Titel: Anlage und Betrieb von Fabrikbahnen.
Autor: Hans A. Martens
Fundstelle: Band 321, Jahrgang 1906, S. 92
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Anlage und Betrieb von Fabrikbahnen. Von Regierungsbaumeister Hans A. Martens. (Fortsetzung von S. 73 d. Bd.) Anlage und Betrieb von Fabrikbahnen. Wagen. Zu einem Sondergebiet grössten Umfanges hat sich der Bau von Wagen für Fabrikbahnen herausgebildet. In richtiger Würdigung der Forderung, Ent- und Beladen der Wagen dem Verladegut möglichst anzupassen, damit geringster Arbeits- und Zeitaufwand erzielt wird, haben sich mannichfache Formen der Schmalspurwagen ergeben, von denen, die gebräuchlichsten und zweckmässigsten nachstehend beschrieben werden sollen. Vorherrschend ist das Bestreben, die Entladung von Massengütern nach Möglichkeit selbsttätig zu bewirken. Als weiterer leitender Grundsatz gilt, mit allen Bauarten bei geringstem Eigengewicht grösste Tragfähigkeit und Widerstandsfähigkeit zu erreichen. Hierauf wird sich bei Anschaffung von Wagen die Prüfung besonders zu erstrecken haben. Stahl wird als Baustoff reichlich verwendet. Die Radstände sind klein, für Lasten grösserer Längenausdehnung oder Förderungen in grösseren Einheiten sind Wagen mit Drehgestellen gebräuchlich, obwohl sie auf dem Fabrikhofe nur beschränkt verwendet werden können und sich mehr zu Fernförderungen eignen. Die Wagen haben für einfachere Betriebsverhältnisse und geringe Geschwindigkeiten keine Federung. Die Achslager werden zweckmässig als Kugellager ausgebildet (Fig. 21a und b zeigen die Anordnungen von Freudenstein & Co.). Die Räder mit einem Spurkranz sind denen mit zwei Spurkränzen wegen des geringeren Fahrwiderstandes vorzuziehen, was namentlich bei schlecht verlegtem Gleis (Bewegliche Gleise) zu beachten sein wird. Die Räder sind entweder auf den Achsen beide fest oder nur eins, während das andere lose ist, um das Durchfahren kleinster Krümmungen zu erleichtern. Bei einem Wagen laufen dann die diagonal liegenden Räder lose. Es können jedoch die hierfür bisher erdachten Konstruktionen noch nicht für mustergültig erklärt werden, da die Anordnung mit verlängerter Nabe und Schmierschraube durch eindringenden Staub und Sand schneller Abnutzung unterworfen ist. Die Zug- und Stossvorrichtungen sind einfachster Bauart und nähern sich um so mehr denen der Normalspurbahnen, je mehr der Betrieb diesen ähnelt. Textabbildung Bd. 321, S. 93 Fig. 21a. Aussenlager von Freudenstein & Co. Textabbildung Bd. 321, S. 93 Fig. 21b. Innenlager von Freudenstein & Co. Als Normalspurwagen kommen hauptsächlich Plattformwagen zum Transport schwerer Werkstücke für den Fabrikbetrieb in Frage. Für den Fernverkehr zum Versand seien Gefässwagen, Spiegelwagen, Selbstentlader, Geschütztransportwagen als Beispiele von Sonderbauarten genannt. Textabbildung Bd. 321, S. 93 Fig. 22. Muldenkipper von Freudenstein & Co. Von allen Wagenformen haben die Stahlmuldenkippwagen für schmal- und normalspurige Fabrikbahnen die weitaus grösste Verbreitung und Verwendung gefunden: Die Förderung von Massengut aller Art, vorzugsweise Kohle, Erz, Schlacke, Feldfrüchte, Gestein, Boden wird in