Titel: Die Hebezeuge auf der Weltausstellung in Lüttich 1905.
Autor: K. Drews
Fundstelle: Band 321, Jahrgang 1906, S. 73
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Die Hebezeuge auf der Weltausstellung in Lüttich 1905. Von K. Drews, Oberlehrer an der Kgl. höh. Maschinenbauschule in Posen. (Fortsetzung von S. 38 d. Bd.) Die Hebezeuge auf der Weltausstellung in Lüttich 1905. 2. Laufkran der Société Anonyme John Cockerill in Seraing (Belgien). Die grosse belgische Maschinenhalle wurde durch drei Laufkrane von gleicher Tragfähigkeit bedient, deren einer (Fig. 2022) aus den Werkstätten der alten und rühmlichst bekannten Firma Cockerill hervorgegangen ist. Er diente hauptsächlich zur Montage der grossen Ausstellungsmaschinen dieser Firma. Grösste Nutzlast 30 t. Spannweite 24,13 m. Höchste Hakenstellung über Flurhöhe   9,39 m. Geschwindigkeiten. Heben 13–30 t v =   2,25 m/min. unter 13 t v =   5,2 Katzefahren v = 17,5 Kranfahren v = 40 Das Krangerüst ist in Fachwerk nach demselben System wie der Stuckenholzsche Kran ausgeführt, nur dass hier die Feldweiten kleiner sind. Jeder Hauptträger besteht aus zwei Fachwerkträgern mit gemeinsamen Ober- und Untergurtblechen (Fig. 22). Die Laufstege sind mit gelochten Blechen abgedeckt und an den Aussenseiten durch Geländer geschützt. Haupt- und Seitenträger sind oben und unten durch Diagonalverbände gegeneinander versteift. Die Höhe der Hauptträger beträgt in der Mitte 1814 mm, an den Enden 710 mm. Ganze Länge des Gerüstes 24,56 m bei 3,4 m Breite. Die Radkästen bestehen aus genieteten Blechträgern von 500 mm Höhe und 4,336 m Länge. Der Radstand beträgt 3,4 m. Für die Fahrbewegung des Kranes ist ein Hauptstrommotor von 27 PS normaler Leistung bei 600 Umdrehungen angeordnet, der in der Kranmitte unterhalb des einen Laufsteges in einem Blechkasten seinen Platz hat (Fig. 22). Auf der Motorwelle sind zwei Ritzel befestigt, die durch zwei voneinander getrennte Wellenstränge zwei Laufräder antreiben. Ebenfalls auf der Motorwelle sitzt eine elektromagnetische Bandbremse. Die Laufkatze hat einen schmiedeeisernen Rahmen. Ihre Spurweite beträgt 1,5 m, ihr Radstand gleichfalls 1,5 m. Für die Hubwinde ist ebenfalls ein Hauptstrommotor vorgesehen, der bei 600 Umdrehungen 27 PS leistet und mittels Schneckengetriebe und zweier Stirnradvorgelege zwei Seiltrommeln antreibt. Die Last hängt an sechs Seilsträngen. Wie aus Fig. 20 ersichtlich, verlässt der erste Strang die linke Trommel an der Vorderseite, geht über die erste lose Rolle in der Unterflasche nach der ersten festen Leitrolle am Gerüst, von dort über die zweite lose Rolle nach der zweiten festen und dann über die dritte lose Rolle nach der hinteren Seite der rechten Trommel. Das Seil wird demnach stets in demselben Sinne gebogen. Diese Anordnung bedingt jedoch, dass die Trommeln sich gegenläufig drehen. Zu diesem Zweck ist zwischen Vorgelege- und Trommelwelle bei der linken Trommel noch ein Zwischenrad a eingeschaltet (s. Fig. 21). Das Seil ist ein verzinktes Stahldrahtseil von sehr grosser Biegsamkeit. Der Haken dreht sich auf Kugeln. Die Trommeln und festen Leitrollen laufen lose auf einer gemeinsamen im Rahmen gelagerten Achse. Da die Selbstregulierung des Motors nicht ausreicht, um kleinere Lasten mit angemessener Geschwindigkeit zu heben, so ist noch ein ausrückbares Vorgelege angeordnet worden. Nach Fig. 21 sitzen lose auf der Schneckenradwelle zwei Stirnräder und zwischen ihnen eine Zahnkupplungsmuffe, die durch Feder und Nut mit der Welle fest verbunden, aber achsial verschiebbar ist. Je nachdem nun die Kupplung in Stirnrad b oder c gerückt wird, ist die Uebersetzung grösser oder kleiner. Textabbildung Bd. 321, S. 74 Laufkatze zum 30 t-Laufkran von John Cockerill. Das