Titel: Die Hebezeuge auf der Weltausstellung in Lüttich 1905.
Autor: K. Drews
Fundstelle: Band 321, Jahrgang 1906, S. 161
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Die Hebezeuge auf der Weltausstellung in Lüttich 1905. Von K. Drews, Oberlehrer an der Kgl. höh. Maschinenbauschule in Posen. (Fortsetzung von S. 138 d. Bd.) Die Hebezeuge auf der Weltausstellung in Lüttich 1905. Laufkran von Gustin Fils Ainé in Deville (Frankreich). Die kleine belgische Maschinenhalle wurde durch einen Laufkran bedient, den die französische Firma Gustin Fils Ainé für die Ausstellung geliefert hatte. Grösste Nutzlast 12 t Spannweite 14,23 m. Geschwindigkeiten. Heben v =   3 m/min. Katzefahren v = 30 Kranfahren v = 50 Die Haupt- und Seitenträger des Krangerüstes sind in Fachwerk von kleinen Feldweiten ausgeführt. Die Laufstege sind mit engmaschig gelochtem Blech abgedeckt und mit Geländerversehen, das in seinem unteren Teile einen Kreuzverband mit Rosetten in den Schnittpunkten enthält. Die Fahrbewegung wird wie bei dem Laufkran der Cie. Internationale durch zwei Kompoundmotoren bewirkt, die auf den Radkästen ihren Platz haben; beide Motoren sind jedoch hier zum Ausgleich ihrer Touren durch eine Längswelle verbunden. Textabbildung Bd. 321, S. 161 Fig. 37. Laufkatze zum 12 t-Laufkran von Gustin Fils. Der Rahmen der Laufkatze (Fig. 37) besteht aus zwei Stahlgusschildern mit angegossenen Lagern für die Wellen. Die Hubwinde wird durch einen Hauptstrommotor angetrieben, der bei 1100 Umdrehungen 11 PS leistet. Seins Regulierbarkeit bei voller Belastung liegt zwischen 1/10 und 1. Die Uebersetzung zur Lasttrommel wird nur durch Stirnradvorgelege bewirkt. Das Zugorgan ist eine Gallsche Kette. Die Winde ist mit einer selbsttätigen Senksperrbremse versehen (Fig. 38). Auf der Welle a ist eine Friktionsscheibe b befestigt. Trieb c, das auf der einen Seite zu einer Gegenscheibe r ausgebildet ist, während auf seiner anderen Stirnseite sich zwei Schraubenflächen n befinden, läuft lose auf der Welle, ebenso das Stirnrad z. Dieses hat links ebenfalls einen Ansatz e mit Schraubenflächen auf der Stirnseite, die mit denjenigen des Triebes c zusammenpassen. Rechts legt es sich gegen den Bund einer mit der Welle fest verbundenen Scheibe m, deren linke Stirnseite als Schreubenfläche ausgebildet ist, die mit einer entsprechenden des Reibkegels o in Berührung steht. Dieser läuft lose auf der Nabe der Bremsscheibe p, die ihrerseits wiederum lose auf der Welle läuft. Textabbildung Bd. 321, S. 161 Fig. 38. Senksperrbremse zur 12 t-Laufkatze von Gustin Fils. Heben: Stirnrad z dreht sich nach vorn in Pfeilrichtung und drängt das Trieb, das vorläufig durch die Last zurückgehalten wird, infolge der Wirkung der Schraubenflächen gegen die feste Reibscheibe. Stirnrad, Trieb und Welle sind nun durch Reibung gekuppelt und bewegen sich in Pfeilrichtung. An der Drehung nimmt auch die Scheibe m teil; der achsiale Druck gegen den Reibkegel o wird dadurch aufgehoben und dieser selbst durch den Zahn w der Scheibe m mitgenommen wird. Das Bremsband auf der Bremsscheibe p bleibt durch ein Gewicht angezogen und hält die Scheibe fest. Halten: Die Kraftwirkung geht hierbei von dem Trieb aus, das unter dem Einflüsse der freischwebenden Last steht. Diese sucht das Trieb entgegengesetzt der Pfeilrichtung zu drehen. Stirnrad, Trieb und Welle bleiben daher gekuppelt und würden von der Last im Sinne des Senkens angetrieben werden, wenn nicht der Reibkegel o durch die Wirkung der Schraubenflächen in den Hohlkegel der Bremsscheibe gedrückt würde. Die Last stützt sich daher an der fest angezogenen Bremsscheibe ab. Senken: Der Motor treibt das Stirnrad z im Sinne des Lastsenkens an, wodurch die Kupplung zwischen Trieb und Welle gelöst wird und dieses sich unter dem Rücktrieb der Last