Titel: Das Eisenbahn- und Verkehrswesen auf der Weltausstellung in St. Louis 1904.
Autor: M. Buhle, W. Pfitzner
Fundstelle: Band 320, Jahrgang 1905, S. 529
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Das Eisenbahn- und Verkehrswesen auf der Weltausstellung in St. Louis 1904. Von Professor M. Buhle und Dipl.-Ing. W. Pfitzner, Dresden. (Fortsetzung von S. 517 d. Bd.) Das Eisenbahn- und Verkehrswesen auf der Weltausstellung in St. Louis 1904. Pullman-Wagen. Mit der grössten Anzahl von Wagen waren die bekannten Pullman-Werke vertreten; zwei Züge von je fünf Wagen waren zur Schau gebracht, ein „Limited Train“, der unseren Luxuszügen entsprechen würde, und ein Personenzug gewöhnlicher Zusammensetzung. Sämtliche Wagen hatten zur Erinnerung an den Ankauf Louisianas historische Namen aus jener Zeit bekommen. (Bekanntlich erhält überhaupt jeder Pullman-Wagen einen Namen.) So setzten sich die beiden Züge aus folgenden Wagen zusammen: 1. Gepäck- und Rauchwagen „Jefferson“, 2. Speisewagen „Monroe“, 3. Schlafwagen „Livingston“, 4. Salonwagen „Napoleon“, 5. Aussichtswagen „Louisiana“. Der andere Zug enthielt: 1. Personenwagen „1803“, 2. Chaircar „1903“, 3. Speisewagen „Centennial“, 4. Auswanderer-Schlafwagen „Mississippi“, 5. Privatwagen „President“. Die Bauart der Pullman-Wagen wird in Amerika überall als sehr kräftig und widerstandsfähig anerkannt. Vor allen Dingen ist, wie schon erwähnt, auf möglichste Verstärkung der Stirnwände gesehen, um das Ineinanderschieben der Wagen bei Zusammenstössen zu erschweren. Die unseren Pufferbohlen entsprechenden Balken sind aus Eisen hergestellt und mit reichlichen Eckversteifungen und Eisenverbindungen an den nur aus Balkenwerk bestehenden Hauptlängsträgern des Wagens angeschlossen. Bei den grossen Längen der Wagenkästen sind einfache I-Träger mit Verspannung wie bei unseren Drehgestellwagen nicht gut ausführbar; das Tragwerk besteht vielmehr stets in einer fachwerkartigen Holzkonstruktion, welche die ganze Höhe vom Boden bis zu den Fenstern einnimmt und die durch einen sehr kräftigen Unterzug aus Rundeisen unter dem Wagen verspannt wird. Diese Spannvorrichtung, die in Fig. 91 und 92 ebenfalls zu erkennen ist, wird so kräftig angezogen, dass sich der Wagenkasten meist um mehrere Zentimeter nach oben durchbiegt, so dass es scheint, als ob die Wagen als flache Bogenträger ausgeführt wären. Die Fenster können bei dieser Konstruktion natürlich nicht nach unten heruntergelassen werden; sie lassen sich nur zu einem kleinen Teil öffnen, indem die untere Hälfte nach oben vor die feste obere Hälfte geschoben wird. Die Querträger mit den Drehzapfen für die Drehgestelle, früher ebenfalls aus Holzwerk mit Eisenversteifung bestehend, werden neuerdings bei den Pullman-Wagen durch schwere Stahlgussplatten ersetzt, so dass das Untergestell seitlich sehr an Steifigkeit gewinnt. Die Ausführung der Drehgestelle wie die der Räder, der Bremsen usw. weist gegen früher nichts Neues auf. Die Fussböden der Pullman-Wagen werden ausser dem Holzbelag noch mit einer etwa 12 mm dicken Schicht aus Monolith bedeckt, einer zementartigen Masse, die eine glatte, harte und leicht zu reinigende Oberfläche gibt. In den Salons usw. sind darüber stets noch Teppiche gelegt; die Fussböden der Toiletten, Seitengänge usw. haben meist einen etwa 8 mm dicken Belag aus gemustertem Gummi. Die Wände von Wasch- und Baderäumen sind oft (wie auch neuerdings bei uns) mit Kacheln belegt. Warmes und kaltes Wasser wird allen Wascheinrichtungen durch Luftdruck von Behältern unter den Wagen zugeführt; die Heizung ist bei allen Wagen als selbständige Warmwasserheizung ausgebildet. Die