Titel: Die Automobilausstellung zu Frankfurt a. M.
Autor: Ludwig v. Löw
Fundstelle: Band 320, Jahrgang 1905, S. 783
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Die Automobilausstellung zu Frankfurt a. M. Von Diplom-Ingenieur Ludwig v. Löw. Die Automobilausstellung zu Frankfurt a. M. Textabbildung Bd. 320, S. 783 Auf früheren Automobilausstellungen fand man fast auf jedem Stand ein nacktes Automobil – ich verstehe darunter ein Rahmengestell mit Federn, Achsen und Rädern sowie mit eingebautem Motor, Antriebsorganen und allen Maschinellen Teilen – auf der Frankfurter Ausstellung war dies nicht mehr der Fall, auch einzelne Motoren sowie deren Bestand- und Zubehörteile waren seltener als früher ausgestellt, dagegen traten die Wagenoberbauten, die mit allen denkbaren Annehmlichkeiten für längere Fahrten ausgerüstet sind, in den Vordergrund. Infolge der in der Automobiltechnik noch immer herrschenden Geheimniskrämerei, die von manchen Ausstellern in geradezu lächerlicher Weise betrieben wird, sind auch bei den meisten Automobilen die Maschinen durch ihre Hauben zugedeckt und man bekommt sie nur ängstlich kurz enthüllt. Am angenehmsten ist daher die Besichtigung der Motorräder. Diese besitzen die grössten Verschiedenheiten in ihren Rahmengestellen. Die Cyklon-Motorräder (Fig. 1) haben das Rahmengestell der gewöhnlichen Fahrräder und der Motor, der alle Bewegungen der Lenkstangen mitmachen muss, treibt das Vorderrad an (s. auch S. 297, Fig. 24 d. Bds.). Aehnlich ist das Gestell (Fig. 2) der Motorräder der Fabrique Nationale d'Armes de guerre in Herstal bei Lüttich, jedoch ist es in der Nähe des Motors doppelt und umfasst den Zylinder (wie es auf S. 262 Fig. 6 und 7 d. Bds. gezeigt ist). Auf den verschiedenen Ständen finden wir die Fabrikate von Antoine Fils & Co. in Lüttich (Fig. 3), der Adler- und Neckarsulmer Fahrradwerke (Fig. 4), der Phänomen-Fahrradwerke von Gustav Hiller in Zittau (Fig. 5) und diejenigen von Puch in Graz (Fig. 6). Bei den Rahmengestellen nach Fig. 36 bildet das Kurbelgehäuse des Motors einen eingeschraubten Bestandteil des Rahmens, bei den folgenden Figuren ist ein Rahmenrohr unten um das Kurbelgehäuse herumgeführt; dies halte ich für besser, weil bei den Stössen und Erschütterungen, denen das Motorrad ausgesetzt ist, das etwas elastische Stahlrohr eine grössere Sicherheit gewährleistet, als die Schraubenverbindungen und das Gussmaterial des Kurbelgehäuses. Das Rahmengestell (Fig. 7) der Progress-Räder hat fünf Löt- und zwei Schraubenverbindungen weniger in der Tragkonstruktion als das Rahmengestell Fig. 6, und trotz des gebogenen Rohrs werden bei Fig. 7 die Kräfte besser auf die Knotenpunkte gerichtet, als bei den meisten anderen Gestellen, bei denen trotz der Verwendung gerader Rohre häufig Biegungsbeanspruchung hervorgerufen werden, weil viele Rohre – z.B. das fast in sämtlichen Figuren vorhandene Horizontalrohr über dem Motor – nicht in den Knotenpunkten des Trägers angreifen. Es ist bei Rahmengestellen mit vielen inneren Rohren schwierig, die Stäbe statisch richtig zu führen, weil sich Verbindungsmuffen für Knotenpunkte, an denen mehr als drei Rohre – vielleicht gar in ziemlich spitzem Winkel – zusammenkommen, nur schwer herstellen lassen; daher dürfte ein einfaches Gestell mit genügend kräftigen Umführungsgurten das vorteilhafteste sein. Wir sehen nun in den folgenden Figuren noch die Rahmenbauarten der Presto-Räder (Fig. 8), der Gritzner-Räder (Fig. 9), der Wanderer-Räder (Fig. 10), der Welt-Räder (Fig. 11) und der Germania-Räder (Fig. 12). Auch in anderer Hinsicht als der Ausführung des Rahmens finden wir reichliche Verschiedenheiten an den Motorrädern, nämlich an den österreichischen sowie den Germania-Rädern von Seidel & Naumann (Lizenzinhaber der böhmischen Firma Laurin & Klement), 1. Flachriemen, 2. nicht gesteuertes Saugventil und 3. magnetelektrische Abreisszündung, bei