frei auf der Welle bewegt. Eilt das Trieb indes dem Rade vor, so wirken die Schraubenflächen stets auf Schluss der Kupplung. Dem Motor fällt also beim Senken die Aufgabe zu, die Kupplung zwischen Trieb und Welle gelöst zu halten. Die Senkgeschwindigkeit der Last wird daher durch den Motor reguliert. Man kann indes das Senken auch mit stromlosem Motor bewirken, indem man durch Lüften des Bremsbandes die Bremsscheibe freigibt. Der Mechanismus ist geräuschlos, da keine Klinken vorhanden sind. Den Wirkungsgrad der Hubwinde gibt die Firma Gustin mit 0,65 an. Für die Fahrbewegung der Kratze ist ein Hauptstrommotor von 3 PS normaler Leistung vorgesehen, der mittels zweier Stirnradvorgelege eine Laufradachse antreibt. Die Motortriebe sind aus Rohhaut, die schnellaufenden Räder aus Bronze hergestellt. Das Material der Laufräder ist Stahlguss. Der Führerkorb enthält drei Steuerschalter, die Widerstände, ein Schaltbrett mit Messinstrumenten und Ausschalter. Anstatt der Sicherungen ist für jeden Motor ein Maximalausschalter vorhanden. Die konstruktive Durchführung dieses Laufkranes fordert in mancherlei Hinsicht die Kritik heraus. So z.B. war kein Grund vorhanden, bei der vorliegenden Spannweite und Tragfähigkeit die Kranträger in Fach werk auszuführen. Ist dies wegen der Lichtwirkung geschehen, so ist der Zweck insofern nicht voll erreicht, als die Feldweiten viel zu klein und das System selbst nicht zweckmässig gewählt sind, wozu die Engmaschigkeit der gelochten Bleche auf den Laufstegen ein weiteres beiträgt. Textabbildung Bd. 321, S. 162 Fig. 39. Dem Konstrukteur hat wohl bei dem Entwurf des Krangerüstes eine eiserne Brücke mit seitlichen Laufstegen, die auf Konsolen ruhen, vorgeschwebt. Fig. 39 zeigt schematisch den Querschnitt durch eine Gerüsthälfte des Kranes. Bei einer Brücke, die sich im Freien befindet und das Landschaftsbild nicht verunstalten soll, sind für die Formgebung ihrer Glieder nicht ausschliesslich Zweckmässigkeitsgründe und die Herstellungskosten massgebend, sondern hier spielt auch die Architektonik sehr oft eine wichtige Rolle. Bei dem Entwurf eines Laufkrangerüstes scheidet diese aber vollständig aus; hier sind die Gesetze der Statik und Festigkeit, die Zweckmässigkeit und die Herstellungskosten die entscheidenden Faktoren. Die in der obigen Skizze dargestellte Formgebung entspricht ja eigentlich den Gesetzen der Festigkeitslehre, und das Auge eines Laien könnte dadurch wohl befriedigt sein, nicht aber dasjenige des Ingenieurs. Für diesen sind bei der Formgebung vor allen Dingen die richtige Materialbehandlung und der Herstellungspreis, die fast immer im engen Zusammenhange stehen, massgebend, gegen die die strenge Befolgung jener Gesetze zurückweichen muss. Wenn man bei einem Laufkranträger die Gurtungen nach den Enden schwächer, die Wandglieder aber stärker machen würde, so entspräche dies durchaus den Grundsätzen der Festigkeitslehre. Und doch wird bei unseren üblichen Spannweiten das Auge des Ingenieurs dadurch nicht befriedigt sein, weil eine solche Konstruktion der Zweckmässigkeit und der Werkstattpraxis zuwider laufen würde. Denn diese verlangen möglichst wenig Wechsel der Profile. Für den Krankonstrukteur dürfen in bezug auf die Herstellung des Gerüstes vorerst nur Bohrmaschine, Lochmaschine, Schere und Kaltsäge existieren; in die Schmiede darf er sich nur bei den Haaren hineinziehen lassen. Gegen diese selbstverständlichen Regeln ist aber bei dem Gustinschen Kran durchaus gefehlt worden. Die Winkeleisen a (Fig. 39) zwischen Haupt- und Seitenträger müssen in der Schmiede nach Schablone gebogen werden. Dazu kommt noch, dass die Senkrechten der Hauptträger sich mit Kröpfung an die Gurtungen anschliessen. Ferner sind die Bandeisen des oben erwähnten im übrigen zwecklosen Kreuzverbandes an den