Beleuchtung geschieht durch Elektrizität und Gas (Pintsch). Der Anstrich aller Pullman-Wagen ist dunkel olivgrün, mit einfachen gelblichen Streifen abgesetzt. Ueber die innere Einrichtung der ausgestellten gewöhnlichen Personenwagen „1803“ und „1903“ ist nichts Besonderes zu bemerken, sie entsprechen in ihrem Inneren dem der oben genannten Wagen der American Car and Foundry Co. Der Auswanderer-Schlafwagen, „Tourist sleeper“, auch „Schlafwagen zweiter Klasse“ genannt, entspricht hinsichtlich der Einrichtung und Anordnung der Betten der normalen amerikanischen Ausführung, d.h. alle Betten, je zwei übereinander, sind in zwei Längsreihen im Wagen angeordnet, unmittelbar an dem in der Mitte des Wagens frei bleibenden Mittelgang, gegen den sie nur durch Vorhänge abgeschlossen sind. Auf diese Weise lassen sich in einem derartigen Wagen 32 sehr bequeme, etwa 1 m breite Betten unterbringen. Tagsüber sind die oberen Betten nach oben geklappt, indem sie gleichzeitig als Behälter für die Kissen, Decken, Zwischenwände und Vorhänge dienen. Das untere Bett wird aus zwei gegenüber liegenden Sitzen hergestellt, die ebenso aufgestellt sind wie die Bänke in Fig. 92. Diese bekannte Einrichtung ist bei den Schlafwagen zweiter Klasse in einfacherer Ausstattung durchgeführt. Die Sitze der Bänke sind nur mit Rohrgeflecht überzogen; das Holzwerk ist glatt und ohne die üblichen Verzierungen gehalten. Ebenso sind die Waschräume an beiden Enden des Wagens einfach, aber doch reichlich; der Warmwasserheizofen im Waschraum für Frauen ist mit Vorrichtungen zum Wärmen von Speisen versehen; ferner befindet sich dort eine Aufwascheinrichtung, in der die Auswanderer ihr mitgebrachtes Geschirr reinigen können. Die Einführung dieser Wagen, die ebenso bequem und geräumig und bei grosser Hitze vielleicht noch angenehmer sind als die heissen und dumpfen Schlafwagen erster Klasse, wird überall sehr anerkannt; die Wagen sind auch meist gut besetzt, da der Fahrpreiszuschlag gering ist. Die Wagen verkehren auf den langen Linien von Chicago, St. Louis usw. nach dem Westen. Die übrigen Wagen der Pullman-Ausstellung waren sämtlich Luxuswagen. In bezug auf Ausstattung und Eleganz können sie als Muster angesehen werden; die Durchbildung und Anordnung der Einrichtung erzielte eher den Eindruck von kleinen Gesellschafts- und Restaurationsräumen, als den des engen und gedrückten Eisenbahnwagens. Grösser Wert war auf einheitliche Ausstattung der einzelnen Wagen gelegt; jeder war in einem bestimmten Stil gehalten, so dass die Pullman-Ausstellung fast einer Ausstellung moderner Zimmereinrichtungen glich. Das grösste Interesse bot natürlich der „Limited train“, da Züge dieser Art dem grossen Publikum, nicht nur wie die Privatwagen, einzelnen Leuten zugänglich sind. Allerdings wird für diese Züge ein besonderer Zuschlag erhoben. Der erste Wagen dieses Zuges, der Gepäck- und Rauch wagen „Jefferson“ enthält ausser dem Gepäckraum ein Rauchzimmer mit zwölf Einzelsesseln und einem Sopha in Lederausstattung; daneben liegt ein Büffet, dann ein Barbierzimmer mit anschliessendem Baderaum und ein Warteraum für zehn Personen. Ausgeführt ist eine Anlehnung an den modernen deutschen Stil; alles Holzwerk ist in dunkelbrauner Färbung gehalten, mit flach geschnitzten einfachen Verzierungen. Die Farbe der Decken ist mattoliv, ebenso wie die der Vorhänge und Polsterung. Alle Beleuchtungskörper sind dem Stil genau angepasst, sie sind an den Seiten wänden des Wagens angebracht; die üblichen Deckenlampen sind vollständig vermieden. Der Speisewagen „Monroe“ ist in flämischem Stil gehalten. Die braun gebeizte Eichenholztäfelung zieht sich bis zu