der bekanntlich der Unterbrechungsfunken eines Stromkreises direkt zum Zünden des Gasgemisches benutzt wird, an den anderen deutschen Fabrikaten dagegen meist 1. Keilriemen, 2. auf sehr verschiedene Weise gesteuerte Saugventile und 3. magnetelektrische Hochspannungszündung, bei der bekanntlich – wie bei den Batteriezündungen – ein Funken zwischen den Spitzen des Zünders überspringt. Auch die Unterbringung und Betätigung des magnetelektrischen Stromerzeugers ist sehr verschieden, bei einigen Fabrikaten liegt er vor, unter oder hinter dem Kurbelgehäuse und wird durch Kette oder Stirnräder angetrieben, bei andern befindet er sich über dem Zylinder und empfängt den Antrieb durch eine Welle nebst Kegelrädern und schliesslich sind bei den Dürkopp- und Welt-Rädern die Schwungscheiben des Motors als permanente Magnete ausgebildet und der Anker liegt ebenfalls wie diese Schwungscheiben im Kurbelgehäuse (s. Fig. 63 348 d. Bds.). – Die auf der Ausstellung zahlreich vertretenen Zweizylindermotorräder haben keine gesteuerten Saugventile, im übrigen sind sie den Einzylinderrädern gleich, dagegen besitzen die Vierzylinderräder keinen Riemenantrieb, sondern Kegelradantrieb und die Motorwelle liegt nicht mehr quer zur Fahrrichtung, sondern in ihr (vergl. Fig. 17 und 18 278 und 279 d. Bds). Tabelle 1. Textabbildung Bd. 320, S. 784 No.; Name und Wohnort des Erbauers; Zylinder; Angegebene PS-Zahl; Ventilanordnung; Anzahl der Nockenwellen; Zündung; Benzinbehälter; Anzahl der Uebersetzungen; Kraftübertragung auf die Hinterräder durch; Argus, Berlin; Beckmann, Breslau; Benz, Mannheim; Bergmann, Gaggenau; Clément- Bayard, Paris; Dürkopp, Bielefeld; Fiat, Turin; Itala, Turin; Panhard, Paris; Scheibler, Aachen; Stöwer, Stettin; Adler, Frankfurt; Beckmann, Breslau; Fahrzeugfabrik Cöln; Fahrzeugfabrik Eisenach; Opel, Rüsselsheim; Daimler, Untertürkheim; de Dietrich, Luneville; Metallurgique, Marchienneau Pont; Horch, Zwickau; Bugatti, Grafenstaden; Maurer, Nürnberg; Saugventil und Auspuffventil auf verschiedenen Seiten des Zylinders stehend; Saugventil und Auspuffventil auf derselben des Zylinders nebeneinander stehend; Saugventil über dem Kolben hängend, Auspuffventil stehend; unter Druck hochliegend; Ketten; Cardan Die Hauptunterschiede der Kraftwagen, die – auch nach meinen sonstigen Erfahrungen – den jetzigen Stand der Automobiltechnik kennzeichnen, habe ich in der Tabelle 1 zusammengestellt. Abgesehen von der Pferdestärkezahl habe ich in diese Tabelle nur das aufgenommen, was ich sehen konnte, denn auf die Aussagen der Vertreter der ausstellenden Firmen kann man oft nicht viel geben. In der Spalte unter „Zylinder“ bedeutet „4 p“ vier paarweise zusammengegossene Zylinder, „4 e“ vier einzeln auf das Kurbelgehäuse aufgeschraubte Zylinder, „3 z“ drei zusammengegossene Zylinder usw. Zu dieser Spalte ist noch zu bemerken, dass die einzeln aufgesetzten Zylinder, die in Frankreich ziemlich verbreitet sind, bei den deutschen Fabrikaten eine neue Erscheinung bilden, die im Interesse der Massenfabrikation und der billigeren Auswechselbarkeit mit Freuden zu begrüssen ist, trotzdem sie eine grössere Anzahl von Kurbelwellenlagern erfordert. – Die Vorteile und Nachteile der verschiedenen Ventilanbringungen und Betätigungen sind bereits in D. p. J. 1904, 319, 516 erörtert. – In der Spalte unter „Zündung“ bedeut „m. A.-Z.“ magnetelektrische Abreisszündung, „m. H.-Z.“ magnetelektrische Hochspannungszündung und „B.-Z.