Titel: | Generelles Projekt der Zugspitzbahn. |
Autor: | Hans A. Martens |
Fundstelle: | Band 322, Jahrgang 1907, S. 388 |
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Generelles Projekt der Zugspitzbahn.
Mitgeteilt von Hans A. Martens.
Generelles Projekt der Zugspitzbahn.
Die von Zivilingenieur W. A. Müller verfaßte Denkschrift nebst
Erläuterungsbericht, Kostenvoranschlag und Rentabilitäts-Berechnung zum generellen
Projekt der Zugspitzbahn ist das Ergebnis eingehender Studien, die der Verfasser
schon seit Jahren vorgenommen hat und die ihn zu einer Lösung geführt haben, welche
sowohl technisch als auch wirtschaftlich möglich zu sein scheint. Andererseits
hat der Gedanke, den höchsten und großartigen Gebirgsgipfel des deutschen Reiches
durch eine Bergbahn zugänglich zu machen, eine deutsch-nationale Färbung: Schon aus
diesem Grunde verdient er in weitesten deutschen, nicht nur technischen Kreisen
bekannt zu werden,
um für ihn das Interesse wachzurufen, damit deutsche Ingenieurkunst und deutsches
Kapital ihn in die Tat umzusetzen vermögen. Ist doch die Gefahr nicht gering, daß
die Zugspitze, so nahe der Grenze gelegen, von österreichischer Seite durch eine
Bahn erklommen wird und dann die wirtschaftlichen Erfolge der Bahn dem Ausland
zugute kommen.
In der Versammlung des „Fremdenverkehrsvereins für München und das
bayrische Hochland“ am 23. Februar 1907 wurde erstmalig über
das durch die vorliegende Denkschrift festgelegte endgültige Projekt referiert, das
allgemeinen Anklang fand und „bei allen Zuhörern hellste Begeisterung
entflammte“. Es bildete sich ein Zugspitzbahn-Komitee mit dem Auftrage, das
Projekt tunlichst zu fördern. Somit kann mit Befriedigung festgestellt werden, daß
die Zugspitzbahn an sich als gesichert gelten kann. Und da sie auch bezüglich der
technischen Ausführbarkeit und der Wirtschaftlichkeit des Betriebes keine Utopie
mehr ist, so folgen wir der Denkschrift, die wir nachstehend im Auszug
wiedergeben.
Nachdem in den Schweizer Alpen u.a. Rigi, Pilatus, Jungfrau durch eine Bahn
erschlossen sind, lag es ohne weiteres nahe, die fast 3000 m hohe Zugspitze durch
eine Bergbahn zugänglich zu machen, für welche die wirtschaftlichen Grundlagen als
besonders günstig bezeichnet werden können. Von besonderer Bedeutung für eine rein
touristischen Zwecken dienende Bahn ist die Nähe großer Verkehrszentren, durch
welche der sommerliche Fremdenstrom wogt: München ist ein solches als Bremspunkt des
internationalen Durchgangsverkehrs Deutschland-Italien, Frankreich-Oesterreich und
als Ausgangspunkt des Touristenverkehrs in das bayrische Hochland und das
Salzkammergut. Nicht weniger günstig ist es zu bezeichnen, daß die beiden
Sommerfrischen Garmisch und Partenkirchen in naher Zeit ein bedeutungsvoller
Knotenpunkt für wichtige Vollbahnstrecken sein werden, deren Bau bereits gesichert,
zum Teil schon in Angriff genommen ist: Garmisch-Partenkirchen soll Ausgangspunkt
der Zugspitzbahn werden. Die Zugspitzbahn zerfällt in zwei Hauptteile, und zwar in
eine flachere Talbahn von Garmisch-Partenkirchen bis zu dem vielbesuchten Eibsee,
woselbst sich eine steilere Bergbahn bis zur Zugspitze anschließt. Für die Talbahn,
welche in ihrem letzten Teile größere Höhenunterschiede zu überwinden hat, ist eine
