Titel: Kinetik und Kinetostatik des Schubkurbelgetriebes.
Autor: Hermann Meuth
Fundstelle: Band 320, Jahrgang 1905, S. 558
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Kinetik und Kinetostatik des Schubkurbelgetriebes. Von Dr. ing. Hermann Meuth, Karlsruhe. (Fortsetzung von S. 538 d. Bd.) Kinetik und Kinetostatik des Schubkurbelgetriebes. Während der Umdrehung veränderlicher Widerstand im Kurbelkreis. Im nachstehenden werden noch einige Fälle behandelt, in denen der Widerstand während einer Umdrehung nicht konstant ist. Zu diesen gehören die Pumpen für Gase und Flüssigkeiten. Der Verlauf des Widerstandes ist hier in gleicher Weise wie bei der Antriebsmaschine durch ein an der Arbeitsmaschine abgenommenes Indikatordiagramm gegeben. Die im vorhergehenden zugrunde gelegte Einzylinderdampfmaschine möge mit der Pumpe entweder derart gekuppelt sein, dass der Pumpenkolben auf der verlängerten Kolbenstange der Dampfmaschine sitzt oder dass die Pumpe durch ein besonderes Triebwerk von einer Kurbel der gemeinsamen Welle aus angetrieben wird. Ein weiterer Antrieb ist noch durch Zahnräder, Riemen oder Seile möglich. Hierbei bewirken jedoch die Spielräume zwischen den Zähnen, die Elastizität des Riemen- und Seilmaterials und das Rutschen auf den Scheiben, dass die Schwankungen der Geschwindigkeit bei der Antriebsmaschine und bei der Arbeitsmaschine nicht die gleichen sind. Zur Bestimmung der Bewegungsverhältnisse führt man wieder die Tangentialkomponenten im Kurbelkreis der treibenden und widerstehenden Kräfte ein. Ein Uebereinanderlegen der Tangentialdruckdiagramme (Fig. 10 und 13) lässt erkennen, dass sich die Schwankungen des tangentialen Dampfdruckes über den Widerstand des Kompressors gegenüber dem Fall eines konstanten Widerstandes bedeutend vergrössert haben. Durch gegenseitige Verschiebung beider Diagramme lässt sich der Kurbelwinkel feststellen (bei Zwillingsanordnung), bei welchem die Geschwindigkeitsschwankungen ein Minimum werden. Zur Erzielung einer gleichmässigen Wasser- bezw. Luftlieferung muss die Gleichförmigkeit der Drehbewegung durch ein entsprechend schweres Schwungrad gesichert werden. In besonderen Fällen hat das Schwungrad noch eine weitere Aufgabe. Da nämlich bei Pumpen die Leistung eines Hubes konstant ist – für konstante Saug- und Druckhöhe –, so kann eine Vergrösserung oder Verringerung der Gesamtförderleistung nur durch Vermehrung oder Verminderung der in der Zeiteinheit stattfindenden Hübe erzielt werden. So erfordert z.B. die Gebläsemaschine für ein Stahlwerk bei geringem Windbedarf, oder eine Presswasserpumpe, wenn das Akkumulatorgewicht seine höchste Stellung erreicht hat, eine sehr geringe Umdrehungszahl der Maschine; dabei darf dieselbe aber nicht zum Stillstand kommen. Mit Rücksicht darauf ist die Schwungradgrösse so zu bemessen, dass für eine geringste Tourenzahl die Geschwindigkeit im Kurbelkreis über dem Wert 0 bleibt. Radinger weist nach,Radinger, Dampfmaschinen mit hoher Kolbengeschwindigkeit, S. 268. dass die Maschine zum Stillstand kommt, sobald der Ungleichförmigkeitsgrad, definiert durch \delta=\frac{v_{\mbox{max.}}-v_{\mbox{min.