Titel: Kinetik und Kinetostatik des Schubkurbelgetriebes.
Autor: Hermann Meuth
Fundstelle: Band 320, Jahrgang 1905, S. 566
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Kinetik und Kinetostatik des Schubkurbelgetriebes. Von Dr. ing. Hermann Meuth, Karlsruhe. (Fortsetzung von S. 559 d. Bd.) Kinetik und Kinetostatik des Schubkurbelgetriebes. Weitere Fälle eines variabeln Widerstandes. Der Widerstand, den die Propeller der Schiffsmaschinen im Wasser finden, ist abhängig von der Geschwindigkeit. Die Hydrodynamik ist noch nicht imstande, das genaue Gesetz dieser Abhängigkeit anzugeben; jedoch deckt sich die quadratische Funktion, welche man für die Abhängigkeit des Widerstandes von der Geschwindigkeit annimmt, noch am besten mit der Erfahrung. Man könnte nun zunächst für ein gegebenes Kraftfeld einen vorläufigen Wert der Geschwindigkeit unter Voraussetzung eines konstanten Widerstandes aufsuchen. Einen genaueren Wert der Geschwindigkeit erhält man für einen Widerstand, welcher von der zuerst gefundenen Geschwindigkeit in quadratischem Verhältnis abhängig ist. Mit Hilfe eines solchen alternierenden Verfahrens könnte man dem wirklichen Verlauf der Geschwindigkeit möglichst nahe kommen. Im vorliegenden Falle ist es unerlässlich, die Formänderungsarbeit der elastischen Schraubenwelle in die Energiegleichung einzuführen.s. Frahm, Neue Untersuchungen usw., Z. d. V. d. I. 1902, S. 883. Ein weiterer Fall, wo der Widerstand von der Geschwindigkeit abhängig ist, liegt vor bei Dynamomaschinen. Die Abhängigkeit wird eine sehr verwickelte bei Wechselstrommaschinen, namentlich ohne selbständige Felderregung. Durch grosse Schwungmassen sucht man die periodischen und aperiodischen Schwankungen der Geschwindigkeit möglichst klein zu halten. Bei Riemenübertragung reduzieren sich durch die Elastizität und das Gleiten der Riemen die Geschwindigkeitsschwankungen auf ihrem Wege von der Antriebsmaschine zur Dynamomaschine und umgekehrt beträchtlich. Bei unmittelbarer Kupplung durch eine stark elastische Welle dagegen können die Geschwindigkeitsschwankungen mit der Annäherung an den Resonanzfall, d. i. der Periodengleichheit der Eigenschwingungen der Welle und der Schwankungen der treibenden Kraft, sich bedeutend verstärken, Eine Vergrösserung der Schwungmasse könnte in diesem Falle unter gewissen Umständen sogar nachteilig sein. In ganz analoger Weise kann bei der Parallelschaltung von zwei oder mehreren Wechselstrommaschinen auch die Anwendung noch so grosser Schwungmassen verhindern, dass beträchtliche Geschwindigkeitsschwankungen auftreten. Diese beim Parallelbetrieb von Wechselstrommaschinen auftretenden, in der Natur der mit Kurbeltrieb arbeitenden Antriebsmaschinen liegenden dynamischen Erscheinungen sollen im folgenden in Anlehnung an eine Abhandlung von Rosenberg über die „Anforderungen an Antriebmotoren beim Parallelbetrieb von Wechselstromdynamos“s. Z. d. V. d. I. 1904, S. 793.s. auch Sommerfeld: „Das Pendeln parallel geschalteter Wechselstrommaschinen.“ Elektrotechn. Zeitschrift 1904, S. 273 u. ff.Den gleichen Gegenstand behandelt Görges in dieser Zeitschrift, Jahrg. 1902, S. 425 u. ff. näher besprochen werden. Zwei mit gleicher Geschwindigkeit und gleicher Kurbellstelung arbeitende Maschinen zeigen in der Stromlieferung keine Veränderung gegenüber dem Verhalten einer einzelnen Maschine. Eine differierende Kurbelstellung jedoch, die unvermeidlich ist, hat Geschwindigkeitsunterschiede beider Maschinen zur Folge und diese bewirken, dass Strom von der einen Maschine zur andern übergeht. Die Geschwindigkeitsunterschiede könnten sich soweit steigern, dass der ganze Strom zwischen den beiden Maschinen hin- und herpendelt, wenn nicht