Titel: | Die Wärmekraftmaschinen der Jubiläums-Landes-Ausstellung in Nürnberg 1906. |
Autor: | H. Meuth |
Fundstelle: | Band 321, Jahrgang 1906, S. 370 |
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Die Wärmekraftmaschinen der
Jubiläums-Landes-Ausstellung in Nürnberg 1906.
Von Dr.-Ing. H. Meuth,
Landau (Pfalz).
Die Wärmekraftmaschinen der Jubiläums-Landes-Ausstellung in
Nürnberg 1906.
Vorbericht.
Zum drittenmal innerhalb der letzten 25 Jahre wird in Nürnberg eine grosse
Landesausstellung veranstaltet. Diesmal geschieht es aus Anlass der 100 jährigen
Wiederkehr der Erhebung Bayerns zum Königreich. Das ganze Land wird hierbei Zeugnis
ablegen, zu welch hoher Blüte Industrie, Kunst und Handwerk in dem verflossenen
Jahrhundert gelangt sind; Nürnberg selbst, die alte ehemalige freie Reichsstadt, wo
so viele Schöpfungen an die früheren glanzvollen Tage eines in Kunst und Handwerk
überaus regsamen Bürgertums erinnert, wird seine Gäste durch eine imposante
Schaustellung seiner Erzeugnisse davon überzeugen, dass es den Ruhm jener Zeiten
heute in vollem Umfang wiedergewonnen hat. Die Ausstellung ist in nahezu vollendetem
Zustand am 12. Mai unter der Anwesenheit des Prinzen Ludwig von Bayern feierlich
eröffnet worden.
Ein ganz besonderes Interesse darf die Ausstellung auf dem Gebiete der Wärmekraftmaschinen beanspruchen, worüber im Folgenden
berichtet werden soll. Zieht man hierbei die letzte Nürnberger Ausstellung zum
Vergleich heran, so wird auch dem diesem Gebiete Fernerstehenden in einzelnen
Zweigen: Dampfturbinen, Grossgas- und Oelmaschinen eine geradezu sprunghafte
Entwicklung auffallen. Was in diesem letzten Dezennium im Bau dieser Maschinen
geleistet worden ist, hat tatsächlich die kühnsten Erwartungen, die sich vor zehn
Jahren an die Entwicklung derselben nur knüpfen konnten, weit übertroffen. An diesem
ausserordentlichen Fortschritt hat auch die Maschinenindustrie Bayerns einen
bedeutenden Anteil. Es mögen wohl die hohen Frachtsätze auf die vorzugsweise von
auswärts zu beziehenden Brennstoffe dabei mitbestimmend sein, dass die Konstrukteure
von Wärmekraftmaschinen hier vielleicht mehr wie anderswo auf die sparsamste
Umsetzung der Brennstoffenergie bedacht sind.
In diesem Vorbericht sollen nur einige allgemeine Bemerkungen Platz finden über den
heutigen Stand der Wärmekraftmaschinen, wie er auf der Ausstellung zum Ausdruck
kommt, und nur einzelne Ausstellungsgegenstände angeführt werden, welche auf den
eingetretenen Fortschritt besonders deutlich hinweisen. In dem später folgenden
Hauptbericht wird dann im einzelnen auf die ausgestellten Maschinen näher
eingegangen werden.
Die Kolbendampfmaschine, die auf der Ausstellung von
1896 in grosser Mannigfaltigkeit vertreten war, kommt diesmal dem Besucher nur in
wenigen, ziemlich gleichartigen Ausführungen zu Gesicht. Sie scheint in eine Art
Stillstand ihrer nun mehr als 100jährigen Entwicklung eingetreten zu sein; oder
es ist vielleicht richtiger, zu sagen, dass die heutige Kolbendampfmaschine mit der
Einführung der mehrstufigen Expansion und hoher Ueberhitzung ihre technische
Vollkommenheit nahezu erreicht hat. Etwas wesentlich Neues konnte daher an den
ausgestellten Maschinen (z.B. an den liegenden Tandemmaschinen von L. A. Riedinger und der Maschinenfabrik Augsburg in der bekannten hervorragenden Ausführung dieser
Firmen) nicht gezeigt werden.
