Titel: Vertikale „Gardner“-Petroleum- und Benzinmotoren für Schiffs- und stationäre Zwecke.
Fundstelle: Band 320, Jahrgang 1905, S. 621
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Vertikale „Gardner“-Petroleum- und Benzinmotoren für Schiffs- und stationäre Zwecke. Vertikale „Gardner“-Petroleum- und Benzinmotoren für Schiffs- und stationäre Zwecke. Die Tatsache, dass das mit einem 10 PS. Gardner-Motor der Firma Bieberstein & Gödicke, Hamburg, ausgerüstete Boot Cito sowohl am 30. Juni auf der Kieler Föhrde als auch am 1. Juli bei der Distanzfahrt Kiel–Travemünde den ersten Preis errungen hat, dürfte für die folgende Beschreibung von Konstruktion und Arbeitsweise dieses Motors erhöhtes Interesse hervorrufen. Textabbildung Bd. 320, S. 621 Fig. 1. Er ist speziell für Marinezwecke gebaut, und es ist daher bei ihm nicht wie bei Automobilmotoren auf die Gewichtsverminderung, sondern in weit höherem Masse auf die Gewichtsverteilung Wert gelegt. Das Gewicht beträgt, da alle Teile kräftig gehalten sind, etwa 25 kg für 1 PS. In unserer Fig. 1 ist ein 30 PS. Motor mit drei Zylindern in Aussenansicht dargestellt, der mit schwerem Schwangrad und Aussenlager für stationären Betrieb ausgerüstet ist. Fig. 2 gibt einen Längsschnitt durch einen zweizylindrigen Motor und Fig. 3 einen Querschnitt wieder. Kein Einzelteil des ganzen Motors darf den Anspruch erheben, etwas an sich neues darzustellen; der Konstrukteur hat sich vielmehr von dem Bestreben leiten lassen, Bekanntes sorgfältig durchzubilden und es so zu gestalten, dass es seine jeweilige Aufgabe in möglichst vollkommener Weise zu erfüllen imstande ist. Sodann aber soll durch den Zusammenbau des Ganzen einerseits die Zugänglichkeit jedes einzelnen Teiles gewahrt, anderer seits die Möglichkeit eines raschen Auseinandernehmens und leichter Reparatur geschaffen werden. Aus letzterem Grunde sind alle Packungen an den Dichtungsstellen vermieden, überall, sowohl beim Zylinderkopf gegen den Zylinder, als bei den Ventilgehäusen gegen den Zylinderkopf, dichtet Metall auf Metall. Das Gehäuse des Auspuffventils ist bedeutend grösser gehalten und reichlicher mit Wasserkühlung versehen, als das des Einlassventils, obgleich beide Ventile gleichen Durchmesser besitzen. Auf der Auspuffseite ist ausserdem der Kühlwassereintritt angeordnet. Beides bezweckt eine möglichst starke Kühlung des ganzen Auspuffs rings um das Ventil herum, während das Einlassventilgehäuse, dessen unterer Teil als Verdampfer dienen und möglichst heiss bleiben soll, ausschliesslich von oben und nur mässig gekühlt wird. Abnehmbare Klappen auf beiden Seiten des Kurbelgehäuses ermöglichen eine freie Zugänglichkeit der Kurbel- und Steuerwellen. Letztere können nach Abschrauben der Lagerdeckel leicht ganz herausgenommen werden. Ebenso können in einfachster Weise die beiden Seitenteile, welche die Endlager der Kurbelwelle tragen, ohne Schwierigkeit entfernt werden, worauf dann das ganze Kurbelgetriebe freiliegt. Das Einlassventil wird, entgegen der sonst bei derartigen Motoren meist gebräuchlichen Anordnung gesteuert und die Regulierung geschieht mit Hilfe von Aussetzern. Es wird also das Ventil stets ganz geöffnet oder bleibt vollkommen geschlossen. Im letzteren Falle wird natürlich beim Zurückgehen des Kolbens ein Vakuum im Zylinder entstehen, das ein Aufsaugen der Ventile, ein Zurückströmen der verbrannten Gase und infolgedessen eine Bildung von russigen Niederschlägen auf Kolben und Zylinderwand hervorrufen könnte; das wird durch ein sogen. selbsttätig arbeitendes Schnarr- oder Schnüffelventil verhindert, das sich infolge des Vakuums im Zylinder entgegen dem Druck einer Feder öffnet und frische kühle Aussenluft einströmen lässt. Die Spindel des Einlassventils trägt am unteren Ende eine kleine Platte. Zwischen dieser und der Spitze des von der Steuerwelle aus betätigten Ventilhebezapfens befindet sich ein Gleitstück, das von einem mit dem Regulator in Verbindung stehenden Hebel geführt wird. Sobald nun der Regulator in Tätigkeit tritt, schwingt das Gleitstück aus, so dass das Einlassventil nicht geöffnet wird, sondern der Zylinder durch das Schnüffelventil nur Luft erhält, bis die Tourenzahl nachlässt und der Regulator zu