gewöhnliche Ueberlandbahn mit Reibungsbetrieb und Längenentwicklung im steileren
Teil vorgesehen, nachdem das Projekt einer vereinigten Reibungs- und Zahnbahn als zu
unwirtschaftlich erkannt worden war. Für die eigentliche Bergbahn vom Eibsee bis zur
Zugspitze mit einem Höhenunterschiede von fast 2000 m war die Frage Zahnbahn oder
Seilbahn zu entscheiden gewesen. Die Bearbeitung ließ eine Seilbahn als das
technisch und wirtschaftlich geeignetste Verkehrsmittel erscheinen. Da Seilbahnen
nur bis höchstens 2,5 km Länge ausführbar sind, ergibt sich eine Teilung in zwei
selbstständige, unabhängig voneinander betriebene Seilbahnstrecken. Die erste
Strecke, vom Eibsee bis auf 1820 m Höhe, ist als offene Strecke gebaut. Die zweite
obere liegt bis auf die ersten 65 m gänzlich im Tunnel. Diese Tunnelbahn ist
gegenüber einer offenen Zahn- oder Seilbahn von erheblich größerem Vorteil. Sie
bietet Schutz gegen Steinschlag, Schnee und Lawinen und gestattet eine um wenigstens
vier Wochen längere Betriebszeit als die offene Strecke, da in Höhen über 2000 m bis
zum Mai und schon vom September ab Schnee auftritt. Für den Bau liegen die
Verhältnisse ebenfalls zugunsten der Tunnelbahn. Nach den Erfahrungen beim Bau
anderer Bergbahnen käme für eine offene Bahn in den Höhen nur eine Bauzeit von vier
Monaten im Sommer in Frage, während die Tunnelbahn ohne Unterbrechung in Tag- und
Nachtschicht gebaut werden kann, so daß ihr 300 24-stündige Arbeitstage
gegenüber 100 zehnstündigen Arbeitstagen bei einer offenen Bahn zur Verfügung
stehen. Weiterhin kommt in Betracht, daß bei etwa 2700 m Höhe die kritische
Arbeitsgrenze liegt, d.h. von dieser Höhe an nimmt in der offenen Strecke die
Leistungsfähigkeit der Arbeiter schnell ab. Dagegen lehren die Erfahrungen beim Bau
der Jungfraubahn, welche von 2300 m Höhe ab gänzlich im Tunnel liegt, daß selbst bei
über 3200 m noch keine schädlichen Einflüsse auf die Gesundheit der Arbeiter sich
bemerkbar machen. Schließlich kommt hinzu, daß die Kosten einer offenen Zahnbahn mit
ihrer längeren Linienentwicklung, den zahlreichen Kunstbauten und der langen
Stromzuleitung bedeutend höher sind wie die einer Seilbahnanlage in mehreren
Strecken, selbst wenn, wie hier die obere, kurze Strecke gänzlich im Tunnel liegt.
Und als letztes nicht geringstes sprechen für die Tunnelbahn ästhetische
Rücksichten. Zwar steht Schreiber dieses Referats keineswegs auf dem Standpunkt, daß
der Eindruck der Natur durch die Attribute moderner Verkehrstechnik, wie kühne
Viadukte, Brücken in schlanker Linienführung der Konstruktionsteile,
Bahnhofsgebäude, angepaßt in der Architektur dem bodenständigen Stil der
betreffenden Gegend auf jeden Fall zerstört wird. Aber bedauerlicherweise muß bei
dem Projekt einer rein touristischen Zwecken dienenden Bergbahn mit dem beschämenden
Unvermögen eines der technischsten aller Kulturvölker gerechnet werden, welches die
„technische Schönheit“, die in der besten Form für den zu erfüllenden
Zweck zum Ausdruck kommt, noch immer nicht zu begreifen vermag. Aus diesem Grunde
beruhigt eine Tunnelbahn auf einen Berggipfel die Gemüter sichtlich und wird dazu
beitragen das Projekt schneller volkstümlich zu machen.
Für den Antrieb hat sich auf Grund von Vergleichsrechnungen das folgende System als
das wirtschaftliche herausgestellt.
