Titel: Ueber einige eisenbahnsignal-technische Neuigkeiten.
Autor: L. Kohlfürst
Fundstelle: Band 322, Jahrgang 1907, S. 57
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Ueber einige eisenbahnsignal-technische Neuigkeiten. Von L. Kohlfürst. Ueber einige eisenbahnsignal-technische Neuigkeiten. I. Selbsttätige Zagdeckungseinrichtungen. Es ist bekanntlich ein bei elektrisch betriebenen Strassen- oder Kleinbahnen nicht selten vorkommender Fall, daß in die zweigleisige Strecke eingleisige Zwischen strecken eingeschaltet werden müssen, weil aus örtlichen oder sonstigen Gründen an der betreffenden mehr oder minder langen Bahnstelle der fürs zweite Gleis erforderliche Raum nicht zur Verfügung steht. Wenn nun auf solchen eingleisigen Zwischenstrecken ihrer beträchtlichen Ausdehnung halber oder wegen Krümmungen oder sonstiger Sehhindernisse kein zureichend sicherer Ausblick vorhanden ist, erscheint es geboten, zur Erleichterung und Sicherung des Zugverkehrs die genannte Strecke mit Signalvorrichtungen zu versehen, welche an den beiden Uebergangspunkten den von der zweigleisigen Strecke eintreffenden Zügen zu erkennen geben, ob das eingleisige Stück besetzt oder nicht besetzt ist bezw. ob es befahren werden darf oder nicht. Textabbildung Bd. 322, S. 57 Fig. 1. 1 Signalschalter; 2 Fahrleitung; 3 Fahrgleise. Derartige Signaleinrichtungen – bei denen man in Anbetracht der guten Gelegenheit den Zugförderungstrom in Nebenschlüssen zur Speisung von Glühlampen auszunützen, in der Regel farbige Lichter als Signalzeichen anwendet – werden entweder durch die Wagenführer oder Schaffner mit der Hand bedient oder durch die Züge bezw. Fahrzeuge selbttätig betrieben. In beiden Fällen sind für gewöhnlich unmittelbar vor den beiden Endpunkten der eingleisigen Zwischenstrecke Haltestellen angeordnet, was ersterenfalls schon mit Rücksicht auf den für die Signalhandhabung erforderlichen Zeitaufwand und letzterenfalls wegen sicherer Beobachtung und leichterer Befolgung des Sperrsignals geboten bezw. zweckmässig ist. Die Einrichtungen beider Gattungen haben aber auch die gemeinsam Schattenseite, daß die Signalgebung an den beiden Einfahrstellen in ganz übereinstimmender Weise gesteuert werden muß, weshalb in dem allerdings außergewöhnlichen jedoch keineswegs ausgeschlossenen Fall, wo aus beiden Fahrrichtungen Züge ganz gleichzeitig eintreten und sich decken sollen, die Signalvorrichtung versagt. Auch erscheint bei einem solchen Zusammentreffen eine irrtümliche Auffassung des Signals in sofern leicht möglich, als ein zwar früher aber doch fast gleichzeitig mit der Zugeinfahrt eintreffendes Deckungssignal des Gegenzuges für das eigene angesehen werden kann, namentlich bei jenen noch häufig vorkommenden Anordnungen, bei denen die besetzte eingleisige Strecke für jeden einzelnen Zug beiderseits durch Haltsignale abgeschlossen wird. Jedes vorbetrachtete Zusammentreffen kann also zu einer Zugbegegnung führen, aus welcher dort, wo größere Fahrgeschwindigkeiten einzuhalten sind, sich die Gefahr eines Zusammenstoßes ergibt, unter allen Umständen aber – selbst bei geringen Fahrgeschwindigkeiten und den besten Bremsmitteln – namhafte Störungen für den Verkehr erwachsen. Bei einer den Siemens-Schuckert-Werken in Berlin patentierten Sperrsignaleinrichtung sind die eben betrachteten Uebelstände in ebenso einfacher als zweckentsprechender Weise bekämpft. Die Gesamtanordnung gleicht scheinbar, wie aus der schematischen Darstellung (Fig. 1), ersichtlich ist, ganz den gewöhnlichen selbsttätigen Signalanlagen dieser Art. Als Signalmittel sind an jedem Ende der eingleisigen Strecke an gut sichtbarer Stelle je zwei Laternen g1r1 und g2r2 vorgesehen, welche durch zwei oder mehrere parallelgeschaltete Glühlampen erleuchtet werden und von denen g1 und g2 grünes, r1 und r2 rotes Licht zeigen. Daneben bildet den Hauptteil der Signalvorrichtung ein von den hakenförmigen Ankern zweier Solenoide m1 und m2 gesteuerter