In den letzten Jahren hat der Dampfmaschinenbau eine neue Richtung eingeschlagen
durch die Entwicklung der Dampfturbine. Es wird den
Besuchern der Ausstellung gezeigt, wie auf verhältnismässig kleinem Raum, bei
geringen Abmessungen der ganzen Anlage, mit voller Sicherheit und Ruhe die
Umwandlung bedeutender Energiemengen vor sich geht; es wird ihnen überzeugend zum
Ausdruck gebracht, dass die Dampfmaschine in der so einfachen Form der Dampfturbine
in der Tat am Anfang einer neuen, erfolgreichen Entwicklung steht, die schon jetzt
für die Ausgestaltung elektrischer Zentralen von grösstem Einfluss ist und ohne
Frage auch die Umgestaltung von vielen anderen bestehenden Betriebsverhältnissen zur
Folge haben wird. Von den ausgestellten Dampfturbinen seien vorläufig nur erwähnt
die 700 PSe-Turbine nach dem System Zoelly, erbaut von der Maschinenbaugesellschaft Nürnberg, welche mit einer Gleichstromdynamo von
2500 Umdrehungen i. d. Minute für den Lichtbetrieb der Ausstellung direkt gekuppelt
ist; eine Druckturbine von etwa 200 PSe und eine
Ueberdruckturbine von etwa 100 PSe, ferner eine
Turbolokomobile von etwa 40 PSe, die letzteren drei
Maschinen von der Allgemeinen Dampfturbinengesellschaft
in Nürnberg erbaut. Bezüglich der Wärmeökonomie erreicht die Dampfturbine jetzt
schon unsere besten Kolbendampfmaschinen. Nach Angaben der Maschinenbaugesellschaft Nürnberg betrug z.B. der Verbrauch an überhitztem
Dampf bei einer der Ausstellungsturbine ähnlichen 500pferdigen Versuchsturbine 8,54
kg pro Kilowatt-Stunde.
Im gesamten sind auf der Ausstellung Kolbendampfmaschinen mit einer Leistung von 600
PS und Dampfturbinen mit einer Leistung von 1300 PS aufgestellt und werden im
Betriebe vorgeführt. Zur Lieferung des nötigen Dampfes sind fünf grosse
Wasserrohrkessel und ein kombinierter Kessel mit zusammen 1520 qm Heizfläche und
einer stündlichen Dampferzeugung von 30000 kg vorhanden. In einem eigenen Pumpenraum
neben dem Kesselhaus (s. S. 371 Grundrisskizze der Maschinenhalle) sind vier
Speisepumpen zur Speisung der Kessel untergebracht, ferner noch eine
Drillingskolbenpumpe und zwei Zentrifugalpumpen für die Rückkühlanlage.
Ausser der Dampfturbine stellt die Entwicklung der Gross-Gas-
und Oelmaschine wohl den grossartigsten Fortschritt dar, der sich in den
letzten Jahren im Kraftmaschinenbau, ja vielleicht in dem gesamten Gebiete des
Ingenieurwesens vollzogen hat. Ein Vergleich mit dem hierin auf der Ausstellung von
1896 Gebotenen muss den erstaunlichen Fortschritt besonders auffä(lig erscheinen
lassen. Auf jener Ausstellung wurden nur einige kleine Gas- und Petroleummaschinen,
fast ausschliesslich für die Kleinindustrie bestimmt, gezeigt und heute wird im
Betriebe vorgeführt: eine Gasmaschine von 700 PSe,
welche von einer Braunkohlengeneratorgasanlage gespeist wird. Generator und Maschine
sind von der Maschinenbaugesellschaft Nürnberg erbaut;
letztere, mit zwei Zylindern in Tandemanordnung im Viertakt doppelt wirkend, ist mit
einer Wechselstromdynamo gekuppelt und liefert Strom für die Ausstellung,
Wenn zu der guten Wärmeausnutzung, welche die Gasmaschine im Vergleich zur
Dampfmaschine gewährt und im Prinzip gewähren muss, noch die Verwendung eines
billigen Gases hinzukommt, dann erst kann sie in eine erfolgreiche Konkurrenz mit
der Dampfmaschine eintreten, nachdem die Hauptschwierigkeiten, die sich dem Ausbau
des Gasmotors zur Grossgasmaschine entgegenstellten und hauptsächlich auf der
maschinentechnischen und weniger auf der gastechnischen Seite lagen, als überwunden
gelten können. Bisher war man aber, abgesehen von Hochofen- und Koksofengas, bei der
Erzeugung von Kraftgas auf guten Koks oder Anthrazit beschränkt. Beide sind
verhältnismässig teure Brennstoffe. Es muss daher als ein Fortschritt von enormer
wirtschaftlicher Tragweite angesehen werden, dass es jetzt gelungen ist, auch
Braunkohle in roher und brikettierter Form in einfacher Weise im Generator zu
vergasen und damit ein billiges Kraftgas zu erzeugen. Der grosse Reichtum an
Braunkohlen in Deutschland (1905 wurden über 50 Millionen Tonnen gefördert) wird
auch eine Lieferung dieses Brennstoffes unter wenig schwankenden Bedingungen
voraussichtlich auf lange Zeit hinaus gewährleisten.