Einrücken geschieht mittels des Handhebels d (Fig. 20 und 22) vom Führerkorb aus. Die Katze muss also zu diesem Zweck stets nach dort fahren. Die Hubwinde besitzt zwei Bremsen; eine durch einen Elektromagneten betätigte Bandbremse auf der Motorwelle als Nachlaufbremse und eine Sperradbremse auf der Schneckenradwelle, die in Fig. 23 und 24 dargestellt ist. Auf die Schneckenradwelle ist die Scheibe a aufgekeilt, die vier Klinken trägt. Die innen mit Sperrzähnen, aussen mit Keilnuten versehene Scheibe b läuft lose auf der verlängerten Nabe von a. Um die Scheibe b legt sich ein Bremsband, das mit Gusseisenschuhen armiert ist. Beim Heben wird die Scheibe a von der Welle mitgenommen, während die Scheibe b durch das angezogene Bremsband festgehalten wird; die Klinken gleiten dabei über die Zähne weg. Halten der Last: Die Last sucht das Triebwerk und damit die Scheibe a rückwärts im Uhrzeigersinne zu drehen. Die Klinken greifen nun in die Zähne der Sperrscheibe ein und stützen die Last an der festgezogenen Scheibe b ab. Senken: Die Scheibe b wird durch das Anheben des Bremsgewichtes mehr oder weniger gelüftet und durch die mit dem Triebwerk verbundene Scheibe a mitgenommen. Gleichzeitig lüftet der Elektromagnet die andere Bandbremse auf der Motorwelle. Die Klinken sind um eine Viertel-Zahnteilung gegeneinander versetzt, so dass sich das Triebwerk nur um 1/156 Umdrehung der Bremswelle frei drehen kann. Dem würde unter Berücksichtigung der Uebersetzung ein freier Fall der Last von ungefähr 0,5 mm entsprechen; die Last ist mithin bei jeder Stellung unter der Gewalt der Bremse. Die Klinken werden durch Blattfedern in die Zähne gedrückt. Ein selbsttätiges Abheben der Klinken von den Zähnen beim Lastheben, um das klappernde Geräusch zu vermeiden, wie bei vielen deutschen Ausführungen, ist nicht vorhanden. Um dieses Klappern zu vermindern, sind die Gleitflächen der Klinken mit Leder belegt. Textabbildung Bd. 321, S. 75 Fig. 23 u. 24. Sperradbremse zur 30 t-Laufkatze von John Cockerill. Das Anheben des Bremsgewichtes geschieht mittels eines Handgriffes vom Führerkorb aus. Ein dünnes Drahtseil ist längs des Kranes gespannt. Der Festpunkt befindet sich an dem dem Führerkorb gegenüber liegenden Ende. Das Steuerseil geht von dort über Leitrollen an der Katze (Fig. 2022) zum Bremsgewicht und ist dann unterhalb der Katze nach dem andern Kranende geführt, wo es über Leitrollen am Krangerüst zum Führerkorb geleitet ist, Die Fahrtriebwerk der Katze besitzt einen Hauptstrommotor, der bei 600 Umdrehungen 10 PS leistet. Er treibt mittels Schneckengetriebe und Stirnradvorgelege eine Laufradachse an. Die Achsen sind fest; die Laufräder von 500 mm Durchmesser laufen lose auf ihnen. Eine Nachlaufbremse ist nicht vorhanden. Alle Zahnräder haben geschnittene Zähne; das Material ist teilweise Stahlguss. Die Laufräder sind aus Stahlguss hergestellt. Die elektrische Ausrüstung des Führerkorbes besteht aus drei Steuerwalzen, einem Schaltbrett mit Ausschalter, Sicherungen und Messinstrumenten. Die Motoren sind für 500 Volt Spannung gewickelt. Sie können ohne Ueberschreiten der zulässigen Erwärmung eine Stunde lang unter voller Belastung laufen. – Sperradbremsen findet man nicht oft bei elektrischen Laufkranen; werden sie aber dort verwandt, so werden sie in der Regel durch Elektromagnete betätigt. Wohl haben diese Bremsen gegenüber den gewöhnlichen Bandbremsen den Vorteil, dass der Bremsmagnet während des Hebens keinen Strom verbraucht; aber diesem Vorteil steht wieder der Nachteil des höheren Preises und wohl auch der geringeren Sicherheit gegenüber, indem das richtige Funktionieren von dem sicheren Eingriff der Klinken abhängt. Die Möglichkeit ist nicht ausgeschlossen, dass die