ihnen, die je nach der beabsichtigten Entladung als Seiten- oder Vorderkipper gebaut werden, wirtschaftlich erreicht. Der Normaltypus zeigt ½ bis ¾ cbm Inhalt, obwohl auch Wagen von 1 bis 2 cbm Inhalt gebaut werden. Die Tragfähigkeit beträgt bei einem ½ cbm-Wagen 2500 kg. Beim Ankauf von Wagen ist darauf zu achten, ob der Inhalt für die über dem oberen Rand abgestrichene Mulde gilt oder ob er unter Hinzurechnung des Schüttkegels angegeben wird. Im letzteren Fall werden natürlich die angebotenen Wagen erheblich kleiner, mithin auch billiger sein. Die Mulden der Seitenkipper ruhen auf zwei Böcken, die auf das Untergestell für gewöhnlich aufgenietet sind. Textabbildung Bd. 321, S. 93 Fig. 23. Muldenkipper mit Krahnosen von Koppel. Textabbildung Bd. 321, S. 93 Krangehänge zu Fig. 23. In Fahrtstellung ist die Mulde gegen Kippen gesichert; die Feststellung geschieht häufig selbsttätig beim Zurückschsingen nach Entleerung. Der Kippwinkel beträgt 40°, wobei Umschlagen des Wagens ausgeschlossen ist, völlige Entladung aber bei den meisten Massengütern erreicht wird. Wichtig ist es, die Ladehöhe sehr gering zu halten, um beim Beladen von Hand von Planhöhe eine geringste Hub- und Wurfarbeit zu leisten; sie beträgt meist 1060 mm bei ½ cbm-, 1170 mm bei ¾ cbm-Wagen. Glässing & Schollwer in Berlin bauen Seitenmuldenkipper, die sich für das Beladen auf halbe Höhe durch besondere Feststellvorrichtung einstellen lassen. Der Rand der Mulde wird bei guten, dauerhaften Konstruktionen mit einem Handleisteneisen gesäumt, welches ausser dem Schutz gegen Verletzungen der Arbeiter der Mulde grössere Festigkeit im ganzen und im besonderen gegen das Zerstören des Randes gibt. Textabbildung Bd. 321, S. 94 Fig. 24. Muldenkipper für Kettenaufzüge von Koppel. Für das Verladen aus Schiffen in Muldenkipper dient die Sonderbauart mit abnehmbaren, besonders kräftig gebauten Mulden, die mit Hängeösen versehen waren. Die Mulden werden vom Kran gefasst, in den Schiffsraum hinabgelassen, beladen wieder hochgewunden, auf die Untergestelle gesetzt und der Entladestelle zugeführt. Textabbildung Bd. 321, S. 94 Fig. 25. Vorderkipper von Glassing & Schollwer. Für enge Durchfahrten in Tunneln, Gruben, Förderstellen dienen besonders schmal gebaute Muldenkipper. Für Förderung mittels Ketten- oder Seilbahn werden die Mulden mit Fanggabeln und Klemmvorrichtungen ausgerüstet. Fig. 22 stellt einen stählernen Muldenkipper mit Bremse, Bauart Freudenstein & Co., Berlin, dar. Fig. 23 zeigt einen von Arthur Koppel, Berlin, gebauten Muldenkipper mit Kranösen nebst zugehörigem Krangehänge. Fig. 24 lässt die Fanggabeln an einem Muldenkipper für Kettenaufzüge erkennen. Für gewöhnlich werden die Wagen ohne Bremse gebaut; es empfiehlt sich jedoch, in Zügen und auf geneigten Strecken jeden fünften bis sechsten Wagen aus betriebssicherheitlichen Rücksichten mit Bremse ausgerüstet zu verwenden. Die Bremse ist meist eine Spindelbremse, die von einem Arbeiter, der auf der verlängerten Wagenplattform Platz nimmt, bedient wird. Wagen ohne Bremse sind wirksam mit einem Bremsknüttel abzubremsen, der in einen an dem Rahmen angenieteten Zacken, dem