Für die Talbahn: Gewöhnliche Fahrdrahtleitung mit 850 Volt Betriebsspannung unter
Verwendung einer Pufferbatterie im Kraftwerk. Für die Bergbahn: Fernübertragung von
hochgespanntem Drehstrom (6000 Volt) vom Kraftwerk zu der vereinigten
Antriebsstation der beiden Seilbahnstrecken, wo die Umformung in 500 voltigen
Gleichstrom stattfindet, der zum Betriebe der Nebenanschlußmotoren dient. Eine
Akkumulatorenbatterie für beide Seilbahnstrecken wird bei Stromrückgewinnung
teilweise aufgeladen.
Die Batterien geben den Vorteil, daß die Primärmaschinen in den ersten Morgen- und
letzten Abendstunden nicht in Betrieb sein brauchen, und daß eine ausreichende
Reserve vorhanden ist.
Für die Stromerzeugung wurden alle Möglichkeiten untersucht: Am billigsten in Bau und
Betrieb wird ein Dampfkraftwerk, welches die KW/Std. zu rund 11 Pfennig abzugeben
vermag. Bei Stromentnahme von einem der geplanten großen bayerischen
Wasserkraftwerke wird der Strompreis noch unter den angegebenen sinken, wobei sich
auch Anlage- und Betriebskosten der Bahn um ein Geringes vermindern werden.
Interessante technische Einzelheiten bringt der zweite Teil der Schrift, der
„technische Erläuterungsbericht“.
Die mehrspurige Talbahn mit durchweg eigenem Bahnkörper beginnt in etwa 300 m
Entfernung vom Bahnhof Garmisch-Partenkirchen der Lokaleisenbahn von München (Fig. 1). Die Station Eibsee ist etwa sechs Minuten
vom Eibsee entfernt angelegt. Die Gesamtlänge der Talbahn beträgt 11,8 km mit einer
größten Steigung von 60‰, einem kleinsten Krümmungshalbmesser von 60 m auf der
freien Strecke und einem gesamten Höhenunterschied von 318 m zwischen den
Endstationen. Die Station Garmisch-Partenkirchen ist als Endschleife
ausgebildet, während auf Station Eibsee ein weniger Raum beanspruchendes
Gleisdreieck vorgesehen ist, um die bis zu drei Wagen starken Züge mit elektrischem
Antriebswagen an der Spitze – letztere sind zur Kosten- und Gewichtsverminderung nur
mit einseitigem Führerstand ausgebildet – mit wenig Zeitverlust für die Rückfahrt
wieder betriebsfertig zu haben.
Bei Station Eibsee beginnt die eigentliche Bergbahn mit der ersten Teilstrecke der
Seilbahn (Fig. 2). Mit einer mittleren Steigung von
366,97 ‰ steigt sie bei einer schrägen Länge von 2330 m und einem gesamten
Höhenunterschiede von 800 m bis zur etwas oberhalb der Baumgrenze liegenden
Umsteigestation Riffelalp auf. Hier beginnt die Seilbahnstrecke II, welche mit
Ausnahme der ersten 65 m ganz im Tunnel liegt und in grader Richtung mit einer
gleichbleibenden Steigung von 666,67 ‰ bei schräger Länge von 1766 m die Endstation
Zugspitze erreicht. Der Höhenunterschied zwischen Station Riffelalp und Zugspitze
beträgt 980 m. In Höhe der Endstation sind eine geschützte Terrasse und ein Hotel
gedacht, von wo bequeme Wege zum Gipfel führen sollen. Die Station liegt in 2800 m
Höhe noch 164 m unter dem Westgipfel.
Textabbildung Bd. 322, S. 390
Fig. 2.Höhenplan der Bergstrecke Eibsee–Zugspitze.
Maßstab für die Längen 1 : 75000;
Maßstab für die Höhen 1 : 24000; Betriebslänge der Bergstrecke (schräg
gemessen.)
