Titel: Beitrag zur Theorie der Dampfmaschinen-Regulierung.
Autor: W. Hort
Fundstelle: Band 322, Jahrgang 1907, S. 357
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Beitrag zur Theorie der Dampfmaschinen-Regulierung. Von Dr. W. Hort. (Schluß von S. 339 d. Bd.) Beitrag zur Theorie der Dampfmaschinen-Regulierung. A. a. O. sind die Möglichkeiten negativer und komplexer λ erörtert, ebenso wie die Bestimmung der Konstanten Ci und es wurde gefunden, daß die Regulatorstellungen zk stets reell sind, wenn auch einige λ komplex sind. Nicht untersucht wurde dagegen der Fall, daß der Regulator keine Oelbremse hat, daß also b = 0 und \alpha_1=+i\,\sqrt{\frac{c}{m}}; \alpha_2=-i\,\sqrt{\frac{c}{m}} wird. Rechnet man für diesen Fall die PQR um, so findet sich: P=\gamma\,\left\{\frac{\mbox{sin}\,\alpha\,T}{\alpha}-T\right\}+2\,\mbox{cos}\,\alpha\,T+1 Q=\gamma\,\left\{2\,T\,\mbox{cos}\,\alpha\,T-2\,\frac{\mbox{sin}\,\alpha\,T}{\alpha}\right\}-1-2\,\mbox{cos}\,\alpha\,T R=\gamma\,\left\{\frac{\mbox{sin}\,\alpha\,T}{\alpha}-T\right\}+1 22) Aus diesen Gleichungen folgt nun keineswegs, daß die Regulierung ohne Oelbremse sofort unbrauchbar wird. Die Durchrechung eines Beispiels wird dies zeigen. Eine Dampfmaschine von 500 PS habe eine mittlere Umlaufszahl 80 i. d. Minute. Das Trägheitsmoment des Schwungrades sei: Θ = 735 . 106 [cm2 kg]. Das größte Drehmoment Mm = 455 . 106 [cm2 kg sek– 2]. Der Kurbelradius r = 50 [cm]. Der halbe Muffenhub des Regulators z0 = 5 [cm]. Die mittlere Winkelgeschwindigkeit ωm = 8,40 [sek– 1]. Die größte Abweichung der Winkelgeschwindigkeit von der mittleren nach oben und unten η0= 0,28 [sek– 1]. Der Ungleichförmigkeitsgrad der Regulierung \delta=\frac{\eta^0}{\omega^m}=\frac{1}{30}. Die mittlere Hubzeit T = 0,375 [sek]. Die Durchgangszeit Td = 0,905 [sek]. Die Größe γ = 1,105 [sek– 1]. Die Größe \alpha=\frac{M_m}{2\,z^0}=455\cdot 10^5\ [\mbox{cm }\mbox{kg}\mbox{ sek}^{-2}] Die Wurzeln der Regulatorgleichung seien α1 = – 8 [sek– 1] α2= – 10 [sek– 1]. Der Regulator ist also beinahe aperiodisch gedämpft, da α1 und α2 ungefähr gleich sind. Diese Angaben genügen, um P, Q, R zu berechnen. Es ist: P = 0,88358 Q = – 0,26268 R = – 0,00535. Und die Wurzeln der Gleichung 19 werden λ1 = – 0,01910 λ2 = 0,45134 + i√0,07621 λ3 = 0,45134 – i√0,07621 Die Absolutwerte sämtlicher λ sind also kleiner als die Einheit, die Störung wird in einen neuen Beharrungszustand übergehen. Der genaue Verlauf einer Störung, wenn die Maschine bei voller Belastung plötzlich total entlastet wird, ist in Fig. 4 schaubildlich dargestellt. Die einzelnen Punkte sind nach unseren Formeln berechnet. Nach 10 Hüben, d.h. schon nach 3,75 Sek. ist der neue Beharrungszustand erreicht. Textabbildung Bd. 322, S. 357 Fig. 4. Regulatorstellung; Maschinengeschwindigkeit. Wir wollen jetzt das Verhalten der Maschinenanlage untersuchen für den Fall, daß die Oelbremse des Regulators abgeschaltet wird und daß das Stellzeug auch keine nennenswerte Reibung verursache, die als Dämpfung gelten kann. Dann ist b = 0 zu setzen und die Größe α in Gleichung 22 wird α = 9 [sek– 1]. Hiermit findet sich P = – 1,38619 Q = + 0,19145 R = + 0,55967. Die Wurzeln der Gleichung 19 nehmen dann folgende Werte an: λ1 = + 0,58381 λ2 = – 0,87744 λ3 = – 1,09256 Da λ3 absolut größer als die Einheit ist, kann die Regulierung nicht stabil sein (s. Fig. 5). Die Amplituden der Regulatorbewegung und die Schwankungen der Winkelgeschwindigkeit der Maschine nehmen fortgesetzt zu. Diesem Uebelstand kann aber jetzt dadurch abgeholfen werden, daß man das Schwungrad vergrößert, etwa so, daß γ = 0,8 [sek– 1] wird. Textabbildung Bd. 322, S. 358 Fig. 5. Regulatorstellung; Maschinengeschwindigkeit. Textabbildung