Bremse hierin einmal versagt. Will man die Sperradbremse von Hand betätigen, so lässt sich dies bei Drehkranen leicht durch ein Gestänge bewerkstelligen. Bei Laufkranen mit festem Führerkorb setzen sich dieser Betätigung aber Schwierigkeiten entgegen, und diese liegen hauptsächlich wie bei dem vorliegenden Kran in der Notwendigkeit langer Steuerzüge, die die exakte und feinfühlige Handhabung der Bremse unsicher machen. Das Steuerseil ist hier etwa 30 m lang und läuft über acht Rollen. Wenngleich ein Belastungsgewicht am Handgriff die Eigenwiderstände der Rollen ausgleicht und das Seil straff hält, so wird eine Feinfühligkeit in der Betätigung der Bremse kaum zu erreichen sein. Ein zu schroffes Anziehen und Lüften wird ja durch eine Feder zwischen Bremshebel und Bremsgewicht zu verhüten gesucht; ob mit Erfolg, dürfte wohl zweifelhaft sein, zumal das Bremsband durch die Armierung mit Gusseisenklötzen sehr starr geworden ist. Ferner dürfte ein Tanzen des Bremshebels beim Fahren der Katze trotz der vorerwähnten Feder nicht zu vermeiden sein. Ausserdem sind die Handhabungen beim Senken für den Kranführer unbequem und auf die Dauer ermüdend. Mit der einen Hand betätigt er die Bremse, mit der anderen den Schalter, indem er entweder dem Elektromagneten zum Lüften der zweiten Bremse oder bei kleineren Lasten und leerem Haken dem Motor Strom geben muss. Während des Senkens ist demnach auch in letzterem Falle jede andere Kranbewegung ausgeschlossen. Meines Erachtens verdient die Art der Bremsung mittels Magnetbremse und Ankerbremsschaltung, wie sie von deutschen Firmen angewandt wird, unbedingt den Vorzug. Für einige besondere Fälle scheint mir eine Bremsmethode vorteilhaft, die bei der Besprechung des Laufkranes der Firma Gustin erörtert werden soll. Im übrigen machte der Laufkran mit seinen sehr kräftigen Formen und bezüglich der sorgfältigen Herstellung aller seiner Teile einen recht guten Eindruck. – Ein zweiter Laufkran der Firma Cockerill lief in einer Nebenhalle. Ueber ihn mögen folgende Angaben gemacht sein. Tragfähigkeit 10 t Spannweite 14,23 m. Geschwindigkeiten. Heben v = 11 m/min. Katzefahren v = 25 Das Krangerüst zeigte nichts Bemerkenswertes; es war nicht besonders für die Ausstellung konstruiert, sondern man hatte ein vorhandenes für diesen Zweck umgebaut. Der Rahmen der Katze besteht aus einem Rippengusskörper mit angegossenen Lagern. Der Radstand beträgt 1,25 m, die Spurweite 1,2 m. Der höchste Punkt der Katze liegt etwa 1,08 m über Schienenoberkante. Die Hubwinde besitzt einen Hauptstrommotor von 27 PS normaler Leistung bei 680 Umdrehungen. Die Uebersetzung der Trommel geschieht durch drei Stirnradvorgelegen. Die Last hängt an vier Seilsträngen, wovon zwei auf die Trommel laufen. Rädertabelle der Hubwinde. Vorgelege Teilungin mm Zähnezahl Teilkreis-durchm.in mm Zahn-breitein mm erstes TriebRad 2490 192720 65 zweites TriebRad 10π10π 1564 150640 80 drittes TriebRad 14π14π 1546 210644 100 Trommeldurchmesser 500 mm. Hubgeschwindigkeit: v=0,5\cdot \pi\,\frac{24}{90}\cdot \frac{15}{64}\cdot \frac{15}{46}\cdot \frac{1}{2}\cdot 680=11\mbox{ m}. Die Bremsanordnung ist dieselbe wie bei dem 30 t-Kran derselben Firma. Für die Fahrbewegung der Laufkatze ist ein Motor angeordnet, der bei 850 Umdrehungen 6 PS leistet, und der mittels dreier Stirnradvorgelege eine Laufradachse antreibt. Rädertabelle der Fahrbewegung. Vorgelege Teilungin mm Zähnezahl Teilkreis-durchm.in mm Zahn-breitein mm erstes TriebRad 5,25π 2166 110,25346,50 50 zweites TriebRad 1560   90360 50 drittes TriebRad 10π 1240 120400 60 Laufraddurchmesser 400 mm. Fahrgeschwindigkeit: v=\pi\cdot 0,4\cdot \frac{21}{66}\cdot \frac{15}{60}\cdot \frac{12}{40}\cdot 850\,\sim\,25\mbox{ m}. (Fortsetzung folgt.)