Die Gesamtlänge der Zugspitzbahn beträgt 15,450 km, wovon 3,65 km auf die
Seilbahnstrecke entfallen. Die Talbahnstrecke hat drei Zwischenstationen, von denen
die Station Garmisch-Badersee die Grenze zwischen der ersten Flachstrecke und der
zweiten Steilstrecke bildet, deren Steigungen entsprechend die Fahrgeschwindigkeiten
auf 40 km und 18 km/Std. festgesetzt sind; als Mittelwerte gelten 30 und 16 km/Std. Auf den
Seilbahnstrecken wird mit den mittleren Geschwindigkeiten von 7,2 km und 5,4 km
gefahren. Danach ergeben sich die Fahrzeiten auf der Talbahn zu 35 Minuten, auf den
beiden Seilbahnstrecken zu je 21 Minuten, so daß die ganze Fahrdauer von Garmisch
bis Zugspitze einschließlich der Aufenthalte 90 Minuten beträgt. Die Züge sollen im
Anschluß an die aus München eintreffenden Züge fahren. Bei mittlerem Verkehr in
der Reisezeit werden etwa 70000 Zug/km gefahren, wovon etwa 52000 auf die Talbahn
entfallen. Die Betriebszeit ist vom 1. Mai bis 31. Oktober für die Talbahn, vom 10.
Mai bis 20. Oktober für die Bergbahn in Aussicht genommen.
Zur Erzielung eines theoretisch geringsten und gleichbleibenden Kraftbedarfes müßte
das Längenprofil der beiden Seilbahnen eine Parabel nach zu berechnender Gleichung
sein. Für die untere Seilbahnstrecke wurde ein angenähertes theoretisches Profil
gewählt. Für die obere, die mit Ausgleichseil betrieben wird, auf der also
veränderliche Seilgewichtskomponenten nicht auftreten, ist die theoretisch richtige
gerade Linie mit konstanter Steigung ausgeführt, was der Tunnelherstellung zugute
kommt.
Der Unterbau der Talbahn wird in üblicher Weise ausgeführt. Bei den Seilbahnstrecken
kommt je nach der Steigung und den geologischen Verhältnissen zur Anwendung:
gewöhnliches Schotterbett, zwei durchlaufende Stützmauern mit Zwischenfüllung,
treppenförmig in den Felsgrund eingelassener Mauerkörper. Sonstige Kunstbauten außer
den Tunnels sind nicht nennenswert. Die beiden Tunnels der Talbahn werden ganz
ausgemauert; desgleichen der eine der Seilbahnstrecke I. Der große Riffeltunnel der
Seilbahnstrecke II wird nur auf eine Länge von 600 m ganz ausgemauert, während er
sonst nicht ausgewölbt wird, da nach dem geologischen Befund der Fels sehr gut
steht. Der Bau des Tunnels wird insofern geringere Schwierigkeiten bieten, als
Temperaturerhöhung nicht zu erwarten steht, vielmehr nach den Erfahrungen beim
Jungfraubahntunnel mit dem Gegenteil gerechnet werden muß. So wird sich die Lüftung,
die nicht gleichzeitig eine Kühlung zu bewirken hat, auch einfach gestalten, wie
auch die Förderung des Ausbruchsmaterials durch die starke Steigung unter Verwendung
einer Art Rutschbahn sehr erleichtert wird.
Der Oberbau der Talbahn bietet auf der Flachstrecke nichts bemerkenswertes; auf der
Steilstrecke wird der Oberbau durch einige Mauersätze gegen Wandern gesichert. Der
Seilbahnoberbau besteht aus Bergbahnschienen mit konischem Kopf, um den die
Zangenbremsen greifen. Die Schienen sind im unteren Teil der Seilbahnstrecke in
Schotter auf Flußeisenschwellen verlegt, während sie auf dem gemauerten Unterbau
sowie im Tunnel auf Winkeleisenstücke befestigt werden, die in einer über dem
Mauerkörper aufgebrachten 30 cm hohen Rollschicht vergossen sind. Die Ausweichen
sind selbsttätig, indem die beiden äußeren Schienenstränge durchlaufen; daher haben
nur die jeweilig rechts in der Fahrtrichtung liegenden Räder doppelte Spurkränze,
während die Innenräder ohne solche sind.
Textabbildung Bd. 322, S. 390
Fig. 1. Höhenplan der Talstrecke Garmisch–Eibsee.
