Titel: Beiträge zur zeichnerischen Ausmittlung von Steuerungsgetrieben.
Autor: L. Baudiss
Fundstelle: Band 322, Jahrgang 1907, S. 450
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Beiträge zur zeichnerischen Ausmittlung von Steuerungsgetrieben. Von L. Baudiss in Wien. (Fortsetzung von S. 438 d. Bd.) Beiträge zur zeichnerischen Ausmittlung von Steuerungsgetrieben. Es ist ferner von Wichtigkeit, den Einfluß der Aenderung der Lage der Kreuzkopf - (Gleit-) bahn oder der Schubrichtung der abgeleiteten Bewegung bei bestimmter Lage des Punktes c auf dem Stangendreieck abc zu untersuchen. Textabbildung Bd. 322, S. 449 Fig. 17. Textabbildung Bd. 322, S. 449 Fig. 18. Wird wieder ein Kurbelgetriebe der Form (Fig. 13) vorausgesetzt, und soll der Einfluß der Aenderung der Schubrichtung der abgeleiteten Bewegung (SS') untersucht werden, so möge vorerst für die (beliebige) Schubrichtung oS (Fig. 17) die Ersatzexzentrizität wie im Vorstehenden angegeben bestimmt werden, indem mm' senkrecht auf oS errichtet und in die Lage bm'' gedreht wird, wodurch sich der Punkt e des Ersatzexzenters oe ergibt. (Die Kurbellage ob ist wieder senkrecht auf xx' angenommen). Wird der Winkel xom mit Ω, der ∡ xoS mit φ bezeichnet, so ist m'\,m\,o=\frac{\pi}{2}-(\varphi+\Omega)=m'' b o. Zieht man en senkrecht auf xx' so ist c1e n = φ, daher b\,e\,c_1=\frac{\pi}{2}-(\varphi+\Omega)+\varphi=\frac{\pi}{2}-\Omega, d.h. unabhängig von ∡ φ bezw. der Lage der Schubrichtung oS; ändert man die Lage von oS, so ändert auch bm'' und c1e die Lage, der Schnittpunkt e bewegt sich dabei auf einem über b c1 und e verzeichneten Kreis. Wäre die Aufgabe gestellt, die Richtung oS so zu bestimmen, daß bei der Kurbelstellung ob das Ersatzexzenter oe mit oS einen gegebenen ∡ X einschließt, wäre folgendermaßen zu verfahren: Da (Fig. 17) der ∡ c1eo die Größe \frac{\pi}{2}-\chi hat, ist über oc1 als Sehne ein Kreis mit diesem Umfangswinkel zu verzeichnen, außerdem ein Kreis über bc1 als Sehne mit dem Umfangswinkel \frac{\pi}{2}-\Omega; der Schnittpunkt beider Kreise liefert den Ersatzexzenterpunkt e, wodurch auch die Schubrichtung oS bestimmt ist. Um den Einfluß einer Aenderung der Lage der Kreuzkopfbahn auf die Größe und Lage der Ersatzexzentrizität bei unveränderlicher Schubrichtung zu untersuchen, möge für eine bestimmte Lage k1k'1 der Kreuzkopfbahn (Fig. 18) die Ersatzexzentrizität oe in der früher beschriebenen Weise ermittelt werden. Dabei wird z.B. von der Kurbellage om1 ausgegangen, m1m'1oS gezogen, in die Lage bm''1 gedreht, durch den Punkt c1 der Abbildung obc1 des Stangendreiecks abc die Senkrechte auf oS gefällt. Textabbildung Bd. 322, S. 449 Fig. 19. Verdreht man die Kreuzkopf bahn nach k2k'2 und ermittelt in gleicher Weise die Ersatzexzentrizität oe', so liegt e' und e auf derselben in c1 auf oS errichteten Senkrechten, da die zur Konstruktion der Abbildung des Stangendreiecks benutzte Kurbelstellung so gewählt wurde, daß die Abbildung bei Verdrehung der Kreuzkopfbahn ungeändert bleibt. Die Gerade c1e ist daher für den vorliegenden Fall die Scheitel- (oder Zentral-)linie der Ersatzexzentrizität. Die durch b gehenden Geraden bm''1 und bm''2 (Orte von e) schließen, wie leicht einzusehen, denselben Winkel ein wie die Lagen k1k'1 und k2k'2 der Kreuzkopf bahn, die „Ortslinie“ bm''1 dreht sich demnach bei Verdrehen