Geländern doppelt gekröpft. Zweckentsprechende, gefällige, sogar in ihrer Eigenart schöne Formen bei richtiger Materialbehandlung, aber nicht auf Kosten der Materialbehandlung sind zu erstreben. Dass dieses wohl erreichbar ist, zeigt zur Evidenz der Stuckenholzsche Kran und auch mehr oder weniger die anderen auf der Lütticher Ausstellung. So grosse Verdienste sich der verstorbene Professor Reuleaux um die Ingenieurwissenschaften erworben hat, seinen Bestrebungen, Maschinen durch Anpassung an architektonische Formen „schön“ zu machen, ist der Ingenieur mit Recht nicht gefolgt. Glaubte der Konstrukteur des Gustinschen Kranes für die Ausstellung etwas besonderes tun zu müssen, so war der von ihm gewählte Weg jedenfalls verfehlt. Ausstellungsgegenstände sollen wohl besonders sorgfältig in ihrer Ausführung sein, aber den gewöhnlichen Herstellungsprinzipien und dem gewöhnlichen Gebrauch dürfen sie nicht widersprechen. Was bei der Konstruktion des Gerüstes zu viel ist, fehlt wieder an anderer Stelle. So ist z.B. auf die Ausstattung des Führerkorbes recht wenig Wert gelegt worden. Die Steuerschalter sind recht primitive Apparate. Die Widerstände sind offen an der Aussenwand des Führerkorbes angebracht, was wohl für die Wärmeausstrahlung vorteilhaft ist, aber wo sie auch der Verschmutzung und Beschädigung mehr ausgesetzt sind. Der verschlusslose Eingang würde bei uns ohne weiteres vom Gewerbeinspektor verboten werden. Französische und belgische Hebezeugfirmen bevorzugen noch selbsttätige Senksperrbremsen. In Deutschland scheint man jetzt davon abgekommen zu sein; man begnügt sich mit einer kräftigen, von einem Elektromagneten betätigten Band- oder Backenbremse. Die Senkgeschwindigkeit der Last wird durch Ankerbremsschaltung reguliert. Die Bremse des Gustinschen Kranes unterscheidet sich darin von den gewöhnlichen Senksperrbremsen, dass sie auch von Hand gelüftet werden kann und dann als gewöhnliche Bandbremse wirkt. Das Lüften von Hand würde wie beim Cockerillschen Laufkran Steuerzüge erfordern, die, wie schon dort erwähnt, bei Laufkranen nicht empfehlenswert sind. Wohl aber bietet die Gustinsche Bremse die beachtenswerte Möglichkeit, schwere Lasten entweder mittels der Senksperrbremse mit jeder innerhalb der Reguliergrenzen des Motors liegenden Geschwindigkeiten oder mittels der Bremsschaltung des Motors zu senken. Zu diesem Zweck müsste das Bremsband durch einen Elektromagneten, der aber beim Heben keinen Strom erhält, gelüftet werden. Wollte man den Steuerschalter des Stuckenholzschen Kranes dazu einrichten, so würde dieser nach der Nullstellung in Senkrichtung zwei bis drei Kontakte erhalten, wo der Motor mit Strom aus dem Netz die Last senkt. Beim nächsten Kontakt könnte dann der Motor vom Netz abgeschaltet und als Generator auf Widerstände geschaltet werden, wobei gleichzeitig der Elektromagnet Strom erhält und das Bremsband lüftet. Die Konstruktion würde wohl etwas teuer werden, dürfte sich aber in gewissen Fällen bei schweren Lasten empfehlen. Flottes Senken könnte dann mittels Ankerbremsschaltung des Motors, feine Einstellung der Last und sanftes Senken mittels der Senksperrbremse bewirkt werden. Dass reiner Stirnräderantrieb bei einem Motor mit so hoher Umdrehungszahl, wie es derjenige der Hubwinde ist, nicht angebracht ist, habe ich schon bei der Besprechung des Laufkranes der Firma Gilain erwähnt. – Laufkran von Delattre-Westinghouse. Das letzte Schiff der Maschinenhalle wurde durch einen Laufkran bedient, dessen mechanischer Teil von der Firma Aug. Delattre & Cie. in Ferrières-la-Grande (Nordfrankreich) ausgeführt ist, während der elektrische Teil von der Westinghouse-Gesellschaft in Hävre herrührt. Die Daten des Laufkranes sind folgende: Grösste Nutzlast 12t Spannweite 14,23 m Hub   7,5 Wagerechter Hakenweg 