sogenannten Bremsbügel oder Winkel, eingelegt und durch den nebenherschreitendan Mann auf das Rad gedrückt wird. Textabbildung Bd. 321, S. 94 Fig. 26. Rundkipper von Koppel als Seitenkipper gestellt. Wagen, welche die Ladung nach vorn auskippen sollen, werden als sogenannte Vorderkipper gebaut oder als Rundkipper, bei denen das Muldengestell um einen aufrechten Zapfen drehbar ist und zur Unterstützung, sowie zur Erleichterung der Drehung auf vier Rollen gelagert ist. Fig. 25 zeigt einen Vorderkipper, Bauart Glässing & Schollwer, Fig. 26 einen Rundkipper, Bauart Arthur Koppel, Berlin. Die Mulde wird in der üblichen Form gewählt oder als sogenannte Schnabelmulde um das Ladegut möglichst weit über das Untergestell hinweg auszuschütten, Fig. 27, Bauart Freudenstein & Co. Indessen lassen sich diese Wagen nicht als geschlossene Züge befördern, sondern sind nur für den Einzelbetrieb von Hand verwendbar, was als Nachteil angesehen werden muss. Um die Untergestelle allgemein verwendbar machen zu können, werden sie von einigen Firmen als zweiachsige Drehgestelle gebaut, auf welche sich verschiedene Aufsätze bringen lassen und wobei sie allein als Einzelwagen oder als Drehgestelle von vierachsigen Wagen laufen können. Um die Grundbauart der Wagengestelle zum Muldenkipper zu verwenden, werden die die Mulden tragenden Böcke aufgeschraubt oder angenietet, worauf der Wagen zum Gebrauch fertig ist. Es lassen sich auch die Untergestelle nebst Böcken zu Kasten- oder Plattformwagen mit Stirnwänden mit Leichtigkeit umwandeln, indem nach Fortnahme der Mulden mitgelieferte, hölzerne Kastenaufsätze zwischen die Böcke gesetzt werden. Fig. 28 und 29 zeigen solche hergerichtete Wagen von Freudenstein & Co., Berlin. Die Anforderungen eines brauchbaren Muldenkippers lassen sich zusammenfassen in nachstehende Punkte: Textabbildung Bd. 321, S. 95 Fig. 27. Rundkipper mit schnabelförmigem Kasten von Freudenstein & Co. Textabbildung Bd. 321, S. 95 Fig. 28. Untergestell eines stählernen Muldenkippwagens mit Holzkastenaufsatz von Freudenstein & Co. Textabbildung Bd. 321, S. 95 Fig. 29. Derselbe Wagen, aber ohne Seitenwände, als Plattformwagen, von Freudenstein & Co. Textabbildung Bd. 321, S. 95 Fig. 30. Kohlenwagen für Kesselhäuser von Koppel. 1. Grosse Festigkeit, geringes Gewicht bei grosser Tragfähigkeit. 2. Geringer Fahrwiderstand (Rollenlager). 3. Standsicherheit. 4. Keine losen, verlierbaren Teile. 5. Selbsttätige Feststellung beim Zurückschwingen der leeren Mulde, so wie Verhinderung des Zurückschlagens derselben nach der Rückseite, d.h. nach der Seite, wo der bedienende Arbeiter steht. 6. Handleisten an der Mulde. Eine besondere Bauart eines Kohlenförderwagens zur Bedienung von Kesselhäusern hat die Aufgabe gezeitigt, aus den Förderwagen unmittelbar ohne Ausschütten die Kohle unter den Kesseln zu verfeuern, um das Kesselhaus sauber zu halten. Die Wagen müssen fahrbar sein auf Schienen, Fahrdielen oder Zementboden, weswegen sie mit breiten Spurkränzen ausgerüstet sind, auf denen sie nach Verlassen der Schienen laufen. Eine der vielen Ausführungsformen zeigt Fig. 30, Bauart Arthur Koppel, Berlin. (Schluss folgt.)