Titel: | Die Kraftmaschinen und Dampfkessel auf der Weltausstellung in Lüttich 1905. |
Autor: | Fr. Freytag |
Fundstelle: | Band 320, Jahrgang 1905, S. 667 |
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Die Kraftmaschinen und Dampfkessel auf der
Weltausstellung in Lüttich 1905.
Von Fr. Freytag,
Chemnitz.
(Fortsetzung von S. 655 d. Bd.)
Die Kraftmaschinen und Dampfkessel auf der Weltausstellung in
Lüttich 1905.
5. Machinefabriek „Breda“
(vordem Backer & Rueb) in Breda
(Holland).
Die in ihren Einzelteilen äusserst kräftig gehaltene, für elektrische Licht- oder
Kraftzwecke, oder aber für Webereien, Spinnereien und dergleichen bestimmte und
deshalb mit einem besonders schweren Schwungrad von 3000 mm Durchmesser und 450 mm
Breite, sowie mit einem sehr empfindlichen Federregulator, System Hartung, ausgerüstete liegende Verbunddampfmaschine mit
Kondensation von 340 bezw. 550 mm Zylinderdurchmesser und 560 mm Hub ist in Fig. 22 in den äusseren Ansichten dargestellt; ihre
Umdrehungszahl beträgt auf der Ausstellung etwa 100 in der Minute, doch kann sie auf
etwa 140 in der Minute gebracht werden.
Textabbildung Bd. 320, S. 667
Fig. 22. Verbundmaschine der Maschinenfabrik Breda.
Zur Dampfverteilung beider Zylinder dienen Rundschieber, System Corliss, die behufs Erlangung kleiner schädlicher Räume
den Mitten der Zylinder soweit genähert sind, dass der zylindrische Teil der
Auslassschieber in das Innere derselben hineintritt.
Die Einlasschieber des Hochdruckzylinders werden unter Mitwirkung des Regulators von
einer genau und geräuschlos arbeitenden auslösenden Steuerung betätigt, deren
kräftig gehaltene Einzelteile genügend breite Auflagerflächen besitzen. Alle der
Abnutzung unterworfenen Steuerungsteile sind gehärtet und leicht auswechselbar
angeordnet. Die Steuerung besteht aus einer durch ein Exzenter mittels Stange a (Fig. 23),
Zwischenhebel b und Stange d angetriebenen dreiarmigen Schwinge f, die
durch kurze Lenkstangen mit je einem Schwinghebel m
verbunden ist, der noch eine Klinke k
trägt; letztere – aktiver Mitnehmer – wirkt auf das Druckstück eines auf der
Schieberspindel befestigten Hebels – passiver Mitnehmer – und indem sie hierbei mit
einem vom Regulator eingestellten Anschlag zusammentrifft, erfolgt das Auslösen der
Klinke und damit der schnelle Schluss des Schiebers unter Wirkung eines stellbaren
Luftpuffers je nach Lage des Regulatorstellhebels – früher oder später.
Die Auslasschieber des Hochdruckzylinders werden, um
einen hohen Kompressionsgrad und dennoch eine frühzeitige Ausströmung des in diesem
Zylinder wirksam gewesenen Dampfes zu erzielen, von einem besonderen Exzenter der
Schwungradwelle aus bewegt.
Die Schieberdiagramme (Fig. 24) zeigen diese
Wirkungsweise der Steuerung.
Die Dampfverteilung des Niederdruckzylinders bezw. die
Kompression und Expansion des Dampfes in diesem lässt sich von Hand derart regeln,
dass beim Ueberströmen des Dampfes vom Hochdruck- in den Niederdruckzylinder keine
Spannungsabfälle eintreten. Das Oeffnen der Einströmkanäle und das Abschneiden des
Dampfes erfolgt plötzlich, wie dies die Schieberdiagramme (Fig. 25) genügend erkennen lassen.
Zylinder, Zylinderdeckel wie auch der Zwischenbehälter sind von Dampfmänteln
umgeben.