arbeiten aufhört. Der Regulator ist ausser mit jenem Gleitstück mit dem Abreissmechanismus der Magnetzündung verbunden, wodurch ein früheres oder späteres Eintreten der Zündung erfolgt. Schliesslich ist noch durch Einschaltung einer von Hand verstellbaren, in das Regulatorgetriebe eingeschalteten Vorrichtung die Möglichkeit gegeben, den Motor beliebig rascher und langsamer laufen zu lassen. Diese Veränderung der Tourenzahl kann in sehr weiten Grenzen stattfinden. Textabbildung Bd. 320, S. 622 Fig. 2. So laufen die sogen. kleinen, zweizylindrigen Motoren von 5, 7½ 10 und 15 FS mit höchstens 800 Umdrehungen in der Minute, die mittleren zwei- und dreizylindrigen von 20, 25 und 30 PS mit 600 und die grossen dreizylindrigen von 45 bis zu 200 PS mit 500. Diese Höchstgeschwindigkeiten können auf etwa 300 bis 200 Umdrehungen in der Minute erniedrigt werden. Der Brennstoff wird den Motoren zwangsweise durch eine kleine Kolbenpumpe zugeführt, die von dem Hinter- ende der Auspuffsteuerwelle mittels Exzenters angetrieben wird. Sie saugt das Oel aus dem Haupttank an und drückt es in einen kleinen Behälter. Sobald in diesem der normale Druck überschritten wird, öffnen sich Rückschlagventile und lassen den Ueberschuss zu dem Haupttank zurückfliessen. Der Brennstoff wird nun durch Kupferröhrchen, von denen für jeden Zylinder eins vorgesehen ist, zum Teil den mit einstellbaren Nadelventilen versehenen Speise-Apparaten zugeführt, zum Teil gelangt er zu den Lampen, mit denen der Verdampferraum unter und hinter den Einlassventilen beständig erhitzt gehalten wird. Denn bekanntlich genügt bei Petroleum eine einfache Zerstäubung ohne Erhitzung nicht, um eine gleichartige Zusammensetzung des ganzen Brennstoffgemisches herbeizuführen, wie sie zu vollkommener Verbrennung erforderlich ist. Jene Erhitzung aber kann auf zweierlei Art einmal wie oben angedeutet mit Hilfe besonderer Lampen und sodann, wenn der Motor erst einmal in Betrieb ist, durch die Auspuffgase bewerkstelligt werden. Die letztere Möglichkeit erscheint zwar von vornherein verlockend einfach; ist doch mit ihr irgend ein besonderer Brennstoffverbrauch für die Erhitzung nicht verbunden. Aber man hat vielfach mit diesem Verfahren schlechte Erfahrungen gemacht, namentlich im Bootsbetriebe, was wohl darauf zurückzuführen ist, dass die von den fortwährenden Schwankungen in der Belastung und Tourenzahl des Motors abhängige Auspuffhitze viel zu unzuverlässig ist, als dass damit eine gleichmässige und vollkommene Vergasung erreicht werden könnte, ganz abgesehen davon, dass diese Verwendung der Auspuffhitze in ihrer Wirkungsweise durch Temperaturschwankungen der Aussenluft und Wind beeinflusst Textabbildung Bd. 320, S. 623 Fig. 3. werden. Beim Gardner-Motor wurde deshalb die andere Art der Verdampfererhitzung durch eine besondere Lampe gewählt. Diese ist so konstruiert, dass sie sich nach dem Anzünden vollkommen selbsttätig reguliert und keiner Wartung mehr bedarf. Die oben erwähnten Schnüffel- oder Schnarrventile werden durch Beträufeln mit Wasser gekühlt, das tropfenweise dem Kühlwasserleitungsrohr oberhalb der Zylinder entnommen wird. Etwas von diesem Wasser gelangt mit in das Innere des Zylinders, wo es zerstäubt, dadurch zur Kühlung und Reinigung des Auspuffs beiträgt und, wie beim Banki-Motor, D. p. J. 1901, 316, S. 570, bis zu einem gewissen Grade auch die Verbrennung der Ladung befördert. Dadurch ist es gelungen, den Petroleumverbrauch auf etwa 0,35 l für die Pferdekraftstunde bei den grösseren Typen herunterzubringen. Erwähnenswert ist sodann noch die Kühlwasserpumpe, welche als Rotationspumpe ausgeführt und mittels Exzenter von der Steuerwelle der Auspuffventile angetrieben wird, ferner, dass die Kurbelzapfen mit einer besonderen Zentrifugalschmierung versehen sind, während alle übrigen arbeitenden Teile ihre Schmierung durch das Oelbad im Kurbelgehäuse erhalten und schliesslich, dass zum bequemen Anlassen des Motors eine durch einen Handhebel bewegte kleine Daumenwelle vorgesehen ist, welche ein Oeffnen der Auspuffventile und dadurch eine leichte Ueberwindung der Kompression ermöglicht. Die Andrehvorrichtung selbst besteht aus dem gewöhnlichen verstellbaren Kettenrad mit Freilauf.