den Decken hinauf in den Oberlichtaufbau, der hier rechteckig gehalten ist und infolge seiner grossen Breite den ganzen Raum scheinbar sehr vergrössert. Die freien Deckenfelder sind dunkelorange gefärbt. Die breiten, oben halbelliptisch begrenzten Fenster sind etwas höher als gewöhnlich gesetzt, so dass zwischen ihrer Unterkante und der anstehenden Tischfläche ein Streifen bleibt, der zu einer nischenartigen Ausbildung der Wagenwand benutzt worden ist, wo kleinere Flaschen, Gläser usw. Platz finden können. Die Tische selbst, nach dem Mittelgang zu etwas abgerundet, sind sämtlich nur für je zwei Reisende berechnet. Auch hier sind die Beleuchtungskörper besonders ausgebildet; ausser einer Reihe von flachen Deckenlampen sind an den Seitenwänden zwischen den Fenstern Laternen angebracht, und über jedem Tisch befindet sich eine Glühlampe an einem aus der Wand heraustretenden Kandelaber. Alle metallischen Teile sind in mattschwarz ausgeführt. Die Einrichtung des Schlafwagens „Livingston“ ist konstruktiv dieselbe wie in dem oben beschriebenen Schlafwagen; in dem Hauptraum befinden sich zwölf Abteile (sections) mit je zwei übereinander liegenden Betten; ausserdem sind noch zwei abgeschlossene kleinere Räume vorhanden, ein „Drawing room“ mit vier Betten und ein „State room“ mit zwei Betten, die gegen einen besonderen und zwar verhältnismässig hohen Zuschlag zugänglich sind. Die Wände des Wagens sind mit eingelegter Holzarbeit bedeckt, die Decken im Grundton mattgrün, die Verzierungen elfenbeinweiss. Auch die Waschräume und Toiletten sind ausserordentlich luxuriös ausgestattet. Die elektrische Beleuchtung ist reichlich; ausser den grossen Beleuchtungskörpern im Mittelgang an der Decke ist über jeder Bank in der Fensterecke eine Leselampe angebracht, die namentlich beim Schlafengehen recht angenehm ist, da sie das bei geschlossenen Vorhängen sonst recht dunkle Abteil erhellt. Diese Lampen sind in die Wagenwand eingelassen und mit Verschlusschieber versehen, so dass keine hervorspringenden Teile vorhanden sind und die Lampe selbst gut geschützt ist. Beim Oeffnen des Schiebers wird die Lampe selbsttätig eingeschaltet. Der Salonwagen (Parlor car) „Napoleon“ fiel vor allem durch seine reichliche Beleuchtung auf, die in grossen, besonders entworfenen Beleuchtungskörpern im Lichtaufbau und in zwei Reihen ähnlich geformter kleinerer Lampen an den Hauptlängsträgern der Decke besteht. Im Hauptraum befinden sich wie üblich zwei Reihen von Drehsesseln; ausserdem ist ein kleinerer abgeschlossener Salon vorhanden. Die Toiletteräume sind mit Kacheln belegt. In dem Aussichtswagen „Louisiana“ befinden sich ausser dem an die hintere Plattform grenzenden Salon eine Reihe Abteile, wie in den europäischen Schlafwagen, mit der gewöhnlichen Schlafeinrichtung und anstossenden Toiletteräumen (observation-compartment car). Auf die Ausstattung dieser Abteile ist, da sie die vornehmsten des ganzen Zuges darstellen, ganz besonderer Wert gelegt. Jedes ist in einem besonderen Farbenton gehalten; es ist nur kostbarstes Holz zur Täfelung verwendet; jede Platte ist besonders nach Maserung und Färbung ausgesucht. Die Beleuchtung geschieht durch Wandarme über den Eingangstüren. Der Aussichtssalon ist ebenfalls mit kostbarer Holzverkleidung ausgestattet, unter der flach ausgebildeten Decke ist reiches Schnitzwerk angebracht. Die Beleuchtungskörper treten als blumenähnliche Gebilde aus der Wand heraus. Die 3 m breite und 1,80 m lange Aussichtsplattform ist zum Teil in den Wagen hineingebaut (vergl. auch Fig. 95); an den freien Seiten ist sie mit einem verzierten Geländer aus Messing umgeben. An das innere