12,1 Hubgeschwindigkeit v =   6 m/min. Katzefahren v = 30 Kranfahren v = 60 Das Krangerüst besteht hier zum Unterschiede von denjenigen der vorher beschriebenen Laufkrane nach amerikanischem Muster aus zwei vollwandigen Kastenträgern. Jedoch hat man an beiden Längsseiten der Träger Laufstege mit Geländer und Bohlenbelag angeordnet, die jedoch nur als solche dienen, nicht aber, wie bei deutschen Ausführungen, das ganze Fahrtriebwerk aufnehmen. Textabbildung Bd. 321, S. 163 Fig. 40. Hubmotor zum 12 t-Laufkran von Delattre-Westinghouse. Die Laufstege bestehen deshalb nur je aus einem Winkeleisen, das durch einen wagerechten Verband gegen den zugehörigen Hauptträger versteift ist. Der Fahrmotor ruht in Kranmitte auf einem Konsol; er treibt mittels Stirnradvorgeleges eine Längswelle an, die, durch Konsollager unterstützt, in bekannter Weise durch Stirnradvorgelege zwei Laufräder antreibt. Die Welle liegt oberhalb des Bohlenbelages, während der Fahrmotor sich unterhalb desselben befindet. Die Laufkatze besteht aus einem Hohlgussrahmen, auf dem die Hubwinde und das Fahrtriebwerk montiert sind. Das Material der Laufräder ist Stahlguss. Die Last hängt an vier Strängen eines Drahtseils, wovon zwei an der Seiltrommel befestigt sind, während die beiden anderen in einer Schleife über die feste Umkehrrolle gelegt sind. Der Lasthaken ruht auf Kugeln. Die Uebersetzung geschieht bei allen Triebwerken nur durch Stirnräder, die sämtlich gefräste Zähne haben. Die Räder sind aus Stahlguss, die Triebe aus geschmiedetem Stahl. Die Motorvorgelege laufen in Oel. Die Hubwinde besitzt zwei Bremsen: eine elektromagnetische Bandbremse zum Halten der Last und eine selbsttätige Senksperrbremse; diese ist auf der ersten Vorgelegewelle untergebracht, jene sitzt auf der Motorwelle. Der Motor muss demnach beim Senken Strom aus dem Netz erhalten. Sämtliche Motoren des Kranes haben Hauptstromwicklung und zwar zum Unterschiede von den Motoren der anderen Krane für 220 Volt Spannung. Sie liegen daher an einem inneren und einem äusseren Draht des Dreileiternetzes der Ausstellung. Der Hubmotor hat eine normale Leistung von 30 PS bei 550 Umdrehungen; er ist staub- und wasserdicht eingekapselt (Fig. 40). Der Katzefahrmotor leistet normal 2 PS bei 950 Umdrehungen, der Kranfahrmotor 7,4 PS bei 725 Umdrehungen. Textabbildung Bd. 321, S. 163 Fig. 41. Kontroller zum Laufkran von Delattre-Westinghouse. Für jede Bewegung des Kranes ist ein Kontroller vorhanden, der nicht nach Art der Bahnschalter mit Walze, sondern nach Art unserer gewöhnlichen Schalter konstruiert ist (Fig. 41). In einem gusseisernen, nach drei Seiten offenen Kasten befinden sich die Widerstände. Auf der Vorderseite ist eine kreisförmige Marmorplatte mit den Kupferkontakten befestigt, über die durch einen Handhebel bewegt zwei Bürstenpaare gleiten. An den Bürsten befinden sich die magnetischen Funkenlöscher. Das Führerhaus hängt an dem einen Ende des Kranes. Es enthält die Steuerapparate und ein Schaltbrett mit den nötigen elektrischen Messinstrumenten. Die Hebel der Steuerapparate sind so angeordnet, dass ihre Bewegungen mit denjenigen des Kranes übereinstimmen. Die blanken Kupferleitungen für die Motoren der Laufkatze liegen an den Innenseiten der Hauptträger. Das Krangerüst wiegt 14000 kg, die Katze 5000 kg. Der Kran bietet in seiner Konstruktion sonst nichts bemerkenswertes. Die Einwände, die in bezug auf das Material des Laufkatzenrahmens schon bei Besprechung des Kranes der Cie. Internationale gemacht worden sind, gelten auch hier. Anstatt der selbsttätigen Senksperrbremse hätte man wohl besser elektrische Bremsung durch Ankerbremsschaltung des Motors gewählt. In bezug auf die Gerüstform ist das Nötige schon bei der allgemeinen Besprechung der Laufkrane gesagt worden. (Fortsetzung folgt.)