die synchronisierende Kraft dies verhinderte. Die voreilende Maschine erleidet nämlich im elektrischen Feld einen grösseren Widerstand, durch welchen sie selbst verzögert wird, während der durch seine Ueberwindung entstehende Strom der nacheilenden Maschine zufliesst und dieselbe beschleunigt. So zwingt die Eigenschaft der Dynamomaschine, bald als Generator, bald als Motor zu wirken, die beiden parallel geschalteten Antriebsmaschinen immer wieder zu gleichmässigem Lauf. Der Widerstand gegen das Voreilen ist die synchronisierende Kraft, deren Abhängigkeit von der Voreilung jedoch noch nicht ganz erforscht ist. Bei kleinen Beträgen des Voreilens kann die synchronisierende Kraft proportional der Grösse des Voreilens gesetzt werden in ganz analoger Weise wie bei der elastischen Deformation. Im folgenden ist dieses einfache Gesetz trotz der in Wirklichkeit nicht unbeträchtliche, relativen Verdrehungen der Magneträder parallel geschalteter Maschinen der Betrachtung zugrunde gelegt worden r was bei der Unsicherheit des gesetzmässigen Zusammenhanges um so eher zulässig schien, als die Resultate der Untersuchung vergleichsweise immer noch einen Wert haben. Ist einmal durch eine äussere Kraftschwankung eine Voreilung des einen Magnetrades bezw. Ankers eingetreten, so wird durch die gleichzeitig auftretende synchronisierende Kraft eine Rückdrehung in die Gleichgewichtslage relativ zu der parallel geschalteten Maschine stattfinden. Infolge der Trägheit der Massen wird jedoch diese Gleichgewichtslage überschritten, und erst nach einer Reihe von Schwingungen um dieselbe gelangen die parallel geschalteten Räder durch die dämpfenden Widerstände gegenseitig zur Ruhe. Wiederholen sich die äusseren Kraftschwankungen in periodischem Wechsel, so werden die einmal angeregten Schwingungen unterhalten. Die hauptsächlichste Ursache der Pendelungen der Magneträder liegt in den periodischen Schwankungen des Drehmomentes.Der Parallelbetrieb leidet auch unter den Massenschwingungen des aus seiner Gleichgewichtslage gebrachten Regulators. Die Eigenschwingungen desselben können aber durch eine Oelbremse gedämpft und durch Veränderung der Massen von der kritischen Schwingungszahl ferngehalten werden. Siehe Föppl: Elektrotechn. Zeitschr. 1902, S. 10; Thümmler, Fliehkraft und Beharrungsregler, Anhang 1903. Die daraus entstehenden relativen Schwingungen sind im allgemeinen nicht gefährlich, weil sie durch die immer vorhandenen grossen Schwungmassen in kleinen Grenzen gehalten werden, jedoch nur so lange, als man von dem Falle der Resonanz, d. i. dem Zusammenfallen der Periode der frei pendelnden MagneträderDarunter ist die Eigenschwingung des einen Magnetrades oder Ankers gegen das mit ihm durch elektrische Kupplung verbundene andere Rad zu verstehen. und der Impulse der Antriebsmaschine, weit genug entfernt ist. Andernfalls verstärken sich die Pendelungen, bis die Maschinen schliesslich aus dem Takte fallen. Um dem kritischen Falle der Resonanz fern zu bleiben, ist es daher wichtig, ausser der Grösse des Trägheitsmomentes der bewegten Massen, auch die Periode der Antriebsimpulse festzustellen. Textabbildung Bd. 320, S. 567 Fig. 15. Rosenberg ersetzt die Schwankungen des Tangentialdruckes der Antriebsmaschine über einen konstanten Widerstand durch eine einfache Sinuswelle (Fig. 15). Die Voreilungen gegenüber einer sich mit konstanter Winkelgeschwindigkeit bewegenden Maschine verlaufen alsdann auch nach dem Sinusgesetz in der Phase gegenüber den Schwankungen des Tangentialdruckes um 180° verschoben. Die den Voreilungen proportionalen synchronisierenden Kräfte kommen zu dem bei Beginn der Betrachtung konstant angenommenen Widerstand hinzu. Dadurch werden