; Maßstab für die Längen 1 :
150000; Maßstab für die Höhen 1 : 7500.
Auf der Talbahnstation Badersee-Grainau befindet sich eine größere
Ausbesserungswerkstätte, während auf den Stationen Garmisch und Riffelalp kleinere Werkstätten
errichtet werden.
Die Fahrzeuge der Talbahn und Seilbahn stehen bezüglich des nutzbaren Fassungsraumes
in gegenseitiger Abhängigkeit. Für den Seilbahnwagen ist ein Fassungsvermögen von 68
Personen angenommen. Da die Talbahn unter Umständen bei starkem Andrang zwei
Seilbahnfahrten zu bedienen haben wird, so müßte ein Talbahnzug 136 Personen
aufnehmen können. Die Drehgestelltriebwagen von 14,00 m Länge und 16,4 t Leergewicht
fassen normal 63 Plätze, im Bedarfsfalle unter Hinzunahme von Stehplätzen im
Mittelgang 75 Plätze. Die offenen 10,2 m langen Anhängewagen sind zweiachsig mit
freien Lenkachsen und 4 m Radstand, haben 4,5 t Leergewicht und fassen normal 40,
höchstens 50 Personen. Als größter Zug gilt ein Triebwagen mit zwei Anhängern, was
einer Beförderung von 175 Personen bei 38 t Zuggewicht entspricht. Die Triebwagen
haben vier Gleichstrom-Hauptschlußmotoren von je 45 PS normaler Leistung, von denen
je einer eine Drehgestellachse mit Zahnradübersetzung 1 : 6 antreibt. Die Motoren
sind für die Linienspannung von 850 Volt gewickelt und können zusammen bis 225 PS
für längere Dauer leisten. Die Stromabnahme von der Fahrleitung erfolgt durch zwei
Kontaktbügel. Der Motorwagen ist mit einer achtklotzigen Ausgleichbremse
ausgerüstet, die durch Luftdruck oder auch von Hand betätigt wird. Auch die Anhänger
sind mit der durchgehenden, bei Zugtrennung selbsttätig wirkenden Luftdruckbremse
ausgerüstet. Die Druckluft wird durch eine Achsluftpumpe erzeugt.
Die Seilbahnwagen erhalten der Steigung entsprechend versetzte Abteile, Die Wagen der
unteren Strecke sind offen mit 6,5 t Leergewicht. Die Wagen der oberen Strecke sind
ganz geschlossen mit herablaßbaren Fenstern, sowie Schiebetüren auf einer Seite
ausgeführt. Als Führerstand dient eine vorgebaute Plattform mit fünf Stehplätzen.
Die Beleuchtung der Wagen erfolgt im Tunnel durch Azetylenlaternen. Die Bremsen sind
als schließbare Zangenbremsen ausgebildet, die von drei Seiten gegen den
Schienenkopf gepreßt werden. Die beiden zwischen den Laufachsen angeordneten
Bremszangen werden bei Bruch oder Schlaffwerden des Seiles selbsttätig durch eine
mittels Gegengewichten ausgelöste Reibungskupplung durch die Drehung der Räder ohne
plötzlichen Stoß und zuverlässig angezogen. Der Bremsweg betrug bei Versuchen auf
der gleichartigen Mendelbahn knapp 2 m. Oberhalb der oberen Laufachse ist noch eine
dritte Bremszange zur Handbedienung von beiden Führerständen aus angeordnet.
Die Stromzuführung für die Talbahn ist in üblicher Weise vorgesehen. Die
Hochspannungsfernleitung (6000 Volt) vom Kraftwerk zur Maschinenstation der
Seilbahnen auf der Umsteigestation Riffelalp ist auf der Talbahnstrecke auf den
Fahrdrahtmasten, auf der Seilbahnstrecke auf besonderen Holzmasten verlegt. Der
große Riffeltunnel erhält elektrische Beleuchtung durch Drehstrom, der in
schwacher Leitung zur Station und zum Hotel Zugspitze geführt wird.