}}}{v_m}, den Wert 2 erreicht, sobald also die Schwankungen der Geschwindigkeit über ihren mittleren Wert so gross werden wie dieser selbst. Es tritt dann an einer Stelle die Geschwindigkeit 0 auf. Das würde aber voraussetzen, dass das arithmetische Mittel der Grenzgeschwindigkeiten mit dem mittleren Wert während einer Umdrehung zusammenfällt. Das ist im allgemeinen nicht der Fall.siehe die Geschwindigkeitskurve in Fig. 11. Aus diesem Grunde wird das Steckenbleiben schon bei etwas höherer Tourenzahl stattfinden, als es dem Ungleichförmigkeitsgrad d = 2 entspricht. Mit Hilfe unseres analytischen Ausdruckes für die Winkelgeschwindigkeit können wir leicht die Tourenzahl bestimmen, bei welcher die Geschwindigkeit = 0 wird, bezw. die Grösse des Trägheitsmomentes des Schwungrades angeben, welches eine geforderte geringste Tourenzahl zulässt, ohne dass die Maschine zum Stillstand kommt. Wir untersuchen zunächst einen mit der Einzylinderdampfmaschine direkt gekuppelten Kompressor (Tandemanordnung). Zu diesem Zwecke analysieren wir das in Fig. 13 dargestellte Tangentialdruckdiagramm eines Kompressors und erhalten W = 4200 + 620 cos φ – 3150 cos 2 φ – 620 cos 3 φ     – 1050 cos 4 φ + 140 sin φ – 4200 sin 2 φ     – 840 sin 3 φ + 525 sin 4 φ. Das Moment der äusseren Kräfte in bezug auf das Wellenmittel ist dann Q = r(T – W) – [Gkk' + M3gr (1 – a)] cos φ    = r Tm [– 0,138 cos φ + 0,067 cos 2 φ – 0,146 cos 3 φ – 0,067 cos 4 φ+ 0,09 sin φ + 2,06 sin 2 φ – 0,324 sin 3 φ – 0,218 sin 4 φ] und \int_0^{\varphi}\,Q\,d\,\varphi=r\,T_m\,[1,174-0,138\,\mbox{sin}\,\varphi-0,034\,\mbox{sin}\,2\,\varphi -0,049\mbox{ sin }3\,\varphi-0,016\mbox{ sin }4\,\varphi-0,09\mbox{ cos }\varphi -1,03\mbox{ cos }2\,\varphi+0,108\mbox{ cos }3\,\varphi+0,054\mbox{ cos }4\,\varphi]. Textabbildung Bd. 320, S. 558 Fig. 13. Tangentialdruck-Diagramm eines Kompressors (Der Ordinatenmasstab des Tangentialdruckdiagramms ist doppelt so gross wie im Indikatordiagramm). Wirkliches Diagramm; Analysiertes Diagramm Aus der Energiegleichung folgt: \left(\frac{d\,\varphi}{dt}\right)^2=\left(\frac{d\,\varphi}{dt}\right)_0^2+\frac{2\,t\,T_m}{M\,r^2}\,[1,174-\mbox{(periodische Glieder)}] worin M die auf den Kurbelzapfen reduzierte Masse der nur rotierenden Teile bedeutet; die hin- und hergehenden Massen können in dem vorliegenden Falle vernachlässigt werden. Den konstanten Betrag auf der rechten setzen wir wieder gleich dem Quadrat der mittleren Geschwindigkeit; daher \left(\frac{\pi\cdot n}{30}\right)^2=\left(\frac{d\,\varphi}{dt}\right)_0^2+\frac{2\,r\,T_m}{M\,r^2}\cdot 1,174 Gerade hier erscheint eine genauere Verfolgung der Rechnung nach dem in der Fussnote auf S. 488 skizzierten Verfahren geboten. Die auf obige einfache Weise erhaltenen Ergebnisse zeigen indessen eine befriedigende Uebereinstimmung mit Werten, welche die Nachprüfung ausgeführter Maschinen ergibt. Textabbildung Bd. 320, S. 559 Fig. 14. Indikator-Diagramm eines Kompressors. Deckelseite; Kurbelseite. Das Minimum der Geschwindigkeit fällt hier zusammen mit dem Punkte φ = 0, da sich dort die treibende und widerstehende Kraftkurve schneiden. Die Maschine bleibt stehen bei \left(\frac{d\,\varphi}{dt}\right)_0=0. Man hat daher zur Bestimmung der kleinsten Tourenzahl bezw. des entsprechenden Trägheitsmomentes des Schwungrades die Beziehung \left(\frac{\pi\cdot n}{30}\right)^2=\frac{2\cdot t\,T_m}{M\,r^2}\cdot 1,174 Führen wir noch statt des mittleren Tangentialdruckes die Arbeit in der Umdrehung A = 2 . Tm ein, so erhalten wir n_{\mbox{min.