Ende des Salons schliesst sich ein Raum an, in dem Schreibtisch, Bibliothek und eine Schreibmaschine aufgestellt ist, die mit Bedienung den Reisenden unentgeltlich zur Verfügung steht. Der Speisewagen des zweiten Pullman-Zuges „Centennial“, (Café smoking car), entspricht fast genau den bei uns üblichen Speisewagen; er enthält neben der Küche und dem Anrichteraum zunächst einen Speiseraum, und daneben eine Rauchabteilung (in Lederausstattung), in der sich auch ein Schreibtisch befindet. Die Ausbildung der glatt gehaltenen Wände, wie die Form des Oberlichtaufbaues, ebenso die ungewöhnlich breiten Flächen zwischen den Fenstern geben dem Innern des Speiseraumes vollständig das Aussehen eines modernen, anheimelnden kleinen Speisezimmers. Der Privatwagen „President“ enthält drei kleine Zimmer mit Schlafeinrichtung, Kleiderschrank und anschliessendem Toiletteraum, einen grösseren Speiseraum und einen Salon, der auf die als Aussichtsraum ausgebildete hintere Plattform des Wagens führt. An Nebenräumen sind vorhanden: Baderaum, Küche, Anrichteraum und Dienerraum mit Schlafeinrichtung. Die Ausstattung der Luxusräume im Stil Louis XIV. ist natürlich hervorragend prächtig und kostbar. Ein Privatwagen sei noch besonders vorgeführt, der von der Firma F. M. Hicks & Co., Chicago III, ausgestellt war. Von diesem Wagen ist in Fig. 95 ein Grundriss wiedergegeben, aus dem die Verteilung der einzelnen Räume zu ersehen ist, die ungefähr der des oben genannten Pullman-Privatwagens entspricht. Die Privaträume liegen inmitten des Wagens zu beiden Seiten eines Bade- und Toilettenraumes. Der eine (links) enthält ein nach Art der Pullman-Konstruktion ausgeführtes oberes und unteres Bett; in dem grösseren (rechts) ist eine grössere normale Bettstelle aufgestellt, ausserdem befinden sich in beiden Kleiderschränke. Am vorderen Ende des Wagens sind alle Nebenräume untergebracht: eine Küche, ein kleiner Schlafraum mit Doppelbett und ein Toiletteraum; ebenso befindet sich vorn der Warmwasserofen und in dem geschlossenen Vestibüle der Eisschrank. Zwischen diesen beiden Gruppen von kleineren Räumen befindet sich der Speiseraum, mit ausziehbarem Tisch, grossem Sopha und einigen Schränken, und am hinteren Ende des Wagens liegt der Salon, der mit der Platform den Aussichtsraum bildet. Die Platform ist in den Wagen hinein erweitert und mit dem üblichen Messinggeländer umgeben; in dem Dach ist eine grosse halbkugelige Kuppel für die Beleuchtungskörper eingebaut. Der Salon ist gegen die Platform durch besonders grosse Fenster abgeschlossen (Fig. 96). Die Ausstattung der einzelnen Räume ist ebenso wie bei den Pullman-Wagen sehr luxuriös (siehe auch Fig. 97); die Beleuchtung geschieht ebenfalls durch Elektrizität, im Bedarfsfälle durch Pintsch-Gas. Der Wagen läuft auf zwei dreiachsigen Drehgestellen; seine äussere Erscheinung ist die gleiche wie bei den Pullman-Wagen. Er ist als Direktionswagen für den eigenen Gebrauch einer Bahn bestimmt. Textabbildung Bd. 320, S. 531 Fig. 95. Grundriss des „Private car“ von Hicks. Textabbildung Bd. 320, S. 531 Fig. 96. Aussichtsraum im „Private car“ von Hicks. Personenwagen mit Seiteneingang der Wabash R. R. Abweichend von dem bisher ausschliesslich gebrauchten System der Durchgangswagen hat man neuerdings auf Vorortstrecken Wagen mit seitlichen Türen eingeführt, ähnlich den in Europa gebräuchlichen, die ein schnelleres Ein- und Aussteigen gestatten als die lediglich mit Türen an den Stirnwänden ausgerüsteten Wagen. Der „Shuttle train Service“ der Wabash Railroad, der, wie schon auf S. 242 d. B. erwähnt, den Stadtverkehr von dem Hauptbahnhof in St. Louis nach der Ausstellung