Besonderes Interesse beansprucht der Antrieb der Seilbahnen. Die untere Strecke wird
vom oberen Ende angetrieben, indem das Seil dreimal um eine dreirillige
Seiltriebscheibe von 4,00 m Durchm. geführt wird, welche durch Zwischenschaltung
eines Zahnradvorgeleges und eines Riementriebes von einem 100 PS-Nebenschlußmotor
(600 Volt) angetrieben wird. Als Reserve dient ein zweiter Motor. Auf der
Zwischenvorgelegewelle befindet sich eine Holzbackenbremse, die vom Führerstand des
Maschinenhauses von Hand und selbsttätig bei zu weitem Einfahren des Wagens oder bei
Stromunterbrechung betätigt wird. Eine zweite Handbremse ist außerdem noch
vorgesehen. Der Führerstand liegt so, daß der Maschinist die obere Einfahrtstrecke
übersehen kann. Die Stellung der beiden Wagen wird durch einen Teufenzeiger
angegeben. Die obere Strecke erhält ihren Antrieb vom unteren Bahnende durch ein
Ausgleichseil, wie dies z.B. bei der Vesuvbahn ausgeführt wurde. Durch dies System
hat sich die Vereinigung der Antriebstationen beider Strecken erreichen lassen, so
daß auf der oberen Endstation Zugspitze nur eine Umlenkwelle für das Lastseil
erforderlich wird. Das Zugseil wird über zwei Umlenkscheiben auf zwei Spannscheiben
und dann über zwei zweirillige Triebscheiben geleitet. Die Triebscheiben werden
unter Einschaltung eines doppelten Zahnradvorgeleges mittels Riementrieb von einem
80 PS-Motor angetrieben. Ein Reservemotor ist vorhanden. Die Anordnung der Bremse
ist die vorhin beschriebene.
Der vom Kraftwerk zugeführte hochgespannte Drehstrom (6000 Volt) wird in ruhenden
Umformern auf 600 Volt herabtransformiert und dann in Motorumformern in 500-voltigen
Gleichstrom umgeformt, der die Seilbahnmotoren antreibt. Parallel geschaltet ist
eine Batterie für 300 Amp./Std. Die Abmessungen der Seile geben eine zehn- bis
zwölffache Sicherheit gegen Zerreißen. Das Seil von 44 mm Durchm. wird in beständig
geschmierten Seilrollen geführt.
Textabbildung Bd. 322, S. 391
Fig. 3.Bahnhof Badersee mit Kraftwerk, Wagenschuppen und Werkstätte,
Maßstab 1 : 1500.
a Weg von Badersee; b Straße von
Obergrainau nach Eibsee; A Lokomobilenraum; B Dynamoraum; C Schalttafel; D
Betriebsbureau; E Transformatorenraum; F Akkumulatorenraum; G Kohlenlager; H
Werkstätte; J Magazin; K Wagenschuppen; L Drehscheibe; M Wohnhaus für
Maschinenpersonal; N Personal; O Gepäck; P Kasse; Q halboffene Wartehalle; R
Bahnsteig; S Güterschuppen; T Rampe.
In dem auf der Station Badersee-Grainau errichteten Bahnkraftwerk (Fig. 3) werden drei Heißdampf verbundlokomobilen mit
Kondensation für je 200 PS Normalleistung und 330 PS vorübergehende Höchstleistung
zum Antrieb der Dynamos aufgestellt. Der Kohlenverbrauch wird zu 0,63 bis 0,69 kg
auf 1 PSe/Std.
angesetzt. Ein gemauerter Schornstein führt die Rauchgase ab. Das zur Kondensation
nötige Wasser wird durch eine besondere Wasserleitung zugeführt. Die Maschinenanlage
ist für die Tal- und Bergbahn getrennt ausgeführt; nur die Reservemaschinen lassen
sich teilweise für beide Bahnen gemeinschaftlich verwenden. Lokomobile I treibt mittels doppelten Riementriebes eine
Gleichstromdynamo von 150 KW Leistung und 850 Volt Spannung für den Talbahnbetrieb
an. Lokomobile II treibt eine Drehstromdynamo von 150
KW und 600 Volt Spannung für den Bergbahnbetrieb an. Die dritte (Reserve-)
Lokomobile kann auf eine Reserve-Gleichstromdynamo oder Reserve-Drehstromdynamo der
genannten Leistung arbeiten und zwar beide einzeln oder zusammen antreiben. Eine
Pufferbatterie dient als Reserve des Talbahnbetriebes und gibt den Erregerstrom für
die Drehstromdynamos ab. Zwei Zusatzdynamos laden mit einer Spannungserhöhung bis
1000 Volt die Batterie auf. Der 600voltige Drehstrom wird zur Fernleitung nach der
Seilbahnmaschinenstation in Riffelalp auf 6000 Volt in ruhenden Umformern
herauftransformiert.