Bd. 322, S. 358 Fig. 6. Regulatorstellung; Maschinengeschwindigkeit. Berechnet man mit diesem γ bei übrigens ungebremstem Regulator von neuem die Stabilitätsbedingungen, so ergibt sich: P = – 1,26465 Q = + 0,39968 R = + 0,68121 und die Wurzeln λ1 = + 0,69940 λ2 = – 0,98203 + i√0,00961 λ3 = – 0,98203 –  i√0,00961 Da die absoluten Beträge von λ2 und λ3 kleiner als die Einheit sind, so ist die Regulierung durch die Schwungradvergrößerung wieder brauchbar geworden. Die graphische Darstellung des Strömungsvorganges ist in Fig. 6 enthalten. Zuerst nehmen die Regulatorausschläge zu, dann wieder ab, um von neuem zu einem Maximum zu wachsen, welches aber kleiner ist als das vorhergehende. So geht es fort, bis der Regulator und damit die Maschine zur Ruhe kommt. Hier hat der Störungsverlauf den Charakter einer Schwingung mit abklingenden Schwebungen. Die Zeitdauer des ganzen Vorganges ist allerdings wesentlich länger als bei dem zuerst betrachteten und beträgt etwa 45 Sekunden. Diese Zeitdauer kann noch erheblich abgekürzt werden durch zweckmäßige Wahl des Regulators. Letzterer ist wesentlich durch die Zahl α charakterisiert. Nun ist aber die Größe R=\gamma\,\left\{\frac{\mbox{sin}\,\alpha\,T}{\alpha}-T\right\}+1 das Produkt der drei Wurzeln λ und es steht zu erwarten, daß die Wurzeln kleiner werden, wenn ihr Produkt kleiner wird. Diese Schlußfolgerung ist zwar nicht mathematisch scharf, da auch noch P und Q in Betracht kommen; da aber eine genaue Untersuchung hier zu viel Raum beanspruchen würde, so wollen wir uns mit jener genäherten Annahme begnügen. Bestimmen wir also auf Grund dieser Annahme α so, daß R ein Minimum wird. Die nach α aufzulösende Gleichung ist: \frac{d\,R}{d\,\alpha}=\gamma\,\frac{\alpha\,T\,\mbox{cos}\,\alpha\,T-\mbox{sin}\,\alpha\,T}{\alpha^2}=0 oder αT = tg α T. Löst man diese Gleichung auf, so folgt: αT = 257°,5 = 4,489. Berechnet man mit diesem αT die Größen PQR, so findet sich: P = 0,19195 Q = – 0,55965 R = 0,63483 und die Wurzeln der charakteristischen Gleichung λ3– Pλ2– Qλ – R = 0 sind λ1 = 0,69665 λ2= – 0,25235 + i√0,84757 λ3= – 0,25235 – i√0,84757 Der so bestimmte Schwingungsvorgang verläuft nun viel rascher konvergent als der vorhergehende; man findet, daß schon nach etwa 30 Hüben, d.h. nach etwa 12 Sekunden die Maschine zur Ruhe gekommen ist. Durch Vorführung dieser Beispiele dürfte der qualitative Beweis erbracht sein, daß der Regelungsvorgang einer Dampfmaschine infolge der unstetigen Einwirkung des Reglers auf das Kraftfeld auch dann stabil verlaufen kann, wenn die Dampfmaschine vollkommen reibungslos und der Regler ungedämpft ist. Die schon von Wischnegradsky erkannte Tatsache, daß eine Oelbremse stets abkürzend auf den Störungsvorgang wirkt, wird hierdurch nicht beeinträchtigt; die mitgeteilten Resultate dürften aber eine Erklärung dafür bieten, daß öfter Dampfmaschinen beobachtet werden, die auch ohne Oelbremse am Regulator befriedigend regulieren. Um nun auch noch den Fall des astatischen mit Bremse ausgerüsteten Regulators zu erledigen, können wir uns kürzer fassen. Hier sei etwa α1 = 0; α2 = α. Die Größen PQR reduzieren sich jetzt auf e + 2, – 2e – 1, e, wo e = eαT gesetzt ist. Die drei Wurzeln der charakteristischen Gleichung werden dann einfach (wie man sich leicht überzeugt): λ1 = 1 λ2 = 1 λ3 = eαT. Dieser Fall muß aber ausgeschlossen werden, da sonst die Konstanten C der Gleichung 18 zum Teil unendlich werden würden. Ebenso ist der Fall des ungebremsten astatischen Regulators (α1 = α2 = 0) auszuschließen, da hier mit λ1 = λ2 = λ3 =  1 die Konstanten C jener Gleichung ebenfalls unendlich werden. Sonach bleibt der Satz 4 der Wischnegradsky-Stodolaschen Theorie durch unsere Entwicklungen unberührt.