Die Stangen der Arbeitskolben, System Ramsbottom, mit
nachstellbaren Liderungsringen sind aus Stahl gefertigt und durch Metallpackungen
abgedichtet.
Der kräftige Corliss-Rahmen jeder Maschinenseite ist mit
dem Hauptlager und der kreisförmigen, auf der Aussenseite offenen Kreuzkopfführung
aus einem Stück gegossen; er ist mit dem vorderen Flansch des Zylinders derart
verschraubt, dass die Mitten beider Teile eine fortlaufende gerade Linie bilden. Die
aus Bronze gefertigten, mit Weissmetall ausgefütterten Schalen der Hauptlager sind
durch Keile stellbar gemacht. Die schmiedeisernen Schubstangen mit inmitten
verstärktem Schaft haben ebenfalls mit Weissmetall ausgefütterte, nachstellbare
Bronzeschalen. Besondere Sorgfalt ist auf die überall selbsttätige und regelbar
angeordnete Schmierung aller Einzelteile der Maschine verwendet.
Textabbildung Bd. 320, S. 668
Fig. 23. Steuerung zur Verbundmaschine der Maschinenfabrik Breda.
Die Dampfzylinder werden durch Mollerupp-Pumpen
geschmiert.
Die von der verlängerten Kolbenstange des Niederdruckzylinders aus unmittelbar
betriebene doppeltwirkende Luftpumpe hat 150 mm Durchmesser.
Textabbildung Bd. 320, S. 668
Fig. 24. Schieberdiagramm des Hochdruckzylinders der Verbundmaschine der
Maschinenfabrik Breda.
6. Die Société anonyme des ateliers du Thiriau in La Croyère (Belgien) hat zwei liegende Dampfmaschinen
mit Hahnsteuerung, System A. Pirson, zur Ausstellung
gebracht – eine Verbundtandemmaschine mit Kondensation von 425 bezw. 690 mm
Zylinderdurchmesser und 800 mm Hub, die mit 125 minutlichen Umdrehungen –
entsprechend einer mittleren Kolbengeschwindigkeit von 3,330 m/Sek. –, einer
anfänglichen Dampfspannung von 10 Atm. und mit etwa 15 facher Gesamtexpansion des
ursprünglichen Dampfvolumens eine Leistung von 330 PSi entwickelt, sowie eine ohne Kondensation arbeitende Einzylindermaschine
von 325 mm Zylinderdurchmesser und 500 mm Hub, die mit 125 minutlichen Umdrehungen –
entsprechend einer mittleren Kolbengeschwindigkeit von 2,085 m/Sek. und
ebenfalls 10 Atm. anfänglicher Dampfspannung bei etwa 0,125 Füllung 66 PSi leistet. Die Tandemverbundmaschine ist mit einer
Gleichstromdynamo der Société anonyme A. E. G. Union
Electrique in Brüssel unmittelbar gekuppelt, während die andere Maschine
eine Gleichstromdynamo der Société anonyme des ateliers de
constructions Electriques in Charleroi mittels
Riemen antreibt. Das Bett, die Zylinder und die zwischenliegende Laterne bezw. die
betreffenden Flanschen dieser Teile greifen bei der Tandemmaschine so ineinander,
dass ihre geometrischen Achsen eine fortlaufende gerade Linie bilden. Das Bett ruht
in seiner ganzen Länge auf dem gemauerten Fundament auf, während die breiten
kastenförmigen Grundplatten der Maschine mit den Füssen der Zylinder derart
verbunden sind, dass letztere sich bei eintretenden Erwärmungen der letzteren frei
ausdehnen können.
Textabbildung Bd. 320, S. 668
Fig. 25. Schieberdiagramm des Niederdruckzylinders der Verbundmaschine der
Maschinenfabrik Breda.