Der Energiebedarf der Züge ergibt sich unter Berücksichtigung der ungünstigsten Last-
und Streckenverhältnisse aus der Zugkraft und Fahrgeschwindigkeit. Für die Talbahn
ist eine Höchstmotorleistung von 210 PS erforderlich. Mit einem Gesamtwirkungsgrad
von 65 v. H. für die Arbeitsübertragung von der Dampfmaschinenwelle zur Achse des
Triebwagens entspricht dies einer Leistung von 274 PS der Lokomobile im
Kraftwerk.
Für die untere Seilbahnstrecke ergibt sich im ungünstigsten Fall eine Höchstleistung
von 125 PS an der Motorwelle des Triebwerkes, was einer Leistung von 200 PS an der
Maschinenwelle im Kraftwerk entspricht, wenn die Energieübertragung zwischen beiden
Wellen (Drehstromgenerator, Umformer im Kraftwerk, Hochspannungsfernleitung,
Umformer in der Seilbahnmaschinenstation, Umformer für Drehstrom in Gleichstrom,
Gleichstrommotor) mit 62 v. H. Wirkungsgrad bewirkt wird. Die obere Seilbahnstrecke
läßt sich vermittels des Ausgleichseils mit geringerem Arbeitsbedarf betreiben: Er
beträgt nur 91 PS an der Maschinenwelle im Kraftwerk.
Unter Zugrundelegung des Fahrplans für mittleren Verkehr ergibt sich ein mittlerer
Tagesbedarf von 230 PS, wovon 150 PS auf die Talbahn und 80 PS auf die Bergbahn
entfallen.
Die Betriebseröffnung der Bahn ist für den Juli 1910 in Aussicht genommen, wenn im
Frühjahr 1908 mit dem Bau begonnen wird.
Aus dem Kostenaufwande seien folgende Zahlen mitgeteilt:
Grunderwerb 130000 M., Kunstbauten 1625000 M., Betriebsmittel 212000 M., Kraftwerk
264000 M., Antrieb der Seilbahnen 192000 M. Der Kostenvoranschlag schließt mit einer
Gesamtsumme von 4200000 M. ab, wovon 1869400 M. auf die Talbahn und 2330600 M. auf
die Bergbahn entfallen. Als Einheitsfahrpreis gelten für die Talbahn 0,10 M./km, untere
Seilbahn 1,00 M./km, obere Seilbahn 1,80 M./km. Der Fahrpreis für die ganze Strecke beträgt 7,80
M. für einfache Fahrt, 12,50 M. für Hin- und Rückfahrt.
Die Rentabilitätsberechnung enthält folgende Zahlen:
Ausgaben: Reine Betriebskosten, wie Verwaltung, Abfertigung, Zugförderung und
Unterhaltung 140700 M. Ausgaben, wie Einlagen in den Erneuerungsfonds, Tilgungs- und
Reservefonds 19300 M., so daß als Gesamtausgaben 160000 M. erscheinen.
Dem stehen 412000 M. Einnahmen gegenüber, so daß ein Reingewinn von 252000 M.
verbleiben würde. Nach Abzug aller Abschreibungen bliebe bereits für die ersten
Betriebsjahre eine Verzinsung des Aktienkapitals von 4200000 M. mit 6 v. H. Wenn man
Müllers Projekt durchstudiert hat, wird der Wunsch
rege, daß es deutschem Unternehmungsgeist und deutscher Ingenieurkunst gelingen
möge, das Projekt zur Ausführung zu bringen.