“ Batteriezündung. – Die Benzinbehälter werden mehr und mehr unter einen geringen, von den Auspuffgasen oder einer besonderen Luftpumpe herrührenden Druck gestellt. Dies ermöglicht 1. eine so tiefe Lage des Behälters, dass derselbe sehr bequem gefüllt werden kann und 2. bildet der Druck eine sichere Gewähr dafür, dass das Benzin auch in starken Steigungen nach vorn zum Vergaser fliesst, während es bei Automobilen mit hochliegendem Behälter vorkommt, dass in starken Steigungen rückwärts gefahren werden muss, weil sonst das Benzin nicht mehr zum Vergaser fliesst. – Wie ich schon gelegentlich der Berliner Automobilausstellung auf 108 d. Bds. berichtet habe, so ist auch jetzt wieder eine Zunahme des Cardanantriebs zu verzeichnen; Adler, Horsch, Itala und Metallurgique haben ihn sogar an 40 PS-Automobilen ausgestellt. – Statt der Pferdestärkezahl hätte ich in die Tabelle 1 lieber die Zylinderabmessungen aufgenommen; da aber die Vertreter der Aussteller hierüber keine glaubhaften Angaben machen konnten, so habe ich es vorgezogen in der Tabelle 2 eine Anzahl von Zylinderabmessungen zusammenzustellen, deren Grösse ich sicher weiss. Textabbildung Bd. 320, S. 785 Fig. 13. Säugventil über dem Auspuffventil hängend, durch Umkehrhebel gesteuert.Fig. 14. Saugventil über dem Auspuffventil hängend, durch Anschlagstange gesteuert.Fig. 15. Saugventil und Auspuffventil über dem Kolben hängend, durch eine Zug- und Druckstange gesteuert. Bei der genaueren Betrachtung dieser Tabelle 2 bemerken wir vieles recht Sonderbare, beispielsweise ist es unerklärlich, warum eine Maschine von 75 mm Kolbendurchmesser und 80 mm Hub als Einzylindermotor 1800–2000, als Zweizylindermotor 1600 und als Vierzylindermotor nur noch 1400 Touren in der Minute machen soll, wegen des besseren Massenausgleichs der Mehrzylindermaschinen sollte man eher das Umgekehrte für zulässig erachten. Aus dieser rätselhaften Tourenzahlverminderung folgt dann auch das seltsame Ergebnis, dass die Verdoppelung desselben Zylinders nur eine Leistungsvermehrung von 6 auf 8 PS ergeben soll, wie der Vergleich der Nummern 11 und 12 lehrt. Die grosse Unsicherheit in der Pferdestärkebezeichnung unserer Automobilmotoren hat hauptsächlich in der Enpfindlichkeit der raschlaufenden Maschinen ihren Grund, eine geringe Vermehrung eines Ventilhubes hat oft eine grosse Steigerung der Leistung zur Folge, die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Verbrennung, die Gestalt des Kompressionsraums, die Wirksamkeit des Rückkühlers u.a. sind bei den Automobilen von einem so empfindlichen Einfluss, wie ihn sich der Fernerstehende kaum vorstellen kann. Schliesslich ist noch zu erwähnen, dass sich die metallische Reibungskuppelung zwischen dem Geschwindigkeitswechselgetriebe und der Maschine, die beim Wechseln der Uebersetzungen gelöst werden muss, mehr und mehr einbürgert; die ältere Konuskuppelung mit Lederbelag hat den Nachteil, dass sie bei feuchtem Wetter zu fest anpackt und bei trockenem Wetter zu lose; in diesem letzteren Fall erwärmt sich das Leder infolge der Reibung so, dass es bald mürbe und die Kuppelung schadhaft wird; bei metallischen, reichlich geölten Kuppelungen dagegen ist ein längeres Reiben statthaft und ein sanfteres Anfahren daher erreichbar. Tabelle 2. No. Firma Anzahl d.Zylinder Kolben- Angegebene Bemer-kungen Durch-messer Hub PS-Zahl Touren-Zahl 1 Neckarsulmer     Fahrradwerke 1 70 75 2 Luftkühl. 2 75 3 80 4 80 3 5 2 64 70 6 75 75 5 7 Fafnir, Aachen 1 70 1800–2000 8 „         „ 75 80 3 9 „         „ 2 6 1600 10 „         „ 4 10 1400 11 „         „ 1 90 110 6 1700–1800 12 „         „ 2 8 1000 13 „         „ 100 120 12 14 „         „ 4 24 15 Metallurgique 2 95 110 10–12 16 4 90 16–20 17 95 24–28 vgl. No. 15 18 108 140 30–35 19 119 40–45 20 Scheibler, Aachen 1 100 120 5 1000 21 „         „ 2 135 12–14 22 „         „ 4 24–28 23 „         „ 130 140 35–40 24 Clement-Bayard 2 80 106 17–9 25 „           „ 85 110 8–10 26 „           „ 100 120 10–12 27 „           „ 4 85 12–16 28 „           „ 100 20–24 vgl. No. 14 29 „           „ 140 24–30 30 „           „ 120 35–40 vgl. No. 23 313233343536 Daimler       1903      „           1904      „           1905De Dietrich    Fiat               Rich. Brasier   175165185190180160 150 80–9090–9512513011096 11001200 Gordon-Bennet-Renner.