der Kreuzkopfbahn um denselben Winkel wie letzterer, jedoch in entgegengesetztem Sinn. Es kann mitunter wünschenswert sein, die Verhältnisse so zu wählen, daß eine Verdrehung der Kreuzkopfbahn ohne Einfluß auf die Größe und Lage der Ersatzexzentrizität bleibt. Dies wird offenbar dann der Fall sein, wenn die Seite bc1 der Abbildung des Stangendreiecks senkrecht steht auf oS (Fig. 19); die Ersatzexzentrizität fällt dann mit der Kurbel ob zusammen. Da hierbei c1b mit ob den ∡ φ = Sox einschließt, wird der gestellten Bedingung entsprochen,s. Leist, a. a. O. wenn die Richtung der Seite bc des Stangendreiecks in die Schubrichtung oS fällt (wobei natürlich abxx' gelegt zu denken ist). Textabbildung Bd. 322, S. 450 Fig. 20. Eine Anwendung hiervon wird z.B. bei der bekannten Radoxanovic-Ventilsteuerung gemacht, wenn der Antrieb des Auslaßventiles von einem am Exzenterring befindlichen Auge erfolgt (Fig. 20); wird das Mittel des letzteren auf einer durch den Exzentermittelpunkt gehenden, in die mittlere Schubrichtung der Auslaßsteuerstange fallenden Geraden gewählt (dabei die Mittellinie des Exzenterhebels in xx' liegend gedacht, Fig. 21) so kann von der Füllungsänderung bezw. Kulissen Verdrehung unabhängige Dampfverteilung für den Auslaß erzielt werden. Es kann aber auch erwünscht sein, bei einer derartigen Steuerung gleichzeitig mit der Aenderung des Füllungsgrades eine bestimmte Aenderung der Auslaßverhältnisse herbeizuführen; dies ist manchmal bei den Steuerungen der Hochdruckzylinder der Verbundmaschinen der Fall, wenn bei kleinen Füllungsgraden größere, bei großen Füllungsgraden kleinere Kompression eingestellt werden soll. Textabbildung Bd. 322, S. 450 Fig. 21. Sind die für die Anforderungen der Einlaßsteuerung auszumittelnden Kulissenlagen gegeben (z.B. k1k'1 für die größte, k2k'2 für die kleinste Füllung) (Fig. 21), so sind die Ortsgeraden bm''1 und bm''2 der Ersatzexzenterpunkt e für den Auslaß nach Früherem zu ermitteln und die Ersatzexzentrizitäten in der gewünschten Lage in oe1 und oe2 einzutragen, wobei natürlich die Gerade e1e2 senkrecht auf oS stehen muß. In der Abbildung des Exzenterhebels ist dann das Auge für die Auslaßsteuerung auf e1e2 liegend anzunehmen. Es ist jedoch zu beachten, daß bei dieser Konstruktion das Ersatzexzenter vorausgesetzt wurde, daß die in der Richtung xx' um die Strecke ab verschobenen Kreuzkopfbahnen (bezw. Kulissenmittellinien) durch den Mittelpunkt o des Kurbelkreises gehen; trifft diese Voraussetzung nicht zu, so hat eine Verdrehung der Kreuzkopfbahn (Kulisse) nicht nur eine Aenderung der Gestalt der Bahnellipse, sondern auch eine Verschiebung des Mittelpunktes derselben bezw. des Ersatzexzenterkreises zur Folge, was später noch untersucht werden soll. Vorerst möge noch die Anwendung des beschriebenen Verfahrens zur Bestimmung der Ersatzexzentrizität auf eine Getriebekette gezeigt werden. Besteht z.B. der Steuerungsmechanismus aus zwei Getrieben (Fig. 22), welche so angeordnet sind, daß die Schubstange (bezw. das Stangendreieck) a1b1c1 des ersten (Schubkurbel-) Getriebes an die Antriebskurbel, dagegen die Schubstange a2c1c2 des zweiten Getriebes in q an die Schubstange des ersten Getriebes angeschlossen ist, und wird die Bewegung des Steuerorganes von c2 in der Richtung c2S abgeleitet, so unterscheidet sich das zweite Getriebe