Da der Preis für guten Gaskoks fast das Dreifache des Preises von Braunkohlenbriketts
beträgt, sein Heizwert jedoch nur etwa das 1½fache desjenigen der
Braunkohlenbriketts, so stellen sich die Kosten der von der Maschine abgegebenen
Leistungseinheit bei letzteren um 40–50 v. H. geringer als bei Verwendung von Koks.
Je nach der Höhe der Fracht kann der Unterschied noch grösser ausfallen.
Von dem Braunkohlengenerator der Maschinenbaugesellschaft
Nürnberg wird noch eine einfachwirkende Gasmaschine von 70 PSe gespeist, welche eine Gleichstromdynamo mittels
Riementransmission antreibt. Unter anderem ist noch ein 150pferdiger Güldnermotor in Zwillingsanordnung mit zugehörigem
Anthrazit- und Koksgenerator ausgestellt, der mit einer Dynamo direkt gekuppelt zum
Betriebe der Ausstellungsrundbahn dient.
Auch die Maschinen für flüssige Brennstoffe geben dem
Besucher der Ausstellung ein Bild staunenswerten Fortschrittes. In erster Linie ist
hier der Dieselmotor zu nennen, der in mehrfacher
Ausführung bis zu 500 PSe von der Maschinenfabrik Augsburg und von L. A. Riedinger in Augsburg ausgestellt ist. Seine
betriebsfähige Durchbildung und seine Entwicklung zur heutigen Grossmaschine darf
hauptsächlich als ein Verdienst der bayrischen Maschinenindustrie gelten. Von der
Verbreitung dieser höchst ökonomischen Wärmekraftmaschine zeugen die von der Maschinenfabrik Augsburg gelieferten Anlagen, die bis
zum Anfang dieses Jahres eine Gesamtleistung von etwa 50000 PSe aufwiesen.
Des weiteren sind von bemerkenswerten Oelmaschinen noch mehrere kleinere
Haselwandermotoren, von J. M. Maffei in München erbaut,
ausgestellt, auf deren Wirkungsweise im Hauptbericht näher eingegangen wird.
Im ganzen beträgt die Leistung der in Betrieb befindlichen Wärmekraftmaschinen etwa
5200 PS; sie sind durchweg mit Dynamomaschinen gekuppelt und versorgen die
Ausstellung mit Licht und Kraft. Für die Beleuchtung der Ausstellung sind 22500
Glühlampen und 700 Bogenlampen vorgesehen; für die Notbeleuchtung wird städtischer
Strom aus dem städtischen Elektrizitätswerk entnommen.
Zu den nicht in Betrieb befindlichen Wärmekraftmaschinen der Ausstellung gehören die
Lokomotiven. Sie dürfen in wärmetechnischer
Hinsicht besonderes Interesse beanspruchen. Aber auch rein äusserlich gehören sie,
namentlich die von J. A. Maffei in München
ausgestellten Schnellzugslokomotiven zu den bewundernswertesten Leistungen der
bayrischen Maschinenindustrie. Es ist beabsichtigt, im Hauptbericht im besonderen
auf die Einrichtungen für die Ueberhitzung des Dampfes einzugehen; die Lokomotiven
selbst wird ein Sonderbericht des Herrn Ing. M. Richter
behandeln. Die ausserordentlich gesteigerten Anforderungen des heutigen Betriebes
auf Eisenbahnen verlangen eine grosse Zugkraft und grosse Fahrgeschwindigkeit bei
möglichst ruhigem Gang der Lokomotive. Das hat natürlich eine Steigerung der
Leistung oder des verfügbaren Dampfvorrates, also eine Vergrösserung des Kessels zur
Folge, dessen Abmessungen jedoch durch Spurweite, Profil und maximale Achsbelastung
begrenzt sind. Es bedeutet daher für eine bestimmte Grösse des Rostes und der
Heizfläche eine Steigerung der Lokomotivleistung, wenn die Oekonomie der
Lokomotivdampfmaschine gesteigert wird. In dieser Richtung gehen die Bestrebungen im
deutschen Lokomotivbau der letzten Jahre: Einführung des Verbundsystems und der
hohen Ueberhitzung des Dampfes. Das erstere Mittel zur Verminderung des
Dampfverbrauches war bei den Lokomotiven der Ausstellung 1896 in weitgehendem Masse
zur Anwendung gekommen; es wurden damals drei Verbundlokomotiven für den
Schnellzugsdienst und zwei für den Güterzugsdienst vorgeführt. Das Verbundsystem hat
seine Erfolge behauptet. Ende der neunziger Jahre ist man dann zur Ueberhitzung des
Dampfes geschritten. Die Heissdampfzwillingslokomotive hat seitdem bei den deutschen
Eisenbahnverwaltungen grosse Verbreitung gefunden. Neuerdings ist auch bei
Verbundlokomotiven die hohe Ueberhitzung des Dampfes eingeführt worden und als
Repräsentanten dieser neuesten Stufe des Lokomotivbaues sind die ausgestellten
Schnellzugslokomotiven anzusehen. Aus bekannten Gründen kann natürlich die
Dampfersparnis durch Ueberhitzung bei der Verbundmaschine nicht die Höhe erreichen
wie bei der Zwillingslokomotive; immerhin beträgt sie noch 8–10 v. H. gegenüber dem
Verbrauch bei gesättigtem Dampf. Es wird zweifellos gelingen, durch richtige, dem
Lokomotivbetrieb angepasste Durchbildung und Anordnung des Ueberhitzers neben der
mit Sicherheit erzielten Ersparnis an Dampf auch eine ebensolche an Kohle zu
erzielen.