nun die Schwankungen des Tangentialdruckes gegenüber dem neuen Widerstand verändert, woraus wieder das Auftreten einer grösseren synchronisierenden Kraft resultiert. So stellt sich schliesslich nach einer Reihe von Umdrehungen eine Vergrösserung der Schwankungen des Drehmomentes und damit auch der Geschwindigkeit und des Ungleichförmigkeitsgrades ein. Den Endwert p der in geometrischer Reihe fortschreitenden Schwankungen des Drehmomentes erhält man durch Summierung der Zuschläge bei jeder Umdrehung zu p=\frac{1}{1-q}\,p_0 wenn p0 den Ausgangswert der Schwankung bedeutet. q nennt Rosenberg das Reaktionsverhältnis der Wechselstrommaschine, d.h. das Verhältnis der anfänglich vorhandenen, durch die Schwungradgrösse bedingte Voreilung, bezw. die dadurch hervorgerufene synchronisierende Kraft zur anfänglichen Schwankung des Drehmomentes an der Kurbel. Die Beziehung zwischen q und den elektrischen und dynamischen Grössen der Maschine ist ausgedrückt durch q=174\cdot j\cdot \eta\cdot p\,\frac{D^2}{n}\,\frac{N_e}{M\,r^2}, worin j das Verhältnis des Kurzschlusstromes zum normalen Wattstrom,          η der Wirkungsgrad der Dynamo,          p die Polpaarzahl,          n die Umdrehungszahl i. d. Minute,          Ne die Nutzleistung in PS,          Mr2 das Trägheitsmoment der rotierenden auf den Kurbelzapfen reduzierten Massen,          D die Dauer der Periode eines Antriebsimpulses bedeutet. Letztere Grösse ist von besonderer Wichtigkeit für den Parallelbetrieb. Man erkennt, dass bei einer ausgegeführten Maschine eine bestimmte Schwungradgrösse (M r2) nur dann q von dem kritischen Wert entfernt halten kann, wenn die Dauer der Periode eines Antriebsimpulses klein genug ist. Diese hat aber mit der Grösse des Ungleichförmigkeitsgrades nichts zu tun, sondern hängt lediglich davon ab, wie viel Schwingungen das Drehmoment während eines Umlaufes aufweist. Ist eine Schwingung vorhanden, so ist die Dauer derselben D_1=\frac{60}{n} Sekunden, wenn n die Anzahl der Umdrehung in der Minute ist. Bei zwei Schwingungen ist D_2=\frac{60}{2\,n}, bei drei D_3=\frac{60}{3\,n} usw. und der Einfluss der Schwingungsdauer auf den Wert q ist nur ¼, 1/9, 1/16 usw. im Vergleich zu dem Einfluss einer einphasigen Schwingung. Letztere sind deshalb für den Parallelbetrieb als die gefährlicheren zu betrachten. Bei den im Viertakt arbeitenden Gasmaschinen findet die Zuführung des Kraftmittels nach jeder zweiten Umdrehung statt; es kommen hierbei im Tangentialdruckdiagramm auch Kraftschwingungen von der Dauer einer halben Umdrehung vor. Nachstehend sind die Analysen einer Reihe von Tangentialdruckdiagrammen wiedergegeben, welche aus den Kolbenkräften von Dampf- und Gasmaschinen in verschiedenen Anordnungen gebildet sind. Durch den Vergleich derselben nach den oben angegebenen Gesichtspunkten lässt sich ein Masstab für die Verwendbarkeit der einzelnen Maschinengattungen zum Antrieb parallel geschalteter Wechselstrommaschinen gewinnen.Ebenso wichtig wie für die verschiedenen Maschinengattungen sind die Analysen für dieselbe Maschine bei verschiedenen Belastungen, wie sie von Boucherot ausgeführt wurden; s. „Bulletin de la Société internationale des Electriciens“ 1901, S. 534. s. auch Arnold: „Wechselstromtechnik“, 4. Bd., S. 546. 1. Einzylinder-Dampfmaschine mit Kondensation (Fig. 10). T = Tm (1 + 0,148 cos φ – 0,685 cos 2 φ    – 0,148 cos 3 φ – 0,318 cos 4 φ    + 0,124 sin φ + 1,07 sin 2 φ + 0,124 sin 3 φ    – 0,093 sin 4 φ). 