Die zwischen den beiden Zylindern angeordnete Laterne ist zweiteilig ausgeführt und
gestattet damit die Entfernung der inneren Zylinderdeckel wie auch eine Untersuchung
der Kolben in gleicher Weise, wie es bei der Einzylindermaschine ohne weiteres
möglich ist. Die Schmierung der Zylinder und Schieber erfolgt durch eine von der
Maschine betriebene doppeltwirkende Oelpumpe; die Hauptlager sind mit Ringschmierung
versehen; alle anderen Teile der Maschine tragen Schmiergefässe mit sichtbarer
Tropfenbildung, die auch während des Ganges zugänglich und einstellbar sind.
Der Steuerungsmechanismus für die mit Trickkanal versehenen Einlasschieber besteht aus einem auf jeder Schieberbüchse sitzenden
Schwinghebel, der von einem Exzenter aus bewegt wird; derselbe trägt, wie an einer
von der Firma gebauten Verbundmaschine (Fig. 26)
erkennbar, eine Klinke, die bei ihrer Bewegung einen auf der Schieberspindel
befestigten Hebel so lange mitnimmt, bis ihre rückwärtige Verlängerung gegen einen
vom Regulator eingestellten Daumen stösst, worauf die Auslösung und unter Wirkung
eines vereinigten Oel- und Luftpuffers der schnelle Schieberschluss erfolgt. Es
lassen sich mittels der Steuerung Füllungen von Null bis 70 v. H. des Kolbenhubes
erreichen.
Textabbildung Bd. 320, S. 669
Fig. 26. Verbundmaschine der Société anonyme des ateliers du Thirian.
Ein zweiter, seitlich von dem ersteren angeordneter Daumen dient dazu, jede
Dampfeinströmung in den Zylinder zu verhindern, falls der Regulator aus
irgendwelchem Grunde in seine tiefste Lage kommen sollte. Die Klinkenverlängerung
trägt noch einen Ausrücker, der – von Hand eingelegt – das Anhalten der Maschine bei
einem etwaigen Unfälle bewirkt.
Der mit einem auf dem Stellhebel beweglichen Gegengewicht versehene Porter-Regulator gestattet Aenderungen in der normalen
Umlaufzahl der Maschine – auch während des Ganges derselben – von 5 bis etwa 10 v.
H. Was die Regelung der Dampfverteilung im übrigen anbelangt, so sind die
Einströmkanäle vollständig geöffnet, bevor noch der Kolben 10 v. H. seines Hubes
zurückgelegt hat.
Die Steuerung der Ausströmschieber erfolgt durch einen auf der Spindel jedes
Schiebers befestigten Hebel, die von einem besonderen Exzenter aus bewegt werden,
derart, dass die Ausströmkanäle schon nahezu vollständig geöffnet sind, wenn der
Kolben in seine entsprechende Totlage gelangt; der Gegendruck auf den Kolben ist
dementsprechend während des ganzen Kolbenhubes nur gering.
Es ist das Bestreben des Konstrukteurs gewesen, das Volumen und gleichzeitig auch die
abkühlenden Oberflächen der schädlichen Räume so weit als möglich zu verringern. Zu
dem Zwecke sind auch die zum Hochdruckzylinder gehörigen Schieber unterhalb der Zylinderachse angeordnet.
Der Frischdampf durchströmt den Mantel des Zylinders, tritt durch Oeffnungen im
oberen Teil desselben in die Verteilungskasten und gelangt dann durch weite Kanäle
der letzteren nach den Einlasschiebern. Hierbei werden der Zylinder die Deckel
desselben, die Gehäuse der Einström- und Ausströmschieber, die Einströmkanäle sowie
die Verbindungskanäle des Zylinders mit den Ausströmschiebern genügend angewärmt und
grössere Abkühlungsverluste vermieden.
Bevor der Dampf in die Schieberkammern eintritt, findet erst eine Abscheidung des
mitgerissenen Wassers statt, so dass er nahezu trocken in den Zylinder gelangt.
Nach Angabe der Erbauerin braucht die Tandemmaschine mit Kondensation bei 125
minutlichen Umdrehungen an Dampf etwa 5,4 kg, die Einzylindermaschine ohne
Kondensation etwa 9,4 kg für 1 PSi/Std.
(Fortsetzung folgt.)