Titel: Neuerungen im Bau von Transportanlagen in Deutschland.
Autor: Georg v. Hanffstengel
Fundstelle: Band 321, Jahrgang 1906, S. 449
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Neuerungen im Bau von Transportanlagen in Deutschland. Von Georg v. Hanffstengel, Dipl.-Ing., Stuttgart. (Fortsetzung von S. 409 d. Bd.) Neuerungen im Bau von Transportanlagen in Deutschland. C. Wagenkipper.Vgl. D. p. J. 1904, 319, S. 200. Vorrichtungen zum Entladen von Eisenbahnwagen durch Kippen um eine quer zum Gleise angeordnete Achse haben bisher hauptsächlich in Häfen Verwendung gefunden. Die Anlage kann vielfach so ausgeführt werden, dass der Wagen in beträchtlicher Höhe über dem Wasserspiegel bezw. über dem Schiffsdeck entleert wird, so dass keine Hebung des Materials stattzufinden braucht, und das Gewicht der Ladung sogar noch zur Ueberwindung der bei der Kippbewegung auftretenden Reibungswiderstände benutzt werden kann. Die Vorrichtung arbeitet also ohne Antrieb von aussen her. Textabbildung Bd. 321, S. 449 Fig. 77. Wagenentleerung. Ist der nötige Höhenunterschied nicht von vornherein vorhanden, so kann man ihn durch Anlegen von Rampen künstlich herstellen. Dieses Hilfsmittel ist indessen nur bei grossen Kohlenhäfen, die eine Reihe von Kippern ger brauchen, anwendbar. Bei Anlagen auf dem Lande, z.B. für die Versorgung von Kesselhäusern, könnte der Höhenunterschied nur durch Ausschachtung einer tiefen Grube gewonnen werden. In solchen Fällen ist es zweckmässiger, auf den selbsttätigen Betrieb zu verzichten und mit dem Kippen eine Hebung zu verbinden. Die Vorrichtung kann dann in der Weise ausgeführt sein, dass die Plattform, auf welcher der Wagen steht, um einen nahe dem Vorderende des Wagens gelegenen Punkt gedreht wird, so dass die Vorderkante des Wagens keine oder nur eine geringe Vertikalbewegung ausführt und durch die Hebung des Schwerpunktes lediglich die Entleerung des Wagens bewerkstelligt wird. Die Plattform wird am hinteren Ende durch einen hydraulischen Kolben, eine elektrisch angetriebene Schraube oder durch Ketten (s. unten) angehoben. Bei Schiffsbeladung ist auch hier noch ein gewisser Höhenunterschied zwischen Gleise und Schiffsdeck nötig; bei Anlagen am Lande, wo diese Anordnung vorzugsweise zur Anwendung kommt, wird die Kohle in eine Grube geschüttet, aus der sie einem Elevator oder dergl. zufliesst. Soll die Kohle dagegen unmittelbar in einen gleich hoch oder höher als der Wagen gelegenen Behälter – sei er nun fest oder schwimmend – entladen werden, so ist eine entsprechend grössere Hebung des ganzen Wagens erforderlich. In Seehäfen tritt infolge des wechselnden Wasserstandes in der Regel noch ein anderer Fall ein, dass nämlich die Höhe, in welcher die Entleerung des Wagens stattfindet, beliebig veränderlich sein muss. Der Wagen wird dann auf einer Plattform innerhalb eines festen Aufzuggerüstes mit Seilen oder Ketten gehoben, und in der geeigneten Stellung gekippt.Vgl. Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, 1901, S. 793 und 1471. Man beschränkt sich in Deutschland, soweit normale Eisenbahnwagen in Frage kommen, allgemein darauf, den Wagen in seiner Längsachse um 45° schief zu stellen, so dass die Kohle durch die aufklappbare Stirnwand herausrutscht. In Amerika kommen dagegen durchweg Wagen mit festen Wänden zur Verwendung, so dass eine Drehung um 135° nötig ist. Gegen diese Entleerungsweise wird bei uns eingewandt, dass dabei das Oel aus den Achsbüchsen läuft. Andererseits dürften unsere Einrichtungen in Amerika deshalb keinen Anklang finden, weil das grosse Ladegewicht der Wagen und die geringere Schonung beim Rangieren eine sehr steife Konstruktion des Wagenkastens erwünscht machen, also der Anordnung von Klappen entgegenstehen. Nur für Gruben- und kleinere Schmalspurbahnwagen