2. Verbundmaschine mit Kondensation und 90° Kurbel-Versetzung (Fig. 18 und 19). a) bei voreilender Hochdruckkurbel. T = Tm (1 + 0,075 cos φ + 0,2 cos 2 φ + 0,081 cos 3 φ    – 0,194 cos 4 φ – 0,058 cos 5 φ    + 0,122 sin φ + 0,31 sin 2 φ + 0,154 sin 3 φ    + 0,026 sin 4 φ + 0,029 sin 5 φ). b) bei voreilender Niederdruckkurbel. T = Tm (1 + 0,023 cos φ – 0,2 cos 2 φ + 0,014 cos 3 φ    – 0,194 cos 4 φ – 0,029 cos 5 φ    + 0,035 sin φ – 0,31 sin 2 φ + 0,08 sin 3 φ    + 0,026 sin 4 φ – 0,052 sin 5 φ). 3. Verbundmaschine in Tandemanordnung. T = Tm (1 – 0,02 cos φ – 0,81 cos 2 φ + 0,066 cos 3 φ    – 0,194 cos 4 φ – 0,058 cos 5 φ    + 0,072 sin φ + 0,785 sin 2 φ + 0,026 sin 4 φ    + 0,029 sin 5 φ). Die Einzeldiagramme des Hoch- und Niederdruckzylinders werden durch die Reihen dargestellt (Fig. 16 und 17): Textabbildung Bd. 320, S. 568 Fig. 16 und 17. Tangentialdruck-Diagramm einer Verbund-Dampfmaschine; Fig. 16. Hochdruck-Diagramm; Fig. 17. Niederdruck-DiagrammWirkliches Diagramm; Analysiertes Diagramm. Textabbildung Bd. 320, S. 568 Fig. 18 und 19. Resultierender Tangentialdruck; Fig. 18. Hochdruckkurbel um 90° voreilend; Fig. 19. Niederdruckkurbel um 10° voreilendWirkliches Diagramm; Analysiertes Diagramm. Textabbildung Bd. 320, S. 569 Fig. 21. Tangentialdruck-Diagramme von Gasmaschinen. Wirkliches Diagramm; Analysiertes Diagramm; Im Zweilakt einfach wirkend oder im Viertakt doppelt wirkend; (Der Ordinatemasstab) der Tangentialdruck-Diagramme ist doppelt so gross wie im Indikator-Diagramm.) Textabbildung Bd. 320, S. 569 Fig. 22. Im Zweitakt doppelt wirkend oder im Viertakt doppelt wirkend in zwei Zylindern. 3a. Für den Hochdruckzylinder. T = Tm (1 + 0,105 cos φ – 0,61 cos 2 φ    – 0,39 cos 4 φ – 0,105 cos 5 φ    + 0,1 sin φ + 1,1 sin 2 φ + 0,172 sin 3 φ    – 0,06 sin 4 φ + 0,06 sin 5 φ). 3b. Für den Niederdruckzylinder. T = Tm (1 + 0,144 cos φ – 1,0 cos 2 φ – 0,144 cos 3 φ    – 0,035 sin φ + 0,475 sin 2 φ + 0,115 sin 3 φ    + 0,11 sin 4 φ). 4, Gasmaschine, im Zweitakt einfach wirkend (Fig. 20 und 21) oder im Viertakt doppelt wirkend. T= Tm (1 + 0,446 cos φ – 0,473 cos 2 φ    – 0,446 cos 3 φ – 0,446 cos 4 φ    – 0,206 cos 5 φ – 0,08 cos 6 φ    + 2,67 sin φ – 0,206 sin 2 φ + 0,333 sin 3 φ    + 0,266 sin 4 φ + 0,063 sin 5 φ). Textabbildung Bd. 320, S. 570 Fig. 20. Indikator-Diagramm. 5. Gasmaschine, im Zweitakt doppelt wirkend (Fig. 22) oder im Viertakt doppelt wirkend bei zwei Zylindern. T = Tm (1 + 0,153 cos φ – 0,8 cos 2 φ    – 0,153 cos 3 φ – 0,19 cos 4 φ + 0,116 sin φ + 1,83 sin 2 φ    + 0,173 sin 3 φ + 0,466 sin 4 φ). Das an der Kurbel auftretende, resultierende Drehmoment, dessen Schwankungen für den Parallelbetrieb wichtig sind, setzt sich zusammen aus dem Moment der Tangentialkomponente des Kolbendruckes und der Momente der Massenkräfte und Gewichte in bezug auf das Wellenmittel. Letztere schwanken während einer Umdrehung nach bekannten Gesetzen, und zwar das Moment des Massendrucks der bewegten Teile nach der Reihe (s. Fig. 10) -\frac{r^2}{2}\,\left(\frac{d\,\varphi}{dt}\right)^2\,\left[-\frac{\lambda}{2}\,(M_2+a\,M_3)\,\mbox{sin}\,\varphi\right +\left(M_2+(2\,a-b)\,M_3\right)\,\mbox{sin}\,2\,\varphi \left+\frac{3\,\lambda}{2}\,(M_2+a\,M_3)\,\mbox{sin}\,3\,\varphi\right], wobei die Winkelgeschwindigkeit \frac{d\,\varphi}{dt} konstant angenommen werden kann. Es werden dadurch die Schwingungen erster Ordnung des tangentialen Kolbendruckes in fast allen Fällen vergrössert, diejenigen zweiter und dritter Ordnung verkleinert. Die Drehmomente der Triebwerksgewichte befolgen das Gesetz – [Gkk' + M3gr (1 – a)] cos φ bei liegender Anordnung, und + [Gk k' + (M2 + M3) g r] sin φ bei stehender Anordnung, beeinflussen daher die gefährlichen Schwingungen erster Ordnung des tangentialen Kolbendrucks. Gegengewichte ermöglichen eine Korrektur der Schwankungen des resultierenden Drehmomentes in den meisten Fällen in einem für den Parallelbetrieb günstigen Sinne. (Schluss folgt.)