Der Forderung nach einem ruhigen Gang ist bei den Maffeischen Lokomotiven durch die Anordnung von vier Zylindern und ebensoviel
Triebwerken, sowie durch einen grossen Radstand entsprochen. Mit all diesen
Verbesserungen hat die moderne Lokomotive freilich die für ihren Betrieb so
notwendige Einfachheit zum Teil eingebüsst, wenn sich auch der Konstrukteur, wie die
ausgestellten Lokomotiven in instruktiver Weise zeigen, bemüht, den gestellten
Forderungen mit den einfachsten Mitteln gerecht zu werden. Ausser den vier grossen
Lokomotiven von Maffei, von denen besonders die 2/6gekuppelten,
für 150 km
stündliche Fahrgeschwindigkeit bestimmte Lokomotive durch ihre gewaltigen
Abmessungen und durch die Schönheit
Textabbildung Bd. 321, S. 371
Grundriss der Maschinenhallea,
b, n. Vereinigte Maschinenfabrik Augsburg und Maschinenbaugesellschaft Nürnberg;
c. L. A. Riedinger, Augsburg; d. Metallwerk J. Goggl & Sohn, München; e.
Siemens-Schuckertwerke, Nürnberg; f. Heinrich Rockstroh, Marktredwitz; g.
Scharfer & Gross, Nürnberg; h. Gebr. Sulzer, Ludwigshafen a Rh.; i.
Lokomotivfabrik Krauss & Co, München; k. Güldner-Motorengesellschaft,
München–Giesing; l. J. A. Maffei, München, Haselwander Motore; m. Münchener
Motorenfabrik, München–Sendling; o. J. A. Maffei, München (Pfalzbahnlokomotive);
p. Kühlturm; q. Pumpenraum; r. Kesselhaus.
ihrer Formen das Interesse auch des Laien in hohem Masse
in Anspruch nehmen muss, sind von der Lokomotivfabrik Krauss
& Co. drei Tenderlokomotiven, eine für Normalspur, eine für 1000 mm
Spurweite und eine dritte für 600 mm Spurweite ausgestellt.
Die Maschinen, von denen der v+rliegende Bericht handelt, sind zum grössten Teil in
der Hauptmaschinenhalle aufgestellt; unter anderen sind drei der Maffeischen Lokomotiven in dem Gebäude der
Staatsbauausstellung untergebracht, welches der Maschinenhalle gegenüberliegt. Zur
Orientierung ist der Grundriss der mächtigen Maschinenhalle (180 m lang, 50 m breit)
beigefügt; darin sind hauptsächlich die Plätze der Vertreter des
Wärmekraftmaschinenbaues namhaft gemacht.
Zusammenfassend darf ausgesprochen werden, dass in dem gesamten Gebiete der
Wärmekraftmaschinen auf der bayrischen Jubiläumsausstellung ein höchst bedeutender
Fortschritt zum Ausdruck kommt und es darf zur Ehre der Maschinenindustrie Bayerns
gesagt werden, dass sie zu diesem Fortschritt, der doch für die wirtschaftlichen
Verhältnisse unseres Vaterlandes von keiner geringen Bedeutung ist, an führender
Stelle ihr gutes Teil beigetragen hat.
(Fortsetzung folgt.)