ist das amerikanische System bei uns ausgeführt worden. Neue Konstruktionen vollkommen selbsttätiger Kipper sind in letzter Zeit nicht bekannt geworden. In gewissem Sinne selbsttätig arbeitet jedoch der bei der Anlage in Fig. 77 verwandte Entlader, der dazu dient, in Verbindung mit einem elektrischen Schrägaufzug Erze aus Eisenbahnwagen in einen Hochbehälter zu schaffen.Nach Stahl und Eisen, 1. März 1906, S. 269. Die Anlage ist von Bleichert ausgeführt. Der Wagen steht auf einer drehbaren Bühne, und zwar links von dem Drehpunkt A, so dass er durch sein Gewicht die Plattform in ihrer wagerechten Lage zu erhalten bezw. sie immer wieder dahin zurückzuführen bestrebt ist. Er wird in bekannter Weise durch Sperrhaken am Abrollen verhindert. Sobald der Kübelwagen des elektrischen Aufzuges beim Niedergehen auf die Bühne aufgefahren ist und sie entriegelt hat, erhält dieselbe Uebergewicht nach rechts und stellt sich in eine Neigung von 45° ein, wo ein Holzpuffer die Bewegung begrenzt. Der Kübelwagen wird während des Kippens dadurch auf der Plattform gehalten, dass sich sein Hinterrad an der um A als Mittelpunkt kreisförmig gebogenen Schiene führt. Die Senkgeschwindigkeit steht beständig unter der Kontrolle des Aufzugsmaschinisten. Der pendelnd aufgehängte Kübel K kommt schliesslich in die Lage K' und empfängt hier den gesamten Wageninhalt. Beim Aufziehen des Kübels geht die Bühne zurück und verriegelt sich wieder selbsttätig in der wagerechten Stellung. Nahe dem höchsten Punkte stösst der am Kübel angebrachte Arm gegen die Führungsschiene F und bringt bei weiterer Bewegung nach rechts den Kübel in die Lage K'' wobei das Erz in den Hochbehälter stürzt. Zum Betrieb des Aufzuges dient eine elektrische Schnekken- und Stirnradwinde mit dem an einer losen Rolle angreifenden Seile S. Sämtliche Bewegungen, ausschliesslich des An- und Abfahrens der Eisenbahnwagen, werden von dem Windenführer in einfacher Weise geleitet. Die Leistung beträgt etwa 12 Wagen in der Stunde. Textabbildung Bd. 321, S. 450 Fig. 78. Wagenkipper von Gebauer. Aus dem Hochbehälter wird das Erz nach beiden Seiten in Selbstentlader zur Weiterbeförderung abgezogen. Bei einer andern, am gleichen Orte beschriebenen Anlage fährt der Kübelwagen nicht auf die Kipperplattform auf, sondern bleibt auf der steil geneigten Bahn und stösst nur gegen das vordere Ende der Bühne, wobei er diese zum Kippen bringt. Die Anordnung scheint sich etwas einfacher zu bauen. Für Kohle sind Anlagen der beschriebenen Art weniger zweckmässig als für Erz, weil die doppelte Umladung Bruch verursacht. Eine interessante Vereinigung von selbsttätigem und Kraftbetrieb findet sich bei einem von der Maschinenbaugesellschaft Nürnberg für den Hamburger Hafen ausgeführten Wagenkipper.Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, 1906, S. 1221. Der Drehpunkt der Bühne, auf welcher der Wagen steht, ist in bekannter Weise so gelegt, dass der Systemschwerpunkt sich bei beladenem Wagen auf der einen, bei unbeladenem Wagen auf der andeven Seite der Drehachse befindet. Die Vor- und Rückbewegung geht infolgedessen selbsttätig vor sich und braucht nur durch eine Bremse geregelt zu werden. Diese Bühne nun ist in einer anderen Plattform gelagert, die um einen an ihrem vorderen Ende angebrachten Zapfen gedreht werden kann, und zwar geschieht dies durch eine elektrische Winde, deren Seile am hinteren Plattformende angreifen. Bei Benutzung der zweiten Kippvorrichtung wird die erstbeschriebene verriegelt. Der Wagen steht im zweiten Falle in seiner Kipplage etwa 4 m höher als im ersten, ein Unterschied, der ungefähr der Differenz der Wasserstände bei Ebbe und Flut entspricht. Geringeren Aenderungen des Wasserspiegels kann durch Heben oder Senken der Schüttrinne bis zu einem gewissen Grade Rechnung