Titel: | Der heutige Stand der Motorfahrräder. |
Fundstelle: | Band 320, Jahrgang 1905, S. 329 |
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Der heutige Stand der Motorfahrräder.
(Fortsetzung von S. 316 d. Bd.)
Der heutige Stand der Motorfahrräder.
Textabbildung Bd. 320, S. 329
Fig. 43. Motor der Wanderer Fahrradwerke vormals Wicklhofer &
Jänicke.
Während bei den vorbesprochenen Motoren die Ventile aus den dort angeführten Gründen
übereinander angeordnet sind, liegen dieselben bei
dem 3 PSe-Motor der Wanderer-Fahrradwerke vorm. Winklhofer & Jänicke in Schönau bei Chemnitz nebeneinander, und sind, wie Fig. 43 zeigt, durch Abnehmen der Verschlusschrauben
71 und 72 leichter
zugänglich als erstere. Das Ansaugventil ist ebenso wie das Auspuffventil gesteuert.
Mit Beginn der Ansaugperiode drückt der Nocken des Ansaugventilsteuerrades 28, welches seine Drehbewegung von der Motorwelle aus
durch die Zahnräder 26 und 27 erhält, den Gleitschuh 22 und damit das
Ansaugventil 18 in die Höhe und hält es so lange offen,
bis der Kolben seinen tiefsten Stand erreicht hat. In diesem Augenblick gleitet der
Hebenocken unter den Gleitschuh 22 hinweg, und das
Ansaugventil wird durch den Druck der Feder 24 schnell
geschlossen. Der Kolben geht jetzt aufwärts, komprimiert das angesaugte Gemisch, das
im gegebenen Augenblick explodiert, wobei der Kolben zum zweitenmale abwärts geht.
Ist er jetzt wiederum an seinem tiefsten Stand angekommen, so öffnet der Nocken des
Auspuffventilsteuerrades 27 das Auspuffventil 36. Das Heben des Gleitschuhes 40 sowie des Auspuffventils 36 erfolgt in
gleicher Weise, wie beim Ansaugventil erwähnt.
Beide Ventile werden in Hülsen 19 und 37 geführt, welche in die Ansaug- und Auspuffkammer
eingeschraubt sind. Durch je eine Spiralfeder 24 und
44 werden die Ventile auf ihren Sitz gedrückt. Die
Führungshülsen tragen an ihrer unteren einen tellerförmigen Ansatz, welcher die
oberen Enden der Federn aufnimmt, während deren untere Enden auf den über die
Ventile geschobenen Scheiben 20 und 38 mit Ansätzen auf beiden Seiten ruhen. Unter diesen
Scheiben haben die Ventile einen Schlitz, in welchem die Splinte 21 und 39 eingeschoben
sind und den Gegendruck der Federn begrenzen.
Die quadratischen Gleitschuhe 22 und 40 von grossem Querschnitt haben in langen Kastenlagen
sichere Führung, und sind an ihren unteren Enden mit Rollen versehen, unter welchen
die Nocken der Steuerräder hinweglaufen.
Wie schon angedeutet, erhalten die Ventilsteuerräder ihre genau begrenzte
Umdrehungsgeschwindigkeit von der Motorachse aus. Rechts auf letzterer ist das
Zahnrädchen 26 durch Keil und Mutter 25 befestigt. Dasselbe greift in das Steuerzahnrad 27 von doppeltem Durchmesser und gibt diesem durch zwei eigene Umdrehungen eine Umdrehung. Das Steuerrad 27 greift
anderseits in das Steuerrad 28 von gleicher Grösse,
wodurch dieses die gleiche Drehgeschwindigkeit als ersteres erhält, so dass die an
diesen Zahnrädern befindlichen Nocken ihre Ventile je nach zwei Umdrehungen der
Schwungräder resp. je nach vier Bewegungen des Kolbens einmal heben. Der Nocken des
Ansaugventilsteuerrades ist gegen den des Auspuffventilsteuerrades um ¾ versetzt,
woraus sich ergibt, dass ersterer während der ersten, letzterer während der vierten
Bewegung des Kolbens seine Hebetätigkeit ausübt. Im Eingriff mit dem Zahnrad 28 steht das Zwischenzahnrad 29, welches im weiteren die Drehbewegung auf das Ankerzahnrad 30 des Zündapparates überträgt und diesem nach je zwei
Umdrehungen der Motorachse ebenfalls eine Umdrehung gibt. Das Ankerzahnrad ist auf
dem konischen Zapfen seiner Achse mittels Keil und Mutter 31 befestigt, während die Zahnräder 27, 28
und 29 auf gehärtete Stahlachsen gepresst sind, welche
einerseits im Motorgehäuse, anderseits in ihrem Verschlussdeckel 32 in Bronzebüchsen laufen. Um den beim Niedergehen des
Kolbens entstehenden Gegendruck auszugleichen, ist hinter dem Zylinder auf dem
Motorgehäuse der Druckausgleicher 52 vorgesehen. Ein
ähnliches kleines Ventil 35 befindet sich auf dem
Gehäuse für die Zahnräder 26–30.
