide Antriebe nur eine Riemenlänge benötigen. Die Differenz der beiden Geschwindigkeiten beträgt 50 v. H., und zwar können mit der kleinen Uebersetzung bis zu 45 km, mit der grossen dagegen bis zu 70 km i. d. Stunde zurückgelegt werden. Textabbildung Bd. 320, S. 299 Fig. 26. Neckarsulmer Gepäckdreirad mit luftgekühltem Motor. Textabbildung Bd. 320, S. 299 Fig. 27. Neckarsulmer Gepäckdreirad mit wassergekühltem Motor. II. Lastenfahrzeuge. Die Motorgepäckdreiräder haben sich in grösseren Städten rasch eingebürgert und dürften auch dazu berufen sein, die für den Fahrer sehr mühsamen Gepäckdreiräder ohne Motor, wenigstens für schwerere Lasten zu verdrängen, zumal sich die verhältnismässig unbedeutenden Mehrkosten in kurzer Zeit infolge Zeitersparnis und durch rasche Beförderung bezahlt machen. Fig. 26 zeigt ein auf sehr einfache Weise aus dem Zweirad (Fig. 8) entstandenes Motordreirad der Neckarsulmer Fahrradwerke A.-G. in Neckarsulm. Das Motorzweirad ist wie bei Fig. 22 mit dem Vorsteckwagen verbunden und dessen Sitz gegen einen Kasten vertauscht. Die gleiche Einrichtung besitzt das Zweirad (Fig. 10) der Phänomen-Fahrradwerke Gustav Hiller in Zittau. Sie scheint sich überhaupt zu verallgemeinern. Textabbildung Bd. 320, S. 300 Fig. 28. Motorgepäckdreirad der Brennabor-Fahrradwerke Gebr. Reichstem. Textabbildung Bd. 320, S. 300 Fig. 29. Motorgepäckdreirad der Cyklon Maschinenfabrik m. b. H. Während nun das Fahrzeug (Fig. 26) mit luftgekühltem 3 PS.-Motor an Orten mit wenig hügeligen Wegen die weiteste Verwendung finden kann, so dürfte dasjenige Fig. 27Diese Figur zeigt auch den bei Fig. 9, S. 263, erwähnten Antrieb der Ventilatoren. mit wassergekühltem 4 PS.-Motor für einen raschen und modernen Betrieb in Städten mit bergigem Terrain ersterem vorzuziehen sein. Dieses Fahrzeug ist mit Leerlauf, doppelter Uebersetzung, sowie mit auf die Vorderräder wirkender Doppelbremse und Pedalrücktrittbremse versehen. Die Uebersetzung ist so gewählt, dass 1 Lasten von mehreren Zentnern auf nicht zu bergigen Strassen in der Geschwindigkeit eines trabenden Pferdes befördert werden können, doch lässt sich diese Geschwindigkeit noch steigern, und durch Gasabdrosselung und Zündungsverstellung bis zum Fussgängertempo in einfachster Weise regeln. Bezüglich der Anordnung des Motors usw. trifft das zu Fig. 9 Gesagte zu. Bei dem Gepäckmotordreirad (Fig. 28) der Brennabor-Fahrradwerke Gebr. Reichstein in Brandenburg a. H. wird die Kraft des Motors durch Ketten auf eine Vorgelegewelle übertragen. Das Vorgelege, das gleichzeitig die Reibungskupplung in sich schliesst, ist so angebracht und konstruiert, dass der Fahrer, wenn die Kupplung durch den rechts vom Sattel angebrachten Ausrückhebel ausgeschaltet ist, durch das übliche Antreten den Motor mit Leichtigkeit in Gang setzt, ohne das Fahrzeug mit zu bewegen. Anfahren erfolgt erst, wenn die Treibachse mittels des erwähnten Hebels mit dem Motor gekuppelt wird. Auch hier ist besonderer Wert auf schnelles Anhalten gelegt; es sind deshalb zwei unabhängig voneinander wirkende Bremsen vorgesehen. Für schwere Lasten – bis 150 kg ausser dem Fahrer – baut die Cyklon-Maschinenfabrik m. b. H. das Fahrzeug Fig. 29. Es ist nach Art der „Cyklonette“ Fig. 24 gebaut und besitzt einen 2½ PS.-Motor mit Leerlauf und zwei Uebersetzungen 1 : 6 und 1 : 12, durch welche es Steigungen bis zu 10 v. H. bewältigt. Inder Ebene legt es 20 km i. d. Stunde zurück, wobei sich der Benzinverbrauch für das Kilometer auf etwa 1½ Pfg. beläuft. (Fortsetzung folgt.)