getragen werden. Textabbildung Bd. 321, S. 451 Fig. 79. Fahrbarer Wagenkipper von Pohlig. Die Leistung dieser Maschine beträgt stündlich etwa 15 Wagen von 10 bis 20 t bei elektrischem und etwa 20 Wagen bei selbsttätigem Betrieb. Zu berücksichtigen ist bei Beurteilung dieser Zahlen, dass das Auswechseln der Wagen ziemlich viel Zeit in Anspruch nimmt, da dieselben nicht, wie bei den amerikanischen Breitseitenkippern, durchgeschoben werden können, sondern auf demselben Gleise vor- und zurückgeholt werden müssen. Fig. 78 gibt eine einfachere Ausführung von Fr. Gebauer, Berlin, für die städtische Gasanstalt Tegel wieder. Die Bühne ist um den Zapfen A drehbar und wird am hinteren Ende durch eine elektrische Winde angehoben, die auf einem portalartig aufgebauten Turme steht. Gegengewichte gleichen einen Teil der toten Last aus. Der Wagen wird durch ein Spill zugefahren, wobei er die seine Vorderachse umfassenden Haken selbsttätig einrückt. Am vorderen Ende der Plattform befindet sich eine Schüttrinne, über die der Wageninhalt in den gemauerten Füllrumpf gleitet. Da der Drehpunkt nahe am Ende dieser Rinne liegt, so macht die Ausflussöffnung nur kleine senkrechte Bewegungen und bleibt in jeder Lage in geringer Höhe über der Trichterwand. Einer Beschädigung der Kohle durch Sturz ist dadurch nach Möglichkeit vorgebeugt. Damit auch beim Uebergang vom Wagen in die Schüttrinne kein erheblicher Fall stattfindet, ist das Bodenblech der Rinne so hoch gelegt, als mit Rücksicht auf die niedrigsten Wagen zulässig war. Die Lagerböcke für die Drehachse sind gehörig im Boden verankert, so dass sie den beim Kippen auftretenden Horizontalschüben Widerstand leisten können. Die Bühnenträger sind behufs Umfassung der Achse an dieser Stelle nach oben gezogen. Die Bühne hängt auf jeder Seite an einer Gallschen Kette. Eine zweite Kette, die durch eine eingeschaltete Feder schwach gespannt gehalten wird, läuft leer mit und kommt nur bei einem eventuellen Bruch der Hauptkette zur Wirkung. In jedem Portalständer bewegt sich ein Gegengewicht, dessen Kette K2 über ein Kettenrad läuft, das auf derselben Welle mit den Rädern für K1 sitzt, aber entsprechend der grösseren Hubhöhe einen grösseren Durchmesser hat als jene. Die Winde besitzt ausschliesslich Stirnradvorgelege. Der Antriebsmotor entwickelt nominell 36 PS und hat Serienwicklung, so dass er beim Kippen der kleineren Wagen seine Geschwindigkeit erhöht und die Leistungsfähigkeit der Maschine voll ausgenützt wird. Bei Bemessung der Gegengewichte ist darauf Rücksicht genommen, dass der Motor bei der geringsten Belastung, d.h. bei einem 10 t-Wagen in der höchsten Kippstellung, nicht soweit unterlastet wird, dass ein Durchgehen zu befürchten wäre. Das Ablassen geschieht mittels Kurzschlussbremsung, die den verschiedenen Wagengewichten entsprechend reguliert werden kann. Textabbildung Bd. 321, S. 451 Fig. 80. Fahrbarer Wagenkipper von Pohlig. Nach Angabe der Firma Fr. Gebauer hat sich bei den Probeversuchen gezeigt, dass beim Entladen von 10 t-Wagen die garantierte Leistung von 120 t in der Stunde bequem erreicht, bei 15 und 20 t-Wagen überschritten wurde. Der Ersatz der Wagen wird dadurch beschleunigt, dass vor den Kipper eine Drehscheibe eingebaut ist, welche die geleerten Wagen in das Ablaufgleise dreht. Von allen bisherigen Ausführungen wesentlich verschieden ist der in Fig. 79 und 80 wiedergegebene Wagenentlader von J. Pohlig, Köln.D. R. P. 162173 von Aumund. Er gehört, wie die zuletzt beschriebene Ausführung, zu der Klasse der zu ebener Erde entleerenden Kipper, doch geschieht die Schrägstellung nicht durch Drehen um einen festen Punkt, sondern dadurch, dass der Wagen eine gekrümmte Bahn hinaufgezogen wird, die mit einer Auflaufzunge über die Schienen greift.Pohlig bezeichnet diese