Textabbildung Bd. 320, S. 330
Motor der Adler-Fahrrad-Werke vorm. H. Kleyer.
Der magnet-elektrische Zündapparat ist hinten am Motor mittels vier Schrauben 63 und 64 befestigt. Der
Antrieb des Ankers und der Unterbrechervorrichtung erfolgt, wie oben erwähnt, durch
das Zwischenrad 29 im Anschluss an die
Ventilsteuerräder und das Zahnrad auf der Motorwelle. Die gesamte Räderübertragung
ist durch den Kasten 32 staub- und öldicht
verschlossen. Zur Befestigung desselben dienen die Schrauben 33 und 34.
Die Veränderung des Zündzeitpunktes erfolgt durch einen innen am linken
Lenkstangengriff angeordneten Hebel (Fig. 13),
mittels dem die Unterbrecherführung am Zündapparat um etwa 30° drehbar verstellt
werden kann.
Zum Aufheben der Kompression beim Anfahren dient der Hebel 86, Letzterer ist links neben dem Gleitschuhkasten in der Ansatzschraube
87 drehbar gelagert und hat in einer schrägen
Einfräsung des Gleitschuhes seine Führung.
Die Schmierung des Motors ist schon bei Fig. 33
gezeigt.
Bei dem 2½ PS-Motor der Adler-Fahrradwerke vorm. H.
Kleyer in Frankfurt a. M. ist die Ventilsteuerung eine abweichende. Während
diese bei ersteren Motoren durch mit Nocken versehene Rädchen erfolgt, geschieht sie
hier mittels Daumenwelle c (Fig. 44 und 45), wobei
der Daumen e das Ansaugventil a, der Daumen d dagegen das Auspuffventil b betätigt. Da sich die Steuerwelle c, ebenso wie bei den vorbesprochenen Motoren das
Steuerrädchen nur halb so schnell als die Motorwelle i
(Fig.
44), von welcher sie angetrieben wird, drehen darf, ist ein
Zahnradvorgelege f, g, h vorgesehen. Den Kontaktapparat
(Unterbrecher) betätigt ebenfalls die Steuerwelle c und
zwar durch einen an ihrem äusseren linken Ende angebrachten Nocken m (Fig. 45 und 46), auf
dem mit einer Nase der eine Schenkel des Kontaktwinkelhebels r schleift, während der andere Schenkel die untere Kontaktschraube n trägt. Dieser genau gegenüber steht die zweite
Schraube o, die wie die erste mit Platin armiert ist;
Kontaktschraube o ist gegen die untere n durch Platte p isoliert.
Wird jetzt die Stromquelle derartig mit dem Kontaktapparat verbunden, dass der eine
Pol mit der Klemmschraube q (s. auch Fig. 47), der andere
aber mit dem Winkelhebel r, in Verbindung steht, so
wird jedesmal der Strom dann geschlossen, wenn die Ausfräsung in der Nockenscheibe
m dem Winkelhebel r
gestattet, so weit herunterzufallen, dass die Schrauben n und o einander berühren. Dieses geschieht,
wie erwähnt, nach jeder zweiten Umdrehung der Schwungradachse, wobei der Funke am
Zünder überspringt.
Textabbildung Bd. 320, S. 330
Kontaktgehäuse zum Adler-Motor.
Zur Regulierung der Gemischzufuhr ist in der Saugleitung eine Drosselklappe
angebracht. Der Vergaser bietet nichts Neues, es ist der bekannte
Spritzvergaser.