vermittelte, geschah durch mit seitlichen Eingängen versehene Wagen, die von der Bahngesellschaft besonders für diesen Zweck erbaut waren. Sie sind in den Werken der American Car & Foundry Co. zu Detroit erbaut worden, und zwar als normale Güterwagen, die nur für die Zeit der Ausstellung als Personenwagen hergerichtet waren. Aeusserlich hatten sie daher das plumpe Aussehen der grossen Güterwagen; bei einer Länge von etwa 15 m wiesen sie einen Querschnitt von 2,6 × 2,6 m auf; an jeder waren nur zwölf kleine Fenster (45 × 54 cm), sowie vier Türen angebracht, die als Schiebetüren mit einer gemeinsamen Oeffnungseinrichtung ausgebildet waren, ähnlich der weiter unten beschriebenen der Chicagoer Vorortwagen. Die Sitze im Innern boten Platz für 92 Personen. Es waren Bänke von verschiedener Länge in der Querrichtung des Wagens aufgestellt, ausserdem waren Handriemen zum Festhalten für Stehende reichlich vorgesehen. Die Beleuchtung geschah durch einfache Oellampen.Weiteres über die Wagen siehe Railroad Gazette, 1904, S. 365. Textabbildung Bd. 320, S. 531 Fig. 97. Speiseraum im „Private car“ von Hicks. Vorortwagen der Illinois Central R. R. Diese Bahn hat seit 1903 auf ihren stark benutzten Vorortstrecken um Chicago eine neue Wagenart eingeführt die sie auf der Weltausstellung zur Vorführung brachte, einen Personenwagen mit seitlichen Eingängen, jedoch ohne innere Abteile. Der Wagen hat, wie Fig. 98 zeigt, seitlich 12 Türen, ferner an den Enden die gewöhnlichen Eingänge und Uebergangseinrichtungen zur Verbindung mit den Nachbarwagen. Durch diese Zerteilung der Seitenwände ist die übliche Tragkonstruktion natürlich nicht mehr möglich. Es ist deshalb der Unterrahmen als alleiniger Träger ausgebildet worden; er besteht aus einer Profileisenkonstruktion, die durch vier Spannvorrichtungen versteift wird. Textabbildung Bd. 320, S. 532 Fig. 98. Vorortwagen der Illinois Central R. R. Textabbildung Bd. 320, S. 532 Fig. 99 und 100. Eisenkonstruktion des Wagens Fig. 98. Die durchaus metallische Ausführung gibt dem Ganzen natürlich eine grosse (in Amerika sonst vielfach nicht bekannte) Festigkeit und nebenbei auch Feuersicherheit. Auch der Wagenkasten selbst ist auf ein Eisengerippe aufgebaut, das, wie Fig. 99 zeigt, an den Wagenenden durch Diagonalen und grosse Eckbleche versteift ist. Die langen Seitenwände sind der Schiebetüren wegen doppelt ausgeführt (Fig. 100). Die Wandfüllungen bestehen aus hartem Holz, das ohne Schrauben in den ∪-Eisen nur durch geringes Ueberkanten des etwas geschlitzten Flansches festgehalten wird. Als Fussboden ist über dem Unterrahmen zunächst ein Eisenblechbelag, dann eine 6 mm dicke Asbestschicht und schliesslich eine 18 mm starke parkettähnliche Holzbelegung ausgeführt. Drehgestelle und Kupplungseinrichtungen sind die gewöhnlichen. Das Gewicht dieser neuen Wagen ist nach den Angaben der Bahn um 3–4 t geringer als bei gleich grossen Wagen in Holzkonstruktion, es beträgt 38,4 t. Die Verwendung von Schiebetüren an Stelle der in Europa üblichen Schwingtüren erfolgte aus mehreren Gründen. Einmal war es die grössere Gefahrlosigkeit für die Reisenden, dann aber vor allem die Möglichkeit, alle Türen einer Wagenseite gemeinsam öffnen und schliessen zu können, wodurch eine grössere Geschwindigkeit in der Abfertigung der Züge zweifellos erzielt wird. In allen Vorortwagen in Amerika ist je ein Schaffner aufgestellt, der nur das Ein- und Aussteigen der Reisenden zu regeln und für die Schliessung der Türen zu sorgen hat. Bei gewöhnlichen Durchgangswagen steht er auf der Platform und bedient die beiden hier vorgesehenen Eingangstüren; in den neuen Wagen der Illinois