Titel: Vereinfachte Spannungsermittlung der Kranlaufschiene.
Autor: W. L. Andrée
Fundstelle: Band 322, Jahrgang 1907, S. 49
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Vereinfachte Spannungsermittlung der Kranlaufschiene. Von W. L. Andrée, Duisburg. [Vereinfachte Spannungsermittlung der Kranlaufschiene.] Der Versuch, die wahren Spannungsverhältnisse einer unmittelbar auf Mauerwerk ruhenden Kranlaufschiene zu ermitteln, dürfte eine undankbare theoretische Spekulation sein. Da aber die Praxis einer annehmbaren Lösung dieser Aufgabe bedarf, so sei folgende einfache Behandlung des Falles empfohlen. Von der Gewißheit ausgehend, daß die Lastverteilung durch die sich durchbiegende Schiene auf das Mauerwerk nach einer symmetrischen Kurve verläuft, soll angenommen werden, dieselbe sei eine Parabel, deren Scheitelhöhe gleich ist der größten zulässigen Beanspruchung km des Mauerwerks. Der Inhalt dieses „parabolischen Belastungskörpers“, dessen Breite gleich der Breite b des Schienenfußes ist, muß so groß sein als der äussere Druck 2 R, nämlich 2\,R=\frac{2}{3}\cdot 2\,a\,k_m\cdot b, woraus sich die Länge der Kurve a=\frac{3\,R}{2\,b\,k_m} berechnen läßt. Hier ist zu bemerken, daß 2 R der Druck eines Rades auf die Schiene bedeutet. Textabbildung Bd. 322, S. 49 Fig. 1. Textabbildung Bd. 322, S. 49 Fig. 2. Denkt man sich die Schiene im Kraftangriff bei D eingespannt, so tritt für diesen gefährlichen Querschnitt, wenn der Schwerpunkt des Parabelkörpers (Fig. 2) im Abstand \frac{2}{3}\,a von D liegt, ein Moment auf von der Größe M=R\cdot \frac{3}{8}\,a, welches einer Beanspruchung des Schienenmaterials entspricht von \varphi=\frac{M}{W} , wo W das Widerstandsmoment der Schiene bedeutet. Diese Beanspruchung sowie die spezifische Pressung km des Mauerwerks treten mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit auf, wenn Schiene und Mauerwerk gleichmässig ihre Form verändern bis zu einem Höchstbetrage von f=\frac{1}{12}\,\frac{R\cdot a^3}{J\cdot b\,E} gemessen unter der Last 2 R (Fig. 3). Die Formveränderung f, als Durchsenkung der Schiene aufgefasst, ermittelt sich wie folgt: (Fig. 4). Textabbildung Bd. 322, S. 49 Fig. 3. Textabbildung Bd. 322, S. 49 Fig. 4. Wir denken uns den parabolischen Belastungskörper (Lastverteilung zwischen Schiene und Mauerwerk) in Flächenstreifen von der Dicke 1 und dem Gewicht \frac{R}{b} zerlegt. Die Parabelgleichung eines solchen Streifens lautet y=\frac{k_m}{a^2}\,x\,(2\,a-x), so daß der Inhalt der Fläche ABC F_k=\frac{k_m}{a^2}\,x^2\,\left(a-\frac{x}{3}\right) beträgt. Der Schwerpunkt derselben bestimmt sich aus \int_0^x\,y\,d\,x=\frac{k_m}{a^2}\,\left(a\,x^2-\frac{x^3}{3}\right)\,x_0=\frac{k_m}{a^2}\,\int_0^x\,x^2\,(2\,a-x)\,d\,x, nämlich zu x_0=\frac{\int_0^x\,x^2\,(2\,a-x)\,d\,x}{a\,x^2-\frac{x}{3}}=\frac{3}{4}\,x\cdot \frac{\frac{8}{9}\,a-\frac{x}{3}}{a-\frac{x}{3}}=\mbox{annähernd}\frac{5}{8}\,x oder x_s=x-\frac{5}{8}\,x=\frac{3}{8}\,x. Nun benutzen wir die Beziehung f=\frac{1}{J\cdot E}\,\int_0^a\,M_x\,\frac{\vartheta\,M_x}{\vartheta\,X}\,d\,x, wo M_x=\frac{k_m}{a^2}\,x\,\left(a\,x^2-\frac{x^3}{3}\right)\,\frac{3}{8}\,x-X\,x das statische Moment des Flächenstreifens ABC, vermindert um das statische Moment einer gedachten Kraft X, bezogen auf den Querschnitt im Abstande x, bedeutet, bestimmen \frac{\vartheta\,M_x}{\vartheta\,X}=-x und gelangen nach Einführung dieser Werte zu dem Ergebnis f=\frac{3}{8}\,\frac{k_m}{a^2\,J\,E}\,\int_0^a\,\left(\frac{x^5}{3}-a\,x^4\right)\,d\,x+\frac{1}{J\,E}\,\left(\frac{a^6}{18}-\frac{a^6}{5}\right)=\frac{39\,k_m\,a^4}{720\,J\,E}. Nach Beseitigung der gedachten Kraft X tritt nunmehr die wirkliche Durchsenkung ein und zwar ergibt sich durch Auflösung des Integrals f=\frac{3}{8}\,\frac{k_m}{a^2\,J\,E}\,\left(\frac{a^6}{18-\frac{a^6}{5}}\right)=\frac{39\,k_m\,a^4}{720\,J\,E}. Sodann für km den eben gefundenen Wert eingesetzt erhalten wir schließlich f=\frac{117}{1440}\cdot \frac{R\,a^3}{J\cdot b\cdot E}=\,\sim\,\frac{1}{12}\,\frac{R'}{J\cdot b\cdot E}, wobei zu bemerken ist, daß J . b das Trägheitsmoment des ganzen Schienenquerschnittes darstellt. Nunmehr möge überlegt werden, daß, solange das Mauerwerk weniger seine Form verändert als die Schiene, diese wahrscheinlich die oben ausgedrückte Beanspruchung \varphi=\frac{M}{W}=\frac{3}{8}\,\frac{R\,a}{W} nicht erleiden wird. Dementgegen aber erwarten wir eine grössere Inanspruchnahme, wenn das tragende Material sehr nachgiebig ist. Es erheischt daher eines gewissen Grades treffsicheren Gefühls, um von Fall zu Fall zu beurteilen, ob die Deformation des unterlegten Stoffes unter der gerechneten Durchsenkung der Schiene bleibt. Im allgemeinen aber dürfte, wo es sich um Mauerwerk handelt, bei gut gewählter Fußbreite der Schiene eine günstige Auflösung des verwickelten Zusammenarbeitens aller Faktoren stattfinden, so daß die Schiene ohne Bedenken nach vorgeführter Formel \varphi=\frac{3}{8}\,\frac{R\cdot a}{W}=\frac{9}{16}\cdot \frac{R^2}{W\cdot b\cdot k_m} bemessen werden kann.