Ausführung als „Kurvenkipper“, im Gegensatz zu „Plattformkippern“. Der Kipper ist mit Radsätzen versehen und auf einem Normalspurgleise verschiebbar, kann auch in Eisenbahnzüge eingestellt und so zum Verwendungsort geschafft werden. Textabbildung Bd. 321, S. 452 Fig. 81. Wagenkipper der Maschinenbauanstalt Humboldt. Ist der Kipper an der gewünschten Stelle festgemacht, so wird der Kohlenwagen durch eine Seilwinde herangeholt und, wie punktiert angedeutet, soweit heraufgezogen, dass die Hinterachse auf einem Rollwagen zu stehen kommt, dessen Gleise konzentrisch zu der kreisförmig gekrümmten Hauptbahn ist. Jetzt zieht der Windenführer die Kette K an, was zunächst zur Folge hat, dass der im Rollwagen gelagerte Hebel, an dessen einem Arm die Kette anfasst, sich aufrichtet und die Hinterachse des Wagens umgreift. Bei weiterem Anziehen wird der Rollwagen und mit ihm der Kohlenwagen die gekrümmte Bahn hinaufgezogen, wobei der letztere sich schliesslich unter 45° neigt und die Reste der Ladung durch die vorher geöffnete Stirnwand abrutschen lässt. Ein Nachteil dieser Konstruktion kann unter Umständen darin gesehen werden, dass sich die Entladung über eine grössere Strecke hinzieht, so dass der Füllrumpf ziemlich lang gehalten werden muss. Dem gegenüber ist die Einfachheit in Konstruktion und Betrieb und vor allem die leichte Versetzbarkeit in Rechnung zu stellen. Da die Maschine fertig von der Fabrik aus versandt werden kann, so fallen ausserdem die Kosten und Unbequemlichkeiten einer Montage an Ort und Stelle fort. Amerikanischen Vorbildern nähert sich der in Fig. 81 skizzierte Kipper der Maschinenbauanstalt Humboldt. Der Wagen wird hier in ein um einen festen Zapfen drehbares Joch eingefahren und in allen Richtungen verriegelt. Durch eine Druckstange, an deren einem Ende die Kette einer von Hand oder maschinell betriebenen Winde angreift, wird das Joch dann um 135° gedreht und der Wagen entleert. Das Material rutscht dabei über ein zwischen die senkrechten Jochständer genietetes Blech ab. In der Figur ist angenommen, dass es sich um Ueberladung von Schmalspurbahnen auf Hauptbahnen handelt. Eine ähnliche Konstruktion führt die Wellman-Seaver-Morgan Co., Cleveland, aus, jedoch mit dem Unterschiede, dass das Joch mit Seilen durch oberhalb stehende Winden angehoben wird, für deren Unterbringung ein turmartiges Gerüst erforderlich ist. Die amerikanische Konstruktion besitzt ferner eine Einrichtung, um mittels selbsttätig sich einstellender Querbalken Wagen von beliebiger Höhe zu verriegeln. Da die vorliegende Konstruktion aus den oben genannten Gründen ohnehin nur für kleinere Privatbahnen, die einen bestimmten Wagentypus besitzen, in Frage kommen kann, so ist eine solche Massnahme hier wohl in den meisten Fällen überflüssig. Bei einer anderen Konstruktion derselben Firma (Fig. 82) wird der Wagen in einen zylindrischen Rahmen eingefahren, welcher in Ketten hängt und durch Gegengewichte teilweise ausgeglichen ist. Beim Anziehen der Kette hebt sich der Wagen und vollführt gleichzeitig eine Drehung um seine Längsachse. Der Kettenzug liefert, wie aus der Figur zu ersehen, eine wagerechte Komponente, durch die das Gestell nach rechts gegen den Pfeiler gedrückt wird, in dessen Spitze das Kettenende befestigt ist. Indem sich eine um den Rahmen gelegte Schiene an diesem Pfeiler abwälzt, erhält jener die notwendige, sichere Führung. Mit dem Rahmen ist eine Schüttrinne verbunden, die bis kurz vor dem höchsten Punkte verschlossen gehalten wird. Nahe der Endstellung wird jedoch dadurch, dass die mit der Verschlussklappe verbundene Kette von einer am Pfeiler gelagerten Rolle zurückgehalten wird, die Oeffnung freigegeben. Textabbildung Bd. 321, S. 452 Fig. 82. Wagenkipper der Maschinenbauanstalt Humboldt. (Fortsetzung folgt.)