Central R. R. öffnet und schliesst er sämtliche Türen von dem einen Wagenende aus mit einer Druckluftvorrichtung oder (wenn kein Luftdruck vorhanden ist) mit Handrad und Spindel. Die Einrichtung ist so getroffen, dass während der Fahrt alle Türen verriegelt sind. Nach dem Halten des Zuges gibt der Schaffner die Verriegelung an der des Bahnsteiges frei, und die Reisenden können jede Tür einzeln nach Bedarf öffnen. Das Schliessen aller offenen Türen geschieht gemeinsam, erst schnell, gegen Ende der Bewegung langsamer, um Einklemmungen zu vermeiden. Ein elektrischer Wecker ist angebracht, der beim Schliessen solange ertönt, bis alle Türen wirklich geschlossen sind. Konstruktiv ist dieser Vorgang sehr einfach verwirklicht. Die Schiebetüren laufen oben in Rollen; über ihnen liegt in der ganzen Länge des Wagens eine Zugstange mit Mitnehmernasen, die gegen passende Anschläge an den Türen stossen und sie in einer Richtung mitnehmen. Die durchgehende Stange verriegelt also die Türen, indem sie sie in der geschlossenen Stellung festhält. Die Türen werden freigegeben, indem die Stange zurückgeschoben wird, wobei jedoch die Türen zunächst geschlossen bleiben. Die Bewegung der Zugstange geschieht unmittelbar durch den erwähnten Pressluftzylinder (Bremsluft). Diese Anordnung hat vor der versuchsweise auch ausgeführten mit zwangläufiger Oeffnung aller Türen den Vorzug, dass nicht unnötig grosse Oeffnungen im Wagen während der Dauer des Aufenthaltes entstehen, was namentlich im Winter sehr angenehm ist. Die Dichtung gegen Zugluft in den Gleitfugen der Türen geschieht an der vorderen Kante durch eine keilartige Ausbildung der Kanten, hinten durch eine eingelegte dünne Tuchbekleidung, die zugleich das Klappern verhindert. Die Aufstellung der Sitzbänke ist vollständig abweichend von der bei uns bekannten Art. Es ist eine Reihe von viersitzigen Doppelbänken quer in den Wagen gestellt, die an beiden Seiten des Wagens einen Längsgang frei lassen. Textabbildung Bd. 320, S. 533 Fig. 101. Anordnung der Sitze im Wagen Fig. 98. Diese Anordnung besitzt den grossen Vorteil, dass die Verteilung der Reisenden in kürzester Zeit vor sich gehen kann und dass die einmal sitzenden Personen kaum gestört werden. Das Fehlen jeder hohen Zwischenwand erleichtert die Uebersicht über den Wagen und das Aufsuchen leerer Plätze. Die Bänke selbst (Fig. 101) sind nicht gepolstert, sondern in glattem Mahagoniholz ausgeführt; die einzelnen Sitze sind durch niedrige Armlehnen abgetrennt, so dass nie, wie vielfach bei uns, ein Zweifel über die zulässige Personenzahl auf einer Bank entstehen kann. An den Ecken der Rückenlehnen sind je zwei griffartige Aussparungen angebracht, an denen sich stehende Reisende festhalten können. Im ganzen sind in jedem Wagen 100 Sitzplätze vorhanden; in den Gängen können sich ausserdem nach Angabe der Bahn 200 Reisende aufstellen, so dass das Fassungsvermögen eines Wagens 300 Personen betragen würde. Als Beleuchtung ist eine Reihe grosser Pintschgaslampen mitten über den Banklehnen angebracht, die an diesen Stellen 50 cm tiefer als sonst üblich angebracht werden konnten, da sie ja hier den Köpfen der Reisenden nicht im Wege sind. Diese Beleuchtung ist für alle auf den Bänken Sitzenden natürlich die denkbar günstigste. Die Heizung ist als Dampfheizung nach dem System der Safety Car Heating & Lighting Co. (deutsches System) ausgeführt, die Heizrohre liegen unter den Sitzbänken (Fig. 101). Es muss anerkannt werden, dass diese Wagenform den Anforderungen eines starken Vorortverkehrs in weitem Masse entspricht; sie erfreut sich beim Publikum einer grossen Beliebtheit. (Fortsetzung folgt.)