Umschalter, welcher aus einer mit Zähnen versehenen Scheibe n besteht, auf der an bestimmter Stelle zwei ringförmige Kontaktstücke p und q sitzen. Ferner gehören zum Umschalter vier festehende Schleifkontakte u, s, t und v, welche so angebracht sind, daß die zwei ersteren durch den Gleitring q und die beiden letzteren durch den Gleitring p leitend verbunden werden, sobald eine Rechtsdrehung oder Linksdrehung der Scheibe n erfolgt, welch letztere stets die in Fig. 1 gekennzeichnete Grundstellung einnimmt, solange kein Zug sich auf der eingleisigen Zwischenstrecke befindet. Wichtige Teile der Signalanlage sind auch noch vier in angemessener Entfernung vor den Signallaternen in der Fahrleitung a1a1 des einen Gleises sowie in der Fahrleitung a2a2 des zweiten Gleises vorhandene Stromschließer c1 und c2 bezw. b1 und b2. Diese vier Stromschließer, mögen dieselben behufs Anpassung an die bei den Zügen angewendeten Stromabnehmer wie immer angeordnet oder auch als Radtaster im Fahrgleise selbst eingelegt sein, haben einfach die Aufgabe, bei der Vorbeifahrt jedes Zuges den Stromweg eines Nebenschlusses herzustellen. Wie alle angeführten Teile der Signaleinrichtung untereinander, bezw. mit der Fahrleitung durch besondere Stromleitungen in Verbindung gebracht sind, lässt die Zeichnung deutlich ersehen und ebenso erhellt daraus, daß es ganz gleichgültig ist, ob der Signalschalter diesseits, in der Mitte oder jenseits der eingleisigen Strecke untergebracht wird. Trifft ein Zug etwa aus jenem Gleise ein, zu welchem der Fahrdraht a1a1 gehört, so darf derselbe, wenn kein Fahrverbot ersichtlich ist, beispielsweise weder g1 noch r1 brennt, in die eingleisige Strecke vorrücken. Hierbei wird er beim Befahren des Stromschließers c1 einen Nebenschluß von a1 über c1, l1, m1, l2 und e herstellen. Infolge dieses Zeitstromes erteilt der hochgehende Solenoidanker h2, indem er den in seinen Weg liegenden Zahn der Scheibe n mitnimmt, der letzteren eine kleine Drehung nach rechts. Hierdurch gelangt der Gleitring q unter s, so daß der während der Ruhelage des Signalschalters unterbrochen gewesene Stromweg uqs hergestellt wird. Nunmehr geht ein Zweigstrom aus der Fahrleitung von i aus über s, q, u, g1, l6, r2 und l8 und es erscheint in g1 grünes, in r2 rotes Licht. Hat dann der ins Auge gefasste Zug die eingleisige Strecke durchfahren, so gelangt er auf den nächst der Weiche eingelegten Stromschließer c2 und macht diesen tätig, worauf der infolgedessen aus a1 über c2, l3, m2, l4 und e seinen Weg nehmende Zweigstrom in gleicher Weise durch h2 die Linksdrehung der Scheibe n bewirkt, wie vorhin vom Solenoidanker h1 die Rechtsdrehung bewerkstelligt worden ist. Es hört also der bisher über squ bestandene Stromweg wieder auf und indem die Scheibe n ihre Grundstellung zurückgewinnt, verlöschen auch wieder die Signallampen g1 und r2. Wäre unter denselben Umständen ein Zug aus dem anderen Gleise eingetroffen, so hätte er durch Befahren des Stromschließers b2 einen Zweigstrom von a2 über b2, l3, m2, l4 und e entsendet und der hochgehende Anker h1 die Scheibe n nach links gedreht, wodurch der Beleuchtungsstrom von i über t, p, v, r1, l7, g2 und l8 in Schluß gelangt wäre. Demgemäß würde in g2 grünes und in r1 rotes Licht erschienen sein. Hat ein solcher Zug die eingleisige Strecke durchfahren, so wird er durch Betätigung des Stromschließers b1 bezw. durch Vermittlung des Solenoides m1 die Rückstellung der Schaltscheibe n, d.h. die Einziehung der Signale in derselben Weise bewirken, wie dies im früher betrachteten Falle geschehen ist. Abweichend von der bei ähnlichen Sperrsignalanlagen vorwiegend geübten Gepflogenheit, die eingleisige Strecke bei Eintritt eines Zuges beiderseits durch Fahrverbote (rotes Licht) zu decken, wird vorliegendenfalls nur den Gegenzügen rotes Licht, gleichbedeutend mit Vorsicht, gezeigt. Einem bereits eingefahrenen Zug können sonach immerhin aus gleicher Richtung eintreffende Züge nachfolgen, auch