Fig. 48 stellt das neueste Modell des Zedel-Motors dar, den u.a. auch die Corona-Fahrradwerke und Metallindustrie A.-G. in
Brandenburg a. H., wie Fig. 11 zeigt, einbauen. Die
Anordnung und der Antrieb des Zündapparates sind hier ganz neu. Letzterer erfolgt
durch ein auf der Schwungradachse J sitzendes Kegelrad,
welches das auf der Achse M sitzende Kegelrad L antreibt. Die Achse M
ist an ihrem oberen Ende mit einem flachen Einschnitt versehen, in dem die
Uebertragungswelle D gelenkig eingepasst ist und ihre
Umdrehungen auf den senkrecht über dem Motor sitzenden Zündapparat ebenfalls mittels
Kammräder überträgt (Fig. 49). Wie schon bei der
Besprechung des Fahrzeuges (Fig. 11) erwähnt ist,
ragt der Magnetapparat in eine Aussparung des Benzinbehälters hinein. Zum Oeffnen
der Ventile sitzen auf der oberen des Kegelrades L zwei
Nocken K, welche unter Vermittlung der Stahlrollen N und der Führungsstifte P
und
O, die ihrerseits in Stahlbüchsen geführt werden,
die Ventile F und G
anheben. Hierbei wird das Auspuffventil G um 5 mm, das
Ansaugventil F, da Stift O
entsprechend kürzer als Stift P ist, um 2½–3 mm
geöffnet.
Textabbildung Bd. 320, S. 331
Fig. 48. Zedel-Motor zum Motorzweirad Fig. 11, S. 264.
Textabbildung Bd. 320, S. 331
Fig. 49. Anordnung des magnet-elektrischen Zündapparates am
Zedel-Motor.
Die Figur zeigt den Nocken K in der Stellung, wo er
mittels Rolle N und Stange P das Auspuffventil G öffnet. Die Rolle N des Ansaugventils F ist
dabei von ihren Nocken abgeglitten, und das Ventil durch Federdruck auf seinen Sitz
gepresst. Dieses Ventil öffnet sich vollständig beim Abwärtsgehen des Kolbens, um
sich erst dann wieder zu schliessen, wenn der Kolben in seiner untersten Stellung
angelangt ist, wobei der Kolben, wie bei allen Motoren mit gesteuertem
Ansaugeventil, auf seinen ganzen Weg Gemisch ansaugt, was beim atmosphärischen
Ansaugeventil nicht der Fall ist.
Textabbildung Bd. 320, S. 331
Fig. 50. Zedel-Vergaser.
Der Vergaser (Patent Zedel) besteht aus dem
Schwimmergehäuse a (Fig.
50), in welches durch Rohr b das vom Siebe
c gereinigte Benzin einfliesst. Dasselbe tritt von
da in bekannter Weise durch die Oeffnung e in das
Spritzrohr f, welches in den eigentlichen
Vergasungsraum mündet. Der Schwimmer g wird auch hier
von dem einströmenden Benzin so weit gehoben, dass er mittels Stiftes h die Oeffnung n
schliesst, sobald genügend Benzin zugeflossen ist. Zur richtigen Mischung des Gases
befinden sich am Vergaser kleine Luftlöcher, die mittels Federband mehr oder weniger
geöffnet werden können. Das Verbindungsrohr k zwischen
Vergaser und Motor ist mit der Drosselklappe l
versehen, die durch Hebel w betätigt wird. Für etwaige Verstopfungen des
Spritzrohres ist hier ein mit Nadel p versehener
Ventilstift o angebracht, der, sobald auf ihn gedrückt
wird, die Oeffnung des Spritzrohres reinigt.
Um zu vermeiden, dass überhaupt Unreinigkeiten in das Spritzrohr gelangen, ordnen die
Phänomen Fahrradwerke, Gustav Hiller in Zittau
zwischen Benzinbehälter und Vergaser einen Filtrierapparat an.
Textabbildung Bd. 320, S. 331
Fig. 51. Progress-Motor.
Im Gegensatz zu diesen Motoren besitzt der Progress-Motor (Fig. 51) magnet-elektrische Zündung mit Abreissvorrichtung. Letztere besteht aus dem
Zündhammer a, dem Zündstift b mit Kontaktklemme b1 und dem Zündflansch
c. Die Funkenbildung erfolgt durch den
Magnetinduktor d, dessen Anker l von der Motorwelle h mittels dreier
Zahnrädchen e, f, g angetrieben wird. Das Rädchen e sitzt auf der Motorwelle, während das Rädchen g mit dem Anker des Magnetinduktors verbunden ist. Das
Zwischenrad f trägt den Steuerungsnocken i, der bei jeder zweiten Umdrehung der Motorwelle
mittels des Hebels k das Auspuffventil m öffnet. Das Ansaugventil arbeitet selbsttätig.