vom bereits behandelten Schubkurbelgetriebe dadurch, daß die Bahn des angetriebenen Punktes c1 der Schubstange kein Kreis, sondern eine Ellipse ist. Textabbildung Bd. 322, S. 450 Fig. 22. Da hierbei, wie aus dem früheren ohne weiteres folgt, die Bahn von c2 der Bahn von c1 affin ist, muß erstere Bahn gleichfalls eine Ellipse sein. Die Ersatzexzentrizität für die Bahn von c2 läßt sich, wie leicht einzusehen, finden, wenn zwei Ellipsenpunkte, welche nicht auf demselben Durchmesser liegen, sowie die zugehörigen Stellungen der Antriebkurbel (des ersten Getriebes) bekannt sind. Die Konstruktion kann nunmehr in folgender Weise durchgeführt werden: Es wird (Fig. 23) der Kurbelkreis verzeichnet, die mittleren Schubrichtungen (xx' und ξξ') der Schubstangen (a1b1 und a2c1) und die Kreuzkopfbahnen (k1k'1 und k2k'2) für beide Getriebe, sowie die Richtung oS der Ableitung der Bewegung eingetragen. Textabbildung Bd. 322, S. 450 Fig. 23. Die beiden Kreuzkopf bahnen k1k'1 und k2k'2 stellen die Affinitätsachsen für die Beziehungen zwischen dem Kurbelkreis und der Bahnellipse von c1 sowie zwischen dieser und der Bahn von c2 vor. Auf der ersten Affinitätsachse k1k'1 liegen die Schnittpunkte des Kurbelkreises mit der Bahn von c1. auf der zweiten Affinitätsachse k2k'2 die Schnittpunkte der beiden Bahnellipsen von c1 und c2. Bestimmt man daher die auf k2k'2 fallenden Punkte der Ellipse c1 so sind diese Punkte auch zur Bahn von c2 gehörig. Um nun diese Punkte (bezw. einen derselben) zu finden, ist es nur erforderlich, jenen Durchmesser des Kurbelkreises zu ermitteln, welchem k2k'2 bezüglich der Achse k1k'1 affin zugeordnet ist. Wählt man auf k2k'2 einen beliebigen Punkt i und verzeichnet das Dreieck ihl ähnlich ∆ c1a1bl so zwar, daß lh senkrecht auf xx' und h auf k1k'1 liegt, so bestimmt ol jenen Durchmesser des Kurbelkreises, welchem k2k'2 affin ist. Zieht man durch den Schnittpunkt p von ol mit dem Kurbelkreis den Affinitätsstrahl pqli, so ist der Schnittpunkt q desselben mit k2k'2 ein beiden Ellipsen gemeinsamer Punkt. Wird ferner durch q eine Senkrechte qr auf oS errichtet, so ist diese der Ort des Ersatzexzenterpunktes e und zwar für die Stellung op der Antriebskurbel. Dreht man nun die Kurbel aus op samt der Ortslinie qr in eine andere beliebige Lage und bestimmt für diese Kurbellage zunächst den zugehörigen Punkt der Bahn von c1 mittels eines a1bc1 ähnlichen Affinitätsdreiecks, ferner den zugehörigen Punkt der Bahn von c2 durch Verzeichnen eines dem Dreieck a2c1c2 ähnlichen Affinitätsdreiecks, so ist der Ersatzexzenter nach Früherem leicht zu bestimmen. Die Konstruktion läßt sich aber vereinfachen, wenn als zweite Kurbellage jene gewählt wird, welche mit der Kreuzkopf bahn k1k'1 (der ersten Affinitätsachse) zusammenfällt, da hierbei das erste der beiden zu verzeichnenden Affinitätsdreiecke verschwindet. Wird also die Kurbel aus op nach om gedreht, wobei die Ortslinie qr nach r'r'' kommt, so ist m der dieser Kurbelstellung zugehörige Punkt der Bahn von c1. Verzeichnet man das Dreieck muc'2 ähnlich dem Dreieck c1a2c2 (wobei muξξ') so ist c'2 der zur Kurbelstellung om gehörige Punkt der Bahn von c2; die in c'2 auf oS errichtete Senkrechte ergibt im Schnitt mit r'r'' den Punkt e der Ersatzexzentrizität oe, und zwar in der der Kurbelstellung om entsprechenden Lage. (Schluß folgt.)