wenn die eingleisige Strecke noch besetzt ist und für solche Fälle sind denn auch die Kontaktringe p und q im Umschalter genügend lang, um für zwei oder auch mehrere Zähne bezw. Züge auszureichen. Jeder der hintereinander die Zwischenstrecke in gleicher Richtung befahrenden Züge wird bei seinem Eintritt die Scheibe n in gleichem Sinne um einen Zahn weiterdrehen, aber beim Austritt auch wieder gleichermaßen um einen Zahn zurückstellen und daher wird, bis der letzte Folgezug die eingleisige Stelle verlassen hat, der Schalter stets seine richtige Grundlage zurück erhalten. Die Zahl der Züge, welche sich auf diese Weise in kurzen Zwischenräumen folgen können, ist, vorausgesetzt daß die eingleisige Strecke nicht etwa mehr Züge gleichzeitig aufnehmen soll, als die Kontaktringe p und q Scheibenzähne vertreten, sozusagen eine unbeschränkte. Das Neue und Wichtigste an der geschilderten Anordnung liegt jedoch darin, daß die Abmessungen und Spulen der beiden den Ausschalter steuernden Solenoide m1 und m2 ungleich gewählt werden. Hierdurch wirkt das eine wesentlich kräftiger als das andere und sofern in die beiden Solenoide gleichzeitig Strom gelangt, kann eine Verschiebung der Schalterscheibe n nur durch den Anker des kräftigeren Solenoides herbeigeführt werden. Würden also aus beiden Fahrrichtungen Züge gleichzeitig bei der Zwischenstrecke eintreffen und im gleichen Augenblicke die Stromschließer c1 und c2 wirksam machen, so könnte immer nur jener Zug grünes Licht erhalten, für dessen Fahrrichtung das kräftigere Solenoid vorgesehen ist, während der andere Zug rotes Licht erhält und sonach nicht einfahren darf. Je nachdem man im Umschalter das kräftigere Solenoid an c1 und das schwächere an c2 umgekehrt ersteres an c2, letzteres an c1 schaltet, wird den von links bezw. den von rechts einlangenden Zügen der Vorrang gesichert sein. Seit den ersten erfolgreichen Versuchen mit durch Elektromotoren angetriebenen Mastsignalen, welche Ilias A. Timmis auf einigen Londoner Bahnhöfen einleitete, sind nunmehr nahezu zwanzig Jahre verflossen, ohne daß sich die großen Hoffnungen erfüllt haben, welche man anfänglich auf das Gedeihen dieser Signalform setzen zu dürfen glaubte, und dieses Verhältnis ist erst in jüngerer Zeit langsam besser geworden. Zu Beginn des Jahres 1904 standen beispielsweise auf sämtlichen englischen Eisenbahnen im ganzen 214 Signale (vergl. Z. d. V. D. E.-V. 1904, S. 936) der in Rede stehenden Gattung in Dienst und auf dem europäischen Festlande sind es wohl nur die Siemens-Halskeschen elektrischen Kraftstellwerke, bei denen seit 1892 dergleichen Signale Benutzung finden. In Amerika hatten allerdings die von Hall entworfenen elektromotorisch gestellten Mastsignale auf ausgedehnteren Bahnhöfen für Abschluß, Ausfahrt- und Wegesignale vielfach Anwendung gefunden, allein eine erweiterte Verwertung für ganze Bahn- oder Streckeneinrichtungen hat erst in den letzten Jahren platzgegriffen, nachdem die Signalform gewissen Eigentümlichkeiten angepasst worden war, auf welche die amerikanischen Eisenbahnverwaltungen besonderen Wert legen. Es sind dies fürs erste die Selbsttätigkeit um der Notwendigkeit auszuweichen, Signalwärter einzustellen, ferner die bekannte Ausnutzung der Schienenstränge des Fahrgleises als stromführende Signalleitungen und schließlich die Zusammenlegung von Ort- und Vorsignal an jeder Signalstelle. Schwierigkeiten haben sich diesfalls eigentlich nur dadurch ergeben, daß in den selbsttätigen Signalanlagen der offenen Strecke bei jedem Blockposten durch den Eintritt jedes Zuges in den betreffenden Blockabschnitt beide Signale, nämlich das Ort- wie das Vorsignal gleichzeitig auf Halt bezw. Vorsicht zu bringen sind, während beim Austritt des Zuges nur das Fahrverbot des deckenden Ortsignals eingezogen, das Warnungsignal am Vorsignal jedoch erst nach der Zugausfahrt aus dem nächsten Blockabschnitt in die Fahrterlaubnis umgewandelt werden darf. (Fortsetzung folgt.)