Das Abreissen des Funkens geschieht nicht mehr durch ein aussenliegendes Gestänge (D.
p. J. 1903, Bd. 318, S. 634, Fig. 53 und 54), sondern
durch den Kolben selbst, der, sobald er seinen höchsten Stand erreicht hat, mit
seinem Ansatz o den Zündhammer a vom Zündstift b abschlägt, wobei der Funke
überspringt. Dieser 3 PS-Motor besitzt aussenliegendes Schwungrad, wobei das
Kurbelgehäuse kleinere Abmessungen erhält, und dabei ein grösseres Schwungrad in
Anwendung kommen kann. Bei den stärkeren Motoren (von 3½ PS an) wird jedoch das
Schwungrad im Gehäuse untergebracht.
Der Oberflächenvergaser ist derselbe geblieben, der schon in D. p. J. 1903, Bd. 318, S. 622, Fig. 52,
besprochen ist.
Fig. 52 zeigt den bei den Fahrzeugen (Fig. 24 und 29) zur
Anwendung kommenden Cyklon-Motor. Wie schon bei den
Fahrzeugen erwähnt, hat derselbe zwei aussenliegende Schwungräder aa1, die auf der aus
einem Stück geschmiedeten Kurbelwelle b1 sitzen. Das Ansaugventil wirkt selbsttätig,
während das Auspuffventil von der Kurbelwelle aus mittels den Zahnrädern 1 und 2 gesteuert wird,
wobei das kleine 1 auf der Kurbelwelle, das doppelt so
grosse dagegen auf der mit Nocken 3 versehenen
Steuerwelle 4 sitzt.
Der Oberflächenvergaser (D. R. P. 132148) ist mittels Knierohr x und Gummischlauch mit dem Motor verbunden. Der
eigentliche Vergaser besteht aus dem Benzinraum b, dem
Gasraum c und dem Mischungsraum d; erstere sind durch die Gazewand e
voneinander getrennt. In den Zerstäubungsraum ragt ein verstellbares Rohr d1 hinein. Da nun
bekanntlich Benzin schon bei gewöhnlicher Lufttemperatur verdunstet, so füllt sich
der Raum c über dem Benzin mit Gasen an, wodurch der
Motor beim Anlassen sofort fertiges Gemisch hat, was beim Einspritzvergaser nicht
immer der Fall sein dürfte. Saugt jetzt der Motor Gemisch an, so wird durch den im
Gasraum entstehenden Unterdruck warme Luft durch den Fangtrichter q am Motorkopf angesogen und strömt durch das
Regulierungsrohr f und durch das Benzin, wo sie sich
mit demselben sättigt. Dieses Gemisch gelangt nun in den Gasraum c, wo noch eine innigere Mischung mit den Benzindämpfen
stattfindet. Hierdurch ist es möglich, auch spezifisch schwereres Benzin zu
verwenden. Aus dem Gasraum tritt dieses Gemisch nun durch das Leitungsrohr x in den Motor, muss jedoch vorher die Kapsel g mit Gazesicherung, die Gas- und Luftmischungskammer
g1
nebst dem Drosselhahn z passieren.
Textabbildung Bd. 320, S. 332
Fig. 52. Cyclon-Motor zu den Dreirädern Fig. 24 und 29, S. 297 und 300.
Der Vergaser ist durch das Druckrohr k mit dem Reservebenzinbehälter l verbunden,
aus dem durch Einpressen von Luft mittels der auf dem Gewindezapfen m aufgeschraubten Luftpumpe Benzin in den Vergaser gedrückt wird.
Der zweite Behälter enthält die Oelkanne n; zwei
Trockenelemente o und den Induktor p. Letzterer, eine Induktionsspule mit Hammer, ist so
konstruiert, dass er bei zwei Volt schon ausreichend heisse Funken gibt. Die
Elemente reichen etwa für 2000 km Fahrt aus. Der Unterbrecher, dessen Nocken
5 ebenfalls auf der Steuerwelle befestigt ist,
liefert einen längeren Stromschluss und daher eine Reihe von Funken an der
Zündkerze, so dass Fehlzündungen ausgeschlossen sind.
(Fortsetzung folgt.)