}}\,\leq\,\sqrt{\frac{35\,A}{M\,r^2}} als Tourenzahl, bei welcher die Maschine zum Stillstand kommt bezw. M\,r^2\,\geq\,\frac{35\,A}{n^2_{\mbox{min}}}. als zugehöriges Trägheitsmoment des Schwungrades. Die niedrigste mögliche Tourenzahl wird so bemessen, dass sie sicher unter der im Betriebe vorkommenden liegt. Die zugrunde gelegten Diagramme entsprechen normalen Verhältnissen. Das Ergebnis kann deshalb auch allgemeine Anwendung für Maschinen der bezeichneten Betriebsart finden. Für doppeltwirkende Wasserpumpen erhält man auf gleiche Weise n_{\mbox{min}}\,\geq\,\sqrt{\frac{20\,A}{M\,r^2}} bezw. M\,r^2\,\geq\,\frac{20\,A}{n^2_{\mbox{min.}}} Hierbei ist der Verlauf des tangentialen Pumpen-Widerstandes durch die Reihe ausgedrückt P = Pm (1 +0,15 cos φ – 0,75 cos 2 φ – 0,05 cos 3 φ – 0,15 cos 4 φ – 0,15 cos 5 φ. Werden zwei doppeltwirkende Pumpen in Zwillingsanordnung durch eine Verbundmaschine mit 90° Kurbelversetzung angetrieben – Niederdruckzylinder voreilend –, so erhält man unter der annähernd zutreffenden Voraussetzung, dass auch in diesem Falle die kleinste Geschwindigkeit mit derjenigen im inneren Totpunkt (φ = 0) zusammenfällt, als Wert für die kleinste Tourenzahl n_{\mbox{min.}}\,\leq\,\sqrt{\frac{15\,A}{M\,r^2}} bei Luftpumpen und n_{\mbox{min.}}\,\leq\,\sqrt{\frac{8\,A}{M\,r^2}} bei Wasserpumpen.Es soll z.B. für eine Presswasserpumpe, welche 1 cbm in der Minute auf 50 Atm. zu pressen hat, das Schwungrad für die geringste, im Betriebe vorkommende Tourenzahl von zehn Umdrehungen in der Minute bestimmt werden. Die Anlage besteht aus zwei Differentialpumpen in Zwillingsanordnung, welche von einer Verbunddampfmaschine mit siebzig Umdrehungen in der Minute (normal) angetrieben wird.Die Leistung der Maschine beträgtN=1,1\,\frac{1000\cdot Q\cdot 10\cdot p}{60\cdot 60\cdot 75\cdot \eta}=1,1\,\frac{1000\cdot 60\cdot 10\cdot 50}{60\cdot 60\cdot 75\cdot 0,95}=\infty\,130\,PSDie Arbeit f. d. Umdrehung=\frac{130\cdot 75\cdot 60}{70}=8350\mbox{ mkg}=ADamit die Maschine nicht gerade bei der geringsten Tourenzahl 10 zum Stillstand kommt, werde der Ermittlung des Trägheitsmomentes des Schwungrades der Wert n = 8 zugrunde gelegt.Es wird dannM\,r^2=\frac{8\cdot 8350}{64}=1040..Dem entspricht bei einem Durchmesser des Schwerpunktskreises des Kranzes von 3,5 m ein Kranzgewicht vonG=\frac{1040}{3,06}\cdot 9,81=3330\mbox{ kg.}Interessiert es, die Grösse des Ungleichförmigkeitsgrades zu kennen, welche bei diesem Schwungrad im normalen Betriebe bei siebzig Umdrehungen vorhanden ist, so hat man nach dem üblichen Verfahren die grösste überschiessende Fläche zwischen dem tangentialen Dampf- und Pumpendruck – letzterer ist für den vorliegenden Fall in Fig. 18 der Fortsetzung eingetragen – zu bestimmen und deren Arbeitswert A' festzustellen.Es ist dann\delta=\frac{A'}{M\,r^2\cdot \omega^2}=\frac{900}{1040\cdot 53,3}=\infty\,\frac{1}{62}. (Fortsetzung folgt.)